Protocol of the Session on December 13, 2013

Sachsen-Anhalt als Standort von Wissenschaft und Forschung für Nachhaltigkeit stärken

Antrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/2603

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/2650

Einbringerin ist Frau Professor Dr. Dalbert. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich freue mich, dass der letzte Tagesordnungspunkt unserer dreitägigen Plenarsitzung und der letzte Tagesordnungspunkt in diesem unveränderten Plenarsaal einem so wichtigen Thema wie der Wissenschaft und Forschung für Nachhaltigkeit an unseren Hochschulen gewidmet ist.

Ich freue mich auch, dass wir uns am Ende von drei durchaus anstrengenden Tagen die Zeit für ein Thema nehmen, das eher für Nachdenklichkeit sorgen sollte und das auch ein Thema ist, wo es um Wissenschaft und Hochschulen geht. Aber es geht bei dem Gegenstand Wissenschaft und Hochschulen einmal nicht um das Thema Geld und mehr Geld für Wissenschaft und Hochschulen, sondern um die Frage, wie wir unsere Hochschulen zukünftig gestalten wollen.

Wir glauben, dass das Thema Wissenschaft und Forschung für Nachhaltigkeit ein zentrales Thema für unsere Hochschulen sein muss, weil unsere Welt vor enormen Herausforderungen steht und wir die Hilfe von unseren Hochschulen, von den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern an unseren Hochschulen brauchen, um diese enormen Herausforderungen zu bewältigen.

Zwei Stichworte, um diese Herausforderungen zu charakterisieren. Das eine Stichwort ist Ressourcenverknappung. Wir leben in einer Welt, wir leben mit einer Wirtschaft, die darauf baut, dass wir endliche Ressourcen verschwenden. Ich sage: Gold. Ich sage: seltene Erden. Ich sage: Kupfer. Ich sage: Erdöl.

Ich bin davon überzeugt, dass unsere Kinder es noch erleben werden, dass sich die Menschheit die Augen reibt und sagt: Es gab einmal eine Zeit, in der haben die Leute einen so wichtigen Rohstoff wie Erdöl verbrannt, um von A nach B zu kommen; man glaubt es kaum.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Wir wissen, wir leben in einer Welt, die ihre Wirtschaft auf endlichen Ressourcen aufbaut. Es ist eine der großen Herausforderungen, davon wegzukommen. Wir müssen hin zu Wirtschaftskreisläufen kommen, zu Lebensgrundlagen, die auf nachwachsenden Rohstoffen fußen. - Das ist der eine Punkt.

Der zweite Punkt, der eng damit zusammenhängt, ist die Frage des Klimawandels. Gerade wir in

Sachsen-Anhalt haben in diesem Jahr wieder sehr heftig in Erinnerung gerufen bekommen, was Klimawandel heißt. Ich nenne nur das Stichwort Hochwasser. Dazu sagen uns alle Expertinnen und Experten: Diese Formen von heftigem Hochwasser sind die Folge des Klimawandels und werden in Zukunft zunehmen. Das ist die zweite Herausforderung unserer Gesellschaft: Wir müssen den Klimawandel stoppen. Das heißt, wir müssen den CO2-Ausstoß stoppen - vor allen Dingen w i r müssen ihn stoppen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Denn der CO2-Ausstoß ist ungleich über die Welt verteilt: USA ungefähr 20 t pro Kopf, Europa ungefähr 10 t pro Kopf. Dann kommen irgendwann die armen Länder mit einem CO2-Ausstoß von 0,1 t, 0,5 t, 1,0 t pro Kopf. Das ist das zweite große Problem: Es gibt eine große Ungerechtigkeit zwischen reichen und armen Ländern.

Um diese beiden zentralen Probleme in den Griff zu bekommen, bedarf es eines grundsätzlichen Umdenkens. Dieses grundsätzliche Umdenken wird unter dem Stichwort Nachhaltigkeit zusammengefasst. Was meint man mit Nachhaltigkeit? - Mit Nachhaltigkeit meint man, dass man die Lebensgrundlagen und die Wirtschaftskreisläufe so konfiguriert, dass man mit den endlichen Ressourcen heute so umgeht, dass auch die nachfolgenden Generationen noch die Möglichkeit haben, ein lebenswertes Leben auf unserem Planeten zu gestalten.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht um den Umgang mit Ressourcen. Es geht darum, technische und soziale Entwicklungen so zu gestalten, dass Generationengerechtigkeit hergestellt wird. So hat es die Brundtland-Kommission der Vereinten Nationen im Jahr 1987 in den Blick genommen.

Es geht also um eine Normsetzung. Es geht um eine Wertefrage. Es geht um die Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Wollen wir es uns länger erlauben, dass unser Teil des Planeten in nie gekanntem Ausmaß auf Ressourcen zugreift und für andere Teile des Planeten nicht genug übrig lässt? Wollen wir es uns weiterhin erlauben, dass wir unser Leben so gestalten, als ob keine Generationen mehr nach uns kommen, weil wir enthemmt auf alle Ressourcen, die uns zur Verfügung stehen, zugreifen?

Es geht also kurz um die Frage der Generationengerechtigkeit oder auch um die Frage einer nachhaltigen Entwicklung unserer Zivilisation in den Grenzen der natürlichen Ressourcen.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das ist ein komplexes Problem. Als komplexe Probleme bezeichnet man Probleme, die aus vie

len kleinen Einzelproblemen zusammengesetzt sind, die miteinander zusammenhängen. Genau das ist hierbei der Fall. Es gibt nicht ein Problem mit einer großen Lösung.

Komplexe Probleme sind in der Regel auch persönlich bedeutsame Probleme. Auch das ist hierbei der Fall; denn es geht um unser Leben, um unsere Lebensgestaltung. Es geht darum, wie wir Wirtschaft gestalten, um eine Zukunft für unsere Kinder zu ermöglichen. Es geht um eine Problemlage, für die die Lösung unklar ist. Das ist das, was man auch Handeln unter Ungewissheit nennt. Wir wissen nicht, was die Lösung dieses Problems ist, das ich charakterisiert habe.

Der Umgang mit solchen komplexen ungewissen Problemen verlangt, dass man völlig neue Denkwege beschreitet. Was meine ich damit? Unsere Zivilisation hat im letzten Jahrhundert auf solche Herausforderungen immer die gleiche Antwort gegeben: Fortschritt durch Technik, die Wissenschaft wird es richten.

Wir sind davon überzeugt, dass wir in unserer Zivilisationsgeschichte an einem Punkt angekommen sind, wo diese alte Antwort - die Technik wird es richten - nicht mehr reicht.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Natürlich verstehe ich, dass die Zivilisation sich an diese Antwort - die Technik wird es schon richten - klammert, wenn man sich überlegt, dass wir ein Jahrhundert hinter uns haben, in dem zwischen dem Abschied von der Pferdekutsche und dem ersten Schritt des Menschen auf dem Mond gerade einmal ein halbes Jahrhundert gelegen hat. Insofern habe ich sehr viel Verständnis für diesen Fortschrittsglauben, der sich an technische Entwicklung knüpft. Allerdings glaube ich, dass die Probleme, vor denen wir heute stehen, damit allein nicht zu lösen sind.

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

Lassen Sie mich ein Beispiel geben. Es wird Sie nicht verwundern, dass ich als Fraktionsvorsitzende der Bündnisgrünen als Beispiel die Energiewende anführe. Was heißt Energiewende? - Das heißt, dass wir zum einen unseren Energieverbrauch von endlichen Ressourcen auf nachwachsende Ressourcen umstellen müssen, also Wind, Sonne, Wasser, vielleicht auch ein bisschen Biomasse.

Wir glauben, dass dieses Problem mit technischem Fortschritt und mit Wissenschaft zu lösen ist. Wir müssten etwa bei der Frage der Speichertechnologie voranschreiten, was wir oft anmahnen. Hierzu müsste vielleicht die Landesregierung mit etwas mehr Wumms dahinter Anstöße geben. Das ist eine Frage der technischen Entwicklung.

Doch schon bei der Frage des Flugverkehrs ist es nicht mehr so einfach, sich die technische Entwick

lung, die die Mobilität im Flugverkehr ermöglicht, zu überlegen.

Aber die Umstellung auf erneuerbare Energien ist nur die Hälfte der Energiewende. Die Hälfte der Energiewende heißt: Wenn wir 100 % erneuerbare Energien am Ende haben wollen, müssen wir Energie einsparen. Wir werden die Energieeinsparziele nicht allein mit Technik erreichen. Eine Erhöhung von Energieeffizienz allein wird nicht ausreichen. Wir werden das Ziel nur erreichen, wenn die Menschen ihr Handeln umstellen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Das ist mit Technik eben nicht mehr zu lösen.

Das heißt, die Gestaltung von Nachhaltigkeit in allen Lebensbereichen, in allen Wirtschaftsbereichen ist nicht allein mit technischem Fortschritt zu erreichen. Wir glauben, dass dieses Ziel eine der ganz großen Menschheitsherausforderungen ist, vor denen wir heute stehen.

In Anerkennung diese großen Menschheitsziels hat die Hochschulrektorenkonferenz zusammen mit der Unesco-Kommission am 22. November 2010 eine Erklärung herausgegeben, in der heißt es unter anderem - ich erlaube mir zu zitieren -:

„Die Hochschulen als Bildungsstätten für die zukünftigen Entscheidungsträger und als Zentren von Forschung haben hierbei eine besondere Verantwortung und spielen eine entscheidende Rolle. Sie legen Grundlagen, indem sie in Lehre und Studium Kenntnisse, Kompetenzen und Werte vermitteln und in der Forschung Wissen und Innovation erzeugen, die für die Gestaltung nachhaltiger Entwicklung nötig sind.“

(Zustimmung bei den GRÜNEN)

In Kenntnis dieser Erklärung der Hochschulrektorenkonferenz hat unser Land in die Zielvereinbarungen 2011 bis 2013 das Modul „Bildung für eine nachhaltige Entwicklung“ aufgenommen. Wir können feststellen, dass sich unsere Hochschulen in der Tat schon auf den Weg gemacht haben, vor allen Dingen auf den Weg gemacht haben, was die Verankerungen von Nachhaltigkeit in der Lehre betrifft. Es gibt an allen Hochschulen Module; es wird also im Unterricht darauf eingegangen. Es gibt Vortragsreihen, die auf die Frage der Nachhaltigkeit eingehen.

In der Forschung ist das nach meinem Kenntnisstand noch nicht flächendeckend verbreitet. Die Hochschule Harz hat beispielsweise eine Arbeitsgemeinschaft „Nachhaltige Hochschule Harz“ eingerichtet; eine ihrer Aufgaben ist die Begleitung konkreter Projekte zur Nachhaltigkeit. Die Hochschule Magdeburg hat drei Forschungsschwerpunkte benannt: nachhaltige technologische Entwicklung, nachhaltige Umweltgestaltung und nachhaltige gesellschaftliche Entwicklung. Zu nennen ist auch das Fraunhofer-Institut für Silizium

Photovoltaik in Halle, das natürlich auch Forschung zu Nachhaltigkeit betreibt.

Deswegen denken wir, es lohnt sich hinzuschauen, was im Lande bereits zum Thema Forschung und Wissenschaft zur Nachhaltigkeit passiert. - Das ist der erste Teil unseres Antrages.

Aber wir glauben auch, dass es gut ist, wenn wir hierbei mehr tun. Wir glauben, dass es gut ist, wenn sich die Landesregierung und das Parlament in Sachsen-Anhalt dazu bekennen, dass Nachhaltigkeit eine zentrale Leitidee für Forschung und Wissenschaft in unserem Land sein sollte. Nachhaltigkeit sollte ein Leuchtturm sein, der nach innen ausstrahlt und den Menschen im Lande klarmacht, was an unseren Hochschulen und außeruniversitären Forschungsinstituten bereits an toller Leistung für Nachhaltigkeit erbracht wird; er sollte aber auch nach außen ausstrahlen, zum positiven Image von Sachsen-Anhalt beitragen und auf die mittelständische Wirtschaft ausstrahlen.

Natürlich - das ist an dieser Stelle durchaus zu konstatieren - haben jeder Professor und jede Professorin die Freiheit zu forschen, wozu immer sie wollen. Das ist die Freiheit der Wissenschaft. Und das ist auch gut so. Diese wollen wir nicht einschränken. Um Himmels willen!

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)

Ich denke aber, es ist schon auch Aufgabe der Politik zu sagen, wo sie Werte setzt, und für diese Werte Leitplanken in die Forschung und in die Wissenschaft einzuziehen. Wir glauben, dass Nachhaltigkeit, die Frage der Generationengerechtigkeit, ein Wert sein sollte, den wir hier gemeinsam für die Gestaltung der Zukunft unserer Hochschulstrukturen im Land setzen sollten.

Wenn wir darüber Einigkeit hätten, dann hätte die Landesregierung viele Möglichkeiten, diese Forschung zur Nachhaltigkeit anzuregen. Das fängt mit der Auslobung von Forschungsgeldern an. Es ist auch an spezielle Stipendien zu denken, die in diesem Bereich ausgelobt werden könnten. Es könnten Preise ausgelobt werden, Auszeichnungen ausgereicht werden und vieles mehr, um diese Wertsetzung mit einem Ausrufezeichen zu versehen, um zu zeigen: Wir wollen die Forschung für Nachhaltigkeit stärken; wir wollen, dass unsere Hochschulen einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit leisten.

Insofern würde ich mich sehr freuen, wenn wir uns darauf einigen könnten, dass Nachhaltigkeit, dass Generationengerechtigkeit für uns in SachsenAnhalt ein wichtiger Wert ist, zu dem wir mit unseren Hochschulen beitragen wollen; denn, liebe Kolleginnen und Kollegen: Wir haben unseren Planeten nur von unseren Kindern geborgt.

(Beifall bei den GRÜNEN)