Protocol of the Session on July 8, 2011

Dort, wo wir sie im Haushalt haben - das sage ich hier auch ganz klar -, sollten wir auch darüber reden, ob man nicht Budgets bilden kann. Denn, wie gesagt, das Instrument ist an sich nicht falsch. Aber wenn man es ohne Ziele macht, dann gibt man das Geld der allgemeinen Versuchung anheim, das sein zu lassen, was schwierig ist im Landeshaushalt, und dort zu sparen, wo es am leichtesten ist. Das ist dann das, was wir eine Entmachtung des Parlaments nennen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Wir haben ja - deswegen auch meine Rückfrage, Herr Schröder - zwei Bereiche, in denen flexibilisiert werden soll. Wir haben die gegenseitige Deckungsfähigkeit und die zeitliche Flexibilisierung.

Die zeitliche Flexibilisierung ist durchaus positiv. Dafür gibt es viele Beispiele. Es ist positiv, wenn wir in den Hochwasserschutz investieren und man entscheiden kann, ob man die Maßnahme in diesem oder im nächsten Jahr baut, ob man etwas bündeln kann. Das ist natürlich positiv.

Aber es kann nicht positiv sein, wenn wir generell flexibilisieren. Denn dann müssen wir befürchten, dass sich die Ministerien Sparbüchsen aufbauen, die sie zu gegebener Zeit aufmachen können,

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Genau!)

im Zweifel kurz vor der Wahl. Das kann nicht das Ziel sein, das wir als Parlament hier verfolgen. Deswegen sage ich: Wir müssen uns auch da Titel für Titel angucken.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Dann haben wir die Flexibilität über die Titelgrenzen hinweg, die gegenseitige Deckungsfähigkeit. Da sehe ich wirklich die Gefahr - das müssen wir uns auch angucken -, dass schwierige Aufgaben liegen bleiben. Wir haben es doch in der Vergangenheit erlebt, beispielsweise bei der Frage, wie können wir vielleicht in der Kinderförderung dahin kommen, dass wir mit genauso viel Geld pro Krippen- oder Kindergartenplatz wie andere Bundesländer auskommen. Das ist eine sehr schwierige Frage, bei der wir bisher nicht wirklich weiter gekommen sind.

Wir haben erlebt, dass an anderer Stelle, bei der Frage zum Beispiel, wann zahle ich denn die Zuschüsse für die freien Träger aus, die Ministerien sagen: Ach, da kann ich auch ein paar Monate warten; ich zahle die vielleicht erst im Mai aus, dann haben wir auch 1 Million € gespart. Das wollen wir gerade nicht mit dem Haushalt.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Deswegen, sehr geehrte Damen und Herren der Regierungsfraktionen, sehr geehrter Herr Bullerjahn, liebe Landesregierung, können Sie aus unserer Sicht eine solche generelle Flexibilisierung vom Parlament nicht verlangen. Ich freue mich, dass Sie es nicht verlangen wollen. Sie können sie jedenfalls vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN nicht verlangen und, ich hoffe, auch von den Regierungsfraktionen nicht. - Vielen Dank.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Es gibt noch eine Nachfrage von Herrn Barthel.

Sehr geehrter Herr Erdmenger, um der Legendenbildung vorzubeugen: Die Ansätze für die FAGAusgleichsmasse ziehen sich wirklich wie ein roter Faden durch alle Entwürfe der Kab-Vorlage. Sie sind unverändert. Eine Umschichtung in den investiven Bereich zulasten der FAG-Ausgleichsmasse hat es nicht gegeben. Das ist einfach unwahr. Das sollten wir nicht so im Raum stehen lassen. Diese Umschichtungen sind in anderen Bereichen organisiert worden. Das kann man relativ transparent nachvollziehen. Sie wissen, dass wir, insbesondere was das FAG und die Ausgleichsmasse angeht, gerade am Anfang der Diskussion stehen und mit Sicherheit kein Interesse daran haben, dort ein Verschiebespiel zu beginnen. Das wollte ich hier einfach einmal auf den Punkt bringen; denn der Einstieg war etwas unglücklich.

(Beifall bei der CDU)

Herr Barthel, Sie haben da mir gegenüber natürlich einen Informationsvorsprung. Ich muss mich leider Gottes in vielen Punkten auf das stützen, was wir in der Presse lesen können. Da war es so zu lesen. Wenn Sie das widerlegen können, will ich das gern zur Kenntnis nehmen. Wenn Sie uns in Zukunft stärker an den Vorlagen teilhaben lassen und wir zum Beispiel auch im Finanzausschuss einmal darüber reden, dann können wir dem vorbeugen. Das sollte in unser aller Interesse sein.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Gallert.

Herr Erdmenger, ich habe mich nur wegen einer kleinen Bemerkung in Ihrer Rede gemeldet, und zwar ging es um die Kita-Plätze und darum, wie wir möglicherweise die durchschnittlichen Kosten für einen Kita-Platz auf die durchschnittlichen Kosten in westlichen Ländern senken. Das Problem besteht darin - das nehmen wir in diesem Land offensichtlich nicht wahr, aber die BertelsmannStudie hat es uns in etwa vor zwei Monaten aufgezeigt -, dass wir, was die quantitativen Betreuungsparameter anbelangt, zwar sehr gut sind, dass wir aber inzwischen ziemlich die Schlechtesten sind, was die qualitativen Betreuungsparameter anbelangt. Das bedeutet im Endeffekt, dass ein Platz in einer Kindertagestätte bei uns in Sachsen-Anhalt deutlich billiger ist als in den anderen Ländern, zumindest bei dem, was bei den Kindern ankommt.

Wir sollten dieses Problem nicht unterschätzen. In absehbarer Zeit wird es eine der großen politischen Auseinandersetzungen werden. Deswegen

sollte man bei dem ganzen Jubel darüber, wie toll wir im Kinderbetreuungsbereich sind, immer daran denken, dass sich das nur auf die Kinderbetreuungsgrade bezieht und nicht auf die Qualität und die Masse der Ressourcen, die wir pro Platz bereitstellen.

(Herr Rotter, CDU: Das ist doch Unsinn!)

Vielen Dank, Herr Gallert. Diese Problemanalyse teilen wir. Wir haben ja in der Vergangenheit immer wieder darauf hingewiesen, dass man über die Kinderbetreuung nicht nur quantitativ reden darf, sondern dass wir über die Qualität und vor allen Dingen über den Personalschlüssel reden müssen. Offenbar ziehen wir da an einem Strang. Das ist genau richtig.

Natürlich ist es erstaunlich, dass wir besonders teuer sind, obwohl unser Betreuungsschlüssel besonders schlecht ist. Als Finanzpolitiker darf man da schon einmal genauer hinschauen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN - Herr Bom- mersbach, CDU: Wir sind nicht besonders teuer!)

Danke sehr, Herr Erdmenger. - Für die SPD-Fraktion spricht die Fraktionsvorsitzende Frau Budde.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Aktuelle Debatte trägt den Titel „Verfassungsrechtliche Stellung des Landtages verteidigen“. Das Haushaltsrecht ist das vornehmste Recht eines Parlaments und somit der Kern unserer parlamentarischen Demokratie. Das ist nicht erst in unseren Tagen so. Wenn wir es einmal parlaments- und verfassungsgeschichtlich betrachten, dann sehen wir, dass das Haushaltsrecht eine der Wurzeln des modernen Parlamentarismus ist.

1773 ging es bei der Boston-Tea-Party darum, wer Steuern erhebt und wer darüber entscheidet, wie sie ausgegeben werden: „No taxation without representation.“ - Wenn man das ganz frei übersetzt, heißt das: Keine Steuern ohne Parlament bzw. ohne Mitbestimmung des Parlamentes. - Das war der Wahlspruch derer, die als Zeichen an die englische Krone die Teeballen in den Bostoner Hafen gekippt haben. Am Ende stand die Unabhängigkeit Amerikas. Wir werden sicherlich kein unabhängiger Staat Sachsen-Anhalt in Deutschland. Man darf das auch nicht mit einer anderen Tea-Party verwechseln, die bei Alice im Wunderland vom verrückten Hutmacher einberufen wird. Das Parlament wird sicherlich auch nicht das weiße Kaninchen sein, das immer zu spät kommt.

In unserer Landesverfassung steht in Artikel 41 geschrieben, dass der Landtag die gewählte Vertre

tung des Volkes von Sachsen-Anhalt ist, die gesetzgebende Gewalt ausübt und über den Landeshaushalt beschließt. Punkt. Die Verfassung überträgt also dem Landtag von Sachsen-Anhalt die Haushaltshoheit. Damit könnte die Debatte eigentlich zu Ende sein. Aber so ist es im realen Leben nicht. Wir alle wissen ja um das Verhältnis von Verfassung zu Verfassungswirklichkeit. Da das die zwei verschiedenen Seiten einer Medaille sind, steht die Diskussion heute auf der Tagesordnung.

Wichtig für das Wirken einer Verfassung ist ja nicht allein, wie sie geschrieben ist und was in ihr geschrieben steht, sondern vor allem auch, wie es gelebt wird. Für uns als SPD steht dabei ganz klar fest: Wir wollen, dass die Verfassung so gelebt wird, wie sie geschrieben ist. Wir stehen zur Gestaltungskraft dieses Parlamentes und zur vollen Haushaltshoheit dieses Landtages, ohne Wenn und Aber.

Im Übrigen ist es auch das Wesen einer reifen Demokratie, dass sie sich ab und zu selbst reflektiert und fragt, ob aktuelle Entwicklungen ihrem ursprünglichen Geist entsprechen, und dass sie vor Gefährdungen ihrer Existenz warnt. Meine Damen und Herren von der LINKEN, insofern ist jede Sorge um das Funktionieren von Demokratie und Parlament berechtigt. Aber nicht jede Sorge ist am Ende auch begründet.

Die LINKE hat in ihrem Antrag zu dieser Aktuellen Debatte die Befürchtung geäußert, das Parlament würde mit dem neuen Haushaltsaufstellungsverfahren erheblich an Bedeutung verlieren. Herr Gallert hat in seinem Interview mit Sicherheit nicht unbeabsichtigt - ein so erfahrener Finanzpolitiker kennt natürlich den Unterschied zwischen Aufstellungsverfahren und Verhandlungen - gesagt, mit dem Haushaltsaufstellungsverfahren in der Landesregierung und in den Haushaltsverhandlungen im Parlament - die noch gar nicht stattfinden - gefährde der Finanzminister die Haushaltshoheit des Parlamentes.

Wir in der SPD-Fraktion haben das natürlich auch diskutiert. Ein neues Haushaltsaufstellungsverfahren in der Landesregierung ist für Parlamentarier ja per se mit diversen Fragezeichen verbunden, besonders aber, wenn eine Passage, die Sie auch schon zitiert haben, in den Haushaltseckpunkten steht:

„Daher wird das Ministerium der Finanzen haushaltsgesetzliche Regelungen sowie ergänzende Vorschriften für den Haushaltsvollzug erarbeiten, die auf eine Budgetierung der Einzelpläne zielen und Deckungsfähigkeit von Ausgabenansätzen erweitern sowie die Möglichkeit zur jährlichen Übertragbarkeit von nicht verbrauchten Mitteln ausdehnen.“

Der Finanzminister hat erklärt, was damit gemeint ist. Er hat auch gesagt, niemand hatte vor, neue

Budgets zu machen. Vorschlagen allerdings, Herr Erdmenger, kann die Landesregierung all das. Die Frage ist nur, ob wir als Parlament das wollen oder nicht.

(Herr Schröder, CDU: Richtig!)

Nach der Mauerdebatte von gestern wissen wir ja, wie es ausgeht, wenn jemand sagt: „Niemand hat vor, eine Mauer zu bauen.“ Es gibt dann immer parlamentarische Bewegungen, die dem Parlamentarismus und der Demokratie doch wieder zu ihrem Recht und zu ihrer Stellung verhelfen.

Wir haben das, wie gesagt, sehr offen besprochen. Am Ende steht das Einvernehmen mit dem Finanzminister und der Landesregierung. Natürlich würde die Exekutive immer gern etwas flexibler mit den ihr zur Verfügung gestellten Haushaltsmitteln umgehen. Aber das Haushaltsaufstellungsverfahren der Regierung ist das eine, die Haushaltsdiskussion im Parlament ist das andere. Bei der Aufstellung ihres Entwurfs hat die Regierung natürlich freie Hand. Beim Beschluss des Haushalts hat das Parlament dann das Sagen. Das eine System, das Haushaltsaufstellungsverfahren, ist neu. Das andere bleibt, wie es ist, und wird beginnen, wenn der Haushalt in den Landtag eingebracht ist.

Damit keine Missverständnisse offen bleiben, will ich ganz konkret sagen, was ich meine, was das für den Haushalt bedeutet. Erstens. Die Landesregierung wird dem Landtag wie in den Vorjahren einen vertitelten Haushaltsplanentwurf und nicht nur Budgets zur Beratung vorlegen.

Zweitens. Nach der vorherigen Diskussion in den Ausschüssen und der Verabschiedung des Haushalts im Parlament sind diese Haushaltstitel bindend. Eine Ausweitung der Deckungsfähigkeit der Mittel zwischen den einzelnen Titeln wird es immer dann nicht geben, wenn wir es nicht wollen. In einzelnen Haushalten gibt es immer wieder das eigene Wollen des Parlamentes zu verschiedenen Zeiten, dass Haushaltsmittel im bestimmten Umfang deckungsfähig sind. Aber es muss in den Fachhaushalten entschieden werden, was genau deckungsfähig sein soll.

Ich als Parlamentarierin würde nicht so weit gehen zu sagen, dass ich das gar nicht will. Es muss unter fachpolitischen Aspekten entschieden werden. Bei vielen Titeln sind wir uns dann auch einig gewesen. Im Wirtschaftshaushalt ist das öfter so gewesen, aber auch in anderen Haushalten. Damit meine ich ausdrücklich nicht die Verwendung von Mitteln für den Hochwasserschutz zur Dorferneuerung.

Drittens. Weitere Globalbudgets wird es nicht geben.

Eine Flexibilisierung im Haushaltsvollzug wird es, so hat es der Finanzminister auch hier noch einmal deutlich erklärt, lediglich ist einer Richtung geben, nämlich dass nicht abgeflossene Mittel in das

nächste Haushaltsjahr übertragen und dort für gleiche Projekte verwendet werden können. Ich denke, das ist auch gut so, damit nicht immer zum Jahresende der Run losgeht, um die Mittel noch auszugeben. Wir haben es in der Hand zu sagen, dass die Mittel für die gleichen Projekte verwendet werden. Dann ist das, denke ich, positiv. Natürlich muss es auch da eine gesetzgeberische Veränderung geben. Dies muss in das Parlament eingebracht und im Parlament diskutiert und beschlossen werden.

(Zustimmung von Herrn Schröder, CDU)

Damit einhergehen kann auch etwas Positives, das unter uns diskutiert wird, nämlich dass man auf globale Minderausgaben verzichten kann. Das wäre positiv für die Haushalte, weil die Titel nicht mit Minderausgaben durch die globale Minderausgabe belastet werden. Diskutiert wird auch, dass es durch dieses andere Verfahren keine Beschränkungen in der Freigabe der Mittel mehr geben muss, sodass wir nicht vor der Situation stehen - auch das ist bei Trägern und anderen jedes Mal wieder eine Diskussion -, dass Mittel nur zu 60 %, 70 %, 80 % oder 90 % freigegeben werden.

Wenn es uns in der gemeinsamen parlamentarischen Diskussion gelingt, dazu vernünftige gesetzliche Regelungen zu schaffen, steckt, so meine ich, eine große Chance in dem neu angebotenen Verfahren.

Was den Vorwurf der mehrjährigen Bindung betrifft, sage ich Ihnen, Herr Gallert: Niemand hat vor, die mittelfristige Finanzplanung zum Gesetz zu erheben. - Ich glaube, der Satz war nicht im Duktus des Mauerbaus gemeint. Aber das war schon der leichte Unterton in Ihrem Interview: Haushaltseckwerte langfristig fortgeschrieben, festgemacht für die Häuser - das würde bedeuten, dass sich das Parlament gesetzlich binden müsse. Das werden wir nicht tun; das können wir auch gar nicht tun.