Protocol of the Session on July 11, 2013

Zahlreiche kommunale Mandatsträgerinnen und -träger sowie Verwaltungsspitzen setzen sich für eine stärkere Beteiligung von Heranwachsenden ein, um ihre Städte und Gemeinden in einem sich verschärfenden Standortwettbewerb zu profilieren. Schließlich geht es hierbei auch um Heimatbindung und Verwurzelung.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen darauf achten, dass Partizipation mit gelebtem Handeln unterlegt wird. Wir müssen den Jugendlichen zeigen, wir nehmen euch ernst, es ist uns wichtig, was ihr denkt, wir entscheiden nicht über eure Köpfe hinweg. Dies ist eine Querschnittsaufgabe auf allen Ebenen, also auch für die Landespolitik. Wir müssen daher darauf achten, dass man die Beteiligung von Jugendlichen nicht staatlich verordnen kann. Und man sollte auch nicht so tun, als ob Kinder und Jugendliche nicht die Möglichkeit der Mitwirkung am kommunalen Geschehen haben.

Die Beteiligung junger Menschen ist keineswegs in das Belieben der Kommunen gestellt. Vielmehr folgt aus dem Kinder- und Jugendhilfegesetz, dass Kinder und Jugendliche entsprechend dem Entwicklungsstand an allen sie betreffenden Angelegenheiten der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen sind. Hierzu gehören damit grundsätzlich alle Fragen der Jugendhilfeplanung. Einige Rechte der Kommunalverfassung, wie zum Beispiel das Fragerecht im Gemeinderat oder auch die Möglichkeit, Anregungen und Vorschläge in einer Sache zu unterbreiten, stehen allen Einwohnerinnen und Einwohnern, somit auch jungen Menschen, zu.

Der Minister hat bereits angesprochen, dass Einwohnerinnen und Einwohner mithilfe von Einwohneranträgen an der gemeindlichen Sacharbeit teilnehmen können. Es gibt die Möglichkeit der ehrenamtlichen Mitwirkung als Sachkundiger Einwohner mit beratender Stimme. Die Partizipationen von Kindern und Jugendlichen wird durch die kommunalverfassungsrechtlichen Vorschriften zur Einrichtung von Interessenvertretern, Beauftragten und Beiräten in den Kommunen, selbstverständlich bezogen auf die Verhältnisse vor Ort, hinreichend gewahrt.

Auch die Arbeit der Jugendhilfeausschüsse ist Ausdruck davon. Die Ausfüllung dieser Rolle kann dazu beitragen, dass die Belange junger Menschen auch dort Berücksichtigung finden, wo keine unmittelbaren Beteiligungen erfolgen, und unterstützt dabei, Kinder- und Jugendpolitik als Querschnittsaufgabe zu verankern.

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, zu Ihrem Änderungsantrag, dass die Eigenschaft als Bürger bereits mit dem 14. Lebensjahr erlangt werden soll, was aus meiner Sicht - da stimme ich dem Minister zu - letztendlich die Senkung des Wahlalters auf kommunaler Ebene auf 14 Jahre bedeutet, nur so viel: Die Diskussion um die Absenkung des Wahlalters ist im internationalen Vergleich, abgesehen von Österreich, ein Sonderfall.

Wir lassen uns da von Ihnen kein schlechtes Gewissen einreden. In keinem anderen Bundesland, auch nicht in den Bundesländern, in denen Grüne Regierungsverantwortung tragen oder getragen haben, existiert ein Wahlrecht bei den Kommunalwahlen ab 14 Jahren. Ich bin auch strikt gegen ein Wahlalter von 14 Jahren bei Kommunalwahlen

(Herr Striegel, GRÜNE: Und warum?)

und sage Ihnen auch, warum. Die Festlegung auf 14 Jahre ist willkürlich.

(Zuruf von Herrn Striegel, GRÜNE)

Davon einmal ganz abgesehen, lässt sich Interesse für Politik nicht durch die Herabsetzung des Wahlalters als pädagogisches Projekt verordnen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Weiterhin will die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN eine Verpflichtung der kreisfreien Städte und Landkreise, hauptamtliche Kinder- und Jugendbeauftragte zu bestellen; der Minister ist darauf bereits eingegangen.

Abgesehen davon, dass hier die Organisations- und Personalhoheit tangiert wird, gehört es zur politischen Ehrlichkeit und Seriosität aber auch, solche Vorschläge durch eine Bestimmung über die Deckung der Kosten für diese Pflichtaufgabe zu untersetzen. Das haben Sie schön außen vor gelassen.

Die von Ihnen vorgeschlagene Änderung im Kinderschutzgesetz ist nicht notwendig, da die Kinderrechte bereits im höherrangigen Recht bestimmt sind.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es dürfte für Sie nicht überraschend sein, dass meine Fraktion den von den Bündnisgrünen aufgezeigten zwingenden Handlungsbedarf so nicht sieht.

Die Stärkung der Beteiligungsrechte zur Mitwirkung am kommunalpolitischen Geschehen wird meiner Ansicht nach durch den Entwurf des Kommunalverfassungsgesetzes der Landesregierung besser, da allumfassender umgesetzt. Ihre Vorschläge stellen einen Eingriff in die kommunale Selbstverwaltung dar; denn die Kommunen sind Anwälte aller Beteiligungsinteressen von Kindern und Jugendlichen. Sie wollen ohne Rücksicht auf

die örtlichen Gegebenheiten verbindliche Strukturen einführen, obwohl hier völlig offen ist, wie diese den Belangen von Kindern und Jugendlichen dienlich sein sollen.

Gleichwohl liegt uns ein Gesetzentwurf vor, der einer Beratung im Ausschuss bedarf. Ich bitte Sie daher um Ihre Zustimmung zur Überweisung des Gesetzentwurfes nebst Antrag in den Ausschuss für Inneres und Sport zur federführenden Beratung und in den Ausschuss für Arbeit und Soziales zur Mitberatung.

Der mit dem Gesetzentwurf verbundene Antrag „Kinder und Jugendliche als Bürgerinnen und Bürger ernst nehmen - Beteiligung stärken“, der heute in der Debatte sicherlich ein wenig zu kurz gekommen ist, bedarf einer vertieften Auseinandersetzung im Sozialausschuss. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Krause. Fragen gab es keine. - Dann hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE Frau Hohmann das Wort. Bitte, Frau Kollegin.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Auch die Fraktion DIE LINKE beabsichtigt, dem Hohen Haus ein Mitbestimmungs- und Beteiligungsgesetz für Kinder und Jugendliche vorzustellen und es einzubringen, allerdings erst im Frühjahr nächsten Jahres,

(Zuruf von der CDU: Warum?)

weil unsere Intention darin besteht, Ihnen ein insgesamt abgerundetes Konzept vorzustellen, bzw. weil wir das Ganze vorher mit Expertinnen abstimmen wollen. Frau Lüddemann sagte ja schon, es würden noch weitere Dinge folgen. Es wäre schön gewesen, wenn wir schon wüssten, welche Dinge dann folgen, damit wir das Vorhaben im Ausschuss insgesamt beraten könnten und nicht diese kleinen Schritte gehen müssten. Aber das ist ja nun eine andere Sache.

Uns liegen heute ein Gesetzentwurf und ein Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Beratung vor. Beide Drucksachen widmen sich dem Ausbau von Mitwirkungs- und Beteiligungsrechten von Kindern und Jugendlichen in Sachsen-Anhalt. Ich möchte an dieser Stelle nur kurz auf die Kinderrechtskonvention der UN und die Grundrechtecharta der Europäischen Union verweisen. Insbesondere ist wichtig, dass die UN-Kinderrechtskonvention seit drei Jahren in vollem Umfang in Deutschland Gültigkeit besitzt. Die Bundesregierung hatte am 15. Juli 2010 ihre ursprünglichen Vorbehalte zurückgezogen.

Sehr geehrte Damen und Herren! Fakt ist, über die Stärkung der Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte von Kindern und Jugendlichen ist bisher viel geredet worden. Es fanden viele gute Veranstaltungen zum Thema statt; und wer will, findet eine Menge an Literatur darüber. Auch und insbesondere den landesweit tätigen Jugendverbänden gebührt an dieser Stelle Dank. Sie sind es, die nicht müde werden, die Politik mit sachlicher Kritik wachzurütteln, und sich nachhaltig für eine Stärkung der Interessen der Kinder und Jugendlichen einsetzen.

Betrachtet man jedoch die Situation, wird man schnell feststellen müssen, dass sich in SachsenAnhalt in dieser Hinsicht bisher kaum etwas bewegt hat. Im Gegenteil! Angesichts der angekündigten Kürzungen bei Jugendpauschale und Fachkräfteprogramm ist zu befürchten, dass Jugendarbeit, die einen partizipativen Auftrag hat, weiter vor den Baum gefahren wird. Insofern ist es grundsätzlich gut, dass sich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auch diesem Thema widmen und entsprechende Drucksachen eingebracht haben.

Meiner Fraktion ist das Thema sehr wichtig. Aus diesem Grund werden wir uns auch nicht gegen die Vorschläge der GRÜNEN stellen. Die Punkte, die Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen der GRÜNEN, fordern, können wir zu großen Teilen mittragen. In vielen Punkten herrscht Deckungsgleichheit zu unseren Änderungsvorschlägen zum neuen Kommunalverfassungsrecht, das ja auch noch Thema dieser Landtagssitzung sein wird. Wir würden uns deshalb einer Ausschussüberweisung nicht in den Weg stellen.

Verehrte Kollegen und Kolleginnen der GRÜNEN, ein wenig Kritik muss an dieser Stelle jedoch auch erlaubt sein. Beim Lesen ihrer Drucksache hatte ich einen spontanen Gedanken bzw. stellte sich mir die Frage: Ist das alles? - Aber Sie sagten ja schon, Sie wollten noch weiterarbeiten.

(Frau Lüddemann, GRÜNE: Genau!)

Sind Ihre Vorschläge ausreichend, um die Partizipation von Kindern und Jugendlichen tatsächlich ein Stück weit nach vorne zu bringen? - Ich denke, nein; denn das Machbare haben Sie leider momentan mit diesem Gesetzentwurf nicht herausgeholt.

Warum greifen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf das Thema Wahlalter nicht auf? - Wenn Sie schon an das Kommunalverfassungsrecht herangehen, dann hätten Sie auch das passive Wahlalter senken können. Meine Fraktion wird das tun, und zwar mit einem Änderungsantrag zur Kommunalverfassung.

Gleiches gilt für das aktive Wahlrecht bei Landtagswahlen. Warum klammern Sie dieses Thema aus? - Für mich ist das unverständlich, wenn man

insbesondere die politische Partizipation von Jugendlichen stärken will.

(Herr Borgwardt, CDU, schüttelt den Kopf: Mit 14 Jahren Bürgermeister!)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich denke, wir sind uns hier im Hohen Haus in weiten Teilen einig, dass Kinderrechte in die Landesverfassung aufgenommen gehören. Warum, liebe Kolleginnen der GRÜNEN, fordern Sie dies nicht mit Ihrem Gesetzentwurf ein? - Schade.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Was halten Sie davon, bei der öffentlichen Auftragsvergabe die Interessen von Kindern und Jugendlichen angemessen zu berücksichtigen?

(Lachen bei der CDU)

Ich unterstelle mal: sehr viel. Dann hätten Sie aber das Vergabegesetz ändern müssen. Das tun Sie aber nicht.

Warum sollten Jugendliche ab 16 Jahren nicht bei Volksinitiativen, Volksbegehren und Volksentscheiden mitentscheiden dürfen? - DIE LINKE wird sich dafür einsetzen. Ihr Gesetzentwurf macht dazu leider keine Aussage.

Auch was die Fragen der Mitbestimmung in der Schule anbelangt, gibt es aus unserer Sicht einiges zu tun. Stichworte sollten hier Drittelparität bei Gesamtkonferenzen, Stärkung der Klassensprecher und verbrieftes Recht für Schülerräte sein. Das Schulgesetz ändern Sie jedoch nicht.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Daneben existiert noch eine ganze Reihe von weiteren Baustellen oder Ideen, denen man sich widmen sollte. Hat der Kinderbeauftragte des Landes die Interessen von Jugendlichen ausreichend im Blick? Falls nein, was sollte dann verändert werden?

Wäre es sinnvoll, analog der Regelung des Bundestages eine Kinder- und Jugendkommission im Landtag einzurichten? - Wir denken schon. Der Landesjugendhilfeausschuss benötigt ein Informations- und Anhörungsrecht in den Ausschüssen des Landtages. Das ist im Übrigen eine alte Forderung meiner Fraktion. Auch dieses werden wir auffrischen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen der GRÜNEN, am Ende möchte ich noch auf einen Punkt hinaus, der in Ihrem Gesetzentwurf und in Ihrem Antrag gänzlich fehlt. Ich denke, wenn es um die Erreichbarkeit und das Mitmachen von Kindern und Jugendlichen geht, kann man neue Medien nicht außer Acht lassen.

Das Internet spielt schon jetzt eine wichtige Rolle und sollte deshalb auch unter dem Aspekt der Stärkung von Partizipationsrechten und -möglichkeiten für junge Menschen nicht ausgeblendet werden. Was hält den Landtag zum Beispiel davon

ab, ähnlich wie der Bundestag es macht, einen Chat einzurichten, der Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit bietet, sich einzumischen und mitzugestalten?

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hat einen Gesetzentwurf eingebracht, der insgesamt zu kurz gesprungen ist. Er wirkt ein wenig - ich sage es einmal ganz salopp - wie aus der Hüfte geschossen. Selbst Ihre eigenen vor Kurzem verabschiedeten Parteitagsbeschlüsse finden sich in diesem Gesetzentwurf nicht wieder, Stichwort: aktives Wahlalter ab 14 bei Kommunalwahlen.

(Herr Striegel, GRÜNE: Warten Sie bis zum nächsten Tagesordnungspunkt!)

Ich sagte es schon: Viele der genannten Punkte wird die Fraktion DIE LINKE in einem eigenen Gesetzentwurf regeln, den wir, wie ich vorhin schon sagte, im Frühjahr nächsten Jahres einbringen wollen.

Noch ein Hinweis in eigener Sache: Die Fraktion DIE LINKE hat momentan auf ihrer Seite bei Facebook eine Umfrage zum Thema „Kinder- und Jugendbeteiligung“ gestartet. Wer Lust hat, kann sich daran gerne beteiligen.