Was ist eine Steuerschwankungsreserve? - Die Steuerschwankungsreserve ist eine Hilfskrücke nach der entsprechenden Schuldenbegrenzung nach dem Motto, wenn mal irgendwann die Haushaltsmittel über die Einnahmen nicht kommen, dann kann ich Rückgriffe machen.
Kann mir einmal jemand erklären, wie sinnvoll und wirtschaftlich eine Steuerschwankungsreserve von 15 Millionen € bei 20 Milliarden € Schulden ist? Kein Betriebswirt könnte das. Deswegen sind das Rechentricks und deswegen brauchen wir an dieser Stelle diese Rücklagen nicht.
Dann kommen wir zum letzten Punkt. Das ist der zentrale Punkt: die Tilgung in diesem Landeshaushalt. Ja, wir stellen sie zur Disposition. Wir erwarten überhaupt nicht mehr, dass darüber rational diskutiert wird, weil die Tilgung im Landeshaushalt inzwischen ein pseudoreligiöses Dogma ist. Dabei interessieren keine Zinssätze, keine volkswirtschaftliche Vernunft, die Tilgung ist eines der zehn Gebote. Ob danach noch neun kommen, das weiß ich nicht. Im Grunde genommen ist es das zentrale Gebot.
Wir sagen sehr wohl, wir stellen dies in Frage. Wissen Sie, natürlich kann man sich hinstellen und sagen - das war das zentrale Thema des Kollegen Bullerjahn -, die zentrale Absicht dieser Landesregierung ist die Schuldentilgung. Jawohl, wir wer
den, wenn wir das zehn Jahre lang durchhalten, unsere Verschuldung von 20 Milliarden € auf 18 Milliarden € reduziert haben. Das setzt Emotionen frei!
Das setzt Energien in diesem Land frei, beim Finanzminister, beim Chef des Landesrechnungshofes und bei dem einen oder anderen von uns auch. Herr Schröder, der muss sich schon Mühe geben, das glaube ich, ehrlicherweise.
Aber außerhalb dieses Landtages sagen Sie einmal: Mensch, Leute, kommt her, wir haben im Jahr 2025 nur 18 Milliarden € Schulden! Das ist der Grund hierher zu kommen, das ist der Grund hier zu bleiben. - Nein, ist er nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Wir haben ein bundesweites Problem mit den Altschulden. Daran müssen wir arbeiten. Es ist besser, dieses Geld für die Entwicklung von Hochschulen, für die Entwicklung von Bildung und für die Sicherung von öffentlicher Daseinsvorsorge einzusetzen. Dann bleiben die Leute hier und dann werden wir mit den Schulden fertig. Das ist unsere Alternative.
(Beifall bei der LINKEN - Minister Herr Bul- lerjahn: Du hast wirklich nichts verstan- den, Wulf, in den letzten Jahren! Man kann nur hoffen, dass du nie in die Regie- rung kommst! Aber die LINKEN sind ja sonst anders, wenn sie reagieren!)
Ja, liebe Kolleginnen und Kollegen, zusammengefasst - - Übrigens, Kollege Bullerjahn, ein interessantes Argument.
Vorhin hat er erzählt, wir bekommen 10 Milliarden € jedes Jahr für den Landeshaushalt. Da müssen wir gegenrechnen, dass wir eine jährliche Inflationsrate von 1,5 % haben.
(Minister Herr Bullerjahn: Wir liegen doch viel höher! Das weißt du doch! Du musst dich damit beschäftigen, Wulf!)
Die Inflationsrate entwertet diese 10 Milliarden €. Als ich das gleiche Argument, Kollege Bullerjahn, bei den 20 Milliarden € Schulden angebracht habe, dass diese sich um 1,5 % entwerten, wenn man diese 1,5 % zugrunde legt - übrigens kann man sich ausrechnen: 300 Millionen € im Jahr -, bezeichneten Sie das als eine völlig absurde Vorstel
lung. Also: Auf der Einnahmenseite entwertet die Inflation, aber auf der Schuldenseite entwertet sie nicht. Das erklären Sie einmal einem Betriebswirt, Kollege Bullerjahn.
Abschließend: Ja, wir haben einen Doppelhaushalt vorliegen, weit weg von allen Horrorszenarien der letzten Jahre, weit weg davon, was ein Kollege Deubel uns vorschreiben wollte und was die Landesregierung im Mai letzten Jahres beschlossen hat.
Er ist ein Kompromiss zwischen dem, was die Regierung will, und dem, was die Leute in diesem Land mit sich machen lassen. Aber er ist ein schlechter Kompromiss, weil er widerwillig ist. Er bedroht die kommunale Selbstverwaltung, er bedroht die öffentliche Daseinsvorsorge und er bedroht zum Teil die Entwicklungsfähigkeit des Landes.
Unsere Ziele werden sein, diese Schwächen zumindest abzumildern. Sie zu beseitigen wird, glauben wir, bei dieser Landesregierung nicht möglich sein. Aber wir wissen auch, öffentlicher Druck kann vieles bewegen, vieles, was manche sich hier im Haus nicht vorstellen können oder wollen. - Danke.
Frau Präsidentin! Hohes Haus! Gestatten Sie mir, dass ich zu Beginn meiner Rede einmal nicht mit dem eigentlichen Gegenstand des Tagesordnungspunktes, nämlich der Einbringung des Doppelhaushaltes, beginne, sondern mit dem Finanzminister selbst.
Jens Bullerjahn bringt, wenn man die Nachtragshaushalte mit berücksichtigt - man muss sie wohl mit einbeziehen -, heute seinen zehnten Haushaltsplanentwurf in dieses Parlament ein. Dieses kleine Jubiläum fällt mit der Tatsache zusammen, dass es sein letzter Haushalt in dieser Amtsperiode sein wird. Jens Bullerjahn ist seit mehr als 3 000 Tagen oder, anders gesagt, seit gut acht Jahren dabei, die Finanzpolitik dieses Landes maßgeblich mitzubestimmen.
(Frau Bull, DIE LINKE: Zu lange! - Herr Hen- ke, DIE LINKE: Übergabe des Parteibuches der SPD! - Herr Scheurell, CDU, schwenkt ein weißes Taschentuch - Minister Herr Bul- lerjahn: Ich packe schon einmal ein!)
Ich sehe, die Spannung wächst. - Es ist sein zehnter Haushalt und es ist der letzte in dieser Wahlperiode. Vielleicht räumt das Missverständnisse aus. Jens Bullerjahn ist seit mehr als 3 000 Tagen im Amt, um nicht zu sagen seit acht Jahren, und er bestimmt die Finanzpolitik dieses Landes maßgeblich mit. Auch wenn das Budgetrecht das vornehmste Recht von uns Parlamentariern ist, darf man diese Erkenntnis wohl reinen Gewissens zugestehen. Trotz der verschiedensten Funktionen, die Jens Bullerjahn seit der ersten Wahlperiode hatte, ist die Rolle des Finanzministers wohl zur politischen Rolle seines Lebens geworden.
Das alles begann meiner persönlichen Einschätzung nach mit der Neuausdeutung der Oppositionsrolle im Jahr 2004 und mit dem Papier „Einsichten und Perspektiven Sachsen-Anhalt 2020“. Damals deutete sich - damit zitiere ich die „Berliner Zeitung“ - der „Oberrealo“ Jens Bullerjahn schon an. Der damalige Ministerpräsident dieses Landes Herr Professor Wolfgang Böhmer sprach von der Wandlung vom Saulus zum Paulus.
Er selbst hat einmal gesagt: „Ein Ingenieur redet nicht um die Probleme herum, sondern analysiert und schafft Abhilfe, manchmal auch radikal.“ Dieses Zitat von ihm kann man für nüchtern und schnörkellos halten, aber nun, wo die Verschuldungsuhr dieses Landes rückwärts zu laufen beginnt, füge ich hinzu: Man kann es auch erfolgreich nennen.
Jens Bullerjahn hat in seiner Einbringungsrede - möglicherweise ist es untergegangen - das Wort Freiheit erwähnt, vor dem Hintergrund, dass dieses Land beginnen will, auf eigenen Füßen zu stehen. Weil er es schnörkellos gesagt hat, mache ich jetzt doch einen Schnörkel daran und zitiere Samuel Smiles, einen englischen Arzt:
An diesen Spruch habe ich mich erinnert, als ich heute den Ausführungen von Herrn Bullerjahn gefolgt bin.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir sprechen mit diesem Haushalt über einen Haushalt, durch den zwar nicht er selbst, aber die Wahlperiode insgesamt Geschichte schreibt. Denn erstmals in der Geschichte des Landes SachsenAnhalt geben wir Parlamentarier - wir beschließen den Haushalt - über eine gesamte Wahlperiode
Mit behutsamen Reformen, ja, auch mit guten Steuereinnahmen, aber ohne Radikalkur und gesellschaftliche Verwerfungen ist diese Trendwende gelungen. Der Regierungsentwurf folgt der finanzpolitischen Linie vorangegangener Entwürfe in dieser Wahlperiode.
Unter der Überschrift „Investieren, konsolidieren, vorsorgen“ werden auch in diesem Doppelhaushalt alle verfügbaren Drittmittel für Investitionen gebunden, Vorsorgeelemente gestärkt und wird der Schuldenabbau fortgesetzt. Im kommenden Jahr - ich nenne die Zahlen noch einmal - werden es 75 Millionen € sein, 2016 noch einmal 100 Millionen € Altschulden, die getilgt werden, sofern wir diesen Haushaltsplan so beschließen. Gleichzeitig wächst die Steuerschwankungsreserve um jährlich mindestes 15 Millionen €, und 80 Millionen € werden in jedem Jahr dem Pensionsfonds zugeführt.
Die erste Legislaturperiode, in der nicht nur keine neuen Schulden mehr gemacht werden, sondern in der wir auch in die Tilgung alter Kredite einsteigen und in der Rücklagen letztlich im dreistelligen Millionenbereich geschaffen werden, ist eine finanzpolitische Trendwende. Die Ursachen sind nachhaltige finanzpolitische Entscheidungen und natürlich auch die insgesamt günstigen Rahmenbedingungen. Eine längere Niedrigzinsphase, welche die Zinsausgaben auf rund 600 Millionen € gesenkt hat, fällt zusammen mit einer guten Konjunktur und mit Steuereinnahmen auf Rekordniveau.
Aber, sehr geehrter Herr Kollege Gallert, es sind noch 600 Millionen € - 600 Millionen €, die wir nicht ausgeben können für Daseinsvorsorge, für Kommunen, für Hochschulen und für all das, was Sie in Ihrer Rede genannt haben. Dazu, dass Sie völlig emotionslos sagen: „Die 2 Milliarden € weniger Gesamtverschuldung, das macht nichts, das hebt uns nicht an, da kommt keiner“, muss ich sagen: Meine sehr verehrten Damen und Herren, für 2 Milliarden € wären ca. 40 bis 50 Millionen € Zinsausgaben in jedem Jahr fällig. Haben oder nicht haben!
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Konsolidierungsdruck ist nach wie vor vorhanden. Auch wenn er durch günstige Konjunktur- und Steuereinnahmeeffekte möglicherweise etwas verschleiert wird, er besteht weiterhin. Wir sind ein gutes Stück bei der Konsolidierung vorangekommen. Wir erfüllen die Stabilitätskriterien. Wir sind
im Stabilitätsrat der Bundesregierung, so heißt es, „unauffällig“ und bekommen Konsolidierungshilfen in Höhe von immerhin 80 Millionen € jährlich.
Die Ratingagentur Standard & Poor’s hat das Rating des Landes mit „AA+“ bestätigt. Damit ist das Land mit der zweithöchsten überhaupt möglichen Ratingkategorie bewertet worden und gehört zu den besser bewerteten Bundesländern der Republik. Die Agentur weist explizit auf die gute Haushaltsentwicklung und die gute Finanzpolitik in Sachsen-Anhalt hin. Das ist auch ein kleiner Ritterschlag.