Protocol of the Session on June 5, 2015

Eine Geschichte, die so schön, so hoffnungsfroh begann, und dem MDR-Fernsehen sogar eine Reportage wert war, hatte eben kein Happy End. Gescheitert an der Realität, an bürokratischen Hürden

und an nicht aufeinander abgestimmten Regelungen.

Ich frage Sie: Sieht so eine gerechte Zukunftsförderung in einem Land aus, das an allen Ecken und Enden mehr und mehr die Folgen des Fachkräftemangels spürt? Wenn schon nicht die Interessen des jungen Mannes für manchen Politiker im Mittelpunkt stehen - können wir uns einen solchen Umgang aus wirtschaftlicher Sicht tatsächlich leisten? - Unsere Antworten auf beide Fragen lauten: nein.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Der ungehinderte Zugang zu Bildung und damit auch zum gesellschaftlichen und kulturellen Leben, zu Informationen und Kommunikation sind entscheidende Elemente für Chancengleichheit, für ein selbstbestimmtes Leben, für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit und Ressourcen. Er ist eine elementare Voraussetzung für eine Wissensgesellschaft, die sich frei, solidarisch und kreativ entwickeln kann. Das, sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete dieses Hohen Hauses, schließt alle Menschen ein, ungeachtet ihrer ethnischen oder sozialen Herkunft. Bildungspolitik ist für DIE LINKE inklusiv, demokratisch und selbstbestimmt.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Wir sehen daher die Landesregierung in der Pflicht, nach Kräften darauf einzuwirken, dass es auf der Bundesebene zu gesetzlichen Vorlagen kommt, mit deren Hilfe Länder und Kommunen in die Lage versetzt werden, die bisherigen Lippenbekenntnisse in die Tat umzusetzen. Ich möchte an dieser Stelle einige Problemfelder benennen.

Die in dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum BAföG geplante Verbesserung der Zugangsmöglichkeiten für ausländische Staatsangehörige und zur Ausbildungsförderung nach dem SGB III ist zu begrüßen.

In mehr Fällen als zuvor werden ausländische Staatsangehörige künftig eine Ausbildung absolvieren können, die gegenwärtig noch von der Ausbildungsförderung ausgeschlossen sind. Allerdings gehen die Änderungen nicht weit genug: Es bleiben auch nach einer Verabschiedung des Gesetzentwurfs weiterhin Förderungslücken für bestimmte Gruppen bestehen, die aus integrations-, arbeitsmarkt- und sozialpolitischen Gründen nicht nachvollziehbar sind.

Angesichts des Fachkräftemangels ist es nicht nachvollziehbar, dass weiterhin Personen, die über eine zumindest zukunftsoffene Aufenthaltsperspektive verfügen, von den Leistungen der Ausbildungsförderung weiterhin ausgeschlossen bleiben sollen. Diesbezüglich besteht im weiteren Gesetzgebungsverfahren konkreter Nachbesserungsbedarf.

Zudem bedarf die Novelle bezogen auf die ausländerrechtlichen Änderungen eines vorgezogenen Inkrafttretens. Es ist den von Leistungsausschlüssen Betroffenen nicht zumutbar, noch bis zum Jahr 2016 mit der Aufnahme einer Ausbildung zu warten.

Personen mit einer Aufenthaltsgestattung im Asylverfahren bleiben in aller Regel vollständig von den Leistungen der Ausbildungsförderung sowohl nach dem BAföG als auch nach dem SGB III ausgeschlossen. Hierfür gibt es keinen nachvollziehbaren Grund. Ein erheblicher Teil der Asylantragstellenden erhält nach Abschluss des Asylverfahrens einen Aufenthaltsstatus in Deutschland. Daher wäre es sinnvoll, so früh wie möglich auch eine Integration in den Arbeitsmarkt und insbesondere in ein Ausbildungsverhältnis zu ermöglichen.

Dieses politische Ziel ist unbestritten und wird etwa in der Neufassung der Beschäftigungsverordnung umgesetzt. Hiernach haben Personen mit einer Aufenthaltsgestattung nach einem neunmonatigen Voraufenthalt die Möglichkeit, eine betriebliche Ausbildung ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit aufzunehmen. Diese Ausbildungsmöglichkeiten müssen nun aber auch endlich leistungsrechtlich flankiert werden.

Auch in dem Pilotprojekt der Bundesagentur für Arbeit und des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge zur frühzeitigen Arbeitsmarktintegration von Asylsuchenden kommt der genannte politische Wille zum Ausdruck. Insofern ist es wenig zielführend, Asylantragstellende vollständig von der Ausbildungsförderung auszuschließen.

(Beifall bei der LINKEN)

Verschärfend wird nämlich die Änderung des Asylbewerberleistungsgesetzes hinzukommen. Nach dem vorliegenden Entwurf werden nur noch für 15 Monate und nicht mehr wie bisher für vier Jahre die Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erbracht werden. Danach besteht Anspruch auf die sogenannten Analogleistungen entsprechend dem SGB XII. Diese Verbesserung führt jedoch zu einer Verschärfung der Förderungslücke im BAföG - ich sprach es vorhin schon an: die sogenannte BAföG-Falle.

Während bislang vier Jahre lang auch während einer dem Grunde nach förderungsfähigen Ausbildung die Sicherung des Lebensunterhalts über die Grundleistungen des Asylbewerberleistungsgesetzes erfolgen konnte, wird dies künftig nur noch 15 Monate lang möglich sein. Im Gegensatz zu Personen mit Duldung schließt sich für die Betroffenen an diesen Zeitraum aber kein Anspruch auf Ausbildungsförderung an.

Sehr geehrte Damen und Herren! Die von mir aufgeführten Probleme sollten bei der Novellierung des bestehenden Gesetzes unbedingt Berücksich

tigung finden, da sonst wieder Barrieren aufgebaut werden, wo eigentlich Integration stattfinden soll.

(Beifall bei der LINKEN)

Dies kann nicht im Sinn von Bund und Ländern sein; denn die Menschen, die in unserem Land eine neue Heimat finden, müssen die Chance bekommen, ihr Leben und ihr neues Zuhause mitzugestalten. - Ich bitte um Zustimmung und danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr für die Einbringung, Frau Kollegin Görke. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Bischoff.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte eine Vorbemerkung machen, Frau Görke, zu dem jetzt aufgerufenen und zu dem danach aufzurufenden Antrag. Das sind zwei Anträge, die deutlich darauf hinweisen, vor welchen Herausforderungen wir stehen. Es wurde auch deutlich gemacht und zitiert, was alles zurzeit in der Veränderung ist. Jetzt wird darüber im Landtag debattiert, als würde die Landesregierung gar nichts tun, als würde Stillstand herrschen und als müsste man die Landesregierung auffordern, etwas zu tun. Ich muss annehmen, dass Sie das gar nicht wissen. Dann muss ich Sie aufklären.

(Zustimmung von Frau Dr. Späthe, SPD - Frau von Angern, DIE LINKE, räuspert sich)

- Richtig, Frau von Angern, so sehe ich das auch. Sie wissen es wahrscheinlich. Sie wissen wahrscheinlich, worüber diskutiert wird. Sie wissen auch, wo die Schwachpunkte sind. Darauf zielen Sie aber nicht ab, sondern Sie stellen es so dar, als passierte nichts, als müssten wir endlich einmal zu Potte kommen.

(Herr Kurze, CDU: Richtig!)

Es ist richtig, wenn Sie sagen, dass die berufliche Ausbildung der wichtigste Schlüssel für eine nachhaltige Arbeitsmarktintegration, für eine soziale Integration und für ein selbstbestimmtes Leben ist, das zum Beispiel von Transferleistungen unabhängig ist. Das gilt insbesondere auch für jugendliche Flüchtlinge. Gleichzeitig stellen diese jungen Menschen - auch das haben Sie gesagt - ein wichtiges Potenzial für die Fachkräftesicherung in Sachsen-Anhalt dar.

Die Integration von jungen Flüchtlingen in Ausbildung ist eine der wichtigsten Zielsetzungen, die sich die Landesregierung auf die Fahnen geschrieben hat. Das habe ich hier schon einige Male gesagt. Ich habe auch deutlich gemacht, wo wir tätig sind.

Der Landesintegrationsbeirat hat in Vorbereitung des zweiten Spitzengesprächs Asyl - ein solches hat in diesem Jahr schon zweimal in großer Runde stattgefunden; einige von Ihnen sind auch dabei und wissen das - entsprechende Empfehlungen vorgelegt. Das Spitzengespräch ist noch einmal vertagt worden, weil wir abwarten wollten, was der Bund am 18. Juni 2015 dazu vorlegen wird, wie er die Länder bei diesen Fragen unterstützen will, weil wir erst dann wissen, welchen Anteil wir als Land selbst leisten müssen.

Derzeit werden in diesem Zusammenhang verschiedene Maßnahmen vorbereitet, mit denen junge Flüchtlinge bei einer beruflichen Ausbildung unterstützt werden können. Es geht dabei unter anderen um Maßnahmen der Sensibilisierung und Information von potenziellen Auszubildenden und Ausbildungsbetrieben. Es geht um ergänzenden Sprachunterricht in der Berufsschule und um Unterstützung während einer betrieblichen Ausbildung durch Träger der assistierten Ausbildung. Es gibt dazu das Bundesgesetz, in dem die assistierte Ausbildung in den Vordergrund gestellt wird. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, die das im Bundestag explizit mit hineingenommen haben. Es haben auch alle zugestimmt.

Die assistierte Ausbildung war auch vorgesehen für langzeitarbeitslose Jugendliche hierzulande, die also lange aus dem Erwerbsleben heraus sind. Diese sollten bei einer betrieblichen Ausbildung begleitet werden, damit sie mehr Unterstützung erhalten. Das ist jetzt sinnvollerweise erweitert worden auf Menschen und Jugendliche, die aus anderen Ländern hierher kommen.

Jetzt zu dem, was wir tun. Mit einem Modellprojekt in Trägerschaft des Landesnetzwerks der Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt sollen bereits ab diesem Sommer jugendliche Migranten bei der Integration in der Ausbildung begleitet werden. So sollen Erkenntnisse dazu gesammelt werden, welcher Unterstützungsbedarf vonnöten ist. Das betrifft eine ganze Menge jugendlicher Migranten, die aus verschiedenen Ländern kommen.

Gerade die Migrantenselbstorganisationen haben viel mehr authentisches Wissen darüber, wie die Bedingungen sind, wenn man aus anderen Ländern hierherkommt. Sie haben auch authentische Kenntnisse dazu, welche Schwierigkeiten gerade diejenigen haben, die kurze Zeit hier sind, wie man sich zurechtfindet, welche rechtlichen Regelungen bestehen usw. Deshalb finde ich diese Idee mehr als gut, das Fachwissen derer, die aus diesen Ländern kommen und schon längere Zeit hier sind, einzubeziehen.

(Zustimmung von Frau Dr. Späthe, SPD)

In der Vergangenheit - das gebe ich zu; es herrschten andere Bedingungen - ist es nur in sehr

begrenztem Maß gelungen, die Potenziale von jungen Flüchtlingen für den Arbeitsmarkt zu erschließen. Zu den wesentlichen Hinderungsfaktoren zählten Informationsdefizite, geringere interkulturelle Erfahrung in der Wirtschaft in SachsenAnhalt, unzureichende Deutschkenntnisse der Jugendlichen und nicht zuletzt - das ist richtig - auch die rechtlichen Unsicherheiten.

Mittlerweile - das haben Sie teilweise auch zitiert -, in den letzten Monaten, wurden die rechtlichen Voraussetzungen für die Aufnahme einer Ausbildung durch jugendliche Flüchtlinge deutlich verbessert. Aufenthaltsrechtlich ist die Aufnahme einer Berufsausbildung nun sehr schnell möglich. In diesem Punkt habe ich Ihre Ausführungen nicht verstanden; denn das ist an gar keine Voraussetzung gebunden, also nicht an den Aufenthaltsstatus, den sie haben. Das ist immerhin ein Riesenschritt.

Auch wird derzeit geprüft, wie jungen Flüchtlingen, die einen Ausbildungsplatz in Aussicht haben, ein sicherer Aufenthalt während der Ausbildung gewährt und dieser anschließend zum Zweck der Arbeitssuche auch noch verlängert werden kann oder überhaupt, dass sie einen Aufenthaltsstatus erlangen, der von Dauer ist. Dies ist zugegebenermaßen eine wichtige Rahmenbedingung auch für Unternehmer, nicht nur für Auszubildende, damit sie wissen: Wenn wir ihn ausbilden, dann bleibt er auch bei mir und ich kann ihn in meinen Betrieb übernehmen.

Jetzt kommt hinzu, dass wir vieles anpassen müssen. Parallel dazu müssen auch die arbeitsmarktpolitischen Instrumente auf diese neuen aufenthaltsrechtlichen Regelungen abgestimmt werden. Das ist - damit haben Sie Recht - noch ein Problem. Das ist noch nicht abgestimmt. Es gibt noch viele Diskussionen. Teilweise ist es erfolgt. Sie haben selbst gesagt, dass die jugendlichen Flüchtlinge spätestens nach drei Monaten Zugang zur Ausbildungsvermittlung erhalten und zu den wichtigsten Leistungen der aktiven Arbeitsförderung, unter anderen zu Berufsorientierungsmaßnahmen, zur Berufseinstiegsbegleitung und auch zum Instrument der Einstiegsqualifizierung. Das haben wir bisher auch; das erweitern wir.

Teilweise gibt es aber noch - das will ich nicht verschweigen, weil es derzeit noch in der Diskussion ist - erhebliche Differenzen, zum Beispiel beim Anspruch auf Berufsausbildungsbeihilfe, die Geduldete erst nach vier Jahren des ununterbrochenen Aufenthalts erhalten. Dabei gibt es jetzt Bewegung. Die Wartefrist - das haben Sie gesagt - wird ab August 2016 auf 15 Monate verkürzt. Dabei besteht natürlich noch erheblicher Verbesserungsbedarf. Darüber muss diskutiert werden. Deshalb war meine Eingangsbemerkung so, weil ich glaube, dass Sie in den Gremien, in denen darüber

diskutiert wird, mit dabei sind oder davon Kenntnis haben.

Zurzeit wird darüber diskutiert, die Wartefrist auf sechs Monate zu verkürzen. Ich hoffe, dass es auch so kommt. Die jugendlichen Flüchtlinge brauchen ergänzend zum Lehrlingsgeld zusätzliche Mittel, damit sie sich Wohnraum leisten und Miete und Ähnliches zahlen können, anders als es bisher war. Warum das bisher vier Jahre waren und warum das im politischen Bereich nie thematisiert worden ist, liegt, vermute ich, daran, dass der Druck nicht so groß war, weil es nicht so viele waren, die eine Ausbildung gesucht haben, und man erst abwarten wollte, ob sie tatsächlich auf Dauer hier sind.

Jetzt befinden wir uns in anderen Zwängen. Wir haben einen großen Bedarf an Fachkräften; wir brauchen diese Jugendlichen. Deshalb müssen wir es ihnen leichter machen, wie alle anderen vom Bafög oder von der Berufsausbildungsbeihilfe zu profitieren. All das ist in der Diskussion. Ich bin überzeugt davon, dass wir in den nächsten Monaten noch viel mehr regeln müssen.

Meine Leute - heute Morgen war noch Herr Beck, mein Abteilungsleiter, dabei - sind zurzeit vor allen Dingen damit befasst, das mit der Arbeitsagentur abzustimmen. Diese übernimmt einen wesentlichen Teil und macht das Vermittlungsgeschäft. Wir müssen mit den Optionskommunen zusammenkommen - dafür sind wir zuständig -, und wir müssen die Landkreise generell mit ins Boot holen, weil dort die Vermittlung geschieht.

Um das andere kümmert sich der Innenminister - das habe ich jedenfalls heute Morgen noch gelesen -, was die Orientierung betrifft, wenn sie in den zentralen Aufnahmestellen sind, dass beizeiten geguckt wird, wer welche Ausbildung hat, wer zusätzlicher Maßnahmen bedarf und wohin sie auch vermittelt werden können, nämlich in die Gegenden und die Orte, in denen es einen Ausbildungsmarkt gibt und in denen die Betriebe sind, die zurzeit schon auf der Suche nach jungen Leuten sind.

Es gibt eine Nachfrage. - Herr Gallert.

Herr Minister, aufgrund Ihrer anfänglichen Verärgerung möchte ich doch noch einmal darauf hinweisen: Es gibt Anträge im Landtag, die lauten: Wir finden hervorragend, was die Landesregierung tut. Dafür haben Sie zwei Fraktionen. Wenn Sie das von uns auch noch erwarten, dann sage ich dazu: Das wäre ein bisschen überzogen.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Wenn wir Anträge stellen, dann sehen wir schon einen Handlungsbedarf und einen Handlungsdruck. Im Wesentlichen haben Sie eben auch bestätigt, dass bei den Dingen, die in dem Antrag stehen, noch ein bisschen Druck vonnöten ist. Ich muss Sie also enttäuschen.

(Beifall bei der LINKEN)