- Herr Striegel, Sie müssen diese Meinung nicht teilen. Das erwartet niemand. Aber diese Sichtweise ist weder homophob noch verwerflich; sie ist ehrlich und klar.
Deshalb ist es auch nicht hinzunehmen, dass darauf mit Häme oder Intoleranz reagiert wird. Wir hatten vorhin bereits gesagt, dass das Bundesverfassungsgericht das ähnlich sieht. Deswegen werden wir heute in diesem Hohen Haus auch keine endgültige Entscheidung zu dem Thema treffen können. Ich weiß, dass das sehr viele erbost und dass das einige Betroffene als ungerecht empfinden.
Ein Drama ist es allerdings nicht angesichts der bereits erzielten fast vollständigen Angleichung. Eine offene Gesellschaft zeichnet sich eben nicht durch oberflächliche Gleichmacherei aus.
(Zustimmung bei der CDU - Frau Budde, SPD: Was? - Herr Striegel, GRÜNE: Das ist unglaublich! - Zurufe bei der LINKEN)
Frau Koch-Kupfer, warten Sie bitte einen Moment. Es gibt vier Fragesteller. Ich frage Sie, ob sie deren Fragen beantworten wollen.
Sie wollen jetzt also keine Fragen beantworten? - Dann kann ich die vier Fragesteller Frau von Angern, Herrn Lange, Herrn Striegel und Frau Lüddemann nur fragen, ob Sie Kurzinterventionen abgeben wollen. - Herr Striegel und Herr Lange möchten das. Dann ist jetzt Herr Lange dran.
Ich hätte Frau Koch-Kupfer gern gefragt, was eine Partnerschaft gleichgeschlechtlich Lebender so anders macht, dass man ein eigenes Rechtsinstitut dafür braucht; denn nichts anderes ist das.
Von Gleichmacherei zu reden, ist schon abenteuerlich. Ich stelle fest, dass die CDU die einzige Partei ist, die in demokratisch gewählten Gremien in diesem Land sitzt, die weiterhin an einer diskriminierenden Haltung gegenüber Homosexuellen festhält.
Ich sage Ihnen: Ändern Sie Ihre Positionen an dieser Stelle oder gehen Sie einfach aus den Regierungen heraus und machen sie endlich Platz für Fortschritt in dieser Gesellschaft.
(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Herr Leimbach, CDU: Alle, die nicht Ihrer Meinung sind, diskriminieren! - Weitere Zurufe von der CDU)
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beifall und Missfallen gehören zu unserem Geschäft. Ich darf die jeweiligen Redner bitten, ein bisschen abzuwarten, bis die jeweilige Äußerung vorbei ist, sonst kommen Ihre Worte nichts ins Protokoll. - Jetzt ist Herr Striegel dran.
Frau Koch-Kupfer. Der Punkt ist ein ganz anderer: Sie haben uns lang und breit erklärt, warum es eigentlich keinen Unterschied geben dürfte, um am Ende zu sagen, es müsse ihn trotzdem geben, und zwar letztlich aus Gründen der Parteiräson der CDU.
Sie haben Argumente dafür vorgetragen, dass es eine Gewissensentscheidung ist. Dann müssten Sie folgerichtig die Abstimmung hier an dieser Stelle und auch im Deutschen Bundestag freigeben. Dann könnten wir hier mit einer Gewissensentscheidung aller Abgeordneten genau zur Position kommen. Sie können Ihre Position behalten. Das wäre kein Problem.
Klar ist: Am Ende ist Ihr Redebeitrag einer gewesen - da kann ich dem Kollegen Lange nur beipflichten -, mit dem die Diskriminierung weiterhin aufrechterhalten wird. Und das ist falsch. Das müssen wir überwinden.
Jetzt frage ich den übersehenen Herrn Gallert, ob er sein Privileg als Fraktionsvorsitzender nutzen möchte.
Die anderen wollten nicht. Deswegen frage ich Sie. Jetzt reden Sie als Fraktionsvorsitzender. Sie haben das Wort.
Ich habe mich zu Wort gemeldet, weil ich nicht nur darauf hinweisen will, dass wir diese Position, die Sie gleichgeschlechtlichen Partnern oder Ehen gegenüber einnehmen, im Endeffekt sehr wohl als diskriminierend empfinden. Das hat der Kollege Hendrik Lange schon getan.
Ich habe mich außerdem noch zu Wort gemeldet, weil ich meine, dass wir noch ein anderes Problem haben. Ich erlebe die CDU in dieser Frage zurzeit als extrem ambivalent. Ich erlebe sie als extrem ambivalent je nachdem, wer gerade der Zuhörer ist. Ich erlebe da tatsächlich Positionen, die sich äußerst radikal ein Stück weit auf Stammtischniveau begeben, gegen jedweden gesellschaftlichen Fortschritt, gegen jedwede Anerkennung anderer Lebensweisen.
Sie bestätigen das mit Geschichten wie: Ein Kind braucht Vater, Mutter, Kind, ansonsten hat es offensichtlich eine defizitäre Lebensumwelt. Das ist, finde ich schon, ganz harter Tobak.
Es ist interessant, dass in anderen Kontexten, wenn das Publikum ein anderes ist und man sich andere Mehrheiten erhofft, auf einmal ganz andere Positionen eingenommen werden, dass man dabei sehr flexibel ist. Ich verlange von Ihnen eigentlich, dass Sie als CDU sich als Partei überhaupt einmal zu einer Position durchringen, damit die Menschen Sie erkennen können. Denn das gehört zur Ehrlichkeit dazu, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Jetzt fahren wir in der Rednerliste fort. Es spricht Frau von Angern für die Fraktion DIE LINKE. Sie haben das Wort.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Als bekannt wurde, dass in Irland qua Referendum fast zwei Drittel der Wählerinnen und Wähler für die Öffnung der Ehe für homosexuelle Paare votierten, titelte eine überregionale deutsche Zeitung: „Hinter dem Mond liegt Deutschland“.
Spätestens seit sich in der letzten Woche der nicht gerade für moderne Urteile bekannte Oberste Gerichtshof der USA für die Öffnung der Ehe für Homosexuelle in 50 Staaten ausgesprochen hat, kann man wohl sagen: Recht hat sie, Deutschland liegt hinter dem Mond.
Das Besondere und deshalb politisch und rechtlich so Bedeutende an beiden Entscheidungen ist, dass es sich um Entscheidungen mit Verfassungsrang handelt. Erstens. Irland ist damit das erste europäische Land, das sich für eine solche Verfassungsänderung entschieden hat. Zweitens. In den USA hat das höchste Gericht bestätigt, dass die amerikanische Verfassung landesweit, also in allen 50 Staaten, ein Recht auf gleichgeschlechtliche Eheschließung garantiert und garantieren muss. Das Signal in alle Länder und damit auch nach Deutschland ist: Diskriminierung aufgrund
Genau deshalb wird auch meine Fraktion, wird die Partei DIE LINKE unmissverständlich in die siebente Wahlperiode mit ebendieser Forderung nach einer Änderung der Landesverfassung in SachsenAnhalt gehen. Auch in Sachsen-Anhalt bedarf es einer Ergänzung des Artikels 7, der die Gleichheit vor dem Gesetz manifestiert, namentlich um das Merkmal der sexuellen Orientierung.
Worüber reden wir eigentlich? Welche Regelungslücke besteht meiner Auffassung nach? - Es geht tatsächlich, trotz der Einführung des Instituts der eingetragenen Lebenspartnerschaft, „nur“ um den Titel der Ehe und um das Adoptionsrecht für homosexuelle Paare. Gleichgeschlechtlichen Paaren ist bis heute die Ehe verwehrt, was eine Diskriminierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Identität darstellt.
Angesichts hinreichender Anhaltspunkte für einen gesellschaftlichen Wandel und der damit verbundenen Änderung des traditionellen Eheverständnisses gibt es absolut keine haltbaren Gründe dafür, homo- und heterosexuelle Paare unterschiedlich zu behandeln und am Ehehindernis der Gleichgeschlechtlichkeit festzuhalten. In der Bevölkerung wird schon heute im Alltagsgebrauch, in der Alltagssprache nicht mehr zwischen Ehe und Lebenspartnerschaft unterschieden: Man heiratet, egal ob Männchen oder Weibchen.
Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen, insbesondere der CDU-Fraktion, einmal mehr zeigt sich, dass die Gesellschaft Ihnen weit voraus ist