Protocol of the Session on December 13, 2013

Der Bund hat das übernommen. Wir profitieren übrigens am meisten davon. Aber auch in anderen Ländern ist das erfolgreich gelaufen.

Von daher ist diese Erwartung schon groß gewesen - das hat Herr Steppuhn gesagt -, dass der Bund es weitermacht. Wir haben natürlich auch gehofft, dass das Wort im Koalitionsvertrag auftaucht. Jetzt steht eher der Begriff darin, dass der Bund beabsichtigt und auch Willens ist, für Langzeitarbeitslose etwas mehr zu tun. Wir hoffen also, dass dieses Programm weitergeht. Es war ein ESF-Programm des Bundes, deshalb waren wir da außen vor.

Wir versuchen - Herr Steppuhn hat das schon angesprochen -, eventuelle Lücken jetzt mit ESF-Mitteln zu schließen, die wir übrig haben. Wir konnten ja nicht alles ausgeben aus der letzten Förderperiode. Wir haben seitens der EU die Genehmigung erhalten, 1 100 Stellen in ein neues Landesprogramm umzuswitchen. Da wir das Programm nicht unter der Bezeichnung „Bürgerarbeit“ weiterführen können, haben wir nunmehr die Bezeichnung „Aktiv zur Rente plus“ gewählt. Hiermit wollen

wir einen Teil der Stellen, die im nächsten Jahr wegfallen, auffangen.

Wir wissen, dass die Programme sukzessive enden, manche im April, andere erst im Sommer. Daher bin ich der Überzeugung, dass ein Teil bereits aufgefangen wird, auch wenn das Programm im nächsten Jahr generell ausläuft.

Um möglichst alle zur Verfügung stehenden Mittel auszuschöpfen, ist in der letzten Woche noch einmal ein Antrag eingebracht worden, der vorsieht, dieses Programm um 900 Stellen zu erweitern, sodass die Bürgerarbeit bis zum Jahr 2014 für insgesamt 2 000 Stellen ermöglicht wird. Für diese 900 zusätzlichen Stellen steht die Genehmigung durch die EU noch aus. Hierauf warten wir noch. Ich bin aber davon überzeugt, dass diese Genehmigung ebenfalls zügig erteilt wird.

Wir müssen abwarten, was die neue Bundesregierung auf den Weg bringt. In dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE sind einige Prämissen formuliert worden. Darauf will ich nicht im Einzelnen eingehen. Die Wunschvorstellungen werden in Teilen auch von mir geteilt. Der Bund wird sein Programm jedoch eigenständig aufstellen.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Die Aufforderung, gleich nach der Bildung der Bundesregierung indirekt Druck zu machen, dass dieses Programm aufgelegt wird und sich nahtlos in unserer Programm einreiht, nehme ich gern auf und werde dies auch weitertransportieren.

Wir wissen, dass die Chancen insbesondere der älteren Arbeitslosen über 55 Jahre auf dem Arbeitsmarkt gering sind, noch dazu wenn sie bereits länger arbeitslos gewesen sind. Auch die Konjunktur und die Möglichkeit, dass aufgrund der demografischen Entwicklung in Zukunft mehr Arbeitsplätze zur Verfügung gestellt werden können, helfen an dieser Stelle nicht. Wir benötigen ein solches Programm noch etliche Jahre und müssen es entsprechend entwickeln. Daher vielen Dank für diesen Antrag.

(Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Minister. - Wir treten in die Fünfminutendebatte ein. Als Erste spricht Frau Dirlich für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön, Frau Kollegin.

Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der Koalition, ich weiß, es ist bald Weihnachten, und ich weiß, wir wünschen uns alle Weihnachtsfrieden. Ich kann es Ihnen aber nicht ersparen; denn ansonsten platze ich.

(Frau Bull, DIE LINKE: Das wollen wir alle nicht!)

Ich habe in meinem ganzen Leben noch keinen derart lapidaren Antrag gesehen wie diesen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich sage Ihnen eines: Ich hätte mich mit einem solchen Antrag nicht in den Landtag getraut, noch nicht einmal in meine Fraktion.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist ja noch viel schlimmer!)

- Ja. - Noch vor einem Monat tönte Ihr Ministerpräsident durch die Republik, dass er ein großes Nachfolgeprojekt in die Koalitionsvereinbarung aufnehmen wird. Es sollte ein großes bundesweites Integrationsprojekt werden. Die erprobte Philosophie der Bürgerarbeit sollte weitergeführt werden. Ich werde gleich noch ein bisschen pathetischer. Mehrere hundert Millionen Euro sollten zur Verfügung gestellt werden.

Die Presse feierte die vorhandenen Projekte - darauf komme ich noch zu sprechen - und beklagte die großen Lücken, die ein Wegfall reißen würde. Und nun das.

Angesichts von so viel Mut und Entschlossenheit und vor dem Hintergrund der Tatsache, dass die Unterschriften unter dem Koalitionsvertrag noch nicht ganz trocken sind, haben wir in unserer Fraktion ernsthaft darüber nachgedacht, Ihnen zu empfehlen, Nachverhandlungen zur Koalitionsvereinbarung zu fordern. Sie wollen ja ein Signal setzen.

Noch besser wäre es, der SPD in Sachsen-Anhalt zu raten, ihren Mitgliedern zu empfehlen, den Koalitionsvertrag abzulehnen, nach dem Motto: Neuwahlen für Bürgerarbeit! - Das wäre ein Signal.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Was macht ihr dann mit dem Ergeb- nis?)

Allerdings haben Sie Glück. Sie wussten, dass Sie Glück haben. Uns ist dieses Thema nämlich viel zu wichtig, als dass wir es nicht ernsthaft diskutieren und uns nicht ernsthaft damit auseinandersetzen wollen. Dies haben wir bereits mehrfach getan. Ich selber habe, seitdem ich in diesem Landtag bin - das ist schon eine ganze Weile - genau für solche Projekte gestritten. Ich mache das an dieser Stelle zum ich weiß nicht mehr wie vielten Male.

Wir haben schon oft gesagt, dass wir mit solchen Projekten mindestens zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen können. Davon hat Herr Steppuhn nicht gesprochen. Wir können auf der einen Seite Menschen, die bereits seit Langem aus dem Arbeitsprozess ausgeschieden sind, wieder eine Chance auf Teilhabe am Arbeitsleben geben. Jawohl, davon haben Sie gesprochen. Sie können ihre Fähigkeiten einbringen. Sie können sich weiterentwickeln. Sie können sich erneut fit machen für den sogenannten ersten Arbeitsmarkt.

Aber mindestens eine andere Seite ist, dass auch solche Arbeit geleistet werden kann, die von der

Wirtschaft nicht angeboten wird, weil sie leider nicht gewinnträchtig ist, und für die klamme Kommunen kein Geld haben. Das ist die Chance öffentlich geförderter Beschäftigung, wie wir sie nennen, bzw. von Bürgerarbeit, wie es anderswo genannt wird. Mir ist es auch völlig Wurst, wie es heißt. Aber das ist die Chance solcher Arbeit, dass Menschen eine Chance bekommen und zudem wertvolle und für die Gesellschaft nützliche Arbeit geleistet wird.

„Von den zusätzlichen Arbeitskräften profitieren Grundschüler und Kindergartenkinder, die vom Tierschutzverein versorgten Vierbeiner genauso wie der Tourismus oder die Köppen-Forschung in der Stadt- und Kreisbibliothek. Auch Jugendklubs, Feuerwehr, Integrationstreff und Vereine sind betroffen.“

So heißt es in einem Artikel der „Volksstimme“ über die Bürgerarbeit in Genthin. Der dortige Stadtchef prognostiziert, es werde mächtig eng werden. Damit meint er die Zeit nach dem Wegfall der Bürgerarbeit, für die es trotz seiner Bemühungen keinerlei Lösungen gegeben hat. Die einzige Auskunft, die er erhalten hat, war das definitive Ende der Bürgerarbeit.

Sie wissen, dass wir das Projekt Bürgerarbeit so, wie es derzeit gestrickt ist, nicht befürworten. Wir wiederholen deshalb in unserem Änderungsantrag alle die Forderungen, die Sie aus den vergangenen Jahren bereits kennen sollten. Ich hoffe, Sie erinnern sich daran. Ich denke, dass es kein Problem mehr sein dürfte, zum Beispiel den Mindestlohn auch in solchen Projekten durchzusetzen. Mindestlohn ist Mindestlohn, auch in der Bürgerarbeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch die Laufzeit und die Festlegung auf gemeinnützige Arbeit dürften keine Probleme darstellen. Freiwilligkeit ist aus unserer Sicht das Einzige, was geht. Der Run auf diese Projekte hat gezeigt, dass die Kapazitäten überhaupt nicht ausreichen und dass wir noch viel mehr Bürgerarbeit gebrauchen könnten. Dass begleitende Qualifikation bei der Bürgerarbeit stattfinden muss, ist, so denke ich, völlig unstrittig.

Der strittigste Punkt dürfte wohl die Forderung nach voller Versicherungspflicht bleiben. Diese Forderung, meine Damen und Herren, werden wir nicht aufgeben und wollen wir nicht aufgeben.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Es kann und darf nicht sein, dass Menschen, die drei Jahre lang arbeiten, keinen Anspruch auf Arbeitsförderung erhalten. Es kann nicht sein, dass Leute drei Jahre lang arbeiten, ohne gegen das Risiko der Arbeitslosigkeit versichert zu sein. Normalerweise greift eine Absicherung an dieser Stelle nach einem Jahr Erwerbstätigkeit.

Wir werden diesem Antrag ohne die Untersetzung durch einige wichtige Grundsätze nicht zustimmen, auch wenn wir das Signal gebrauchen könnten. Wir werden uns dem Anliegen aber auch nicht komplett verweigern. Denn ich habe keine Lust, in der Zeitung die Schlagzeile „DIE LINKE lehnt die Bürgerarbeit ab“ zu lesen.

Wenn Sie unserem Änderungsantrag nicht folgen können, werden wir uns bei der Abstimmung über Ihren Antrag der Stimme enthalten. - Ich danke für die Aufmerksamkeit

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Dirlich. - Für die CDU-Fraktion spricht Herr Rotter.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kollegin Dirlich, weder mit Ihrem Änderungsantrag noch mit Ihrem Redebeitrag haben Sie aus meiner Sicht die Bemühungen unterstützt, die Bürgerarbeit fortzusetzen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Aber Sie! - Herr Gal- lert, DIE LINKE: Aber mit Ihrem Antrag ha- ben wir es gerissen!)

- Ja, und das werde ich Ihnen, wenn Sie die Güte haben, mir zuzuhören, versuchen zu erklären.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht vor, das Projekt der Bürgerarbeit noch einmal näher vorzustellen oder Einzelheiten hierzu zu erläutern. Frau Kollegin Dirlich hat das zum Teil getan.

Ich möchte aber ausdrücklich betonen, dass dieses Bundesprogramm der Bürgerarbeit auf Erfahrungen eines Modellprojektes aus Sachsen-Anhalt beruht, das aus meiner Sicht entgegen anderen Verlautbarungen ein Erfolgsmodell darstellt. Denn immerhin konnten mit diesem Modellprojekt ca. 10 % der ehemals als chancenlos zu bezeichnenden Langzeitarbeitslosen in den ersten Arbeitsmarkt integriert werden. Weitere 5 % bis 10 % haben anschließend eine Qualifizierung begonnen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wer das nicht als Erfolge ansieht, der will meiner Meinung nach vorhandene Erfolge einfach nicht sehen.

(Frau Dr. Paschke, DIE LINKE: Wer macht das?)

Auch das Bundesprogramm der Bürgerarbeit ist, obwohl es noch nicht abgeschlossen ist, für mich generell und ganz besonders in meiner unmittelbaren Wahrnehmung ein Erfolg. Lassen Sie mich dies an einem ganz konkreten Beispiel belegen. Ich habe die Möglichkeit, Bürgerarbeit greifbar und erlebbar in meinem Wahlkreis zu beobachten.

(Frau Zoschke, DIE LINKE: Wir auch!)

- Ich wollte gerade betonen, dass dies vielen von Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen, ähnlich gehen wird. - Rund um die Wasserburg in Egeln entsteht durch Bürgerarbeit eine für dieses Objekt durchaus zukunftsweisende Strukturverbesserung. So wird durch die Errichtung einer Freilichtbühne die historische Burganlage strukturell aufgewertet und das allgemeine Umfeld aufgewertet.

Bei dieser Maßnahme wurden und werden nicht nur materielle Werte geschaffen, die möglicherweise und hoffentlich bei einer entsprechenden Nachnutzung zu einer Steigerung der Attraktivität der Region auch in touristischer Hinsicht führen können. Auch bei den Beschäftigten wurden längst verschüttete Fertigkeiten und Fähigkeiten befördert. Nicht zu vergessen sind die wieder entstandenen sozialen Kontakte und Kompetenzen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Allerdings bin ich nicht so blauäugig zu glauben, dass für einen Großteil der in dieser Maßnahme Beschäftigten der Weg direkt in den ersten Arbeitsmarkt führen wird. Ich bin mir mit führenden Mitarbeitern der Jobcenter vor Ort und auch der Bundesagentur für Arbeit darin einig, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt weder der örtliche Arbeitsmarkt noch das Potenzial der in der Maßnahme Beschäftigten hergeben.