Protocol of the Session on November 13, 2014

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zum zweiten Mal in diesem Gesetzgebungsverfahren - der Präsident hat darauf hingewiesen - liegt eine Beschlussempfehlung des Ältestenrats vor, die ich Ihnen gern unterbreiten möchte.

Sie ist das Ergebnis eines monatelangen, von allen Seiten sehr verantwortlich geführten Verhandlungsprozesses, beginnend mit der Gründung der Arbeitsgruppe des Ältestenrates zur Parlamentsreform vor weniger als einem Jahr. Es ist uns in diesem doch recht kurzen Zeitraum gelungen, dass mit der Ihnen zur Abstimmung vorliegenden Beschlussempfehlung ein Markenzeichen der Politik in Sachsen-Anhalt Verfassungsrang erfährt.

Nur beispielhaft möchte ich an dieser Stelle die Regelungen zur Verankerung von Kinderrechten in der Verfassung selbst erwähnen. Indem wir erstmals mit Verfassungsrang ein subjektives Recht auf gewaltfreie Erziehung verbürgen, zeigen wir, dass wir noch mehr Verantwortung für künftige Generationen übernehmen, die sich an den modernsten Verfassungen Europas ausrichtet.

Flexibilität haben wir auch bewiesen, indem wir den demografischen Wandel zum Anlass genommen haben, schmerzhafte Einschnitte in den eigenen Reihen zuzulassen, um eine Verkleinerung des Landtages zu erreichen. Mit den neugefassten Verhaltensregeln und den Bestimmungen zur Einführung des Lobbyregisters unternehmen wir einen großen Schritt zu einer bislang so nicht gekannten Transparenz von parlamentarischen Prozessen.

Plebiszitäre Elemente haben wir ebenfalls in den Blick genommen, indem wir das Instrument der Volksinitiative durch eine Absenkung des Quorums gestärkt haben. Damit wird sichergestellt, dass die bereits seit Inkrafttreten der Verfassung enthaltenen Elemente einer direkten Demokratie ange

sichts der demografischen Entwicklung ihre Wirksamkeit nicht verlieren.

Diese nur beispielhafte Aufzählung mag die Dimension dieses Gesetzes veranschaulichen. Nun habe ich einige wesentliche Gesichtspunkte, die in der Ausschussberatung nach der zweiten Lesung zur Sprache kamen, wiederzugeben. Der Beratungsverlauf nach der zweiten Beratung gestaltete sich wie folgt:

Der Landtag hat in der 75. Sitzung am 16. Oktober 2014 den Entwurf eines Gesetzes zur Parlamentsreform 2014 in der Drs. 6/3430 in zweiter Lesung beraten und ihn einschließlich der hierzu ergangenen Beschlussempfehlung des Ältestenrates in der Drs. 6/3497 erneut zur Beratung an den Ältestenrat überwiesen.

Im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hatte die Fraktion der SPD bereits vor der zweiten Gesetzesberatung in einer Tischvorlage eine Änderung zu Artikel 65 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung beantragt, nach der der erste Wahlgang zur Wahl des Ministerpräsidenten nach 50, statt wie bisher nach 14 Tagen stattfinden solle.

Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung folgte zunächst in Bezug auf die zweite Beratung der vorläufigen Beschlussempfehlung des Ältestenrates, behielt sich jedoch in einem an den Präsidenten gerichteten Schreiben eine nähere Befassung mit dem Anliegen der Fraktion der SPD vor.

Einer in der Aussprache in der zweiten Beratung des Plenums zum Ausdruck gebrachten Anregung folgend bat der Landtagspräsident mit Schreiben vom 17. Oktober 2014 den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung, auf der Grundlage von § 29 Abs. 5 der Geschäftsordnung des Landtages über den als Vorlage 5 zu dem Gesetzentwurf vorliegenden Antrag der Fraktion der SPD auf Änderung von Artikel 65 Abs. 2 Satz 1 der Landesverfassung zu beraten und dem Ältestenrat hierzu eine Stellungnahme des Ausschusses zuzuleiten. Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung kam in der Sitzung am 24. Oktober 2014 überein, keine Stellungnahme dazu abzugeben.

Der Ältestenrat befasste sich in der Sitzung am 6. November 2014 erneut mit dem Gesetzentwurf, wobei er über zwei von allen Fraktionen initiierte Änderungsanträge zu befinden hatte. Der Änderungsantrag in der Vorlage 12 beinhaltet eine der Novellierung des Wahlgesetzes Rechnung tragende Anpassung der Geschäftsordnung.

Ein zweiter Änderungsantrag, der im Nachgang zu der Sitzung als Vorlage 14 bezeichnet wurde, betrifft unter Punkt III Nr. 2 die Einfügung von § 35 Abs. 8 Satz 8 in das Landeswahlgesetz, mit der für die Berechnung der konkreten Sitzverteilung an

die neue Formulierung in Artikel 47 Abs. 1 der Landesverfassung angeknüpft wird. Dieser soll dahingehend novelliert werden, dass sich künftig Mitglieder des Landtages zu Fraktionen zusammenschließen können, die derselben Partei angehören oder von derselben Partei als Wahlbewerber aufgestellt sind, falls diese Partei mindestens den nach dem Wahlgesetz des Landes Sachsen-Anhalt erforderlichen Anteil an der Stimmenzahl erreicht hat.

Die gesetzliche Mindestzahl der Mitglieder des Landtages soll damit nicht mehr die Berechnungsgrundlage für die Bestimmung der Mindeststärke der Fraktionen bilden. Mit der Einfügung von § 35 Abs. 8 Satz 8 in das Landeswahlgesetz soll eine Klarstellung des Berechnungsverfahrens erfolgen, um ungewollte Berechnungsmöglichkeiten auszuschließen.

Eine weitere wesentliche Änderung, meine Damen und Herren, bezieht sich auf die Anpassung der Geschäftsordnung in Bezug auf die vorgesehene Neufassung des Artikels 47 der Landesverfassung zur Bildung der Fraktionen. Der Geschäftsordnungsgeber ist gehalten, auf der Grundlage der Normierung in der Landesverfassung Regelungen zu schaffen, die sich im Rahmen der verfassungsrechtlichen Festlegung dieser Norm bewegen und praktikable Anwendungen für den Ablauf im Parlamentsalltag sind. Die Änderungsanträge wurden einstimmig angenommen.

Auf Antrag der Vertreter der Fraktion DIE LINKE erfolgte im Ältestenrat eine Einzelabstimmung. Bei der Abstimmung zu Artikel 3 Nr. 2 Buchstabe a des Gesetzentwurfs, § 8 betreffend, der die Anpassung der Kostenpauschale auf 1 800 € zum Beginn der nächsten Wahlperiode beinhaltet, lehnten die Vertreter der Fraktion DIE LINKE diese Änderung ab.

Insgesamt wurde die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung in der Drs. 6/3587 mit 10 : 0 : 0 Stimmen, also einstimmig, verabschiedet.

Ich komme nun zum Schluss, sehr verehrte Damen und Herren. Ich möchte meiner Hoffnung Ausdruck verleihen, dass die Einmütigkeit des Ältestenrates, mit der er sich für diese Vorlage entschieden hat, auch bei der von Ihnen zu treffenden Entscheidung nachvollzogen wird. Dies gilt umso mehr, als die Verabschiedung der heute zu beschließenden Änderungen in einem breiten Konsens auch einen Beitrag dazu leisten kann, das Vertrauen in die Institutionen unserer Demokratie und in die parlamentarische Arbeit insgesamt zu stärken.

Mit dieser Maßgabe bitte ich um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ältestenrates. - Herzlichen Dank.

(Zustimmung bei der CDU, bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Herr Kollege Borgwardt, vielen Dank für die Berichterstattung. - Es wurde eine Fünfminutendebatte vereinbart. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und CDU. Als erster Redner spricht für die Fraktion DIE LINKE Herr Henke. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Zustimmung unserer Fraktion zum Gesamtpaket der Parlamentsreform ist Ihnen bekannt und wird auch heute erteilt werden.

Besonders wichtig ist für uns, dass es gelungen ist, eine Stärkung der Kinderrechte zu erhalten, indem diese in den Grundrechtskatalog unserer Landesverfassung aufgenommen werden. Positiv sind aus unserer Sicht auch die Verbesserung und die Stärkung der Elemente direkter Demokratie, insbesondere die Erleichterung von Bürgerbeteiligung durch die Absenkung der Quoren.

Im Beschlussentwurf sind auch die Verhaltensregelungen geschärft worden, insbesondere im Sinne der Erkennbarkeit von möglichen Interessenvertretungen durch einzelne Abgeordnete einschließlich der materiellen Untersetzung mit der Pflicht zur Darstellung von Einkünften jedes Parlamentsmitglieds einerseits und von Lobbyisten und deren Verbänden andererseits.

Problematisch bleibt für uns die Anhebung der zusammengefassten Erstattung der Aufwandskostenpauschale ab der siebenten Wahlperiode. Sie werden sich erinnern. Nach unserer Auffassung ist es rechnerisch nicht nachvollziehbar, wie der dann geltende Betrag von 1 800 € begründet werden kann. Wir haben uns bei den Beratungen auf eine Anbindung an den Verbraucherpreisindex geeinigt. Genau das schlägt sich bei der Neufestlegung nicht nieder. Insofern bitten wir wie im Ältestenrat auch im Plenum darum, zu Artikel 3 Nr. 2 auf der Seite 10 der Beschlussempfehlung eine gesonderte Abstimmung vorzunehmen.

Bedauerlich war für uns auch, dass im Innenausschuss keine zweite Beratung zur künftigen Wahlkreiseinteilung durchgeführt worden ist. Denn unsere Fraktion hatte nach der ersten Lesung Zahlenmaterial recherchiert und konnte nach einer nochmaligen Prüfung den vorgelegten Vorschlag ob seiner Schlüssigkeit nicht vollständig nachvollziehen und hat hierzu noch Beratungsbedarf.

Unverständlich blieb für uns auch die Behandlung des Vorschlages der SPD-Fraktion zur Verlängerung der Wahlfrist aus Artikel 65 Abs. 2 der Landesverfassung. Diese seit 1992 geltende Zweiwochenfrist ab der Konstituierung des Landtages bis zur Regierungsbildung macht es praktisch un

möglich, Koalitionsverhandlungen sorgfältig und ohne Zeitdruck zu führen. An dieser Stelle gehe ich noch gar nicht auf das Thema Beteiligung von Parteimitgliedern im Rahmen einer landesweiten Abstimmung ein.

Nach unserer Auffassung - dabei stimmen wir mit den Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion überein - wäre auf diese Weise ein breiterer demokratischer Diskurs mit mehr Transparenz in der Politik darstellbar, was durch die unveränderte Beibehaltung der bestehenden Regelung leider nicht gefördert wird.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Dieses Vorhaben Parlamentsreform loben wir doch gemeinsam ob seiner Verbesserung der Bürgerbeteiligung. Sind Elemente direkter Demokratie nicht auch in der internen Arbeit wertkonservativer Parteien vorstellbar? - Wir meinen, ja; nicht nur, weil aus der überregionalen Berichterstattung hervorgeht, dass auch in anderen CDU-Landesverbänden entsprechende Absichten erörtert werden. Sehr geehrte Damen und Herren! Die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern stärkt die Demokratie. Eine ehrliche Ablehnung dieses SPD-Vorschlages wäre zumindest transparent gewesen, so wie es ein Schwerpunkt des Reformentwurfes war.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Fraktion DIE LINKE befürwortet die Beschlussempfehlung als einen tragfähigen Kompromiss und wird ihr mit der genannten Ausnahme heute auch zustimmen. - Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Henke. - Für die SPD spricht nun die Abgeordnete Frau Grimm-Benne. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Unsere Fraktion ist stolz darauf, dass wir hier überfraktionell so weit gekommen sind und heute eine Parlamentsreform verabschieden.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Möglicherweise wird es morgen nicht in der Presse stehen, aber ich bin auch stolz darauf, dass wir es geschafft haben, Änderungen an der Landesverfassung vorzunehmen und dass wir sie um bestimmte Punkte, die in der Gesellschaft wichtig sind, wieder erneuert haben. Ich finde, es ist eine Sternstunde des Parlaments und das sollte man sich nicht nehmen lassen.

(Zustimmung bei der SPD)

Nichtsdestotrotz möchte ich mein Bedauern darüber zum Ausdruck bringen, dass es uns ganz zum Schluss nicht gelungen ist, alles objektiv auf den Prüfstand zu stellen, und dass es möglicherweise bereits andere Erwägungen gibt, warum wir uns nicht auf den Vorschlag für eine gemeinsame Regelung zur Verlängerung der Frist zur Wahl des Ministerpräsidenten einigen konnten.

Es mag sein, dass sich einige etwas anderes darunter vorgestellt haben, dass man möglicherweise im Jahr 2016 politische Konstellationen verändern oder auch verhindern kann. Ich habe mir extra ein Beispiel herausgesucht, das ganz wertfrei ist. Ich habe mir nicht Thüringen oder Brandenburg vorgenommen, sondern das Beispiel Sachsen. In Sachsen hat man sich entschieden, eine rot-schwarze Koalition zu bilden. Die Wahlen in Sachsen haben am 31. August 2014 stattgefunden. Die Wahl des Ministerpräsidenten hat, wie Sie alle mitbekommen haben, gestern, am 12. November 2014, stattgefunden. Die CDU und die SPD in Sachsen haben sich auch nicht gestritten. Sie brauchten auch nicht noch einmal zu sondieren, sondern sind ziemlich zügig in die Koalitionsverhandlungen eingetreten.

Die SPD hat aber gesagt, sie will innerparteiliche Demokratie realisieren, lässt mitentscheiden, und hat einen Mitgliederentscheid durchgeführt. Danach wurde zügig ein Koalitionsvertrag erarbeitet. Die gesamten Verhandlungen haben sich über einen Zeitraum von zehn Wochen erstreckt. Eine Frist von 50 Tagen, die wir gern in die Verfassung aufnehmen wollten, ist angesichts dessen schon ambitioniert. Wie wir das aber in sechs Wochen schaffen wollen - dazu verpflichten Sie uns jetzt, weil wir es nicht einvernehmlich gestalten konnten -, das weiß ich nicht.

(Zustimmung von Frau Budde, SPD)

Ich weiß nur, dass wir in unserer Partei ein solches innerparteiliches demokratisches Verfahren auf jeden Fall durchführen wollen. Das haben wir sehr offen mitgeteilt. Wir werden einen solchen Mitgliederentscheid in unserer Partei durchführen, egal welche Konstellationen sich ergeben. Das braucht Zeit.

Ich bedauere es sehr, dass das aus anderen taktischen Gründen heute nicht zum Abschluss kommen konnte. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Grimm-Benne. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt die Abgeordnete Frau Professor Dalbert. Bitte schön, Frau Abgeordnete.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte meiner Vorrednerin ausdrücklich zustimmen: Heute ist ein guter Tag für SachsenAnhalt, weil das Parlament über die Fraktionsgrenzen hinweg bewiesen hat, dass es veränderungsfähig ist.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der CDU)

Anlass für die Parlamentsreform waren der demografische Wandel und der Wunsch, die Parlamentsgröße auf den Prüfstand zu stellen und zu fragen, ob die Parlamentsgröße angesichts des demografischen Wandels noch angemessen ist.

Das ist für eine kleine Fraktion wie die unsere immer eine sehr schwierige Frage, wie Sie sich vorstellen können, liebe Kolleginnen und Kollegen. Aber ich denke, wir sind zu einem guten Ergebnis gekommen, indem wir gesagt haben, wir verkleinern das Parlament in zwei Schritten, wir passen die Ausstattung der gewachsenen Verantwortung der Abgeordneten an und wir gewährleisten, dass jede Partei, die die Fünfprozenthürde überschreitet, eine eigene Fraktion bilden kann. Deswegen ist das ein vernünftiger Schritt.