Es geht auch nicht nur, wie Herr Borgwardt gemeint hat, um eine Frauenquote und ein bisschen mehr. Es geht um alle Lebensbereiche; das ist auch etwas völlig anderes.
Mich würde dieser 20-seitige Zwischenbericht aus dem Jahr 2009 sehr interessieren. Ich war damals im Landesfrauenrat in die Erarbeitung nicht nur eingebunden, sondern das war im Prinzip mein Konzept. Mich würde wahnsinnig interessieren, was von diesem 20-seitigen Zwischenbericht irgendwo im Nirwana kursiert. An dieser Stelle wäre ich für kollegiale Hilfe sehr dankbar.
Ansonsten möchte ich gar nichts weiter sagen. Die Debatte hat gezeigt, wie nötig und wie dringend erforderlich ein solches Landesprogramm ist. - Danke.
Vielen Dank, Frau Kollegin Lüddemann. - Wir schließen damit die Debatte ab und stimmen über den Umgang mit diesem Antrag ab. Es ist sowohl eine Direktabstimmung als auch die Überweisung des Antrages in den Ausschuss beantragt worden.
Nach der Geschäftsordnung müssen wir zunächst über den Überweisungsantrag abstimmen. Wer den vorliegenden Antrag in der Drs. 6/90 in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überweisen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. Gegenstimmen? - Keine. Stimmenthaltungen? - Bei einer Stimmenthaltung ist der Antrag in der Drs. 6/90 in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung überwiesen worden. Der Tagesordnungspunkt 10 ist somit erledigt.
Den Antrag wird der Abgeordnete Herr Steppuhn einbringen. Es gibt eine Fünfminutendebatte. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge LINKE, CDU, GRÜNE und SPD.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungsfraktionen greifen mit dem vorliegenden Antrag unter der Überschrift „Für gleichen Lohn in der Leiharbeit“, aber auch mit dem folgenden Tagesordnungspunkt zwei arbeitsmarktpolitische Themen auf, die in der Koalitionsvereinbarung verankert sind.
Gleicher Lohn für gleiche Arbeit auch bei der Leiharbeit, das ist gerade für die sozialdemokratische Landtagsfraktion kein Lippenbekenntnis, sondern ein ernsthaftes Ziel, das wir schnellstmöglich erreichen wollen.
Eine seit dem Jahr 2002 - mit Ausnahme des Krisenjahres 2009 - stetig steigende Anzahl von Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern macht deutlich, dass mehr als nur Handlungsbedarf besteht.
Das bisherige Arbeitnehmerüberlassungsgesetz ist seinerzeit dazu geschaffen worden, den Unternehmen die Möglichkeit zu geben, mit Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern kurzfristige Auftragsspitzen flexibel abzudecken. Das war einmal der Grundgedanke, als man Leiharbeit eingeführt hat.
Viele Unternehmen haben dies auch gemacht und sind sehr verantwortungsvoll mit diesem Instrument umgegangen. Im Übrigen gibt es auch heute noch Unternehmen, die gänzlich auf Leiharbeit verzichten. Es gab aber auch Unternehmen - deshalb müssen wir handeln und es sind leider immer mehr geworden -, die Leiharbeit in mehrfacher Hinsicht missbräuchlich eingesetzt haben.
Zum einen werden Leiharbeiter dauerhaft, zum Teil über mehrere Jahre hinweg und zu weitaus schlechteren Bedingungen - in der Regel mit 30 bis 40 % weniger Lohn - neben den Stammbelegschaften beschäftigt.
Zum anderen gibt es diejenigen, die Leiharbeit dazu missbraucht haben, ihre Stammbelegschaften unter Druck zu setzen und sogar gänzlich zu ersetzen.
Es kommt hinzu, dass trotz aller Bemühungen der Gewerkschaften die Löhne bei Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmern oft tariflich nicht aufgefangen werden konnten.
Der IG Metall ist es in der Stahlindustrie zwar gelungen, auf tarifpolitischem Wege für gleichen Lohn bei gleicher Arbeit zu sorgen - dies ist gut so -; allerdings wissen wir auch, dass es viele Bereiche gibt, in denen das tarifpolitisch nicht zu regeln sein wird, weil einfach die Tarifvertragsparteien nicht da sind.
Deshalb wollen wir an dieser Stelle den Koalitionsvertrag mit Leben erfüllen und wollen, dass die Landesregierung sich schnellstmöglich für die Durchsetzung des Prinzips „gleicher Lohn für gleiche Arbeit“ nach einer Einarbeitungszeit von mindestens drei Monaten einsetzt.
Meine Damen und Herren! Es ist nicht mehr hinnehmbar, wenn der sicherlich vor Jahren gut gemeinte Ansatz, mit Leih- und Zeitarbeit zu mehr Flexibilität in den Unternehmen zu kommen, dieses Instrument, faktisch immer öfter missbraucht wird. Oft auch nur deswegen, weil die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einfach billiger sind - nicht nur, was den Stundenlohn angeht, sondern sie haben oft keinen Anspruch auf Urlaubsgeld, geschweige denn ein dreizehntes Monatseinkommen oder Weihnachtsgeld.
Meine Damen und Herren! Von der IG Metall wissen wir, dass es auch bei uns im Land Unternehmen gibt, die dauerhaft mehr als 30 oder sogar 40 % ihrer Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer über die Leiharbeit rekrutieren. Auch diesbezüglich müssen wir den Hebel ansetzen.
Gerade ist der Freistaat Thüringen dabei vorzumachen, dass zukünftig eine Förderung von Unternehmen mit öffentlichen Geldern nur dann erfolgt, wenn ihre Quote der Leiharbeit nicht über 30 % liegt.
Auch hierüber werden wir uns zu gegebener Zeit unterhalten müssen, wenn es darum geht, künftig vorrangig Unternehmen zu fördern, die hochwertige, qualifizierte und gut bezahlte Arbeitsplätze schaffen und sichern. Dies muss absoluten Vorrang haben. Das heißt: Statt Leiharbeitsverhältnisse brauchen wir mehr Dauerarbeitsverhältnisse in den Unternehmen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren! Gestern ist in diesem Hohen Hause sehr intensiv über Nachhaltigkeit debattiert worden. Auch das Thema „Zeitliche Befristung der Leiharbeit“ hat etwas mit Nachhaltigkeit zu tun; denn vor dem Hintergrund des demografischen Wandels und eines sich abzeichnenden Facharbeitermangels brauchen wir für qualifizierte Arbeit sichere und gute Arbeitsplätze. Dies schon allein, um den weiteren Abwanderungstendenzen entgegenzuwirken.
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer müssen von ihrer Arbeit mit ihren Familien leben können. Auch deshalb brauchen wir bei der Leiharbeit Veränderungen. Arbeit muss den Menschen auch Sicher
heit und Perspektiven geben. Wenn Menschen, wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Sicherheit und Perspektiven auch am Arbeitsplatz haben, dann haben sie eine völlig andere Situation, zum Beispiel auch um eine Familie zu gründen oder ein Haus zu bauen, für all das, was mit Perspektiven zusammenhängt.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es ist klar und die Koalition hat sich auch in der Koalitionsvereinbarung dazu bekannt: Wir wollen als Land Sachsen-Anhalt kein Billiglohnland sein. - Deshalb lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass auch die Bundesregierung in Berlin endlich einsieht, dass es bei der Leiharbeit nicht weitergehen kann wie bisher.
Herr Kollege Steppuhn, Sie haben in Ihrer Rede mehrfach von Missbrauch der Leiharbeit gesprochen. Was ist daran missbräuchlich, wenn Unternehmen die Gesetze des Landes nutzen, die unter anderem durch Ihre rot-grüne Bundesregierung verabschiedet worden sind?
Ich glaube, es ist schon Missbrauch, wenn man vom Ursprungsgedanken ausgeht, dass Leiharbeit einmal dazu gedacht gewesen ist, Auftragsspitzen, ein höheres Auftragsvolumen kurzfristig abzudecken. Wenn das ausufert, dass man mit Leiharbeitnehmern quasi Stammbelegschaften neben der Stammbelegschaft schafft oder wenn man Leiharbeitnehmer immer wieder austauscht, dann mag das zwar im Moment gesetzlich legitim sein, ich halte es aber trotzdem für Missbrauch.
Weitere Nachfragen gibt es nicht. - Damit kommen wir zur Debatte. Es ist eine Fünfminutendebatte vereinbart worden. Die Fraktionen sprechen in der Reihenfolge LINKE, CDU, GRÜNE und SPD.
Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Herr Kollege Steppuhn, ich habe gedacht, Sie kämen mit mehr konkreten Zahlen. Deswegen habe ich mich darauf weniger vorbereitet; denn man muss sich nicht wiederholen. Aber ich habe trotzdem ein paar Zahlen mitgebracht.
In einer Studie hat das Institut der Deutschen Wirtschaft Köln, kein unbedingt arbeitnehmerfreundliches Institut, ermittelt, dass sich seit 1991 die Zahl der Zeitarbeitnehmer verfünffacht hat. Das nur, um auf den Missbrauch zurückzukommen.
Mehr als die Hälfte der Unternehmen setzt Zeitarbeitnehmer ein, die mehr als 60 % des gesamtwirtschaftlichen Produktionswertes erarbeiten. Am Zuwachs der gesamtwirtschaftlichen Produktion waren Zeitarbeitnehmer mit 19 % bzw. mit 49 Milliarden € beteiligt. Jeder siebente Euro wird von einer Leiharbeiterin oder von einem Leiharbeiter erarbeitet.
Sachsen-Anhalt hat in der 884. Sitzung des Bundesrats bestätigt, dass wir in Sachsen-Anhalt 33 700 Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeiter haben. Das sind 4 % der sozialversicherungspflichtigen Arbeitnehmer, die in Leih- oder Zeitarbeit beschäftigt sind - und eben nicht nur 1,9 %, worum es immer ging; der Ministerpräsident ist leider nicht anwesend. Ich finde, das sind Größenordnungen, die wir uns immer wieder vor Augen halten müssen, um zu wissen, worum es eigentlich geht.
Mich haben betroffene Arbeitnehmer sowohl vor der Landtagswahl als auch danach aufgesucht, und, soviel ich weiß, nicht nur mich, sondern auch Kollegen der SPD. Sie haben ihre persönliche Situation wie folgt geschildert:
Sie finden, ihre Situation sei würdelos. Sie kämen aus dem Zeitarbeitsmilieu bzw. aus den Zeitarbeitsverhältnissen nicht heraus. Sie hätten wenige Möglichkeiten, ihren Kindern finanzielle Unterstützung in der Schule für Klassenfahrten und Sonstiges zu geben. Außerdem sagen sie, für eine wirkliche Familienplanung fehlten ihnen die finanziellen Voraussetzungen.
Die Zeiten der Beschäftigung sind teilweise so kurz, dass sie selbst dann, wenn sie von einer neuen Firma eingestellt werden, nicht wissen, wie lange sie Arbeit haben - unabhängig von dem, was Sie zu den langfristigen Arbeitsverhältnissen gesagt haben.
Nach meinen neuesten Informationen aus der letzten Woche gibt es Zeitarbeitnehmer, die sich gegen diese Politik zusammenschließen wollen und planen, über das Internet eine Initiative gegen diese Beschäftigung zu organisieren. Ich glaube, sie sind von internationalen Vorgängen animiert worden. Die betroffenen Arbeitnehmerinnen und Ar