Protocol of the Session on June 19, 2014

Wir stimmen über die Überweisung des Gesetzentwurfes der Landesregierung in der Drs. 6/3156 in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ab. Wer stimmt dem zu? - Ich sehe Zustimmung bei allen Fraktionen des Hohen Hauses. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Auch niemand. Damit ist der Gesetzentwurf in den Ausschuss überwiesen worden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 8.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 9 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften

Gesetzentwurf Landesregierung - Drs. 6/3186

Einbringer ist der Minister für Inneres und Sport Herr Stahlknecht, der schon sportlich an das Pult geeilt ist. Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit der letzten Änderung des Datenschutzgesetzes unseres Bundeslandes im Jahr 2011 wurde dem Landesbeauftragten für den Datenschutz ab dem 1. Oktober 2011 auch die Aufgabe der Datenschutzkontrolle im nicht-öffentlichen Bereich übertragen. Das war eine richtige und wichtige Entscheidung.

Mit einer zu diesem Gesetz angenommenen Entschließung vom 8. September 2011 hat der Landtag die Landesregierung aufgefordert, einen Gesetzentwurf zur Änderung des Landesdatenschutzgesetzes vorzulegen. Damit sollte die nötige Anpassung der landesgesetzlichen Regelungen im Datenschutz an den Stand von Wissenschaft und Technik gewährleistet sowie dem Bedürfnis der Bürgerinnen und Bürger nach mehr Transparenz und einer Stärkung des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung Rechnung getragen werden.

Der Gesetzentwurf sieht im Hinblick auf die Vorgaben des Landtages zum Schutz sogenannter Whistleblower ein sogenanntes Jedermann-Anrufungsrecht, also ein Recht auf Anrufung des Landesbeauftragten für den Datenschutz auch in fremden Angelegenheiten, vor. Ergänzt wird dieses Recht durch eine Pflicht zur Information des Landesbeauftragten und der Betroffenen bei Datenpannen.

Darüber hinaus werden bei der Auftragsdatenverarbeitung erhöhte Anforderungen an die dafür zu treffenden Festlegungen und deren Kontrolle eingeführt. Damit entspricht die Rechtslage in Sachsen-Anhalt künftig wieder der Rechtslage nach dem Bundesdatenschutzgesetz.

Im Übrigen wird die Rechtsstellung von Beauftragten für den Datenschutz im Sinne des Gesetzes verbessert, indem deren Einsetzung nur aus wichtigem Grund im Sinne von § 626 des Bürgerlichen Gesetzbuches widerrufen werden kann.

Ergänzend bestimmt der Gesetzentwurf die Anwendbarkeit der Regelungen des Gendiagnostikgesetzes des Bundes für Beschäftigte des Landes Sachsen-Anhalt, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Ausbildungsverhältnis stehen, und trifft eine Regelung zur Wildbeobachtung mit optisch-elektronischen Einrichtungen.

Der Gesetzentwurf wurde gemeinsam mit dem Landesbeauftragten erarbeitet und von der Landesregierung am 15. April 2014 zur Anhörung frei

gegeben. Die Anhörungsfrist endete am 15. Mai 2014. Gelegenheit zur Stellungnahme hatten der Landesbeauftragte für den Datenschutz, der Städte- und Gemeindebund Sachsen-Anhalt, der Landkreistag Sachsen-Anhalt, der Deutsche Gewerkschaftsbund Sachsen-Anhalt, der Deutsche Beamtenbund und Tarifunion Sachsen-Anhalt, der Präsident des Oberlandesgerichtes, der Präsident des Oberverwaltungsgerichtes, der Generalstaatsanwalt, die Rechtsanwaltskammer Sachsen-Anhalt, die Notarkammer Sachsen-Anhalt und der Bund der öffentlich bestellten Vermessungsingenieure.

Inhaltlich nicht geäußert haben sich der Deutsche Gewerkschaftsbund Sachsen-Anhalt, der Präsident des Oberlandesgerichtes, der Präsident des Oberverwaltungsgerichtes, der Generalstaatsanwalt und die Rechtsanwaltskammer Sachsen-Anhalt.

Vor dem Hintergrund der Hinweise des Landesbeauftragten für den Datenschutz wurde auch die Regelung zur Wildbeobachtung noch einmal überarbeitet. Gemeinsam mit dem Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt wurde die Ermächtigung für die Jagdbehörden zur Nutzung von Kameras auf die Zwecke der Hege eingegrenzt. Die Aufnahme von Personen ist durch eine entsprechende Kamerapositionierung zu vermeiden. Wildwechsel an Wanderwegen scheiden damit als Aufnahme- und Beobachtungsfelder von vornherein aus. Sollten dennoch zufällig Personen neben dem Wildschwein aufgenommen werden, sind diese Aufnahmen zu löschen.

Ansonsten hat die Landesregierung den im Rahmen der Anhörung vorgetragenen Bedenken widersprochen. - Vielen Dank.

Vielen Dank, Herr Minister. Vorsicht vor der Bewegung im Walde. - Wir treten jetzt in eine Dreiminutendebatte ein. Als Erste spricht für die Fraktion DIE LINKE Frau Tiedge. Bitte schön, Frau Kollegin, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich möchte vorausschicken, dass wir natürlich jede qualitative Verbesserung datenschutzrechtlicher Bestimmungen begrüßen. Wir müssen feststellen, dass es in den letzten Jahren große Fortschritte beim Datenschutz in Deutschland gegeben hat. Das ist unter anderem auch dem hartnäckigen Wirken der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder zu verdanken.

Nun liegt uns das Dritte Gesetz zur Änderung datenschutzrechtlicher Vorschriften vor. Darin begrüßen wir vor allem die Regelungen, die die Rechtsstellung der Beauftragten für den Datenschutz verbessern. Zu erwähnen ist außerdem, dass die bisherige Pflicht zur Beachtung des Grundsatzes der

Datensparsamkeit und Datenvermeidung, welche ausschließlich auf die Gestaltung von Verfahren zur Erhebung, Bearbeitung und Nutzung personenbezogener Daten beschränkt war, nunmehr auch auf jeglichen Umgang öffentlicher Stellen mit personenbezogenen Daten ausgeweitet wird.

Große Probleme und damit sicherlich viel Diskussionsbedarf, auch innerhalb meiner Fraktion, gibt es allerdings mit der Änderung des Landesjagdgesetzes. Die in der Begründung zu dem Gesetzentwurf dargelegten Argumente können uns überhaupt nicht überzeugen.

Es erschließt sich uns bislang nicht, warum nunmehr auch Hase, Fuchs und Wildschwein videografiert werden sollen. Es wird wohl kaum vermieden werden können, dass damit auch Personen, die die Wälder besuchen, gefilmt werden, sei es beim Pilzesuchen oder bei anderen Aktivitäten.

Der bloße Hinweis im Gesetz, dass dies vermieden werden soll und dass, wenn es dann doch einmal passieren sollte, diese Daten und Aufnahmen unverzüglich gelöscht werden müssen, ist aus unserer Sicht völlig unzureichend. Ich glaube, es kann niemand garantieren, dass schließlich nicht doch das eine oder andere Filmchen bei Youtube auftaucht.

Meine Damen und Herren! Nun können wir uns in Deutschland über einen immer besser werdenden Datenschutz freuen. Wenn aber die NSA und andere befreundete Geheimdienste ohne jeden Skrupel Handynummern, Reisebewegungen und Aufenthaltsorte von einer Vielzahl von Bürgerinnen und Bürgern ausspionieren, dann verkommt der beste Datenschutz in Deutschland zu einer Farce.

Dann ist es schon mehr als merkwürdig, wenn der Generalbundesanwalt Monate benötigt, um zu entscheiden, ob ein Ermittlungsverfahren gegen die NSA eingeleitet wird. Diese Entscheidung wird dann noch mit dem fragwürdigen Ergebnis gefällt, dass ein Ermittlungsverfahren nur aufgrund der Abhörung des Handys der Bundeskanzlerin eingeleitet werden soll, nicht etwa auch wegen der rechtswidrigen Schnüffelei gegenüber einer Vielzahl von unbescholtenen Bürgerinnen und Bürgern. - So viel zum Gleichheitsgrundsatz.

Ich gebe zu, dass dieser Vorgang mit dem vorliegenden Gesetzentwurf nur insofern etwas zu tun hat, als nunmehr richtigerweise ein Jedermannsrecht hinsichtlich der Anrufung des Landesdatenschutzbeauftragten eingeführt wird. Das ist wichtig für alle großen und kleinen Snowdens auf dieser Welt.

Über eines müssen wir uns aber im Klaren sein: Im Bereich des Datenschutzes kommen wir nicht mehr umhin, internationale Standards festzulegen und Verbote rechtsverbindlich zwischen den Staa

ten zu klären. Erst wenn das realisiert werden kann und umgesetzt wird, werden wir von einem echten Datenschutz sprechen können. Aber das heißt auch künftig: dicke Bretter bohren.

Wir werden der Überweisung des Gesetzentwurfes in den Ausschuss für Inneres und Sport, in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie in den Ausschuss für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zustimmen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Tiedge. - Für die SPD-Fraktion spricht jetzt der Kollege Herr Dr. Brachmann. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Der Minister hat es schon gesagt: Heute wird das umgesetzt, was der Landtag bereits im Jahr 2011 mit einem Entschließungsantrag beschlossen hatte.

Wir haben damals gesagt: Jawohl, es soll ein Jedermann-Anrufungsrecht geben, es soll Verbesserungen bei der Auftragsdatenverarbeitung, eine Stärkung der behördlichen Datenschutzbeauftragten, eine Informationspflicht bei Datenpannen und eine verbesserte Einbindung des Landtages in datenschutzrechtliche Fragen geben. Diese Hausaufgaben hat die Landesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf im Wesentlichen erfüllt.

Der letzte von mir genannte Punkt, die verbesserte Einbindung des Landtages in datenschutzrechtliche Belange, ist nicht Gegenstand des Gesetzentwurfs. Dazu wird in der Begründung zu dem Gesetzentwurf ausgeführt, dass das bisherige Verfahren ausreiche. Sollten sich dazu im parlamentarischen Verfahren andere Auffassungen bilden, kann das ja noch Berücksichtigung finden.

Auf Einzelheiten des Gesetzentwurfs möchte ich in einer Dreiminutendebatte ansonsten nicht eingehen. Ich möchte stattdessen auf etwas Grundlegendes hinweisen. Frau Tiedge hat es schon angesprochen. Es geht mir jetzt nicht um die Pilzsucher, sondern um die neuen Dimensionen, die der Datenschutz erlangt, eben nicht nur im Verhältnis zwischen Staat und Bürger, sondern zunehmend auch im privaten Bereich.

Es geht konkret um das Verhältnis zwischen dem Verbraucher oder dem Internetnutzer und mächtigen Unternehmen. Sie alle kennen Datenkraken wie Google, Ebay oder Facebook. Der Einzelne kann noch beeinflussen, welche Daten er im Netz hinterlässt; was dann mit seinen Daten geschieht, entzieht sich seinem Einfluss.

Deshalb stehen wir hier vor einem Grundproblem. Solche weltweit agierenden Internetkonzerne, die Milliardenumsätze machen, lassen sich längst nicht mehr mit nationalen und schon gar nicht mit landesrechtlichen Datenschutzregelungen einfangen.

Es greift zu kurz, hierbei auf Selbstregulierung und Selbstverpflichtung zu setzen. Auch dass der EuGH Google verpflichtet, auf Antrag Daten zu löschen, kann nicht die Lösung sein. Wir brauchen also einen europäischen Rechtsrahmen, der das regelt. Eine EU-Datenschutzverordnung ist auch im Entstehen. Auch im Datenaustausch mit den USA kann eine solche europäische einheitliche Regelung eine Stärkung des Datenschutzes zur Folge haben.

Doch es wird noch eine Weile dauern, bis wir diese EU-weite Regelung haben. Darauf wollen und sollen wir hier im Land nicht warten. Das, was wir landesrechtlich zur Verbesserung des Datenschutzes beitragen können, ist zum Gegenstand dieses Gesetzentwurfes geworden. Deshalb bitte auch ich um die Überweisung in die genannten Ausschüsse und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Kollege Brachmann. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Herr Striegel. Herr Striegel, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! In diesen Tagen nicht über den Datenschutz zu reden hieße, die größte Bedrohung des 21. Jahrhunderts für Demokratie, Bürgerrechte und Rechtsstaat zu ignorieren.

Ich bin deshalb froh, dass wir heute und hier eine erste Debatte zur Novellierung des Datenschutzgesetzes führen; denn die öffentliche Debatte über den Datenschutz ist notwendig. Das Recht der Bürgerinnen und Bürger auf informationelle Selbstbestimmung ist vom Aussterben bedroht. Gefährdet wird dieses Grundrecht durch staatliche nationale und internationale Spitzelei ebenso wie durch private Datensammlungen von Google, Facebook & Co.

Herr Kollege Brachmann, leider haben wir nicht nur die Chance zu entscheiden, welche Daten wir bei Facebook hinterlassen, sondern wir haben das Problem, dass Daten inzwischen über weite Bereiche des gesellschaftlichen Lebens aggregiert werden und sich damit nicht nur von Leuten Profile erstellen lassen, die bei Facebook sind, sondern auch von denen, die schlicht ein Handy benutzen.

Doch was passiert eigentlich beim Thema Datenschutz im Land? - Während sich meine Kollegen

Hans-Christian Ströbele und Konstantin Notz im Bundestag um eine Aufklärung der massiven NSAAffäre bemühen, erleben wir bei der CDU und bei der SPD nur Abwiegeln, Verharmlosen und Verzögern. Wir Grüne sagen: Holt endlich Edward Snowden ins Land, vernehmt ihn als Zeugen und helft damit, diese unsägliche und flächendeckende Spitzelei von Geheimdiensten zu beenden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir erleben auch, dass CDU und SPD eine Datenschutzbeauftragte ins Amt berufen haben, deren Kompetenz sich auch nach dem Ablauf der ersten 130 Tage noch nicht erwiesen hat. Andrea Voßhoff schweigt und schweigt und schweigt. Zu den brennenden Datenschutzthemen dieser Zeit hat sie nichts zu sagen, weder zur NSA noch zu dem Löschpflichturteil des EuGH gegen Google noch zu dem Urteil des EuGH, das die Vorratsdatenspeicherung hoffentlich ins endgültige Aus katapultiert hat.

CDU und SPD müssen den Datenschutz endlich erst nehmen. Das sollte auch in ihrer Personalpolitik auf der Bundesebene deutlich werden.

In Bezug auf die Lage in Sachsen-Anhalt ist zu sagen, dass diese Novellierung überfällig war. Wir haben hier im Haus einmütig die Vorlage eines solchen Gesetzentwurfs bis Ende 2012 verlangt. Nun schreiben wir Mitte 2014. Der von der Landesregierung vorgelegte Gesetzentwurf greift einige Aspekte des damaligen Beschlusses auf. Wir begrüßen zum Beispiel ausdrücklich, dass der Datenschutzbeauftragte zukünftig von jedermann angerufen werden kann. Es fehlt jedoch weiterhin eine völlige Unabhängigkeit des Beauftragten.