Protocol of the Session on March 27, 2015

Darum sagen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, dass man im Teilzeit- und Befristungsgesetz die sachgrundlose Befristung abschaffen muss, damit eben gerade Frauen eine bessere Lebensplanung und einen besseren beruflichen Aufstieg haben können.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Zum Zweiten machen diese Daten deutlich, dass die Entgeltlücke natürlich auch mit geringeren Erwerbszeiten der Frauen zu tun hat. Das betrifft also das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Der Löwenanteil der Erziehungszeiten wird von Frauen in Anspruch genommen. Erwerbsunter

brechungen oder Teilzeittätigkeiten, um Kinder großzuziehen oder auch um sich um die alternden Eltern zu kümmern, sind eben ein typisches Kennzeichen weiblicher Erwerbsbiografien.

Es ist, denke ich, die Aufgabe von uns als Landespolitikern und Landespolitikerinnen, die Weichen für eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familienarbeit zu stellen, also ganztägige Kinderbetreuung auch in Randzeiten, Ausbau von Ganztagsschulen. All dies gehört dazu, ebenso die Frage, wie wir unsere Quartiere so gestalten können, dass ältere Menschen dort länger in ihren eigenen vier Wänden leben können, aber eben ohne permanente Betreuung durch ihre Töchter.

Darum sagen wir, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Gebrochene Erwerbsbiografien aufgrund solcher erzwungener Erwerbsunterbrechungen müssen endlich der Vergangenheit angehören.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Sie sind natürlich auch ein Hindernis auf dem Karriereweg. Aber auch ohne diese Erwerbsunterbrechungen stoßen Frauen sehr häufig an die gläserne Decke. Je weiter hoch wir auf die Karriereleiter schauen, desto seltener finden wir dort Frauen. Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor Mangelware. Dazu sage ich Ihnen auch sehr klar: Quötchen für Aufsichtsräte sind nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

(Unruhe)

Wir brauchen Quoten. Ich bin sehr überzeugt von Quoten. Wir brauchen Quoten nach dem Kaskadenmodell für die Wissenschaft. Wir brauchen Quoten für große öffentliche Einrichtungen wie Landesämter und Ministerien. All das liegt in unserer Kompetenz als Landespolitiker. Und wenn wir etwas für Gerechtigkeit tun wollen, lassen Sie uns doch endlich anfangen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Um Frauen den Weg in einen beruflichen Aufstieg und damit auch in eine bessere Bezahlung zu ebnen, müssen wir auch die politischen Leitplanken so stellen, dass Karrierewege erfolgreich gestaltet werden können. Tenure-Track für junge Wissenschaftlerinnen erhöht eben auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, weil die junge Nachwuchswissenschaftlerin dann mit Anfang 30 weiß, an welchem Ort sie bei exzellenter Leistung Karriere machen kann.

Auch für den Beruf der Erzieherinnen - bis heute sind das ja ausschließlich Frauen - haben wir aufgezeigt, wie der Beruf attraktiver werden kann und wie durch eine bessere Verschränkung von Berufsausbildung und akademischem Studium

(Anhaltende Unruhe - Glocke des Präsiden- ten)

Karrierewege in Leitungspositionen geebnet werden können. Also, was die Gestaltung von Karrierewegen betrifft, hat die Landespolitik viel Gestaltungsfreiraum, den müssen wir endlich nutzen.

Kollegin Dalbert, möchten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen - -

Am Ende gern.

Am Ende.

Bei uns im Osten - wir haben das schon gehört - sind die Durchschnittsverdienstunterschiede in den letzten fünf Jahren von 6 % auf 9 % gestiegen. Das liegt eben an den unterschiedlichen Tarifzuwächsen in unterschiedlichen Berufsbereichen. Im verarbeitenden Gewerbe sind die Tarife um 12 % gestiegen, in den Gesundheits- und Sozialberufen um 6,7 %.

Das zeigt, dass die sogenannten Frauenberufe gesellschaftlich weniger anerkannt sind als die männerdominierten Berufszweige. Wir brauchen eine andere Bewertung dieser Tätigkeiten, eine Bewertung, die geschlechtsneutral ist. Wir müssen die Tarifpartner, die Gewerkschaften, mit ins Boot holen, damit diese Ursache für die Entgeltungleichheit endlich beseitigt wird.

Frauenberufe gibt es aber auch deswegen, weil die Berufswahl in starkem Maße nach einem Geschlechtsstereotyp erfolgt. Die Mehrzahl der jungen Menschen wählt den Beruf eben aus den zehn geschlechtstypischen Lehrberufen aus und schaut die anderen 330 Berufe gar nicht an. Deswegen ist die von uns hier schon mehrmals geforderte verbindliche Berufsorientierung in allen Schulen ab der 5. Klassenstufe auch ein Beitrag dazu, die Lohnentgeltlücke zu schließen. Die Verankerung der schulischen Berufsorientierung liegt in der Hand der Landespolitik. Also kann die Landespolitik auch hierbei etwas tun.

Ganz generell kann die Landespolitik natürlich darauf schauen, was ihr Geld für die Geschlechtergleichheit bewirkt. Das Stichwort Gender Budgeting ist schon gefallen. Auch das liegt an uns, ob wir so etwas einführen oder ob wir das eben nicht tun.

Familienarbeit, gläserne Decke, geschlechtsabhängige Arbeitsbewertung, geschlechtsstereotype Berufswahlentscheidung, all das trägt zu der unbereinigten Lohnlücke zwischen Männern und Frauen bei. Bei der bereinigten Lohnlücke, wenn Männer und Frauen mit gleicher Ausbildung, mit glei

cher Erwerbsbiografie und mit vergleichbarer Tätigkeit verglichen werden, ist diese Lücke geringer und sie unterscheidet sich auch nicht mehr oder nur noch sehr geringfügig zwischen Ost und West.

Dafür brauchen wir natürlich ein Entgeltgleichheitsgesetz, das Transparenz über Entgelte herstellt, das einen Weg aufzeigt, wie dann die Betriebe aufgefordert werden, Entgeltgleichheit herzustellen, und wo am Ende ein verbindlicher Pfad mit Fristen und Sanktionen beschritten werden muss, um dann schließlich, auch wenn der Betrieb das nicht will, Entgeltgleichheit sicherzustellen.

Wir brauchen noch etwas - das habe ich heute noch gar nicht gehört -: Wir brauchen ein Verbandsklagerecht. Wir müssen die Entgeltgleichheit durch ein Verbandsklagerecht stärken. Wenn die einzelne Frau klagt, dann bekommt sie vielleicht Recht. Aber das nützt nichts gegen die Ungerechtigkeit insgesamt. Andere Frauen profitieren im Zweifelsfalle nicht davon. Entgeltdiskriminierung ist eben kein individuelles, sondern ein gesellschaftliches Problem. Deswegen brauchen wir ein Verbandsklagerecht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frauen verdienen Gerechtigkeit, und es ist eben keine Bagatelle, dass Frauen noch immer weniger verdienen als Männer. Betroffene Mienen oder Symbolpolitik bringen uns da nicht weiter. Ich hoffe, aufgezeigt zu haben, dass es uns auch nicht ausreicht, jetzt auf Berlin zu warten und zu schauen, ob CDU und SPD in Berlin ein Entgeltgleichheitsgesetz hinbekommen. Ich denke, das ist zu kurz gesprungen.

Kita-Öffnungszeiten, Ganztagsschulen, Quartiermanagement, Karrierepfade, Berufsorientierung, Quoten für die Landesbetriebe, Landesministerien, Landeseinrichtungen, Gender Budgeting - all das liegt in unserer Hand als Landespolitiker. Von jedem, der sich hier hinstellt und sagt, er ist für Entgeltgleichheit, wünsche ich mir, dass er mit uns zusammen all diese Punkte hier in der Landespolitik anpackt, damit wir in Sachsen-Anhalt unseren Beitrag zur Entgeltgleichheit von Männern und Frauen leisten und der Equal-Pay-Day bald am 1. Januar ist. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Kollegin Dalbert, Sie wollten eine Nachfrage des Kollegen Gallert beantworten.

Kollege Gallert, bitte.

Wir sind inhaltlich überhaupt nicht auseinander. Aber ich sage jetzt einmal: An einer Stelle sehe mich jetzt doch bei meiner Ehre als Ossi gepackt. Es geht um die Geschichte: Warum haben wir bei uns eine deutlich geringere Lohnlücke im Verhältnis zum Westen? - Ich kenne die These auch, Frau Dalbert, die da lautet: Na klar, wir haben die gutbezahlten Männerjobs bei uns nicht. Nun sind Sie selbst Sozialwissenschaftlerin und man kann immer Thesen aufstellen. Aber man muss sie irgendwie empirisch beweisen.

Ich habe mich damit intensiv beschäftigt und habe zumindest ein schlagendes Gegenargument. Wenn Sie auf den europäischen Vergleich gehen, finden Sie keine Korrelation zwischen höheren Löhnen insgesamt in einem Land und einer niedrigeren oder höheren Differenz. Manchmal ist es sogar umgekehrt: Die Länder in der Europäischen Union mit dem höchsten Lohnniveau haben häufig eine geringere Differenz als Länder mit geringen Einkommen und trotzdem noch einem sehr großen Unterschied.

Es gibt eine Studie; die ist ein paar Jahre alt, die hat die Einkommensdifferenzen bei den Berufseinsteigern miteinander verglichen. Diese stellten sich wie folgt dar: Deutschland 16 %, Polen 26 %, Spanien 30 %.

(Herr Borgwardt, CDU: Schweden?)

- Schweden deutlich geringer.

(Zuruf von Herrn Borgwardt, CDU)

Polen und Spanien haben im Schnitt deutlich geringere Arbeitseinkommen als Ostdeutschland, zumindest Polen, bei Spanien hält es sich in etwa die Waage. Aber das führt bei denen nicht etwa dazu, dass die Lohnlücke zwischen Mann und Frau kleiner wird, sondern die Lücke zwischen Mann und Frau - das ist völlig richtig, Herr Borgwardt - ist in den Hochverdienerländern, zum Beispiel in Skandinavien, am geringsten.

(Herr Borgwardt, CDU: So ist es!)

Deswegen sage ich, ich wehre mich gegen die These: Das ist bei euch im Osten nur so, weil ihr keine richtig gut bezahlten Jobs habt. Ich glaube, das hat sehr wohl etwas mit gesellschaftlicher Wahrnehmung und mit gesellschaftlicher Akzeptanz eines gleichberechtigten Zugangs zum Arbeitsmarkt zu tun.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich bin dem Kollegen Gallert sehr dankbar für seine Frage, weil mir das Raum gibt, ein Argument,

das ich gebracht habe, noch einmal zu formulieren, weil es offensichtlich bei dem Kollegen Gallert nicht richtig angekommen ist.

(Oh! bei der LINKEN - Zuruf von der LIN- KEN: Machen Sie das!)

Wir haben im Osten eine geringere Entgeltlücke zwischen Männern und Frauen zum einen genau aus dem Grund, den Sie genannt haben: weil wir traditionell eine höhere Erwerbstätigkeit von Frauen haben. Was wir aber nicht haben, das sind die Konzernzentralen und die großen Banken, wo die hohen Löhne bezahlt werden, aber für Jobs, die nur von Männern wahrgenommen werden. Dadurch wird die Lücke größer.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Ich bin ganz bei Ihnen: Die Durchschnittshöhe von Einkommen hat damit nichts zu tun, dass die Lücke, wenn Sie im Mittel mehr zahlen, größer oder kleiner wird. Wenn Sie sich aber einmal die Konzernzentralen anschauen oder zu den Banken in Frankfurt gehen, dann finden Sie fast nur Frauen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Männer!)

Dann haben Sie damit sozusagen einen zweiten Beitrag, der zum Gender-Pay-Gap beiträgt. Das möchte ich nur sagen. Das ist der Punkt, wobei ich sage, ich bin froh, dass wir hier eine andere Tradition bei der Familien- und Erwerbsbiografie haben. Ich finde aber, auf diesen zweiten Beitrag können wir nicht stolz sein, weil wir zum Teil auch darunter leiden, dass wir sozusagen immer nur die verlängerte Werkbank sind. Das war mein Argument. Ich hoffe, ich konnte es jetzt noch ein Stück weit schärfen, und bin insofern dem Kollegen Herrn Gallert sehr dankbar für seine Frage.