Protocol of the Session on September 8, 2011

(Herr Striegel, GRÜNE: Auch da wird in Brandenburg gekennzeichnet!)

- Auch wir haben hier eine Meinung, Herr Striegel. Diese Meinung habe ich vorgetragen. Das ist nicht nur unsere Meinung. Fragen Sie doch einmal die Polizeibeamtinnen und -beamten und die Gewerkschaften.

Entscheidend ist am Ende immer die Frage: Warum soll ich etwas tun? Besteht dazu die Notwendigkeit? - Dazu habe ich Ausführungen gemacht. Wir haben dazu unterschiedliche Auffassungen. Das halte ich für völlig sachlich. - Herzlichen Dank.

Herr Minister, es gibt eine zweite Frage. - Herr Kollege Erdmenger.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Minister, Sie haben ausgeführt, dass nach Ihrer Meinung eine Kennzeichnung nicht notwendig ist, weil alle Polizistinnen und Polizisten identifiziert würden. Nach Angaben aus der „Volksstimme“ vom 21. Juli 2011 hat der zuständige Beamte Ihres Ministeriums gesagt, im Jahr 2010 habe es 137 Anzeigen gegeben

und in 104 Fällen hätten die Polizistinnen und Polizisten identifiziert werden können. Wie kommentieren Sie diese Zahlen?

Wir hatten eine Reihe von Anzeigen und eine Reihe von Fällen, in denen ein Anfangsverdacht bestanden hat. Das habe ich Ihnen vorhin gesagt. Sie können die Zahlen, die Sie zugrunde gelegt haben, nicht auf den einen Bereich beziehen, um den es mir geht. Dazu gehören auch Einsätze in Direktionen und andere Einsätze. Ich habe über den Bereich der geschlossenen Einsätze gesprochen. Ich sage hier: Man muss die Diskussion versachlichen. Mich hat der Bereich interessiert, für den ich werbe, von einer Kennzeichnung abzusehen. Ich habe Ihnen gesagt, dass dort die Situation eine andere ist.

Die Fälle, von denen Sie sprechen, betreffen eine größere Breite. Das ist auch nicht weiter schlimm. Was die anderen Bereiche betrifft, so bin ich mit Ihnen einer Auffassung. Das Wort „Kennzeichnung“ ist in diesem Zusammenhang furchtbar. Wir bitten, dass Namensschilder getragen werden. Bei geschlossenen Einsätzen besteht die Notwendigkeit nicht. Ich habe versucht, das Spannungsverhältnis darzustellen.

(Beifall bei der CDU)

Es gibt eine weitere Nachfrage. Das ist die letzte, die ich zulasse.

Herr Minister Stahlknecht, mit dem Zitat, das Sie aus dem Internet gezogen haben, das ich im Übrigen aufs Schärfste verurteile,

Danke.

wollten Sie darlegen, dass das Risiko besteht, dass mit einer individuellen Kennzeichnung die vermeintliche Gefahr der Verfolgung von Polizisten, die Sie angedeutet haben, steigt.

(Zurufe von der CDU)

Diese Problematik stellt sich aus meiner Sicht so nicht, weil es nämlich aus Berlin keine Andeutungen gibt, dass dieses Risiko für Polizisten steigt, was natürlich auch wir nicht wollen.

(Zurufe)

Deswegen meine Frage: Ergeben sich aus Ihrer Sicht in Berlin oder Brandenburg, wo bereits eine

individuelle Kennzeichnung erfolgt, irgendwelche Hinweise, dass Polizisten durch eine Kennzeichnung, die aus unserer Sicht anonym und nicht verfolgbar sein soll, einem erhöhten Verfolgungsdruck ausgesetzt werden?

Wenn Sie meine Ausführungen verfolgt haben, in denen ich auch die Empfindungen, die Gefühlslage und damit auch auf die Motivation von Beamtinnen und Beamten angesprochen habe, werden Sie festgestellt haben, dass sich nicht so sehr die Frage stellt, ob es tatsächlich zu konkreten strafbewehrten Übergriffen gekommen ist. Vielmehr reicht es allein aus, dass Beamte, die in einem solchen Einsatz sind, für sich befürchten müssen, am Ende Opfer eines Racheaktes zu werden.

Das war ja kein Einzelfall im Internet. Ich habe irgendwann einmal den Mut gehabt, die Bereitschaftspolizei in Hamburg in Schutz zu nehmen. Was meinen Sie, was ich da alles an E-Mails bekommen habe? Mein lieber Mann! Dagegen war das, was ich Ihnen vorgelesen habe, noch gesellschaftsfähig. In diesem Land gibt es Gruppen, die - da können Sie googeln - sich nicht gerade freundlich und rechtsstaatlich über Polizeibeamte äußern. Das heißt nicht, dass nicht auch andere über die Stränge schlagen. Aber es gibt keine Gleichheit im Unrecht.

Ich möchte mich mit denen beschäftigen, die unsere Beamtinnen und Beamten auch psychisch unter Druck setzen. Daher möchte ich nicht, dass Beamtinnen und Beamte in geschlossenen Einsätzen individuell gekennzeichnet werden. Das ist die Argumentationslage.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir fahren in der Debatte fort. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Erben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Wir beschäftigen uns heute mit dem Thema des Sommerlochs 2011 schlechthin in unserem Land. Es geht um die Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte, die im Einsatz sind. Das ist eigentlich kein Sommerlochthema, sondern es geht um nichts Geringeres als das Schutzbedürfnis von Menschen, von Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten auf der einen Seite und von Versammlungsteilnehmern auf der anderen Seite.

Ich will es vorweg sagen: Ich finde das Pathos und die Polemik, die uns von verschiedenen Protagonisten aus den Zeitungsspalten der letzten Wo

chen entgegengeschlagen sind, dem Thema völlig unangemessen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Lieber Herr Striegel, es ist auch unangemessen, die Beamtinnen und Beamten, die einen schweren Dienst verrichten, wie in den letzten Wochen immer wieder geschehen, als Deppen hinzustellen, um eigene politische Effekte zu erzielen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Deshalb werbe ich heute hier um verbale Abrüstung. Ich glaube, viel beigetragen haben alle Beteiligten heute noch nicht dazu.

Doch zurück zum Thema selbst. Die Kolleginnen und Kollegen der Opposition fordern in ihrem Gesetzentwurf bzw. Antrag die Einführung einer Pflicht zur individuellen Kennzeichnung für Polizeibeamte. Das kann ein Name, das kann aber auch eine Dienstnummer sein. Der Vollständigkeit halber will ich auf zwei Dinge hinweisen.

Erstens. Es wird immer so getan, als gebe es noch keine Legitimationspflicht für Beamtinnen und Beamte in diesem Lande. Sie steht im Gesetz, sie mag defensiv sein, in dem Sinne, dass der Beamte sich auf Verlangen ausweisen muss. Aber wir haben eine solche Pflicht, den Dienstausweis vorzuzeigen, wenn das verlangt wird.

Zweitens - das sage ich aus meiner jahrelangen Verantwortung für das Beschwerdewesen in der Polizei -: Ein Problem haben wir zumindest in Sachsen-Anhalt in der Regel nicht damit, polizeiliches Handeln, auch fehlerhaftes Handeln in der Polizei Personen zuzuordnen. Herr Striegel, ich habe mir vorhin ein Zitat aufgeschrieben. Sie sagten, Aufklärung sei erst durch Kennzeichnung möglich. Man möge mir die Fälle nennen, in denen eine Aufklärung daran gescheitert ist, dass im Einsatz niemand eine Dienstnummer oder ein Namensschild getragen hat. Ich kann Ihnen solche Fälle - bedauerlicherweise oder zum Glück - nicht nennen. Ich kann Ihnen aber viele, viele Fälle nennen, in denen die Verfahren eingestellt worden sind, da es sich um falsche Anschuldigungen gehandelt hat.

(Beifall bei der CDU)

Ich könnte Ihnen auch Fälle nennen, in denen zwei Stunden später der ursprünglich in Gewahrsam genommene und alkoholisierte Schläger zur Polizei gekommen ist und über einen Beamten, von dem er nicht einmal genau wusste, wer das war, gesagt hat, er habe ihn verletzt; Körperverletzung im Amt. Das sind Fälle, bei denen eine Straftat am Ende deshalb nicht aufgeklärt werden konnte, weil es die Straftat gar nicht gab. Es gibt Fälle, in denen zur Anzeige gebracht worden ist, dass ein Beamter in einem Zivilfahrzeug der Polizei jemanden auf der Autobahn genötigt habe, sich dann aber herausgestellt hat, dass das Fahrzeug gar nicht

dort war. Auch das alles ist mit in der Statistik. Ich bitte, das zu berücksichtigen.

Es gibt aber auch durchaus Argumente für eine Kennzeichnungspflicht. Denn Polizeibeamte im Dienst sind nicht Privatpersonen, sondern sie sind vom Volk als Quelle staatlicher Gewalt beliehene Personen und haben sich damit in besonderer Weise in den Dienst des Gesetzes zu stellen. Das machen Polizeibeamte in diesem Lande tagtäglich.

Polizisten müssen nun einmal in einigen Fällen unmittelbare Gewalt ausüben. Das ist Ausdruck des staatlichen Gewaltmonopols, das ist wichtig und richtig. Deshalb kann auch diskutiert werden, ob mit einer Kennzeichnungspflicht möglicherweise ein effektiverer Rechtsschutz für Betroffene gewährleistet werden kann. Frau Tiedge, zumindest von mir werden Sie nicht den Vorwurf hören, dass eine Kennzeichnungspflicht einen Pauschalverdacht gegen das Handeln der Polizei in Sachsen-Anhalt oder anderswo darstellen würde.

Auf der anderen Seite müssen wir das Sicherheitsbedürfnis der Polizeibeamten ernst nehmen. Erst in den letzten Tagen - dieses Mal in Dortmund - mussten wir wieder von schweren Ausschreitungen gegen die Polizei hören. Wir wissen nicht nur aus Berlin oder Hamburg, dass Gewalt gegen Polizeibeamte zunimmt. Es gibt die berechtigte Sorge, dass der betreffende Polizeibeamte nach Feierabend von dem bedroht wird, mit dem er sich zuvor auseinanderzusetzen hatte. Da hat auch der Landtag eine Fürsorgepflicht.

Wir sehen aus all den von mir vorgetragenen Argumenten, dass wir über dieses sensible Thema keine Schwarz-Weiß-Diskussion führen können, sondern die Argumente sorgfältig abzuwägen haben. Wir als SPD plädieren deshalb dafür, den Gesetzentwurf wie auch den Antrag der LINKEN in den Ausschuss für Inneres zu überweisen und dort verantwortungsbewusst und gründlich zu beraten.

Für dieses Vorgehen sprechen im Übrigen auch noch ein paar praktische Gründe. Wir haben einen bunten Strauß von Kennzeichnungspflichten in den Polizeien von Bund und Ländern. In manchen Ländern gibt es überhaupt keine Kennzeichnungspflicht. In Hessen und in Niedersachsen können die Beamtinnen und Beamten frei entscheiden, ob sie den Namen an ihre Uniform setzen. In Hamburg müssen Zugführer in geschlossenen Einheiten, Fußstreifen und Revierführer Namensschilder tragen. In Berlin befindet sich eine Regelung gerade in der Umsetzung, in Brandenburg wird sie, wie Sie von meinen Vorrednern gehört haben, im Jahr 2013 in Kraft treten.

Bei dieser Diskussion dürfen wir nicht außer Acht lassen, dass Sachsen-Anhalt keine polizeiliche Insel ist. Welche Folgen hätte eine gesetzliche Regelung, in welcher Form auch immer, für die Hilfe leistenden Einheiten der Bereitschaftspolizeien von

Bund und Ländern? - Solche möglichen Folgen will ich erörtert haben, solche Fragen will ich beantwortet haben, bevor wir uns abschließend eine konkrete Meinung zu dem Thema bilden können. Wir werden das im Innenausschuss mit aller Ernsthaftigkeit betreiben und plädieren, wie angekündigt, für die Überweisung beider Beratungsgegenstände in den Innenausschuss. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Herr Kollege Erben, vielen Dank für Ihren Redebeitrag. Es gibt zwei Anfragen, und zwar vom Abgeordneten Striegel und vom Abgeordneten Lange. Möchten Sie die Fragen beantworten?

Ja, sicher.

Dem Aufruf zur Hebung des Niveaus in diesem Hause kann ich gern folgen. Ich bitte Sie in diesem Zusammenhang nur, die Quelle zu nennen, wo Sie gelesen haben wollen, dass ich Polizisten als Deppen bezeichnet habe.

Ich habe nicht gesagt, dass Sie Polizisten als Deppen bezeichnet haben. Vielmehr haben Sie Polizisten als Deppen dargestellt. Das ist ein riesengroßer Unterschied. Wenn Sie mir zugehört hätten, hätten Sie gehört, dass ich das so gesagt habe.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Sehr sachlich!)

Herr Lange, bitte.

Herr Erben, Sie haben gebeten, Ihnen Fälle zu nennen. Ich habe selbst erlebt, dass ein Polizist in einem geschlossenen Einsatz mich geschnappt und eine entsprechende Haltung eingenommen hat. Vorher hatte ich ihn nach seinem Namen gefragt. Es waren andere Personen, auch mit Presseausweis, dabei, die das verfolgt haben. Er hat mich einfach geschnappt, hat mich weggestoßen und gesagt: Hau ab, du Wichser. - Das Ganze habe ich dadurch dokumentieren lassen, dass ich den Einsatzleiter gebeten habe, diesen Menschen zu verfolgen. Über Funk ist dann an alle Beamten gegangen, dass einer gesucht wird. Er war natürlich nicht mehr da.