Der größte Magnet für die Zugewanderten sind übrigens die Hochschulen. Bundesweit gibt es 282 000 ausländische Studierende. Aufgrund von Erleichterungen im Aufenthaltsrecht haben immer mehr von ihnen die Möglichkeit, nach dem Studium in Deutschland zu arbeiten. Das ist ein großes Potenzial für unsere Wirtschaft.
Richtig ist: Bislang profitiert Sachsen-Anhalt - übrigens, Herr Striegel, wie alle ostdeutschen Länder; das muss man vielleicht dazu sagen - unterdurchschnittlich davon. Doch auch bei uns steigt der Anteil der Unionsbürgerinnen und -bürger an den Zugewanderten. Dass es bei uns so wenig sind, hängt sicherlich mit dem Lohngefälle zwischen Ost und West zusammen.
Die Landesregierung bekennt sich ausdrücklich zur Arbeitnehmerfreizügigkeit in der Europäischen Union; denn es ist der eigentlich Gewinn für Europa, dass Menschen innerhalb Europas nicht nur ihr Glück suchen, sondern auch sehen, wo sie arbeiten, wo sie leben wollen. Das Europa der Regionen lebt davon, dass ein Austausch stattfindet. Daher ist es völlig klar, dass wir die seit dem 1. Januar 2014 auch für Bulgarien und Rumänien geltende Arbeitnehmerfreizügigkeit begrüßen.
Leider wird in der öffentlichen Diskussion immer der Eindruck erweckt, aus diesen Ländern würden größtenteils Armutsmigranten oder Sozialbetrüger zu uns kommen. Wenn man die Zahlen sieht und diese Vokabeln einmal weglässt, dann stellt man fest, dass dies nicht stimmt. Wir haben einen viel größeren Teil von Personen, die tatsächlich qualifiziert sind, die Chancen haben, in den Arbeitsmarkt integriert zu werden.
Solche „Armutsbewegungen“ können innerhalb des EU-Freizügigkeitsraums nur vermieden werden - das ist mein allerwichtigster Punkt; alles andere gehört zu Europa; Sie haben den Punkt kurz gestreift; es gab auch noch eine kleine Passage, bei der ich dachte, wir müssen aufpassen, wie wir und auch ich reden -, wenn wir die Lebensbedingungen in den Heimatländern verbessern und noch bestehende gesellschaftliche Ausgrenzungsstrukturen, wie zum Beispiel gegenüber den Sinti und Roma, abbauen. Dazu kann die EU beitragen. Dazu sage ich ausdrücklich: Dazu kann Deutschland beitragen.
Denn Deutschland ist der größte Nutznießer der europäischen Integration; Deutschland ist der Motor. Das erkennen übrigens auch viele Staaten an, auch wenn sie dies manchmal kritisch sehen.
Ich glaube, deshalb hat Deutschland die Verpflichtung, in der EU darauf zu dringen, dass Menschen nicht aus dem Grund, dass sie in ihren Ländern ausgegrenzt werden, umherziehen müssen und andere sagen: bei uns nicht. Wir sollten aufgrund unserer Geschichte offen sein für jeden, der bei uns ist, und gleichzeitig dafür Sorge tragen, dass Menschen ihre Heimat nicht aus diesem Grund verlassen müssen.
Ich habe den Beitrag von Herrn Marquardt beim IHK-Neujahrsempfang etwas kritisch gesehen, der das Problem auf Rumänien bezogen und sinngemäß gesagt hat: Wenn die sich dort nicht genug darum kümmern, dann sollen sie dort bleiben, wo sie sind. Warum sollen wir uns darum kümmern?
Das bedeutet, nicht Verantwortung innerhalb der EU wahrzunehmen. Ich glaube, das sollte gerade Deutschland tun.
Ich finde das wichtig, was der Innenminister bei der letzten oder vorletzten Landtagssitzung deutlich gemacht hat, als er gesagt hat, was Willkommenskultur heißt. Das finde ich wichtig, weil wir das nicht nur miteinander absprechen, sondern auch leben. Das ist die Voraussetzung dafür, dass Menschen, auch Unionsbürger, sich willkommen fühlen. Sie sind willkommen. Wir brauchen sie.
Jetzt nenne ich noch einen kleinen Punkt, den Sie kurz erwähnt haben: Trotzdem, bei aller Werbung, die wir in ganz Europa brauchen, müssen wir aufpassen, dass es in Rumänien und Bulgarien zum Beispiel auch eine ärztliche Versorgung gibt.
Wir brauchen diesen Ausgleich. Wir müssen eine Willkommenskultur haben. Die Menschen sind bei uns gern gesehen. Wir brauchen sie. Ich denke etwa an Pflegekräfte, die in den osteuropäischen Ländern eine Hochschul- oder universitäre Ausbildung absolviert haben und deshalb gern bei uns gesehen sind und auch im Osten Deutschlands hängenbleiben.
Wir brauchen auch eine Verantwortung für die Länder, aus denen wir qualifizierte Menschen hierherholen, die aber auch wieder zurückgehen können, damit sie das in ihren Ländern, in ihrer Heimat aufbauen können.
Man kann das, wenn man genau hinsieht, an zwei Zahlen deutlich machen. In Sachsen-Anhalt leben zurzeit 1 500 rumänische und 1 400 bulgarische Staatsangehörige. Von ihnen befinden sich lediglich 44 bzw. 54 im Sozialleistungsbezug. Das ist also eine kleine, marginale Gruppe.
dem wir alle profitieren, dann, denke ich, ist es eher eine Sache, die zur Normalität gehört: dass Menschen, die auf der Suche nach Arbeit sind, zeitweise auch von dem Sozialsystem profitieren. Im Übrigen sind da - das müsste ich länger ausführen - enge Grenzen gesetzt, wie lange sie das können, wann sie überhaupt ALG II erhalten und Ähnliches.
Die Debatte soll also dazu dienen, das klarzustellen. Sachsen-Anhalt ist ein weltoffenes Land. Sie sind bei uns willkommen. Wir brauchen eine Willkommenskultur, damit sie bei uns beheimatet sind. Deshalb rede ich und reden auch die Integrationsminister - wir sind derzeit Vorsitzland - nicht mehr von einer Mehrheitsgesellschaft und den anderen, sondern wir sind eine Gesellschaft für alle. Ich glaube, es wäre ganz wichtig, dies auch zu leben.
Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als Erster spricht für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Rotter. Bitte schön, Herr Kollege.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wie Sie sehen, ist es gar nicht so einfach, nach unserem Minister zu sprechen. Ich stelle das nicht allein wegen der Höhe des Pults fest, sondern der Minister hat in seiner Rede viele der Aspekte erwähnt und betont, die auch mir wichtig waren und sind.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte dem Minister ausdrücklich Recht geben, wenn er betont, dass Deutschland schon längst Einwanderungsland geworden ist. Deutschland ist aber auch ein weltoffenes Land, in dem Zuwanderung immer mehr als Chance und auch als Herausforderung begriffen wird. Ich sage ganz ausdrücklich: Das ist gut so.
Das war jedoch nicht immer so. Deutschland gehörte zu den Staaten in der Europäischen Union, die ihren Arbeitsmarkt - und damit sich selbst - am stärksten abschotteten. Ich erinnere mich genau, wie damals immer und immer wieder die Angst geäußert wurde, der deutsche Arbeitsmarkt sei einem Ansturm ausländischer Arbeitskräfte nicht gewachsen und es könne zu erhöhter Arbeitslosigkeit unter der einheimischen Bevölkerung kommen. Das genaue Gegenteil war der Fall. Der deutsche Arbeitsmarkt ist - dies auch durch Zuwanderung in den Arbeitsmarkt - stabil wie nie zuvor.
erreicht, sondern in anderen Staaten ihr Glück gesucht und zum Teil dort auch gefunden. Die, die zu uns gekommen und hiergeblieben sind, haben nicht nur unseren Arbeitsmarkt entlastet. Diese Zuwanderer - auch die aus Osteuropa - haben mitgeholfen, unsere Sozialkassen zu füllen, und so einen Beitrag auch im Interesse sozial Schwächerer in unserem Land geleistet.
Wenn es uns gelingt, diesen Mitbürgern durch Maßnahmen der Sprachförderung, der besseren Anerkennung ausländischer Qualifikationen und durch eine gezielte Förderung zur Aufnahme einer Beschäftigung reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu verschaffen, dann können und werden sie das auch in Zukunft tun.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Auch SachsenAnhalt entwickelt sich mehr und mehr zu einem weltoffenen Land, in dem Menschen unterschiedlicher Herkunft leben und arbeiten und unser Land mit ihren Fähigkeiten und Eigenschaften bereichern. Wir haben die einmalige Chance, unser Bundesland zu einem Land zu entwickeln, in dem Willkommenskultur nicht nur propagiert, sondern gelebt wird.
Ich sehe Sachsen-Anhalt nämlich nicht als das Land der Callcenter und Leiharbeiter, wo man am besten „Augen zu und durch!“ empfiehlt, wie das kürzlich in der „Volksstimme“ zu lesen war. Ich glaube, es kann uns gelingen - auch mit der Hilfe von oftmals hochqualifizierten Fachkräften aus Rumänien und Bulgarien -, dem demografischen Wandel, von dem Sachsen-Anhalt unbestritten besonders stark betroffen ist, zu begegnen.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Um diesen Prozess erfolgreich zu gestalten, bedarf es natürlich vielfältiger Aktivitäten und Anstrengungen auf den unterschiedlichen Handlungsfeldern. Auch wenn es etwas abgedroschen klingt, so möchte ich doch von einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe reden.
In diesem Zusammenhang möchte ich auch den letzten Absatz unseres Änderungsantrags verstanden wissen. Ich bin davon überzeugt, dass es wichtig ist, auch als Landtag von Sachsen-Anhalt diesen Prozess aktiv zu begleiten. Darum bitten wir die Landesregierung um eine Berichterstattung in den Ausschüssen für Arbeit und Soziales, für Inneres und Sport, für Bildung und Kultur und nicht zuletzt im Ausschuss für Wissenschaft und Wirtschaft.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bundeskanzlerin Angela Merkel hat in ihrer gestrigen Regierungserklärung nochmals eindringlich und deutlich darauf hingewiesen, dass Deutschland auf Zuwanderung angewiesen ist. Das trifft auch für SachsenAnhalt zu - zukünftig mehr denn jemals zuvor.
Dass man dabei die Augen vor einem möglichen Missbrauch nicht verschließen darf, versteht sich von selbst. Denn nur so kann man so unsäglichen Kampagnen wie „Wer betrügt, der fliegt“ begegnen und sie im Keim ersticken.
Vielleicht darf ich am Schluss meiner Rede ganz kurz noch bemerken: Es ist für mich durchaus ergreifend, hier zu stehen und zu sprechen. Vielleicht als kleine Verbindung zu dem Thema meines Debattenbeitrages: Auch dieses imposante Bauwerk, in dem wir uns heute befinden, ist vor Hunderten von Jahren mit der Hilfe, dem Wissen und den handwerklichen Fähigkeiten ausländischer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer geschaffen worden. Das soll uns als Mahnung dafür dienen, das in Zukunft hier in Sachsen-Anhalt zur Lebensrealität werden zu lassen. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung zu unserem Änderungsantrag.
Vielen Dank, Herr Kollege Rotter. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht jetzt der Abgeordnete Herr Czeke. Bitte schön, Herr Czeke, Sie haben das Wort.
Vielen Dank. - Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Recht, sich in einem Land niederzulassen und einer Beschäftigung nachzugehen, gehört zu den Grundwerten der Europäischen Union. Am 17. Januar 2014 hat das Europäische Parlament mit überwältigender Mehrheit eine Resolution angenommen, die die unsägliche populistische Debatte um Freizügigkeit in der EU, wie sie von Herrn David Cameron und der CSU angestoßen wurde, verurteilt.
Das deutsche Sozialgesetzbuch diskriminiert mit seiner sogenannten Ausschlussklausel und verstößt somit gegen das europäische Antidiskriminierungsrecht.
Denn diese Klausel schließt Arbeitsuchende aus EU-Ländern wegen ihrer Nationalität aus. Wir fordern deshalb eine Reform des SGB II, um eine fallspezifische Bedürftigkeitsprüfung der EU-Bürgerinnen und -Bürger einzuführen.
Als EU-Bürger haben zum Beispiel Rumänen mit Wohnsitz in Deutschland prinzipiell Anrecht auf Kindergeld und unter bestimmten Voraussetzungen - sofern sie sozialversicherungspflichtig beschäftigt waren - auch Anrecht auf Arbeitslosengeld I und SGB-II-Leistungen. Aber SGB-II-Leis
Inwieweit erwerbslose EU-Ausländer Anspruch auf SGB-II-Leistungen haben, ist derzeit rechtlich umstritten. In der jüngsten Rechtsprechung sehen viele Sozialgerichte im Ausschluss von EU-Bürgern von SGB-II-Leistungen in der Bundesrepublik einen Verstoß gegen europäisches Recht.
Aufgrund der niedrigen Löhne hat Rumänien zusammen mit Bulgarien das höchste Armutsrisiko in der Europäischen Union. Nach Berechnungen der europäischen Statistikbehörde sind 42 % der Rumänen von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Im „Eurobarometer“ bezeichnen 58 % der befragten Menschen in Rumänien ihre finanzielle Lage als prekär.
Es sind also diese im europäischen Vergleich schlechten sozialen und wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen, die viele Rumäninnen und Rumänen und Bulgarinnen und Bulgaren dazu bewegen, ins Ausland zu gehen, um sich dort bessere Einkommens- und Beschäftigungsperspektiven zu suchen. Das ist die Motivation. Diese Motivation teilen Geringqualifizierte mit Akademikerinnen und Akademikern sowie Niedriglohnempfängerinnen und -empfänger mit Besserverdienenden. Rumänische und bulgarische Zuwanderer sind also keine Armutsmigranten.
Die Beendigung ausbeuterischer und unwürdiger Arbeits- und Lebensbedingungen ist das wichtigste Handlungsfeld. Zahlreiche Lösungsansätze sind inzwischen identifiziert worden: die Einrichtung eines Rechtsanspruchs auf Integrationskurse - meine Vorredner gingen schon darauf ein -, verschiedene Instrumente zur Eindämmung prekärer Beschäftigung und zur besseren Durchsetzung von Arbeitsstandards, die Schaffung eines Kompetenzzentrums auf Bundesebene zur Klärung von Krankenversicherungsansprüchen der sogenannten EU-II-Bürger, finanzielle Unterstützung für Sprachkurse und Sozialarbeit.
Abwegig und unverantwortlich ist allerdings die Forderung nach einer Beschränkung der Freizügigkeit. Diese wäre nicht nur europa- und wirtschaftspolitisch rückschrittlich, sondern sie würde auch die Situation für einzelne Kommunen nicht verbessern - ganz im Gegenteil. Beschränkungen für rumänische Migrantinnen und Migranten auf dem Arbeitsmarkt oder bei Sozialsystemen haben kaum Auswirkung auf die Wahl eines Ziellandes und führen eher zu einer Ausweitung informeller Beschäftigung als zu weniger Migration.