Protocol of the Session on March 26, 2014

Vor 25 Jahren fiel die Mauer und Europa wuchs zusammen. Der Osten Deutschlands und damit auch das heutige Sachsen-Anhalt wurden ein Jahr später automatisch Teil der Europäischen Union. Vor zehn Jahren schließlich gab es mit dem Beitritt

vieler osteuropäischer Staaten die größte Erweiterungsrunde, die die EU in ihrer Geschichte bis dahin erlebt hatte.

In einigen Jahren wird man sich vielleicht aber auch an das Jahr 2014 erinnern. Es besteht die Gefahr, dass Europa nach 25 Jahren der Annäherung wieder auseinanderdriftet und längst überwunden geglaubte Konflikte neu aufleben. Die Nachbarschaftspolitik der Europäischen Union war zwar bisher weitgehend erfolgreich, wenn auch gerade im Osten nicht alle Wünsche der Partner in Erfüllung gingen. Ob in Weißrussland oder in der Ukraine, die jetzt Thema ist - niemand weiß genau, wo die EU im Osten einmal enden soll. Dazu gab es nie eine Klärung. Die Finalität Europas ist nicht abschließend geklärt.

Aber auch innerhalb der Union gibt es Defizite und Rückschläge. Viel zu lange ging es in der Europäischen Union nur um die Stärkung des Binnenmarktes, die Freizügigkeit und die Schaffung positiver wirtschaftlicher Effekte. Dagegen ist ja nichts zu sagen. Aber es ist zu wenig. In den letzten Jahren haben wir erlebt, dass geeignete Instrumente zur Bewältigung der Wirtschafts- und Finanzkrise in der EU fehlen. Insbesondere fehlt es an einer koordinierten Wirtschaftspolitik.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Aber ebenso fehlt eine Annäherung der Sozialsysteme. Dass es innerhalb der EU immer noch viel zu viele Steuerschlupflöcher gibt, ist ebenfalls kein Ruhmesblatt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Der Fall des Bankengeheimnisses in der vergangenen Woche in Luxemburg und Österreich kann da nur ein Anfang sein. Dies muss zukünftig genauso für die Kanalinseln wie für Liechtenstein gelten.

Die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik steckt noch in den Kinderschuhen. Wir erleben es gerade wieder, dass es viel zu lange dauert, bis wir uns in der EU auf gemeinsame wirtschaftliche Sanktionen, zum Beispiel gegenüber Russland, einigen können, egal, welche Position man in diesem Konflikt für die richtige hält.

Trotz all dieser Defizite ist die EU eine Erfolgsgeschichte und wir leben mittendrin und profitieren davon. Ungebrochen ist auch der Run auf die EU, dieses weltweit einzigartige Projekt, gegründet von sechs Staaten, die zum Teil eine Jahrhunderte alte Erbfeindschaft trennte, gewachsen auf jetzt 28 friedliche Mitgliedstaaten.

Seit 69 Jahren sind die Mitgliedstaaten der EU von Kriegen verschont geblieben, wurde miteinander statt übereinander geredet, wurde verhandelt, statt Krieg geführt. Das sei allen EU-Kritikern gesagt: Trotz aller Mängel und Defizite, die es gibt, ist die

Europäische Union allemal besser und billiger sowieso, als Kriege zu führen.

Herr Czeke, ich bin Ihrer Rede genau gefolgt und habe zugehört. Ich habe kein einziges positives oder lobendes Wort über die Europäische Union von Ihnen gehört. Auch das gehört trotz aller Kritik zur Wahrheit, dass die Europäische Union eine Erfolgsgeschichte ist und eine positive Entwicklung vollzogen hat.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Rotter, CDU)

Wir haben in den letzten Jahren eine deutliche Demokratisierung der Europäischen Union erlebt. Das Europäische Parlament wurde gestärkt und mit mehr Rechten ausgestattet. Dazu zählen unter anderem ein erweitertes Budgetrecht, die Wahl der Kommissare usw.

Leider hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Kippen der Fünf- und dann der Dreiprozenthürde dem Europäischen Parlament einen Bärendienst erwiesen; denn damit werden Einigungen im neuen Europäischen Parlament komplizierter und wird seine Handlungsfähigkeit eingeschränkt.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Eben!)

Wir haben einen EU-Verfassungskonvent gehabt. Auch ich befürworte, wie der Staatsminister es vorhin schon ausgeführt hat, einen weiteren Konvent zur Fortentwicklung der Europäischen Union.

Aber nicht zuletzt haben die technischen Möglichkeiten des Internets dazu beigetragen, dass eine deutlich breitere Beteiligung an Gesetzgebungsvorhaben der EU durch interessierte Bürger und Institutionen möglich ist.

Infolge der Gründung des Ausschusses der Regionen im Jahr 1994 haben sich die Mitwirkungsmöglichkeiten - in diesem Falle der regionalen und kommunalen Gebietskörperschaften - deutlich verbessert.

Neuerdings gibt es europäische Bürgerinitiativen. Sie können gestartet werden, wenn eine entsprechende Anzahl von Vertretern aus den Mitgliedstaaten dabei ist. Das Beispiel „Right to water“ mit fast 1,9 Millionen Unterschriften hat bewiesen, dass das funktioniert und erfolgreich ist.

Wir stehen kurz vor den Europawahlen. Zum ersten Mal bekommen diese Wahlen auch Gesichter. Der Spitzenkandidat mit dem besten Ergebnis soll Kommissionspräsident werden. Damit wäre erstmals dieses wichtige Amt dem ausschließlichen Zugriff der Regierungschefs und ihren Absprachen hinter verschlossenen Türen entzogen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Dem Vorwurf, die EU sei undemokratisch, ist damit ein wichtiges Argument genommen.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Ich hoffe, damit erreichen wir am 25. Mai 2014 eine etwas bessere Wahlbeteiligung, als sie in den vergangenen Jahren zu verzeichnen war.

Es wird niemanden verwundern, dass ich persönlich Martin Schulz, den ich schon lange kenne und schätze, für den geeignetsten Kandidaten für dieses Amt halte.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Er hat bewiesen, dass er sich gegen die Regierungschefs behaupten kann, sogar gegen Berlusconi, und im Gegensatz zu Jean-Claude Juncker und Guy Verhofstadt ist Martin Schulz kein früherer Regierungschef. Er ist Parlamentarier mit Leib und Seele. Gerade diese Erfahrung halte ich für einen gewählten Abgeordneten auch in der Funktion als Kommissionspräsidenten für besonders wichtig.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Seine programmatischen Aussagen, Arbeitsplätze insbesondere für Jugendliche zu schaffen, die Finanzmärkte besser zu kontrollieren und Banken zu regulieren, für eine Unternehmensbesteuerung dort einzutreten, wo die Arbeit gemacht wird, passen genau in die heutige Zeit.

Ich will aber auch einen Christdemokraten zitieren. Günther Oettinger hat vor der Mitgliederversammlung der Europäischen Bewegung Deutschlands im Jahr 2013 in Berlin Folgendes gesagt:

„Wenn wir den Anspruch erheben, die Welt von morgen mitgestalten zu wollen, sie ein bisschen mehr nach unserem Menschenbild entwickeln zu wollen, sie europäisch zu formen, dann ist Europa die notwendige Betriebsgröße, um auf Augenhöhe mit den USA und China bei Entscheidungen dabei zu sein. Bei allem Respekt vor Deutschland - wir stellen in wenigen Jahren noch 1 % der Weltbevölkerung.“

Oettinger hat damit ganz klar dem europäischen Nationalismus eine Absage erteilt.

Aber auch die NSA-Abhöraffäre hat gezeigt, dass es nicht sein kann, dass die USA mittels einzelstaatlicher Abkommen zum Beispiel den Datenschutz aushebelt. Europa muss geschlossen und gemeinsam seine Interessen durchsetzen und jegliche politische, aber auch wirtschaftliche Spionage zu verhindern suchen.

(Zustimmung von Herrn Felke, SPD)

Dabei drängt sich derzeit das Thema des transatlantischen Handels- und Investitionsabkommens mit den USA auf. Wir werden darüber am Freitag diskutieren und einen Antrag auf der Tagesordnung haben.

Deswegen will ich nur kurz darauf eingehen: Transparenz und Offenheit - darin stimme ich mit

Herrn Czeke überein - gehen anders. Aber es bieten sich natürlich auch Chancen durch ein solches Abkommen.

Wir müssen schauen, wie wir dieses Abkommen so gestalten, dass wir nicht einen Abbau von Rechten, nicht einen Abbau von öffentlicher Daseinsvorsorge und vor allem nicht einen Investorstreitbeilegungsmechanismus bekommen, der politische Entscheidungen aushebelt.

Ich will noch einiges zu uns als Landtag, als Parlament sagen. In den letzten Jahren haben wir uns in den Ausschüssen deutlich mehr mit EU-Themen befasst, als das früher der Fall war. Das Interesse in den Ausschüssen, aber auch in den Fraktionen daran ist gewachsen. Aber - das ist eine Kritik an uns selbst - wir haben noch immer kein praktikables Instrument dafür gefunden, zeitnah und fachbezogen mit EU-Themen so umzugehen, dass unsere Meinung ausreichend Berücksichtigung findet. Dieses Problem haben andere Landtage im Übrigen auch.

Ich will mich bei dieser Gelegenheit bei der Staatskanzlei für die umfangreichen Informationen herzlich bedanken, die wir in den letzten Jahren von der Staatskanzlei bekommen haben.

An dieser Stelle ist nicht nur - der Staatsminister hat es vorhin erwähnt - der jährliche Bericht über die europäischen und internationalen Aktivitäten der Landesregierung zu nennen. Auch die weiteren Berichte, die wir bekommen, sind anzuführen. Gleiches gilt für die Berichte, die Herr Staatssekretär Schneider uns über seine Arbeit im AdR zukommen lässt, die Informationen, die wir über das Landesinformationssystem bekommen, und auch die Informationen, die wir auf Nachfrage im Ausschuss bekommen.

In diesem Zusammenhang will ich von dieser Stelle einen Dank an die Landesvertretung in Brüssel richten. Die Landesvertretung hat sehr gute Arbeit geleistet. Sie braucht sich mit dem, was sie leistet, überhaupt nicht hinter den Vertretungen auch deutlich größerer Bundesländer zu verstecken. Wie gesagt, herzlichen Dank an die Kolleginnen und Kollegen unter Leitung von Frau Dr. Franz in Brüssel.

(Zustimmung bei der SPD und bei der CDU)

Ich verbinde meine Rede mit dem Wunsch gegenüber allen Ressorts der Landesregierung, dass die Sensibilität in Bezug auf EU-Themen weiter wächst und dass wir in allen Ressorts noch mehr Projekte internationaler Zusammenarbeit und Partnerschaft realisieren können. Diesbezüglich gibt es aus meiner Sicht noch Entwicklungsbedarf.

Wir haben einige Ministerien, die sehr aktiv sind. Aber wir haben auch einige, die aus meiner Sicht noch deutlich mehr zu tun haben; denn ein Aspekt der zurückgehenden EU-Strukturfondsförderung

wird sein, eine Kompensation durch Partnerschaften und Projekte zu erreichen, die man mit anderen Regionen, anderen Mitgliedstaaten, aber auch mit Ländern außerhalb der EU realisiert.

Ich will in Bezug auf die Zusammenarbeit des Landtages mit der Landesregierung einen kritischen Punkt ansprechen. Bei der Vorbereitung der neuen Strukturfondsperiode 2014 bis 2020 konnten wir uns als Landtag und als Fraktionen nicht in dem Maße einbringen, wie ich es mir gewünscht hätte.

Das ist ein sehr komplexes Thema. Es ist schwierig, alle Interessen der Ministerien, des Bundes und der EU unter einen Hut zu bekommen. Aber wir mussten der Regierung die Informationen über den aktuellen Stand der Verhandlungen förmlich aus der Nase ziehen. Das ist aus meiner Sicht nachteilig, zumal wir mit dem Thema EU-Strukturfonds immer wieder im Zusammenhang mit den Haushaltsabflüssen, aber auch mit der Haushaltsaufstellung konfrontiert werden. Und dies, obwohl dies mit Sicherheit die letzte Fondsförderperiode sein wird, in der wir Zugriff auf so umfangreiche Mittel haben wie bisher. Wie gesagt, die Mittel, die wir für die kommende Förderperiode zur Verfügung haben werden, sind im Vergleich zu dem, was wir erwartet haben, nur geringfügig abgesenkt worden.

Mein Dank gilt noch einmal der Landesregierung, dass sie auch im Zusammenspiel mit anderen Regionen, die der Gefahr der Absenkung der Strukturförderungsmittel ausgesetzt waren, auf EU-Seite erreicht haben, dass die Fördermittel in geringerem Maße als befürchtet abgesenkt wurden.