Uns hat bewegt, dass wir bei der Diskussion im zuständigen Fachausschuss eben kein Signal seitens des Ministeriums bekommen haben, dass man an einem solchen Runderlass arbeitet mit den Dingen, die wir gehabt haben. Deswegen haben wir immer hartnäckig darauf gedrungen.
Ich freue mich, dass wir uns an dieser Stelle einigen konnten. Den kleinen Dissens unter dem vorhergehenden Tagesordnungspunkt mögen Sie uns einfach nachsehen. Ich wiederhole mich gern: Das, was wir jetzt beschließen werden, wird die Vergabeverfahren entscheidend beschleunigen.
Ich habe keine Überweisungswünsche gehört. Deshalb stimmen wir jetzt über den Antrag in der Drs. 6/2277 ab. Wer stimmt dem Antrag zu? - Das ist das ganze Haus. Wer stimmt dagegen? - Niemand. Enthält sich jemand der Stimme? - Auch niemand. Damit ist der Antrag angenommen worden.
Bevor wir den in der Sache naheliegenden Tagesordnungspunkt 34 aufrufen, würde ich anregen zu überlegen, ob wir vor der Mittagspause noch den Tagesordnungspunkt 27 abarbeiten können. Bei diesem bewegen wir uns im Bereich des Kultusministeriums.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Mückenplage lässt sich kaum eindämmen“, „Mückenschwärme attackieren Kinder“, „Entdeckt: Gefährliche Parasiten in Mücken“ - diese Schlagzeilen sind kein Ausdruck von Schreckensszenarien, sondern leider real.
Ich hatte mir zunächst überlegt, mir den Helm meines Kollegen und passionierten Motorradfahrers Hardy Güssau aus der Altmark zu borgen, um Ihnen zu zeigen, wie der Helm nach einer Fahrt durch das altmärkische Fischbeck aussieht, habe es mir dann aber doch anders überlegt. Der Helm hätte zwar sehr beeindruckend gezeigt, wie stark die Mückenpopulation in den von Hochwasser betroffenen Gebieten angestiegen ist. Ich wollte das Thema der Stechmückenplage im Land hier im Plenum aber sachlich begleiten.
Die Stechmückenplage ist ein Problem in allen Hochwassergebieten. Nicht nur die Region, aus der ich stamme, die Altmark, ist stark betroffen, sondern auch der Raum Wittenberg, das ElbeElster-Gebiet, der Elbe-Saale-Winkel oder auch
die Region ganz im Süden Sachsen-Anhalts. Die Situation ist weder aufzubauschen noch zu verharmlosen.
Unser Land soll nach der Flut wieder aufgebaut werden, aber diejenigen, die das tun, werden dabei in ihrem Wohlbefinden und in gewissem Maße natürlich auch gesundheitlich erheblich beeinträchtigt.
Über die gesundheitliche Gefahr streiten sich die Gelehrten in klimatisierten Büros. Die Leute, die ihr Anwesen aufräumen müssen, sind schon zerstochen, wenn sie von ihren Autos zum Haus gehen.
Die Leute in den betroffenen Gebieten überlegen es sich am helllichten Tag nicht nur dreimal, vor die Tür zu gehen, sondern lassen ihre Kinder auch nicht mehr im Freien spielen. Sie gehen nicht in Biergärten und fahren gar nicht erst weg, was die Situation für die Tourismuswirtschaft im Land weiter angespannt macht. Die Menschen, die wiederaufbauen wollen, wollen nicht parallel dazu von den Mücken geplagt werden.
Dies trifft auf unser Verständnis im Landtag. Wir haben daher einen gemeinsamen Antrag - ein immer noch seltener Vorgang - zustande und auf den Weg gebracht.
Unabhängig davon, wer die Federführung im Kampf gegen die Mücken übernimmt oder wer in der Hauptsache regional zuständig ist - eigentlich die Landkreise -, sehen wir es als Landtag als sehr wichtig an, die Menschen auch bei diesem Thema nicht allein zu lassen, sondern weiter auf Solidarität zu setzen.
Uns reicht es nicht aus, den Leuten zu raten, sich Fliegengitter und Mückenspray zu kaufen. Gegen Hochwassermücken wirken diese teilweise nicht und teilweise können bzw. dürfen Menschen diese Mittel auch nicht nehmen, Menschen mit Haut- oder Atemwegsproblemen und zum Beispiel Babys.
In Brandenburg und in Bayern sind die Abwehrmittel in vielen Läden bereits zeitweilig ausverkauft und auch hier machen die Apotheken zurzeit ein Bombengeschäft.
Die Ursache für die Plage vielerorts ist unstrittig: die erhöhten Niederschläge im Mai, die die Hochwassersituation ab Juni verursacht haben. Viele Wiesen, Äcker und Orte wurden dadurch überschwemmt. Zum Teil steht das Wasser immer noch. Das Grundwasser drängt darüber hinaus von unten und bewirkt noch mehr Tümpel und Pfützen, in denen die Mückenweibchen, die stechen, ihre Eier ablegen.
Erschwerend kommt hinzu, dass sich wie im Norden des Landes durch die Flut eine übelriechende, nährstoffreiche Mischung über die Landstriche verteilt hat. Dazu kommen noch beschädigte Klär
gruben und Güllereste von den landwirtschaftlichen Feldern. Schon haben wir die ideale Nährstoffbrühe für Ungeziefer, und wo Wasser ist, sind auch Mücken.
Stehende, nährstoffreiche Gewässer sind generell ein guter Brutplatz, überall dort, wo Wasser steht. Die Überschwemmungsgebiete außerhalb der Fließgewässer sind daher stark betroffen.
Neben dem Gestank, dem sich viele Bürger darüber hinaus ausgesetzt sehen, sind die Mücken auch einfach nur lästig.
Wenn wir uns die Familie der Stechmücken genauer ansehen, dann werden wir erkennen, dass Mücke nicht gleich Mücke ist und dass es sehr viele unterschiedliche Arten gibt, allein bei uns in Deutschland ca. 50.
Es gibt zum Beispiel eine Mückenart, die ihre Eier auch in Fließgewässern ablegt, die Kriebelmücke, deren Stich heftiger juckt und länger als der anderer Stechmückenarten. Man kann also nicht alle Mückenarten in einen Topf werfen.
Mücken brauchen im Schnitt einen Monat bzw. 30 Tage für einen Lebenszyklus vom Ei bis zum Tod. Unter den derzeitigen Bedingungen mit Temperaturen oberhalb von 20°C reichen schon zehn bis zwölf Tage für einen kompletten Zyklus aus. Dies hat zur Folge, dass wir derzeit mehrere Generationen von Mücken gleichzeitig erleben.
Mücken beeinträchtigen nicht nur das Wohl vieler Menschen in den betroffenen Gebieten, sie bergen auch gesundheitliche Risiken, die in den nächsten Jahren voraussichtlich noch zunehmen werden. Die Risiken werden für den Menschen weniger, aber für Nutz- und Wildtiere durchaus als hoch eingeschätzt.
Zwar ist es so, dass viele Mückenarten noch nicht in Sachsen-Anhalt, sondern im Süden Deutschlands nachgewiesen wurden. Die Mückenforschung stand seit den 50er-Jahren aber nicht mehr im Fokus der Wissenschaft, was sich nunmehr wohl allmählich ändern wird.
Mücken übertragen auch in Europa das West-NilVirus, das Muskelschwäche, Lähmungen, aber auch Fieber oder Kopfschmerzen verursacht. Das West-Nil-Fieber gehört zur Familie der Dengue- und Gelbfieber. In den USA ist das West-Nil-Fieber bereits stark bekannt. Allein im Jahr 2002 gab es knapp weniger als 300 Todesfälle.
Wie kann sich das Virus verbreiten? - Vor allem durch Vögel, die von Mücken gebissen werden, aber auch Haustiere wie Pferde und Katzen sind betroffen. Auch wenn der letzte Fall der Übertragung von Vogel auf Mensch in Europa im Jahr 1999 festgestellt wurde, kann angesichts des klimatischen Wandels und des geringen Kenntnisstands keine Entwarnung gegeben werden.
Es gab Ende der 90-Jahre Untersuchungen des Robert-Koch-Instituts, in denen Virus und Antikörper in etwa 14 % der untersuchten erwachsenen Störche in Deutschland nachgewiesen wurden. Zum Vergleich: In den 80er-Jahren wurden bei den gleichen Untersuchungen keine Erreger oder Antikörper nachgewiesen.
Weniger bekannt ist auch die Tatsache, dass die Malaria in Deutschland erst im 19. Jahrhundert mit Ausnahme von Schleswig-Holstein und Schlesien besiegt wurde, übrigens vor allem durch Trockenlegung von Mooren und Sümpfen, wie man es zum Beispiel aus dem Drömling kennt.
Es bleibt zu konstatieren: Angesichts der Wiederbefeuchtung der Landschaft und des klimatischen Wandels fühlen sich einige neue und auch alte Erreger von Krankheiten in Deutschland wieder wohl.
In diesem Zusammenhang überrascht es auch nicht, dass bei Mücken in Brandenburg der gefährliche Hundehautwurm, Dirofilaria repens, gefunden wurde. Bis vor einigen Jahren dachte man, dass dieser eigentlich nur in Afrika und Asien vorkommt und sich nach Südeuropa durchgeschlagen hat. Wie wir nun wissen, ist dieser Erreger bereits in Brandenburg angekommen.
Pikant ist, dass diese Viren lange überleben. Unbehandelte Tiere können die Parasiten bis zu sieben Jahre in sich tragen. Oft sind die Symptome derart unklar, dass die Diagnose nur sehr schwer erfolgen kann.
Diese Krankheit hat in den letzten Jahren einen erheblichen Aufschwung erlebt. Bis zum Jahr 1995 wurden insgesamt 270 Fälle von menschlicher Dirofilaria in der EU beschrieben, aber allein in den darauf folgenden fünf Jahren wurden ebenso viele Fälle bekannt. Als Schlussfolgerung daraus wurde die Krankheit als Zoonose, also als Krankheit, die vom Tier auf den Menschen übertragen werden kann, eingestuft.
Ich möchte in diesem Zusammenhang auch an die Genese der Blauzungenkrankheit erinnern. Sie wird wegen der charakteristischen Blaufärbung der Zunge der erkrankten Tiere so genannt. Die Blauzungenkrankheit überträgt sich nicht auf den Menschen, ist aber sehr gefährlich für Schafe, Rinder und Ziegen.
Auch diese Krankheit wird durch Mücken übertragen. Sie wurde erstmalig Anfang des 20. Jahrhunderts in Afrika beschrieben und gelangte erst vor einigen Jahren nach Europa. In Deutschland traten im Jahr 2008 die letzten Fälle auf. Die Krankheit bewirkt unter anderem Missbildungen bei tragenden Tieren.
Schwierig ist die Frage nach den Mitteln, die man einsetzen will. In Deutschland darf bislang nur Bacillus thuringiensis israelensis - kurz: Bti - ein
gesetzt werden, ein Bakterium. Es wäre vielleicht gut, auch auf Bundesebene einmal zu prüfen, ob es nicht doch andere Mittel gibt, die man gerade in Ausnahme- und Katastrophenfällen einsetzen kann.
Einige fragen sich sicherlich, was die Landesregierung hierbei unternehmen kann. Hierzu liefert unser Antrag verschiedene Ansätze, was von der Landesregierung bereits zum Teil in die Wege geleitet wurde. Das betrifft eine verbesserte Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung für das Thema.
Der wichtigste Teil bestünde für uns aber darin, ähnlich wie am Oberrhein eine kommunale Aktionsgemeinschaft ins Leben zu rufen. Diese arbeitet dort bereits seit dem Jahr 1976 erfolgreich. Derzeit sind 98 Körperschaften Mitglied in dieser Aktionsgemeinschaft. Sie haben sich zusammengetan, um die Mückenpopulation gering zu halten, und finanzieren das solidarisch.
So etwas würde sich auch im Land SachsenAnhalt anbieten. Es hätte den Vorteil, dass eine langfristige Lösung erreicht wird und nicht nur eine Lösung für dieses Jahr bzw. für den besonderen Hochwasserfall. Die Landesregierung kann hierbei koordinieren und unterstützen und auch fachlich zur Seite stehen.
Auf diese Art und Weise könnten die Aktionen gegen Mücken gemeinsam geplant werden, was ein Muss ist. Um wirklich wirksam zu sein, müssen mithilfe der Maßnahmen an die 90 % einer Mückengeneration absterben. Da hilft es dann bei den Kilometerstrecken, die eine Mücke durch den Wind zurücklegen kann, wenig, wenn an der Grenze eines Ortes oder eines Landkreises mit dem Einsatz des Bekämpfungsmittels Halt gemacht wird.
Für dieses Jahr sollte überlegt werden, eine erste Anschubfinanzierung für eine derartige Aktionsgemeinschaft bereitzustellen. In den kommenden Jahren müsste jeder Landkreis dann eigene Mittel einplanen, um das Projekt am Laufen zu halten; ich denke, eine lohnenswerte Haushaltsausgabe.
Darüber hinaus könnte die Aktionsgemeinschaft in Sachsen-Anhalt wie auch am Rhein eng mit der Gesellschaft zur Förderung der Stechmückenbekämpfung zusammenarbeiten, die derzeit einen Mückenatlas erarbeitet. Wie bereits erwähnt, wurde die Forschung auf diesem Gebiet in den letzten Jahren vernachlässigt.