Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allerdings bin ich nicht so blauäugig zu glauben, dass für einen Großteil der in dieser Maßnahme Beschäftigten der Weg direkt in den ersten Arbeitsmarkt führen wird. Ich bin mir mit führenden Mitarbeitern der Jobcenter vor Ort und auch der Bundesagentur für Arbeit darin einig, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt weder der örtliche Arbeitsmarkt noch das Potenzial der in der Maßnahme Beschäftigten hergeben.
Deshalb - auch darin sind wir uns einig - brauchen wir auch in Zukunft für einen längeren Zeitraum einen geförderten zweiten Arbeitsmarkt. Dabei ist es jedoch wichtig, den ersten und den zweiten Arbeitsmarkt als einheitliches Ganzes zu betrachten und das Prinzip „fördern und fordern“ nicht aus dem Blick zu verlieren. Der zweite kann und soll den ersten Arbeitsmarkt nicht ersetzen; er ist aber weiterhin unverzichtbar.
Wir brauchen also ein Nachfolgeprogramm für die Bürgerarbeit. Wie dieses Programm dann heißen wird, ist mir - ehrlich gesagt - relativ egal. Wir brauchen ein Nachfolgeprogramm, das weiterhin gewährleistet, dass die bisher geschaffenen materiellen Werte erhalten und nachhaltig genutzt werden können. Wichtig ist für alle Beteiligten aber auch die Möglichkeit, das erworbene Potenzial zu erhalten und eventuell zu mehren.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich bin davon überzeugt, dass es weiterhin wichtig ist, Menschen, die kaum eine Chance auf dem regulären Arbeitsmarkt haben, eine Perspektive zu geben. Denn es ist allemal besser, aktiv zu sein, als zu Hause zu sitzen und auf ein Jobangebot, das möglicherweise nie kommt, zu warten.
Darum ist es aus meiner Sicht richtig und wichtig, dass sich gerade unser Bundesland massiv für eine Fortsetzung des Programms Bürgerarbeit, in welcher Form und unter welchem Namen auch immer, einsetzt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich noch kurz auf den Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE eingehen. Liebe Kollegin Dirlich, nach dem Lesen Ihres Antrages dachte ich eigentlich, dass Sie unseren Antrag nicht gänzlich ablehnen, da er durch Ihren Antrag ergänzt werden soll. Sie haben das, wenn ich Sie richtig verstanden habe, betont. Ich denke, wir sollten unseren Antrag so schnell wie möglich umsetzen.
Ich möchte noch kurz zu einzelnen Punkten Ihres Änderungsantrages kommen. Die Forderung nach einer Entlohnung nicht unter dem tariflichen Mindestlohn erübrigt sich aus meiner Sicht, da von den Koalitionären auf der Bundesebene die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohnes vereinbart wurde. Das gilt dann auch für die Bürgerarbeit, die übrigens auch jetzt schon kein tariffreier Raum ist.
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Dass die Maßnahmen keine öffentlichen Aufgaben ersetzen und keine Arbeitsplätze auf dem ersten Arbeitsmarkt verdrängen dürfen, versteht sich für mich von selbst und ist meiner Kenntnis nach auch schon jetzt ein Bewilligungskriterium.
Entschuldigung, Herr Präsident, ich bin gleich fertig. - Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das von Ihnen geforderte Prinzip der Freiwilligkeit kann ich natürlich nicht gutheißen. Ich bleibe dabei, dass sich das Prinzip „fördern und fordern“ bewährt hat und dass es unbedingt beibehalten werden muss.
Ihrer Forderung nach einer begleitenden Qualifizierung sowie sozialpädagogischer und sozialpsychiatrischer Betreuung kann ich in dieser Absolutheit auch nicht folgen. Als Angebot für die Teilnehmer wäre das nachvollziehbar. Aber Sie fordern das generell. Ich denke einmal, man sollte - -
Dann bleibt mir also nichts weiter übrig, als Sie zu bitten, unserem Antrag zu folgen. - Danke für Ihr Verständnis.
Vielen Dank, Herr Rotter. - Jetzt spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Latta. Bitte schön, Frau Latta.
Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Der von den Koalitionsfraktionen eingereichte Antrag zum Thema Projekt „Bürgerarbeit fortführen“ kommt wieder einmal kurz vor knapp; denn schließlich läuft das Projekt zum Ende dieses Jahres aus.
Retrospektiv lässt sich feststellen, dass das Programm der Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt problemlos am 30. Juni 2012 angelaufen war. Die Zahl der insgesamt geplanten 4 842 Plätze wurde zu Beginn der Einführung der sogenannten Bürgerarbeit sogar erhöht. Es gab letztlich 4 912 bewilligte Beschäftigungsplätze in der Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt. Das heißt, sowohl die Akquise der möglichen Bürgerarbeitsstellen als auch deren Vermittlung hat wie geplant funktioniert.
Wenn man sich die Statistik bezüglich des Übergangs von der Bürgerarbeit in den ersten Arbeitsmarkt anschaut, sind zwei Effekte auszumachen. Erstens war eine starke sogenannte Aktivierungsphase zu Beginn der Bürgerarbeit nötig, da diese am ehesten den Weg in den ersten Arbeitsmarkt ebnet. So war dies in Sachsen-Anhalt bei einem Fünftel aller Teilnehmerinnen an der Bürgerarbeit beim Programmstart der Fall.
Zweitens. Summa summarum sind ca. 13 % der Teilnehmer von der sogenannten Bürgerarbeit in den ersten Arbeitsmarkt gewechselt. Die Landesregierung hätte beim Auslaufen des Programms der Bürgerarbeit noch einmal evaluieren sollen, wie viele Menschen tatsächlich in den ersten Arbeitsmarkt wechselten; denn letztlich sind diese Zahlen auch ausschlaggebend dafür, ob das Projekt Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt erfolgreich oder eben nicht erfolgreich war.
Bevor man auf der Bundesebene die Forderung nach der Fortführung der Bürgerarbeit aufstellt, sollten wenigstens verwertbare Zahlen vorliegen. Die Bürgerarbeit öffnete nur in Einzelfällen den Weg in den ersten Arbeitsmarkt. Ob und wie viele Sanktionen während der Aktivierungsphase und der Beschäftigungsphase der Bürgerarbeit verhängt wurden, ist statistisch nicht erfasst worden.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN schätzt das Konzept der Bürgerarbeit als ein wichtiges Instrument für einen sozialen Arbeitsmarkt ein; denn
gerade in sozialen und ökologischen Bereichen werden damit sozialversicherungspflichtige Jobs geschaffen. Es ist auch ein gutes arbeitsmarktpolitisches Instrument und bietet die Möglichkeit zur Integration in den Arbeitsmarkt, wenn auch in den zweiten Arbeitsmarkt.
Aktuell gelten bundesweit rund 30 % der Arbeitslosen als langzeitarbeitslos. Öffentlich geförderte Beschäftigung kann zudem in Regionen mit hoher bzw. struktureller Arbeitslosigkeit einen Beitrag zur Schaffung vorübergehender Beschäftigungsangebote und damit zum Abbau von Arbeitslosigkeit leisten.
Mit Kompetenzentwicklung verknüpft, kann sie zumindest bei einem Teil der Betroffenen mittel- bis langfristig zur Sicherung des Arbeitspotentials beitragen. Nicht zuletzt kann öffentlich geförderte Beschäftigung den Ausbau und den Erhalt von zusätzlichen sozialen Angeboten in den Regionen unterstützen und einen Beitrag zur Verbesserung der Infrastruktur leisten.
Aus der Antwort der Landesregierung auf die Kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Bürgerarbeit in Sachsen-Anhalt ging nicht klar hervor, wie freiwillig die Teilnahme an dem Programm Bürgerarbeit war und ob bereits eine Nichtteilnahme zu Sanktionen geführt hat.
Das Ziel, durch die Bürgerarbeit den Weg in Richtung des ersten Arbeitsmarktes zu öffnen, wurde nur in Einzelfällen erreicht. Auch waren Personen in der Aktivierungsphase eher bereit, Jobangebote anzunehmen. Ob dafür die bessere Vermittlungstätigkeit oder ein Coaching durch das Amt ausschlaggebend war oder der Druck auf die Arbeitsuchenden erhöht wurde, lässt sich retrospektiv schwer einschätzen, da keine Evaluierung bezüglich der in den ersten Arbeitsmarkt vermittelten Personen vorliegt.
Wir brauchen in Sachsen-Anhalt sowohl mehr und bessere Qualifizierungsmöglichkeiten für Langzeitarbeitslose als auch gute öffentlich geförderte Beschäftigung inklusive eines sozialen Arbeitsmarktes. Nur dann haben Arbeitsuchende eine echte Chance auf Teilhabe an Arbeit, und genau darum geht es.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird dem Antrag der der Fraktionen der CDU und der SPD sowie dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen. - Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Vielen Dank, Frau Kollegin Latta. - Jetzt hat der Kollege Steppuhn noch einmal das Wort. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Frau Dirlich, die Verantwortung dafür, dass Sie kurz vor Weihnachten platzen, wollen wir natürlich nicht übernehmen.
Wenn Sie tatsächlich geplatzt wären, dann hätten wir im Hohen Hause wahrscheinlich den Grund dafür nicht gekannt, weil ich glaube, dass Ihre Interpretation des Antrages - Sie haben ihn als schlecht gemacht bezeichnet - mehr oder weniger deutlich macht, dass Sie den Antrag nicht richtig gelesen haben.
(Herr Borgwardt, CDU: So ist es! - Zuruf von der LINKEN: Der war gut! - Lachen bei und weitere Zurufe von der LINKEN)
Ich habe auch bewusst darauf verzichtet - das kann man natürlich tun -, hier eine inhaltliche Diskussion über die Bürgerarbeit zu führen. Das kann man im Ausschuss tun. Das kann man an anderen Stellen tun. Auch wir als Sozialdemokraten sagen nicht, dass die Bürgerarbeit das Allheilmittel sei und dass die Bürgerarbeit keine Schwächen habe. Natürlich kann man über die inhaltliche Ausgestaltung reden,
so wie Sie das dann auch in Ihrem Änderungsantrag formuliert haben. Aber wenn Sie unseren Antrag, Frau Dirlich, richtig lesen würden - -
(Frau Lüddemann, GRÜNE: Das steht dort gar nicht drin! - Frau Dirlich, DIE LINKE: Was steht denn nun darin? - Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)
- Frau Lüddemann, das verstehe ich nun gar nicht. Frau Latta hat gerade gesagt, dass Sie unserem Antrag zustimmen. Jetzt sagen Sie, Sie verstehen den Antrag nicht.
Aber lassen wir das einmal beiseite. - Bei diesem Antrag geht es doch um nicht mehr und nicht weniger, als dass wir uns auf der Bundesebene dafür einsetzen und den Bund auffordern, auch zukünftig Mittel für die Bekämpfung von Langzeitarbeitslosigkeit einzusetzen. Wir wissen, dass man im Moment auch in Berlin noch darüber nachdenkt, wie man die ESF-Mittel auf der Bundesebene zukünftig einsetzen kann.
Deshalb, glaube ich, ist es schon richtig, dass wir bekräftigen, dass wir uns ein Nachfolgemodell für die Bürgerarbeit wünschen. Um nicht mehr und nicht weniger geht es dann auch.
Natürlich haben wir eine neue Gefechtslage beim Mindestlohn. Der Mindestlohn wird in Gesetzesform gegossen. Natürlich wird das dann Auswirkungen haben. Wir sind gern bereit, über die Punkte, die Sie in Ihrem Änderungsantrag benannt haben, im Ausschuss im Rahmen der Selbstbefassung zu diskutieren.
Aber unser Antrag ist uns in der Sache so wichtig, dass wir darüber heute direkt abstimmen wollen. Ich würde es schon so verstehen, dass Sie sich, selbst wenn Sie sich der Stimme enthalten, nicht gemeinsam mit dem Landtag für ein Fortsetzungsmodell für die Bürgerarbeit und auch nicht für die Finanzierung einsetzen wollen. Deshalb biete ich Ihnen ausdrücklich an, dass wir, wenn Sie unserem Antrag heute zustimmen, Ihren Antrag im Rahmen der Selbstbefassung im Ausschuss bereden.
Herr Kollege Borgwardt hat mich gerade noch auf Folgendes hingewiesen: Wenn Sie jetzt sagen, wir kämen mit so einem Antrag fünf Minuten vor Toresschluss, dann muss ich Sie fragen: Wer hat Sie denn daran gehindert, selbst so einen Antrag zu stellen?
(Frau Dirlich, Die LINKE: Hinterher! - Zurufe: Das stimmt! - Frau Bull, DIE LINKE: Das ist das Problem! - Weitere Zurufe von der LINKEN)