Protocol of the Session on February 26, 2015

Wir wollen unser historisch und kulturell ambivalentes Verhältnis zum Tier besser berücksichtigen. Manche Tiere betrachten wir als Haustiere, die wir natürlich nicht essen. Manche Tiere betrachten wir als Nahrung. Manche Tiere wiederum behandeln wir als Schädlinge und gehen auch so mit ihnen um.

In aller Regel bereitet uns das keine großen moralisch-ethischen Schwierigkeiten - jedenfalls dann nicht, wenn wir in unserem Kulturkreis bleiben. Das macht die Antworten auf die Fragen der artgerechten und tierwohlgerechten Tierhaltung aber keineswegs einfacher.

Unser politisches Ziel - auch hier im Landtag - muss es sein, wie es Dr. Aeikens richtig für die Regierung festgestellt hat, ein Tier nicht nur vor Schmerzen, Krankheiten und Unwohlsein zu schützen, sondern auch das Tierwohl in allen Formen der Haltung zu fördern. Es reicht für das Tierwohl nicht aus, dass ein Tier nicht krank ist, meine sehr verehrten Damen und Herren, sondern wir müssen sichere, bessere Indikatoren für verbesserte Haltungsformen finden. Denn eines ist uns allen klar: Das Erfüllen gesetzlicher Mindeststandards ist noch nicht die Entwicklung von Tierwohl.

Wir wissen mittlerweile, dass Tierhaltern bei groben Verstößen gegen das Tierschutzgesetz leichter als bislang die Berechtigung entzogen werden muss, Tiere zu halten. Das zeigt exemplarisch das Verbot der Tierhaltung, wie es im Fall Straathof ausgesprochen wurde. Wir haben darüber hinaus eine ganze Reihe von Tierhaltungsverboten außerhalb der gewerblichen Tierhaltung. Das zeigt, dass wir den Behörden unseres Landes, den Landes- und Kreisverwaltungen, bei ihrer sehr schwierigen Arbeit zur Seite stehen müssen, dass wir ihnen Unterstützung und Ermutigung zuteilwerden lassen müssen bei ihren durchaus schwierigen Entscheidungen.

Ich habe mich sehr darüber gefreut - Frau Budde, Sie haben das auch richtig adressiert -, dass in Anbetracht mancher Millionenstreitwerte, um die es bei sehr großen Anlagen manchmal sehr schnell geht, auch in den Kreisverwaltungen gelegentlich die Sorge entsteht, was wohl passiert, wenn ein derartiges gerichtliches Verfahren negativ ausgeht. Dann darf es nicht danach gehen: Haltet den Dieb! Wer ist für diese unvernünftige Tierhaltungsverbotsidee verantwortlich? - Dann muss es vielmehr heißen: Es ist richtig, immer wieder auch als Staat Zähne zu zeigen und den Tierhalten, jedenfalls denjenigen, die sich als schwarze Schafe herausstellen, zu zeigen, was staatliche Aufgaben sind.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Wir sind als CDU-Fraktion der Auffassung, dass das keineswegs alles ist, was Tierhaltung, insbesondere gewerbliche Tierhaltung, in Sachsen-Anhalt ausmacht. Wir glauben, dass die Verbraucher durch ihr Kaufverhalten zum Tierwohl beitragen müssen.

Frau Budde, ich habe mich gefreut, dass Sie das so zutreffend beschrieben haben, dass das selbstverständlich keine Angelegenheit allein der Landwirtschaft ist. Vielmehr führt der Kostendruck, den Verbraucher mit ihrem Kaufverhalten bis unmittelbar zum Landwirt auslösen, auch dazu, dass manch einer glaubt, diesem Kostendruck nur ausweichen zu können, indem er versucht, gesetzliche Regeln bis an die Grenzen des Zumutbaren auszulegen.

(Zustimmung bei der CDU)

Es sind also nicht nur Tierhalter und Tierärzte verantwortlich für das Wohl der Nutztiere, sondern selbstverständlich auch der mündige und verantwortungsvolle Verbraucher. Wir erkennen das Umdenken auch in der Gesellschaft. Wir stellen aber auch fest, dass große Teile der Bevölkerung nach wie vor versuchen, das preiswerteste Produkt zu erwerben. Wer im Sinne des Tierschutzes mehr bezahlen will, der sollte das unserer Meinung nach auch tun können. Insofern muss die Kennzeichnung von tierischen Produkten noch einmal grundsätzlich überdacht werden.

Die Holländer haben ein sehr erfolgreiches Label für Tierschutz bzw. tierartgerechte Haltung entwickeln können, sodass diese Produkte mittlerweile einen Marktanteil von mehr als 20 % haben. Das fehlt meiner Meinung nach in Deutschland.

Es kann nicht sein, dass die Absicht des klugen, mündigen und aufgeklärten Verbrauchers, etwas Positives zu tun, sich nur im Profit niederschlägt, aber nicht im Tierwohl.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Diese Garantien müssen wir der Öffentlichkeit besser vermitteln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gehört allerdings auch zu den unangenehmen Wahrheiten, dass bei steigenden Anforderungen an die Standards beim Tierschutz kleine Betriebe aussteigen, weil sie sich die Investitionen, die diese höheren Standards erfordern, nicht leisten können. Diese Konzentrationsprozesse aufgrund hoher Standards haben in den vergangenen Jahrzehnten zu immer größeren Anlagen und zu außergewöhnlichen Spezialisierungen geführt.

Beispielsweise - um das Thema der Sauenhaltung aufzugreifen - ist jeder fünfte kleinere Sauenhaltungsbetrieb mit unter 100 Tieren in den vergangenen Jahren aus der Sauenhaltung ausgestie

gen, insbesondere im Zusammenhang mit der Einführung der Gruppenhaltung.

In der vergangenen Sitzung des Landtags haben die GRÜNEN zur Begründung ihres Antrags ausgeführt, dass die Kontrollen im Bereich des Tierschutzes nicht wirksam seien. Das ist sehr pauschal. Mit welchem Misstrauen behandeln Sie eigentlich die Behörden in unserem Land? - Einerseits loben Sie sie - vor Ort wie im Fall Straathof -, andererseits diffamieren Sie unsere Tierschutzexperten im Land als untätig oder unwillig. In den Medien feiern Sie sich selbst aber gerade so, als hätten Sie die Stallanlagen von Straathof kontrolliert.

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine sehr verehrte Damen und Herren! Die Fälle zeigen, dass die Gesetze den geänderten Wertvorstellungen angepasst wurden. Über alle vergangenen Bundesregierungen hinweg hat es Veränderungen im Bereich des Tierschutzgesetzes gegeben. Wenn Sie genau hinschauen, dann stellen Sie fest, dass dies Einzelfälle sind - anders als Frau Frederking uns glauben machen will.

Statt aber die Veterinäre zu diffamieren, müssen wir unsere Behörden ermutigen und angemessen ausstatten. Dann werden sie auch entschlossen und konsequent handeln. Wir brauchen aber keineswegs das Gegenteil davon, wie beispielsweise ein Verbandsklagerecht, wie es die LINKEN vorschlagen. Das ist geradezu kontraproduktiv, weil es enorme Ressourcen bindet, Risiken in die Behörden verlagert und keinerlei messbare Verbesserungen der Haltungsbedingungen in den Ländern mit sich gebracht hat, die ein derartiges Verbandsklagerecht eingeführt haben.

(Zustimmung bei der CDU)

Wir sind gegen eine Politik der weißen Salbe. Wir glauben, dass wir als Landtag die Verantwortung nicht an Verbände delegieren sollten, sondern dass wir unserer Verantwortung selbst gerecht werden müssen.

Der Minister hat - wie ich finde, zu Recht - darauf aufmerksam gemacht, dass wir die Qualität der geltenden Schutz- und Kontrollstandards in Sachsen-Anhalt und insbesondere die Wirksamkeit noch einmal genauer betrachten müssen. Wir können dem Minister Unterstützung zusagen, dass wir bei Stallanlagen, die einen ganz bestimmen Größenmaßstab überschreiten, möglicherweise

die ständige Präsenz eines amtlichen Tierarztes in Erwägung ziehen müssen. Wir haben das ja schon bei den Veredelungsstufen. In Schlachthöfen beispielsweise ist die Präsenz amtlicher Tierärzte der Normalfall. Möglicherweise muss das bei einzelnen Größenklassen ebenfalls gelten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gilt, marktgerechte und praktikable Lösungen für die

Tierhaltung zu finden, die nicht nur politisch erforderlich, sondern auch unter wissenschaftlichen Aspekten vernünftig sind. Dafür brauchen wir weiterhin einen gesellschaftlichen Dialog, Transparenz, Bildung und die Kommunikation aller Beteiligten, auch in der Politik. - Danke schön.

(Zustimmung bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Kollege Leimbach. Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Frederking. Möchten Sie diese beantworten?

Sehr gern sogar.

Wie untersetzen Sie denn Ihre Aussage, dass ich pauschale Vorwürfe erhebe?

Geschätzte Frau Kollegin Frederking, wenn ich mich nicht gänzlich verhört haben sollte, haben Sie behauptet, es gebe einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen der Größe einer Tierhaltungsanlage und festgestellten Tierschutzmängeln. Sie sind eigentlich in der Beweispflicht, dass eine derart pauschalierende Behauptung auch tatsächlich in irgendeiner Form, meinetwegen empirisch oder wissenschaftlich, begründet werden kann. Das sind Sie uns schuldig geblieben.

Deswegen müssen Sie mit dem Vorwurf leben, dass Sie wieder einmal, um Ihre Art von Politik zu betreiben, mit pauschalen Behauptungen einen gesamten Berufsstand verunglimpfen.

(Zustimmung bei der CDU)

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. - Frau Fraktionsvorsitzende Professor Dalbert hat um das Wort gebeten. Das hat sie natürlich jetzt.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Landwirtschaftspolitik hat einen besonderen Platz im grünen Herzen. Deswegen möchte ich hier gerne noch einmal das Wort ergreifen.

Herr Daldrup hat den Bogen geschlossen zu den Ausführungen von Herrn Minister Aeikens, der die Rechtssituation der Bodenverkäufe angesprochen hat. Ich glaube, bei diesem Punkt gibt es eine große Einigkeit im Hohen Hause. Das müssen wir angehen. Die Wertschöpfung, die im Ort erbracht worden ist, muss auch im Ort bleiben. Am Ende

wird es um das Wie gehen. In den Ausschüssen werden wir auch um das Wie ringen. Insofern ist das gar nicht der Punkt.

Ich sage aber auch sehr klar: Natürlich haben wir ein Problem im Land, das Sie nicht angesprochen haben. Solange wir Rechenzentren auf 100er-Böden bauen, haben wir ein Problem beim Umgang mit unseren Böden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Herr Aeikens, Sie haben in Ihrer Regierungserklärung unter anderem gesagt, es gehe aber auch um das Wie, wie Landwirtschaft betrieben werde. Das hat mich mit Hoffnung erfüllt. In Ihren Ausführungen habe ich aber leider gar nichts dazu gehört, wie Sie sich als der für die Landwirtschaft zuständige Minister das Wie der Landwirtschaft vorstellen. Das finde ich bedauerlich.

Ich möchte gerne wissen, wie sich die Landesregierung den Bodenschutz vorstellt. Kollege Krause von der LINKEN war der erste, der das Thema überhaupt angesprochen.

Verehrte Kollegin Budde, wenn es um das Leitbild geht, dann muss es auch darum gehen, dass wir sagen, wie wir Landwirtschaft bei uns im Land betrieben haben wollen. Da sage ich Ihnen: Bodenschutz ist Umweltschutz, und deswegen müssen wir klare Eckpunkte in einem Leitbild verankern. Dabei geht es um die Düngemittel, um die Fruchtfolgen und vieles mehr. Das muss Kernpunkt eines Leitbildes sein.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ein Wort habe ich nur ein Mal ganz kurz und ohne weitere Ausführungen gehört. Das ist das Wort Biodiversität. Natürlich brauchen wir eine Landwirtschaft, die die Biodiversität in den Blick nimmt. Wir wollen die Arten erhalten und dazu muss auch die Landwirtschaft einen Beitrag leisten.

Ich nenne zwei Beispiele. Wir müssen uns fragen: Wollen wir tatsächlich, dass die landwirtschaftliche Fläche zu 100 % für den Anbau genutzt wird, dass jeder Gewässerrandstreifen untergepflügt wird, um mehr Ertrag zu generieren, und dass die Feldraine aus dem Landschaftsbild verschwinden? - Dazu sage ich ganz klar: Das wollen wir nicht.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Rosmeisl, CDU: Wir doch auch nicht! - Unruhe)

Gewässerrandstreifen und Feldraine sind Lebensräume für Tiere, beispielsweise für die wichtigen Bienen. Die Gewässerrandstreifen sind Lebensräume für unsere Amphibien. Sie schützen zudem die Fische. Ich erinnere mich an eine Debatte über den Kormoran; diese Debatte wäre ganz anders

geführt worden, wenn wir an der Helme Gewässerrandstreifen hätten und die Fische nicht wie auf einer Anrichteplatte für Kormorane im Wasser schwimmen würden.

(Herr Leimbach, CDU: Nicht so laut! - Un- ruhe)

Natürlich müssen wir uns auch über die Tierhaltung unterhalten. Wir müssen ganz klar konstatieren, dass wir hier im Hohen Haus Differenzen bezüglich der Vorstellung haben, wie die Tierhaltung bei uns im Land betrieben werden soll.