Protocol of the Session on June 5, 2015

(Beifall bei der LINKEN)

Da gilt der alte Satz: Nicht meckern ist genug gelobt.

Das sagen die Magdeburger.

Auf Lob war ich gar nicht aus, obwohl Lob immer gut tut, auch von der Opposition gelobt zu werden.

(Unruhe bei der LINKEN)

Ich wollte nur sagen: Es klang trotzdem so, als würden wir nichts tun. Dem wollte ich entgegentreten. Ansonsten ist es Aufgabe der Opposition, Druck zu machen. Das halte ich für richtig und wichtig. Ich glaube, ich habe eben deutlich machen können, dass wir den Weg, den wir eingeschlagen haben und auf dem wir noch Bedarf sehen, weitergehen.

(Zustimmung bei der SPD - Herr Borgwardt, CDU: Genau!)

Danke sehr, Herr Minister. - Es ist eine Fünfminutendebatte vorgesehen. Als erste Debattenrednerin spricht die Abgeordnete Frau Gorr für die CDUFraktion.

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Kollegin Görke kündigte gestern, als sie zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprach, an, dass sie wichtige Punkte zum Thema „Ausbildung für junge Flüchtlinge ermöglichen“ erst heute zu dem Antrag der Fraktion DIE LINKE vortragen wolle. Das hat sie auch getan.

Ich würde es gern umgekehrt handhaben und mich auf wichtige Äußerungen im gestrigen Plenum zum deutlich komplexeren Antrag „Integration von Flüchtlingen durch konkrete Maßnahmen verbessern“ in der Drs. 6/4090 beziehen.

Es ist völlig unstrittig, dass Bildung und Ausbildung für jeden Menschen die Grundlage für ein eigenständiges Leben bilden. Erst recht muss das für Menschen gelten, die in unser Land kommen, um

sich hier ein neues Leben aufzubauen - vielleicht sollte ich eher sagen „aufbauen zu müssen“; denn sie haben sich die Situation nicht selbst ausgesucht.

Herr Minister Bischoff ist sehr detailliert auf das Modellprojekt des Landesnetzwerks der Migrantenorganisation Sachsen-Anhalt und auf die Maßnahmen, die derzeit vorbereitet werden, eingegangen, ebenso auf dringend notwendige rechtliche Veränderungen und Anpassungen.

In diesem Zusammenhang ist der Ansatz Ihres Antrages, im Bundesrat und auf Bundesebene darauf hinzuwirken, dass Gesetzlichkeiten und Bestimmungen zur Ausbildungs- und Arbeitsmarktsituation von Flüchtlingen miteinander vereinbar gestaltet und die Zugangsfristen zu den Instrumenten der Ausbildungs- und Arbeitsmarktförderung einander angeglichen und verkürzt werden, grundsätzlich richtig.

Wir dürfen allerdings bei unserer Debatte nicht vergessen, dass wir eine hohe Verantwortung dafür tragen, dass die Schritte, die wir unternehmen, auch zu dem Ergebnis führen, das sich die hierher geflüchteten Menschen und wir als Gesellschaft uns wünschen.

Dafür ist es zunächst nötig - wie es gestern von Minister Stahlknecht deutlich gesagt wurde -, dass wir nicht danach unterscheiden: Wer wird gebraucht und wer wird nicht gebraucht. Wir müssen also behutsam schauen, welche Fähigkeiten und realistischen Möglichkeiten ein junger Mensch in unserem Land hat und braucht, um einen für ihn oder für sie angemessenen Weg zu gehen.

Frau Kollegin Schindler hat gestern die frühzeitige Kompetenzfeststellung angesprochen, die schon in der zentralen Aufnahmestelle erfolgen sollte. Ich denke, das ist ein sehr wichtiger Punkt. Wir müssen ferner berücksichtigen, dass die jungen Flüchtlinge nicht nur Sprach- oder sogar Alphabetisierungskurse und eine schulische oder berufliche Anleitung und Begleitung brauchen, sondern dass sie vielleicht auch schwer traumatisiert sind, und wir uns darum kümmern müssen, dass sie eine ausreichende psychologische Betreuung oder Behandlung erhalten.

Selbstverständlich müssen wir darauf achten, dass die Schulen und Betriebe, in denen die jungen Menschen aufgenommen werden, offen mit ihnen umgehen und sie nach Kräften unterstützen. Dazu bedarf es aber noch großer Anstrengungen. Herr Minister Bischoff wies auf die nötige Sensibilisierung und auf die kulturelle Kompetenz hin, die auf beiden Seiten entwickelt werden muss.

Ich bin sehr froh, dass sich die Landesregierung auf den Weg gemacht hat, im Dialog mit der Politik, mit der Wirtschaft und mit dem Handwerk - auch im Diskurs mit unseren Hochschulen - um

diese Akzeptanz und Sensibilisierung zu werben, damit das neue Wort „Willkommenskultur“ mit Inhalt gefüllt werden kann.

Dieser Inhalt, meine Damen und Herren, setzt sich aus dem zusammen, wie wir die Menschen in Sachsen-Anhalt insbesondere auf die Flüchtlingsproblematik aufmerksam machen können, damit sie die Menschen in ihren Wohnvierteln, in ihren Schulen und Betrieben auch wirklich willkommen heißen; denn, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir wollen nicht mit den Flüchtlingen unser Fachkräfteproblem lösen, sondern wir wollen Menschen in Not eine tatsächliche Perspektive geben, ganz im Sinne der Wanderausstellung „Angekommen“ in unserem Hohen Haus, die als Unterpunkte unter anderem formuliert: Ankunft, erste Unterkunft, Suche nach Lohn und Brot, Integration durch Arbeit.

Damit auch die heutigen Flüchtlinge einmal sagen können, sie sind angekommen, sind weitere gemeinsame Schritte von Bund, Land und Kommunen bzw. Landkreisen unerlässlich, nicht nur in rechtlicher, sondern auch in finanzieller Hinsicht.

Ich bitte um Überweisung des Antrags in den Ausschuss für Arbeit und Soziales, in dem wir die vielen angesprochenen Probleme zielführend gemeinsam beraten können. - Danke.

(Beifall bei der CDU)

Danke sehr, Frau Gorr. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Eine bessere und frühzeitige Integration von Asylsuchenden ist eine wichtige Voraussetzung für die Entwicklung einer Ankommenskultur in SachsenAnhalt. Dafür gilt es, ihre Teilhabe durch Bildung und Arbeit zu gewährleisten. Das forderte, mit konkreten Maßnahmen untersetzt - Sie haben es eben „komplexer“ genannt, das kann man auch sagen -, unser gestern diskutierter Antrag zur verbesserten Integration.

Wir werden mit dem Ziel eines Einwanderungslandes Sachsen-Anhalt nur erfolgreich sein, wenn wir Flüchtlinge und Asylsuchende einbeziehen. Die Anwerbung von hochqualifizierten Fachkräften darf niemals zulasten der Schutzsuchenden gehen. Daher ist es unerlässlich, deren oft sehr gute Ausbildung zu berücksichtigen, und zwar so früh wie möglich, bzw. ihre Ausbildung zu fördern und ihnen vom ersten Tag an Integration zu ermöglichen.

Mit den im Jahr 2014 verabschiedeten Erleichterungen beim Arbeitsmarktzugang verkürzt sich die

Wartefrist für die Arbeitserlaubnis für Asylsuchende mit Aufenthaltsgestattung und für Personen mit Duldung auf drei Monate, auch der Zugang zur betrieblichen Ausbildung wurde entsprechend verkürzt. Aber damit ist es noch nicht getan. Das reicht in der Tat nicht aus.

Zwar haben junge Asylsuchende jetzt einen schnelleren Ausbildungszugang, aber dem stehen zwei entscheidende Probleme weiterhin im Weg.

Erstens. Jugendliche und junge erwachsene Flüchtlinge und Asylsuchende, die die Möglichkeiten und die Voraussetzungen haben, eine Ausbildung zu beginnen, können ihrem Ausbildungsbetrieb häufig nicht zusagen, für diese Ausbildung tatsächlich bis zum Abschluss oder im Idealfall darüber hinaus zur Verfügung zu stehen.

Das stellt für die Betroffenen eine unzufriedenstellende Situation dar, aber das gilt auch für die Ausbildungsbetriebe. Auch für diese ist das nicht zielführend. Die mangelnde Planungssicherheit ist sowohl dem Ausbildungserfolg als auch der Personalplanung abträglich.

Das zweite Problem ist der Zugang zur Berufsausbildungsbeihilfe nach § 56 SGB III. Neben der Frage, ob eine Ausbildung grundsätzlich förderfähig ist, ob sie bei einem anerkannten Ausbildungsträger stattfindet, ob die Altersgrenze nicht überschritten wird usw., stellt sich bei ausländischen Auszubildenden darüber hinaus die Frage, ob sie überhaupt zum förderfähigen Personenkreis gehören. Dies hängt maßgeblich von ihrem Aufenthaltstitel, von einer vorherigen Erwerbstätigkeit und von der bisherigen Aufenthaltsdauer ab.

Ein asylsuchender Ausländer hat in Deutschland grundsätzlich keinen gewöhnlichen Aufenthalt, bevor sein Asylantrag im Anerkennungsverfahren nicht positiv und rechtskräftig festgestellt worden ist. Damit ist seine Berufsausbildung leider auch nicht förderfähig. Das muss sich ändern. Jugendliche Flüchtlinge sind oft während einer Ausbildung auf Berufsausbildungsbeihilfe angewiesen.

Meine Damen und Herren! Jungen Menschen eine Zukunft zu ermöglichen, ist ein Gebot der Menschlichkeit. Wir müssen jeden Jugendlichen nach Bedarf bei seiner Ausbildung unterstützen. Ich habe das gestern schon erwähnt; ich habe von „verschwendeter Jugend“ gesprochen. Das sind Zustände und wir sprechen hierbei über eine Größenordnung von sehr vielen Menschen und müssen deswegen dringend tätig werden.

Dazu gehört auch, die oft hoch motivierten und lernbereiten jugendlichen Flüchtlinge bei ihrem Ansinnen zu unterstützen. Jungen Asylsuchenden eine Ausbildung zu erschweren, zieht wiederum enorme Probleme nach sich, und zwar in der Tat an jedem Ort auf der Erde, an dem sie später leben werden, und nicht nur hier in Deutschland.

Daher ist das ein Antrag, der viel gemeinsam mit dem hat, was wir gestern zu Beginn der Sitzungsperiode beantragt haben.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Und der vor Ihrem da war!)

- Er war vor unserem da. Aber wir haben ganz bestimmt nicht abgeschrieben, weil unser Antrag wirklich deutlich komplexer war. Aber es ist egal, ist geschenkt.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Genau! - Zu- ruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Der Antrag ist richtig und wichtig. Das habe ich eben, glaube ich, auch deutlich gesagt. Dabei geht es jetzt nicht um irgendeine Nabelschau.

(Frau von Angern, DIE LINKE: Nein! - Wei- tere Zurufe von der LINKEN)

Deswegen werden wir einer Überweisung des Antrages selbstverständlich zustimmen. - Vielen herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Kollege Herbst. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Mormann.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Integration von Flüchtlingen ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die Anstrengungen auf beiden Seiten erfordert. „Gesamtgesellschaftlich“ bedeutet auch, dass man bei den Integrationsbemühungen keine Ebene ausblenden darf. Dazu gehören auch der Arbeitsmarkt und der Ausbildungsmarkt. Daher ist es richtig und wichtig, dass wir heute über dieses Thema diskutieren.

Es ist wichtig, dass sich junge Erwachsene möglichst ohne Zeitverzug in einer Ausbildung wiederfinden, gerade dann, wenn die Rückkehr in ihr Heimatland unwahrscheinlich und schwierig erscheint.

Aber auch für unsere Unternehmen gestaltet sich die Suche nach Fachkräften und vor allem Auszubildenden zunehmend schwierig. Daher muss das Thema der schnellen Integration auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt als eine Win-Win-Situation auch für unsere Unternehmen entwickelt werden.

Wir müssen die Unternehmen dahin gehend unterstützen, dass wir den vielen Flüchtlingen, unter denen zum Teil gut ausgebildeten junge Menschen und Fachkräfte sind, einen schnelleren Zugang zum Arbeitsmarkt ermöglichen. Daher begrüßen wir ausdrücklich die Verkürzung der Zugangsfristen zum Arbeitsmarkt und zur Ausbildung.

Dass Flüchtlinge seit November schon nach drei Monaten arbeiten und eine Ausbildung beginnen dürfen - vorausgesetzt, sie finden einen Betrieb, der sie einstellen will - ist gut. Dass die Vorrangprüfung nur noch für die ersten 15 Monate vorgeschrieben ist, ist ebenfalls ein Schritt in die richtige Richtung. Für Fachkräfte wird sie komplett gestrichen.