Protocol of the Session on June 10, 2011

(Lachen bei der CDU - Frau von Angern, DIE LINKE: Ah! - Herr Borgwardt, CDU: Die LINKE bereitet ihre Aphorismen gut vor! - Weitere Zurufe - Unruhe)

Frau Dirlich, Sie können fortfahren.

Deutsche Sprache - schwere Sprache. - Es beginnt damit, dass der Antrag nur die Arbeitslosen mit Arbeitslosengeld-I-Bezug erfasst, die von den Agenturen für Arbeit betreut werden. Es wird ausdrücklich auf das SGB III abgehoben.

Meine Damen und Herren! Das ist höchstens ein Drittel der Arbeitslosen, die anderen Arbeitslosen werden nämlich nicht im Rahmen des SGB III, sondern im SGB II betreut.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Aber nicht einmal alle Arbeitslosen, die vom SGB III erfasst werden, sind betroffen; denn das SGB III enthält immerhin noch einige Regelungen - ein paar wenige Regelungen -, die verhindern, dass Arbeitslose sofort in Arbeitsverhältnisse mit Dumpinglohn vermittelt werden können.

In § 121 - Zumutbare Beschäftigungen - ist geregelt, dass die Betroffenen in den ersten drei Monaten lediglich eine Minderung ihres letzten erzielten Arbeitsentgelts von 20 % und in den nächsten drei Monaten eine Minderung von 30 % hinnehmen müssen. Vom siebten Monat an - und das immerhin bis zum zwölften Monat - gilt, dass sie ein Entgelt akzeptieren müssen, das der Höhe ihres Arbeitslosengeldes entspricht - dabei handelt es sich um 63 % oder 68 %. Darunter darf man in der Zeit der Arbeitslosigkeit im Rahmen des SGB III gar nicht fallen.

Auch vor zu langen Pendelzeiten sind sie aufgrund dieses Paragrafen geschützt und sie können zumindest in den ersten drei Monaten nicht zu Umzügen gezwungen werden.

Das alles trifft für Hartz-IV-Empfänger nicht zu. Für sie gilt nicht nur keinerlei Berufs- oder Qualifikationsschutz, es sind auch keine Grenzen bei den Pendelzeiten und bei den Arbeitsbedingungen eingezogen. Und, meine Damen und Herren: Von diesen Regelungen sind mindestens zwei Drittel der Arbeitslosen betroffen. Aber für diese wollen Sie nichts tun. Sind sie Ihnen egal, oder was?

Sie werden sich allen Ernstes in die Öffentlichkeit stellen und werden behaupten, Sie täten etwas gegen Lohndumping. Ich frage Sie noch einmal: Ist das Ihr Ernst, meine Damen und Herren?

Wir werden diesem Antrag nicht unsere Zustimmung geben. Wir fordern Sie auf, die Courage aufzubringen und unserem Alternativantrag zuzustimmen, der die Hartz-IV-Betroffenen berücksichtigt.

Herr Rotter, ja, wir können es nicht lassen. Verlassen Sie sich darauf. Wir werden und wir können es nicht lassen.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir wiederholen auch in diesem Antrag unsere Forderung nach einem Mindestlohn nicht unter 8,50 €. Das ist das einzige Mittel, das Lohndumping letztendlich wirksam bekämpft, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist das einzige Mittel, weil an einer absoluten Untergrenze niemand vorbeikommt - niemand.

Es ist keineswegs eine überzogene Forderung, übrigens auch nicht mit Blick auf die Höhe. Selbst die Bundesregierung weiß, dass auch ein Lohn von 8,50 € nicht vor Armut im Alter schützt, weil mit ihm lediglich ein Rentenanspruch erworben wird, der etwa dem Grundsicherungsniveau entspricht. Das geht aus der Antwort der Bundesregierung - das haben wir uns nicht ausgedacht - auf eine Kleine Anfrage unserer Bundestagsfraktion hervor. Sie werden hoffentlich keine Probleme damit haben, Ihrer eigenen Bundesregierung zu glauben.

Ich wiederhole meine Aufforderung: Bringen Sie die Courage auf, unserem Antrag Ihre Zustimmung zu geben. - Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke sehr. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Steppuhn.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Spätestens bei diesem Antrag bin ich davon ausgegangen, dass eine Opposition auch einmal konstruktiv sein kann.

(Herr Gallert, DIE LINKE, lacht)

Wir haben an dieser Stelle ein ganz konkretes Problem festgestellt, nämlich dass die Bundesagentur zu Löhnen unterhalb der Tarifverträge und unterhalb der Ortsüblichkeit vermitteln kann und dass aufgrund der aktuellen Rechtssituation der Tatbestand der Sittenwidrigkeit erst 30 % darunter angesiedelt ist.

Wir stellen einen Antrag, machen eine Bundesratsinitiative, um dieses konkrete Problem zu lösen. Diesbezüglich frage ich sowohl Frau Latta als auch Frau Dirlich: Warum kann man nicht einmal kleine Schritte gehen und als Opposition einem solchen Antrag, der wirklich gut und konstruktiv gemeint ist, zustimmen?

(Frau Dirlich, DIE LINKE: Er ist zu klein! - Frau Bull, DIE LINKE: Das ist kein Schritt!)

Die Menschen draußen müssen wissen, dass das alles nur opportunistisch ist. Sie stellen immer 100 % der Forderungen und verknüpfen so einen Antrag mit den Mindestlöhnen. Wenn Sie hier über Mindestlöhne reden wollen, dann stellen Sie einen

Antrag; dann machen wir eine Aktuelle Debatte und debattieren über Mindestlohn. Dann tun wir das.

(Zuruf von Herrn Lange, DIE LINKE)

Aber man kann doch einen Antrag, der wirklich sehr gut gemeint ist, nicht derart belasten.

Reden Sie mit den Gewerkschaften, die haben das Thema im Übrigen auch aufgebracht. Wir haben ein ganz konkretes Problem, das möchten wir lösen. Seien Sie einmal konstruktiv. Herr Rotter hat auch schon an Sie appelliert. Ich glaube, es würde der Opposition einmal gut tun, einem solchen Antrag zuzustimmen und nicht alles abzulehnen.

(Frau Bull, DIE LINKE: Eben nicht!)

Danke schön.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Es gibt zwei Nachfragen. Möchten Sie sie beantworten?

Zunächst spricht Herr Gallert und dann Frau Dirlich.

Herr Steppuhn, diese Debatte um die Vermittlung in Dumpinglöhne hat eine lange Geschichte und sie hat ganz maßgeblich den Wahlkampf mitgeprägt. Ich habe die Position der SPD immer so verstanden, dass sie die Vermittlung in Dumpinglöhne nicht nur für die ALG-I-Empfänger als Skandal empfindet, sondern dass sie auch die Vermittlung von Hartz-IV-Empfängern in Dumpinglöhne als Skandal empfindet. - Ach, „Skandal“ darf man ja nicht mehr sagen. Aber das war Ihr Skandal, den Sie so empfunden haben; so habe ich es jedenfalls verstanden.

Diesbezüglich hatten wir immer die Situation, dass es darum geht, eine Initiative zu realisieren, um gegen diese Dumpinglohnvermittlung sowohl des einen Kreises von Betroffenen als auch des anderen Kreises von Betroffenen vorzugehen.

Dass Sie den gesetzlichen Mindestlohn in Ihrer Koalition möglicherweise nicht durchbekommen, wussten wir vor der Wahl und wussten wir nach der Wahl. Insofern können wir das ablegen. Wenn es Ihnen jetzt aber nur um diese Frage geht, dann beantrage ich jetzt, dass über die einzelnen Punkte unseres Alternativantrages getrennt abgestimmt wird. Dann können Sie zumindest ohne Probleme dem Punkt 1 zustimmen.

Darin steht überhaupt nichts von gesetzlichem Mindestlohn; es steht auch überhaupt nichts von Tariflöhnen darin. Sondern darin steht nur, dass beide Personengruppen, also auch die Hartz-IVEmpfänger, vor einer Vermittlung in Dumpinglohn geschützt werden sollen. Dann machen Sie es so und beweisen Sie einmal Rückgrat.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Gallert, wir haben hier eine konkrete Bundesratsinitiative vor uns und ich glaube, dass das größere Problem bei der Arbeitsvermittlung in Dumpinglöhne im Bereich des SGB III liegt, worüber wir hier diskutiert haben.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Also!)

Ich biete Ihnen an, dass wir uns nach dieser Debatte oder auch in den nächsten Wochen mit diesem Problem beschäftigen und einmal schauen,

(Zuruf von Herrn Gallert, DIE LINKE)

ob man dafür auch etwas tun kann. Man kann das nicht völlig losgelöst voneinander sehen; aber es ist ein anderes Gesetz. Es ist ein anderer Kreislauf. Also wenn das Problem in diesem Bereich größer sein sollte, als wir es im Moment sehen, dann gilt das Angebot, dass wir uns damit beschäftigen. Wir werden uns auch mit dem Koalitionspartner darüber unterhalten. Aber jetzt steht der Antrag und Sie haben die Chance, ihm zuzustimmen.

Frau Dirlich? - Ihre Frage hat sich erledigt. - Danke schön, Herr Steppuhn. - Damit sind wir am Ende der Debatte und treten in das Abstimmungsverfahren ein.

Ich weise darauf hin, dass zuerst über den Ursprungsantrag abgestimmt wird und dass der Antrag der Fraktion DIE LINKE

(Herr Borgwardt, CDU: Abzulehnen wäre!)

nur zutrifft, wenn der Ursprungsantrag keine Mehrheit erhält.

Wer dem Ursprungsantrag in der Drs. 6/70 zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit ist der Antrag angenommen worden und es erübrigt sich eine Abstimmung über den Alternativantrag.