Nach diesen Ausführungen des Vorsitzenden der CDU-Fraktion ist meine Frage sehr lapidar, aber ich stelle sie trotzdem.
Ich möchte aber zuerst eine Feststellung machen. Die Ausführungen, die jetzt getätigt wurden einschließlich der letzten, zeigen uns allen, dass wir in Sachen Geschichtsaufarbeitung noch eine Menge zu leisten haben.
Wenn man diese Geschichtsaufarbeitung wirklich ehrlich leistet, dann kommt man zu bestimmten Erkenntnissen für die Gegenwart.
Ich muss jetzt aber zu meiner lapidaren Frage kommen. Tilman Tögel hat diese Frage sehr stark in Richtung der Aktuellen Debatte aufbereitet. Innerhalb der Aktuellen Debatte sollte aber auch unser Antrag behandelt werden. Deshalb haben wir ja auch eine Redezeit von 15 Minuten je Fraktion vereinbart. Der Antrag verlangt, dass die Landesregierung ein paar Punkte zu erfüllen hat und dass wir als Parlament einsteigen, was die Wahlordnung betrifft.
Ich möchte jetzt Tilman Tögel fragen - er hatte sich zu Wort gemeldet und kann dann gleich in diesem Zusammenhang antworten -, wie die SPD-Fraktion zu diesem Antrag steht, der eigentlich Eile gebietet, weil die nächsten Kommunalwahlen bald kommen. Dann müsste schon eine Änderung vorliegen, oder wie auch immer.
Drei Punkte will ich noch sagen. Erstens die Frage an den Präsidenten, ob es nun ein Ordnungsruf gegen mich war oder nicht; denn ich könnte einem Ordnungsruf ja widersprechen.
Zweitens zu dem Kollegen Schröder. Ich erinnere in Ergänzung der Blockflötendiskussion daran, dass die CDU genauso wie die SED zu den Parteien gehört, die das Vermögen und die Mitglieder der Vorgängerpartei übernommen haben. Wir als SDP haben das nicht.
(Widerspruch bei der CDU - Frau Feußner, CDU: Das stimmt nicht! - Weitere Zurufe von der CDU: Das stimmt nicht! - Unruhe)
Drittens möchte ich zu der Frage von Frau Dr. Paschke sagen: Sie haben völlig Recht. Ich habe nicht noch einmal Bezug auf den Antrag genommen, der von Ihnen eingebracht wurde. Wir werden diesen Antrag an den Innenausschuss überweisen und natürlich müssen dort die entsprechenden Auskünfte gegeben werden. Es tut mir leid. Ich habe nicht daran gedacht. Ich war in der Fraktion nicht anwesend, als wir dazu die Absprachen vorgenommen haben. Deswegen habe ich das in den Hintergrund treten lassen.
Werter Kollege Tögel! Lieber Tilman, ich habe eingangs ausdrücklich gesagt, dass es kein Ordnungsruf ist. Ich habe überlegt, ob ich einen Ordnungsruf anbringen soll, und habe es nicht gemacht.
Wir alle sind aufgrund der Vorgänge betroffen. Wahlfälschung ist kein Kavaliersdelikt. Das inhaltlich auszusprechen ist Sache der Fraktionen und nicht der Sitzungsleitung. Dass wir hier Luft ablassen, weil in einem Parlament auch lebendig diskutiert werden muss, ist ebenfalls klar.
Uns ist es in den vielen Jahren immer gelungen, wenn auch Aufregung geherrscht hat und Zuspitzungen vorgenommen wurden, ein gutes Verhandlungsklima zu haben. Es war sicherlich nicht bewusst, dass du den Namen einer kriminellen Vereinigung, die für Kindsentführung, Mord und Totschlag steht, so pauschal für die Organisations
struktur einer demokratischen Partei verwendest. Das war vielleicht ungewollt, aber dennoch hast du eine Gleichsetzung vorgenommen, die wir uns gegenseitig nicht zumuten sollten.
(Zustimmung bei der CDU). Wir werben alle darum, dass sich Bürgerinnen und Bürger in Parteien engagieren, ob das die LINKEN, die SPD, die CDU, die GRÜNEN, die Liberalen oder andere demokratische Parteien sind. Eine Gleichsetzung mit einer kriminellen Vereinigung sollten wir hier im Plenarsaal auf keinen Fall unwidersprochen vornehmen. (Herr Gallert, DIE LINKE: Das haben wir schon anders erlebt, Herrn Gürth!)
Ich möchte für das Protokoll festhalten, dass es zum Selbstverständnis der neugegründeten gesamtdeutschen CDU gehört hat, diesen Neuanfang auch dadurch zu verdeutlichen, dass man die Übernahme des Vermögens der DDR-CDU nicht vorgenommen hat. Das will ich nur klarstellen, weil die Aussage von Herrn Tögel dazu falsch war.
Wir fahren in der Aussprache fort. Für die Fraktion der CDU spricht die Abgeordnete Frau Brakebusch.
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen! Bevor ich beginne, muss ich sagen: Es erschüttert mich. Wir haben eine Aktuelle Debatte und müssen eigentlich alle gemeinsam an Aufklärung interessiert sein.
Dann wird diese Aktuelle Debatte aber dafür genutzt, um andere Kollegen auch bei uns, hier im Landtag, zu diffamieren und die Parteien zu diffamieren. Das erschüttert mich. Das hat nichts mit einem guten Demokraten zu tun.
Herr Präsident! Meine Damen und Herrn! Gestatten Sie mir, gleich zu Beginn unmissverständlich ein paar Worte klar auszusprechen: Wahlmanipulation, selbst der Versuch, ist verwerflich und nicht hinzunehmen. Es ist kein Kavaliersdelikt.
Wer versucht, Wahlergebnisse durch Betrug oder Verfälschen zu manipulieren, um sich oder anderen einen unrechtmäßigen Vorteil zu verschaffen, der muss sich im Klaren darüber sein, dass es da
für keine Entschuldigung geben kann und geben darf, sondern neben strafrechtlicher Verfolgung auch die politische Ächtung folgt.
Wir haben im Jahr 1989 demokratische Wahlen nach rechtstaatlichen Verfahren gegen den Willen der herrschenden Wahlfälscher erstritten.
Damals durfte man dieses, ohne Konsequenzen zu befürchten, kaum laut aussprechen. Heute darf ich das und heute tue ich das. Wir alle und sehr viele Menschen in der ehemaligen DDR sind 1989 nicht auf die Straße gegangen, um heute wieder so etwas zuzulassen. Deswegen darf bei einem Verdacht auf Manipulation nichts unter den Teppich gekehrt, sondern muss ohne Wenn und Aber aufgeklärt werden.
Weil dies ein wichtiger Konsens unter Demokraten sein muss, verbietet sich ein von Fakten fernes parteipolitisches Ausschlachten oder Taktieren. Es verbietet sich einfach.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wahlfälschung oder Wahlbetrug, also das bewusste Manipulieren einer Wahl entgegen demokratischen Prinzipien, treten meist in diktatorischen Systemen auf, um die Steigerung der vermeintlichen Legitimation durch das gewünschte Ergebnis sicherzustellen.
Wir brauchen in Sachsen-Anhalt nicht weit zurückgehen. Vor der demokratischen Wende war das Gebiet unseres Landes Teil eines Unrechtsstaats, in dem Wahlfälschungen organisiert und systematisch angewendet wurden. Vergessen wir nicht, der Nachweis von Wahlfälschungen bei den letzten unfreien Kommunalwahlen in der DDR war einer der Auslöser der demokratischen Wende.
(Herr Steppuhn, SPD: Deshalb ist das so schlimm heute! - Herr Schwenke, CDU: Da warst du noch nicht hier! Du hast doch keine Ahnung! - Unruhe bei der CDU und bei der SPD)
Wahlfälschungen können aber auch in demokratischen Systemen trotz größtmöglicher Transparenz und trotz eines mehrstufigen Sicherheits- und Kontrollsystems in den Fällen, in denen kriminelle Energie besteht, vorkommen. Sie können leider
nicht von vornherein unterbunden werden. Hierfür sieht unser Rechtssystem aber Sanktionen vor, geregelt in den §§ 107 ff des Strafgesetzbuches. Die Strafandrohung erstreckt sich dabei auf Europa-, Bundestags- und Landtags- sowie auf Kommunalwahlen.
Die Unregelmäßigkeiten, zu denen es in diesem Jahr gekommen ist, werden, wie es in einem Rechtsstaat sein muss, nicht unter den Teppich gekehrt, sondern vollständig aufgeklärt und abgeurteilt. Wahlfälschungen erschüttern das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger und die Demokratie.
Vermutlich gibt es einen Einzeltäter, der unter Einsatz hoher krimineller Energie dazu bereit ist, Wahlergebnisse zu einem Vorteil zu fälschen.
Eines sage ich bezüglich der Unregelmäßigkeiten in Stendal ganz deutlich: Die im Zentrum stehende Person ist selbst aus der Partei ausgetreten und auch von allen Ämtern zurückgetreten. Er ist damit einem unausweichlich gewordenen Parteiausschlussverfahren unmittelbar zuvorgekommen.
Der Stadtverband der CDU Stendal hat sich in einer Presseerklärung nachdrücklich von diesen Vorgängen distanziert, die ein Einzelner verübt haben soll. Es handelt sich hierbei um das eigenmächtige Handeln einer Person, die die jahrzehntelange erfolgreiche, solide und verlässliche Arbeit der CDU und vieler ehrenamtlich tätiger Bürgerinnen und Bürger in Misskredit gebracht hat.