Protocol of the Session on March 26, 2014

Mein Dank gilt noch einmal der Landesregierung, dass sie auch im Zusammenspiel mit anderen Regionen, die der Gefahr der Absenkung der Strukturförderungsmittel ausgesetzt waren, auf EU-Seite erreicht haben, dass die Fördermittel in geringerem Maße als befürchtet abgesenkt wurden.

Seit 1990 haben wir viele Milliarden D-Mark und dann Euro in Infrastruktur, Forschung, Entwicklung, Aus- und Weiterbildung und in soziale Fördermaßnahmen investieren können. Das war meist gut angelegtes Geld, sicherlich nicht alles sinnvoll. Das zeigen auch die Berichte, die die Rechnungshöfe dazu immer gegeben haben.

Aber ich will auch auf die Nachfrage hin, die Frau Dr. Klein gestellt hat, noch einmal sagen: Es kann nicht immer nur darum gehen, das vorhandene Geld auf Teufel komm raus auszugeben; vielmehr muss das Geld auch in sinnvolle Projekte investiert werden.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Das ist eine Fra- ge der Programme!)

Aus meiner Sicht ist es durchaus nicht verkehrt, dass Geld einmal nicht abfließt und unter Umständen Geld zurückgegeben wird. Natürlich ist es mir lieber, wenn das Geld, das wir zur Verfügung gestellt bekommen, sinnvoll und auch in vollem Umfang ausgegeben wird. Aber ich denke, es kann nicht nur darum gehen, in prozentualen Abflüssen zu rechnen. Es geht vielmehr darum, dass wir die

ses Geld im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Entwicklung der Infrastruktur und der Wirtschaft des Landes vernünftig ausgeben.

Wir sollten also nicht darüber klagen, dass wir in den nächsten Jahren weniger Geld bekommen, sondern wir sollten uns darüber freuen, dass wir dann 30 Jahre lang in den Genuss einer massiven Förderung gekommen sind, um die uns viele andere Länder Europas, aber auch anderer Regionen der Welt beneiden. Allein das ist es schon wert, gegenüber Brüssel einmal danke zu sagen und anzuerkennen, was Brüssel geleistet hat.

Es ist natürlich auch ein guter Grund - aber auch nur einer von vielen -, sich am 25. Mai 2014 an den Wahlen zum Europäischen Parlament zu beteiligen. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung von Mi- nister Herrn Bischoff)

Vielen Dank, Kollege Tögel. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht der Abgeordnete Herr Herbst. Bitte schön, Herr Herbst, Sie haben das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Europawahl am 25. Mai 2014 ist etwas Besonderes.

Erstens. Es ist die erste Wahl seit dem Inkrafttreten des Lissabon-Vertrages, mit dem die Rechte des Europäischen Parlaments gestärkt wurden. Es entscheidet künftig nicht nur über Gesetzesvorschläge der Kommission, sondern es wählt auch den Kommissionspräsidenten. Das, meine Damen und Herren, ist eine echte Chance für die Bürgerinnen und Bürger in Europa, diesmal konkret mit mehr Macht bei der Wahl mitzubestimmen.

Zweitens. Vor fast genau vier Monaten, am 21. November 2013, versammelten sich zunächst einige Hundert Menschen auf dem Maidan in Kiew. Sie hielten EU-Flaggen in der Hand und sangen Lieder. Das war der Beginn einer Bürger- und Protestbewegung, die, wie keine andere vorher, für eine Hinwendung der Gesellschaft zu dem stritt, was wir oft schnell als die „europäische Wertegemeinschaft“ kennzeichnen und manchmal gar nicht genau wissen, was damit eigentlich gemeint ist. Die Menschen auf dem Maidan hatten hingegen eine sehr genaue Vorstellung von dem, was damit gemeint ist, und sie mussten einen hohen Blutzoll dafür zahlen, diese zum Ausdruck zu bringen.

Bald, am 25. Mai 2014, dem Tag der Europawahlen, finden in der Ukraine die Präsidentschaftswahlen statt. Auch das macht den 25. Mai zu einem besonderen, zu einem europäischen Tag.

Für die Ukrainerinnen und Ukrainer sind - wie für viele Menschen in- und außerhalb Europas - die Europäische Union und die Werte, für die sie steht, in der Tat noch eine Verheißung für Freiheit, Demokratie, Rechtstaatlichkeit, für soziale Gerechtigkeit, für Wohlstand, für Frieden und für Sicherheit.

Ja, Europa ist ein Raum des Friedens, ein Raum der Freiheit. Das muss man dazu sagen, wenn wir heute darüber sprechen. Europa ist ein Raum mit weltweiter Anziehungskraft. Europa darf sich jedoch nicht abschotten und sich zu einem exklusiven Club nur für die Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union machen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Aber nur wer Europa so versteht, in diesem Wertekontext, meine Damen und Herren, nur wer es so begreift, der kann verstehen, warum wir gerade in Zeiten der Krise mehr Europa brauchen und nicht weniger.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Für die Landesregierung steht Europa leider immer noch zu sehr im Dienst nationaler Interessen. Sie sehen und nutzen die Chancen dieses Raumes. Aber für Sie, Herr Staatsminister, ist Europa, wenn ich mir das anhöre, immer noch ein Angstraum, ein Raum, in dem Sie den Verlust nationaler Kompetenzen fürchten - Sie haben über die Pläne zur Rückführung europäischer Kompetenzen auf die nationale Ebene gesprochen -, von dem Sie glauben, dass man ihn letztlich nicht wirklich überblicken kann, den Sie von außen und seit der Osterweiterung auch von innen durch Arbeitskräfte, durch Migrantinnen und Migranten aus Südosteuropa bedroht sehen.

Lieber Herr Robra, wenn Sie, wie Sie es in Ihrer Rede behaupten, sagen, dass Migration in einigen deutschen Städten große Probleme bereite, oder wenn Sie darauf hinweisen, dass viele Menschen sich fragten, ob die Osterweiterung nach Rumänien oder Bulgarien eine gute Idee gewesen sei, dann erwarte ich von Ihnen als Europaminister nicht, dass Sie hier der Sorgenversteher sind, sondern dann erwarte ich von Ihnen, dass Sie bei einer Regierungserklärung zum Thema Europawahl sich hier hinstellen und sagen: Ja, es war eine richtige Entscheidung, diese Länder in die Europäische Union zu lassen,

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

und zwar nicht nur deshalb, weil die zweitgrößte Gruppe der niedergelassenen Ärzte in SachsenAnhalt ausgerechnet aus Rumänien und Bulgarien kommt, sondern weil es auch zu diesem Wertekanon Europas gehört, dass man polemische

Stimmungsmache gegen andere Mitgliedsländer nicht zulässt.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Ich möchte für mehr Mut zu Europa werben, ohne dabei die Sorgen und Ängste der Menschen wegzuwischen. Natürlich gibt es diese blinden Flecken der gemeinsamen europäischen Politik gerade im Bereich der Sozialpolitik.

Solidarität und Gerechtigkeit sind Werte, auf denen die Europäische Union gründet. Europa muss soziale Ausgrenzung entschieden bekämpfen, sozialen Schutz bieten und soziale Gerechtigkeit, Zusammenhalt und Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten fördern.

(Zustimmung von Frau Zoschke, DIE LINKE)

Im Klartext: Europa braucht eine Kommission und ein Parlament, die sich zu dieser europäischen Solidarität bekennen, eine Kommission und ein Parlament, die diese Werte auch als Herzensangelegenheit begreifen und gerade deswegen nach vorn bringen, eine Kommission und ein Parlament, die eben nicht nur die Menschen Europas, sondern auch die Banken selbst für die Bankenkrise zahlen lassen, zum Beispiel über einen Bankenabwicklungsfonds.

(Beifall bei den GRÜNEN - Herr Borgwardt, CDU: Das ist doch in der Diskussion!)

- Ja, Herr Borgwardt, das ist in der Diskussion. Aber die Frage ist, wie die Entscheidungen ausgehen, nicht nur, was diskutiert wird. Das sehen wir hier auch jedes Mal.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Meine Damen und Herren! Ein weiteres Thema ist natürlich die Förderung der Demokratie als wichtigstem Leitinstrument unserer politischen Gesellschaft in Europa.

Es wurde schon darauf Bezug genommen: Vor zwei Jahren wurde die europäische Bürgerinitiative eingeführt. Seither kann jede Europäerin bzw. jeder Europäer eine Bürgerinitiative starten. Wir haben meines Erachtens auch hier im Landtag über die Bürgerinitiative zum Thema Wasser gesprochen, die erste erfolgreiche Bürgerinitiative.

Knapp 1,3 Millionen Menschen in Deutschland haben diese Initiative unterstützt. Europaweit wurde sie nur von 1,7 Millionen Menschen unterstützt. Das zeigt, die Unterstützung kommt zu 75 % aus Deutschland. Das verdeutlicht einerseits den Wunsch der Menschen in Deutschland nach sauberem Trinkwasser und einer sanitären Grundversorgung, und zwar europaweit und global. Andererseits zeigt die hohe Unterstützung aber auch,

wie wichtig den Menschen hier die Bürgerbeteiligung ist.

Ich sage einmal, solche Zahlen sind doch der beste Ausdruck dafür, dass die Politikverdrossenheit, die wir oft attestieren, eigentlich in dieser Form nicht vorhanden ist, wenn die Instrumente da sind, wenn die Instrumente stimmen, dass Menschen sich eben auch beteiligen können, wenn wir ihnen als Politiker die richtigen Instrumente an die Hand geben.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren! Im Jahr 2012 bekam die Europäische Union den Friedensnobelpreis. Ausgezeichnet wurde die größte Errungenschaft der EU, ihr erfolgreicher Kampf für Frieden, Versöhnung, Demokratie und Menschenrechte.

Mit diesen Werten strahlt Europa heute immer noch nach innen und nach außen. Der Wunsch der Menschen in der Ukraine - ich bin darauf eingegangen - nach einer Annäherung an die EU ist Zeugnis dieser Strahlkraft. Die demokratischen Kräfte, die europäische Bürgerbewegung auf dem Maidan verdienen unsere volle Unterstützung, meine Damen und Herren.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Die Minderheit der rechtsradikalen Kräfte, die versucht, diese demokratische Bewegung zu beeinflussen, muss von der EU und von der Ukraine entschieden zurückgewiesen werden. Das ist doch klar. Wir dürfen es aber gleichzeitig nicht zulassen, dass diese demokratische Freiheitsbewegung mit dem Hinweis auf Faschisten diskreditiert wird.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung von Herrn Dr. Brachmann, SPD)

Kommen Sie bitte zum Ende.

Ja. Der Staatsminister hat, glaube ich, sieben Minuten überzogen. Deshalb kann ich noch etwas sprechen.

Meine Damen und Herren! Leider gelingt es Putin in seinem eigenen Land, aber auch hierzulande auf eine, wie ich finde, ziemlich unverfrorene Art und Weise, Menschen für seine Propaganda einzunehmen.

Ausgerechnet dieser Putin - Herr Czeke, ich wünsche mir schon, dass Sie das wenigstens dazu sagen -, der in seinem eigenen Land nichts dagegen unternimmt, dass Neonazis freie Hatz auf Andersdenkende machen, freie Hatz auf Schwule und Lesben machen, freie Hatz auf Journalistinnen und Journalisten machen, die dem Kreml nicht genehm sind, oder auch gerade zahlreiche Morde an zen

tralasiatischen Wanderarbeitern verüben. Das muss man dann schon einmal dazu sagen, wenn man über diesen Vorwurf spricht.

(Herr Czeke, DIE LINKE: Die Redezeit ist zu Ende!)

Meine Damen und Herren! Diese Tage - ich komme zum Schluss - gehören Europa. Diese Wahl zum Europäischen Parlament ist auch eine Chance für einen Richtungswechsel in Europa hin zu einem solidarischeren Europa, einem demokratischeren Europa, einem Europa, in dem schlussendlich mehr Menschen frei und geheim wählen möchten.

Einen Appell möchte ich an Sie und an uns alle als wählende Bürgerinnen und Bürger richten: Vielleicht denkt der eine oder andere auf dem Weg zur Wahlurne auch an die Menschen auf dem Maidan und besinnt sich damit auch ein wenig auf die ursprünglichen europäischen Grundwerte zurück. - Vielen Dank.