Protocol of the Session on June 19, 2014

Der Herr Minister verzichtet. - Die Fünfminutendebatte wird eröffnet durch die Fraktion DIE LINKE. Frau Hohmann, bitte schön. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN haben vor der Sommerpause im letzten Jahr ihr Gesetz zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen eingebracht. In guter Absicht erfolgte die Einbringung des Gesetzes jedoch in Verbindung mit der Novellierung der Kommunalverfassung.

Wie gleichfalls von der Fraktion DIE LINKE gefordert, sollten in der Kommunalverfassung die Mitbestimmungs- und Teilhabemöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen auf kommunaler Ebene verankert werden. Vorschläge beider Fraktionen zur Einführung von hauptamtlichen Kinder- und Jugendbeauftragten auf kommunaler Ebene, die Anhörungspflicht vor Entscheidungen, die Kinder und Jugendlichen betreffen, oder auch das Einrichten von Kinder- und Jugendvertretungen waren wei

tere inhaltliche Schwerpunkte unseres Änderungsantrages zur Kommunalverfassung sowie im Gesetzentwurf der GRÜNEN enthalten.

Heute wissen wir, dass beide Vorschläge von der Koalition abgelehnt wurden, was wir sehr bedauern. Gerade da, wo Kinder und Jugendliche wohnen, zur Schule gehen und ihre Freizeit verbringen, werden ihnen Kompetenzen zur Mitbestimmung abgesprochen.

Für die Fraktion DIE LINKE stellt sich daher die Frage, wie das jugendpolitische Programm, das derzeit unter Beteiligung von Kindern und Jugendlichen im Land erarbeitet wird, wirken soll, wenn jetzt schon von der Koalition keine Partizipation auf kommunaler Ebene gewollt ist.

Darüber hinaus hatte die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN noch das Pech - in Anführungsstrichen -, dass ihr Gesetzentwurf zur federführenden Beratung in den Innenausschuss überwiesen wurde. Somit war eine fachliche Auseinandersetzung mit dem Thema nur schwer möglich.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Anregungen aus der Anhörung zur Stärkung der Rechte von Kindern und Jugendlichen, die im letzten Jahr stattfand, blieben ebenfalls von der Koalition unberücksichtigt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE wird sich bei der Abstimmung zum Gesetzentwurf der Stimme enthalten. Obwohl wir große inhaltliche Übereinstimmungen feststellen, haben wir zu zwei Artikeln eine andere Auffassung bzw. noch Klärungsbedarf.

In Artikel 3 ihres Entwurfs eines Kinderrechtegesetzes schlagen die GRÜNEN vor, Kinderrechte in das Kinderschutzgesetz des Landes SachsenAnhalt aufzunehmen. Diese Variante halten wir nicht für sinnvoll, da der Katalog der Kinderrechte mehr ausmacht als pure Schutzrechte und angesichts des Grundrechtscharakters die Landesverfassung der passende Ort dafür ist.

In Artikel 4 Ihres Gesetzes geht es Ihnen, verehrte Kolleginnen der GRÜNEN, um die Initiierung von ombudsschaftlichen Beratungs- und Schlichtungsstellen. In diesem Zusammenhang gibt es bundesweit noch Klärungsbedarf.

Umstritten ist die Frage, wo eine Ombudsschaftsstelle am besten anzusiedeln ist, um tatsächlich eine externe, unabhängige Konfliktberatung zwischen Fachkräften der Jugendhilfe und der betreffenden Klientel sicherzustellen. Freie Träger stehen in der Regel in einem Abhängigkeitsverhältnis zum öffentlichen Träger der Jugendhilfe.

Schwierig ist auch die Frage, über welche Ressourcen eine solche Stelle verfügen müsste. Die Fachwelt ist sich darin weitgehend einig: Ein ver

nünftiges Konfliktmanagement zwischen der Jugendhilfe und der Klientel setzt voraus, dass die Ombudsschaftsstelle in das Hilfeplanverfahren nach § 36 SGB VIII mit eingebunden werden muss.

An dieser Stelle höre ich auf. Sie merken, dass es diesbezüglich noch genügend Klärungsbedarf gibt.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Es ist schade, dass die Koalition von den vielfältigen und guten Vorschlägen der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN keinen aufgenommen hat. Vielleicht trägt die heutige Diskussion dazu bei, sehr geehrte Damen und Herren von der Koalition, Sie für dieses Thema zu sensibilisieren. Noch haben Sie die Chance, Ihre Ideen offenzulegen und diese in die Beratung über unseren Entwurf eines Kinder- und Jugendteilhabegesetzes einzubringen. - Vielen

Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Kollegin Hohmann. - Für die CDU-Fraktion spricht jetzt Herr Krause. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrte Damen und Herren! Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen und die Berücksichtigung ihrer Belange - all das kann man grundsätzlich unterstützen.

Fraglich ist nur, ob man diese Forderungen mit verpflichtenden gesetzlichen Vorgaben versehen muss. Sie wollen ohne Rücksicht auf die örtlichen Gegebenheiten verbindliche Strukturen einführen, obwohl hierbei völlig offen ist, wie diese den Belangen von Kindern und Jugendlichen dienlich sein sollen.

Meine Fraktion ist der Auffassung, dass sich die Beteiligung von Kindern und Jugendlichen nicht staatlich verordnen lässt. Man sollte auch nicht so tun, als ob Kinder und Jugendliche nicht die Möglichkeit der Mitwirkung am kommunalen Geschehen hätten.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Schauen wir uns den Gesetzentwurf einmal genauer an. Die von Ihnen vorgeschlagene Änderung der Gemeindeordnung und der Landkreisordnung ist überholt. Wir haben in der Mai-Sitzung des Plenums eine anständige Kommunalverfassung für dieses Land beschlossen. Ihre Forderung hat sich damit bereits unter zeitlichen Gesichtspunkten erledigt.

Die Stärkung der Beteiligungsrechte zur Mitwirkung am kommunalpolitischen Geschehen wird meiner Ansicht nach durch das Kommunalrechts

reformgesetz auch besser, da allumfassender umgesetzt. Wir haben mit dem Kommunalrechtsreformgesetz eine umfassende Fortentwicklung der kommunalverfassungsrechtlichen Rahmen

bedingungen für bürgerschaftliche Teilhabe und Mitwirkung am kommunalpolitischen Geschehen auf den Weg gebracht und so eine Stärkung der Beteiligungsrechte auf kommunaler Ebene bewirkt. Den Blickwinkel haben wir hierbei jedoch nicht ausschließlich auf Kinder und Jugendliche verengt.

Zu Ihrer Forderung, durch Gesetz die kreisfreien Städte und die Landkreise dazu zu verpflichten, hauptamtliche Kinder- und Jugendbeauftragte zu bestellen, nur so viel: Eine solche Verpflichtung greift in die Organisations- und Personalhoheit der kreisfreien Städte und Landkreise ein, ist mit finanziellen Mehrbelastungen der Kommunen verbunden und unterliegt damit dem in der Landesverfassung vorgesehenen Konnexitätsprinzip. Für das Land bestünde die Pflicht zu einem Ausgleich der erhöhten finanziellen Aufwendungen, die durch die pflichtige Bestellung hauptamtlicher Kinder- und Jugendbeauftragter entstehen. Neben der geforderten Aufgabenzuweisung machen Sie sich jedoch bei einer Bestimmung über die Deckung der Kosten rar.

Halten wir fest: Die Beteiligung junger Menschen ist keineswegs in das Belieben der Kommunen gestellt. Die Partizipation von Kindern und Jugendlichen und die Einbindung ihrer Bedürfnisse werden durch die kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften zur Einrichtung von Interessenvertretern, Beauftragten und Beiräten in den Kommunen - selbstverständlich bezogen auf die Verhältnisse vor Ort - hinreichend gewahrt. Zwingenden Handlungsbedarf, die eigenverantwortliche Entscheidung und damit das kommunale Selbstverwaltungsrecht an dieser Stelle aufzuweichen, sehen wir nicht.

Auch die von Ihnen gewünschte Änderung des Kinderschutzgesetzes erachten wir als nicht notwendig. Bereits aus § 8 Abs. 1 SGB VIII ergibt sich, dass Kinder und Jugendliche entsprechend ihrem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen sind. Einer wiederholten landesgesetzlichen Regelung bedarf es auch gemäß dem Gebot der Deregulierung nicht.

Weiterhin lehnen wir die von Ihnen gewünschte Änderung des Kinder- und Jugendhilfegesetzes des Landes Sachsen-Anhalt ab.

Ein kleines Beispiel: Sie wollen eine ombudsschaftliche Beratungs- und Schlichtungsstelle beim Jugendamt einrichten. Ich sage Ihnen, dass die Umsetzung dieser Forderung auch einen Verstoß gegen die verfassungsrechtlich garantierte kommunale Selbstverwaltung darstellt, da damit die Organisationshoheit der kommunalen Gebietskör

perschaften verletzt wird. Es muss ihnen überlassen bleiben, ihre Verwaltungsstrukturen zu ändern. Von dem offensichtlichen Kostenaufwuchs beim Träger der öffentlichen Jugendhilfe für Beratungspersonal spreche ich erst gar nicht.

Deckungsvorschläge für zusätzliche Kosten bringen Sie nicht. Eine Politik nach dem Motto „Irgendwoher wird die Kohle schon kommen“ halte ich für wenig seriös.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die von Ihnen vorgesehene verpflichtende Regelung bedeutet Überregulierung und ist Ausdruck eines Misstrauens gegenüber der kommunalen Ebene. Aus den genannten Gründen müssen wir Ihren Gesetzentwurf leider ablehnen. Ich bitte Sie daher abschließend um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung von Herrn Rotter, CDU, von Herrn Wunschinski, CDU, und von Herrn Zimmer, CDU)

Vielen Dank, Kollege Krause. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht jetzt Frau Lüddemann. Bitte, Frau Kollegin.

Herr Landtagspräsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Man sagt landläufig - das habe ich in den letzten Jahren gelernt -: Kein Gesetzentwurf geht so in den Landtag rein, wie er rausgeht. Hier haben wir nun einen, der sich in keiner Weise, nicht einmal in einem Unterpunkt verändert hat.

(Herr Borgwardt, CDU: Geht nicht so raus, wie er reingeht, Frau Kollegin!)

- Raus oder rein ist egal. Auf jeden Fall hat er sich nicht verändert. Die These ist ja, dass sich immer irgendwas verändert. In diesem Fall hat sich nichts verändert. Das ist aktenkundig und bleibt festzuhalten.

Ich darf ehrlicherweise auch sagen, dass wir von diesem Verfahren und dem Umgang mit diesem Gesetzentwurf - Kollegin Hohmann hat das dankenswerterweise noch einmal in Erinnerung gebracht - enttäuscht sind, nicht weil es unser Gesetzentwurf ist und ich mich persönlich angegriffen fühle, sondern weil es um Kinder und Jugendliche in diesem Land geht. Sie hätten es verdient, dass sich Fragen, die ihre eigene Lebenswelt betreffen, mehr Diskussionen und Nachfragen erfreuen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Ich muss im Endergebnis für meine Fraktion feststellen: Kindern und Jugendlichen wird in diesem Land nicht viel zugetraut. Man ist nicht bereit, neue

Wege auch nur zu diskutieren, geschweige denn anzugehen.

DIE LINKE hat gesagt, dass sie das Ergebnis sehr bedauert. Vor dem Hintergrund dieser Äußerung hätte ich mir auch im Ausschuss durchaus etwas mehr Unterstützung gewünscht. Sich der Stimme zu enthalten, ist auch keine Position, die etwas voranbringt. Vielleicht können wir die Gemeinsamkeiten bei anderen Fragen im Sinne der Kinder und Jugendlichen ein bisschen besser zum Ausdruck bringen.

Insbesondere vor dem Hintergrund dessen, was wir in den letzten Wochen in Bezug auf Beteiligungsmöglichkeiten, Wahlbeteiligung, Engagement von Kindern und Jugendlichen, Demokratiemüdigkeit, radikale Tendenzen an Außenrändern - was auch immer alles diskutiert wurde - diskutiert haben, wäre es ein schönes Zeichen gewesen, einmal darüber zu reden, wie man insbesondere jüngere Kinder und Jugendliche einbezieht; denn ich glaube, das frühestmögliche Einbeziehen ist wirklich praktisches Demokratielernen. Das ist etwas, das dann intendiert ist und Menschen zu demokratischem Handeln befähigt.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Viele Vorschläge, die wir gemacht haben - das will ich noch einmal klar und deutlich sagen - haben überhaupt nichts mit Geld zu tun, sondern „nur“ mit gutem Willen. Oder sie beschreiben ganz und gar das, was man in anderen Bereichen als klaren Stand der Technik beschreibt.

Wenn wir beispielsweise für Kinder und Jugendliche fordern, dass sie in Planungsprozesse bei Gegenständen, die ihr eigenes Lebensumfeld betreffen, einbezogen werden, so ist das in vielen anderen Bundesländern geübte Praxis. Aus unserer Sicht hätte das in Sachsen-Anhalt ohne Probleme aufgenommen werden können, weil es durchaus - es gibt ein paar Hoffnungsschimmer - in einigen Kommunen in diesem Land schon gepflegt wird. Die Stadt Halle/Saale ist ein sehr gutes Beispiel; das hatte ich in meiner Einbringungsrede ausgeführt.

Die Kinderrechte aufzunehmen, ist auch so eine Sache. Das wird in vielen Sonntagsreden immer wieder als Maßstab genommen. Die UN-Kinderrechtskonvention ist geltendes Recht in diesem Land. Hier eine Replik auf das Kinderschutzgesetz zu machen und das darin explizit für unser Land aufzunehmen, hätte nichts gekostet.

Einige Dinge - da hat Kollege Krause Recht - hätten durchaus etwas gekostet. Dazu - auch das ist aktenkundig - haben wir in den vergangenen Haushaltsberatungen, um unser Gesetz - sollte es denn beschlossen werden - vollziehen zu können, entsprechende Anträge gestellt; die waren alle gegenfinanziert. Wir haben in allen entsprechenden Be