Protocol of the Session on July 10, 2013

Haben die Gutachter diesen Einsparvorhaben der Landesregierung Recht gegeben? - An einer Stelle können wir klar sagen: Nein, die Gutachter haben dem widerstanden. Es ist eine Klatsche für diese Landesregierung!

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Kommen wir noch ganz kurz zu den Punkten. Sie sind zum großen Teil schon genannt worden. Erstens: regional ausgewogen. Also, wir brauchen nicht über irgendeinen Standort zu debattieren.

Zweitens. Die Studienplätze, die angeboten werden, sind in Ordnung. Sie bringen eine entsprechende Leistung, auch bundesweit. Die Wettbewerbsfähigkeit hat sich verbessert. Die Vernetzung ist besser geworden.

Das ist etwas deutlich anderes als das, was in der Kabinettsvorlage vom März steht, wo ausdrücklich nur von „Mittelmaß der Hochschulen“ geredet wird. Dieser Satz hat die Leute aufgeregt, und zwar berechtigt, liebe Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die nächste Geschichte. Sie sagen, eine ausgebaute Wissenschaftslandschaft, zumindest auf diesem Niveau, habe eine Schlüsselrolle im Bereich des demografischen Wandels für dieses Land Sachsen-Anhalt.

Bevor an dieser Stelle die These entsteht, wir würden besonders viel für andere Länder tun - im Wesentlichen bilden wir nur für Niedersachsen einen Überschuss aus -, möchte ich sagen: Im Deubel-Gutachten - das kann man im Übrigen einmal lesen; an verschiedenen Stellen ist es gar nicht schlecht - wird Folgendes deutlich festgestellt: Im Verhältnis zu unserer Bevölkerungsgröße haben wir in Sachsen-Anhalt 11 900 Studienplätze zu wenig.

Wir verfügen über 3 % der Bevölkerung Deutschlands, aber nur über 2,4 % der Studienplätze in Deutschland. Eigentlich müssten wir an dieser Stelle sogar noch mehr tun. Das Gutachten warnt ausdrücklich davor, die Zahl der Studienplätze zu reduzieren. Das kann man nicht nur tun, indem man sagt, wir wollen es nicht aktiv tun. Nein, wenn wir die Studienplätze erhalten wollen, dann müssen wir weiterhin aktiv dafür werben. Das ist die Botschaft dieses Gutachtens und das ist die Botschaft an die Landesregierung.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die KMK sagt: Wir werden bis zum Jahr 2025 eine konstante Anzahl an Studienbewerbern in unserem Land haben - ich betone: bis 2025. Das ist sozusagen alternativ von anderen angezweifelt worden, aber bis zum Jahr 2020 dürfte es völlig

außerhalb der Debatte stehen. Deswegen erfolgt bis zum Jahr 2025 keine Absenkung der Zahl der Studienbewerber; es sei denn, wir gestalten die Rahmenbedingungen an unseren Hochschulen so schlecht, dass niemand mehr kommt. Aber das muss man dann klar sagen. Wir wollen das nicht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Zudem stellt man Defizite bei der Kooperation zwischen den Einrichtungen, bei der wissenschaftlichen Profilierung und bei der Strategiefähigkeit der Hochschulen, genauer gesagt der Hochschulleitungen, fest. Es ist durchaus ein interessantes Thema, mit dem man sich auch einmal kritisch auseinandersetzen kann, inwiefern Hochschulen - das schimmert bei dem Wissenschaftsgutachten durch - immer stringenter von einer Zentrale aus organisiert und geleitet werden und auf immer weniger Punkte konzentriert werden sollen.

Ich glaube, dass dieser Geist des Wissenschaftsrates nicht unbedingt gut ist für eine Wissenschaft in einer demokratisch organisierten Gesellschaft, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Des Weiteren werden Wettbewerbsnachteile bestätigt, zum einen Wettbewerbsnachteile im Hinblick auf den Standort - das wird an verschiedenen Stellen analysiert - und zum anderen im Hinblick auf die Mittelausstattung. Es wird klar gesagt: Ja, wir sind in einigen Bereichen der Hochschullandschaft nicht weitergekommen, weil die Hochschulen nicht in ausreichendem Umfang Mittel zur Verfügung haben, um zum Beispiel Berufungen so zu realisieren, dass tatsächlich wissenschaftliche Kapazitäten gewonnen werden können.

Was tut aber diese Landesregierung als Erstes? - Sie streicht per Beschluss in genau diesem Bereich im nächsten Jahr Mittel in Höhe von 26 Millionen €. Dazu sage ich noch einmal: Das ist eine klare Klatsche für die Landesregierung in diesem Gutachten.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Nun gibt es in diesem Gutachten tatsächlich das Dilemma, dass gesagt wird: Wir wissen, die Länder im Osten haben weniger Geld zur Verfügung, das ist schlimm und wir müssen jetzt Einsparpotenziale erschließen. An dieser Stelle wird es manchmal sogar ein bisschen peinlich, das sage ich deutlich. Sie sagen: Aus der Sache heraus kann man keine Einsparpotenziale erschließen; dann müsste man bei den Berufungen und bei den Schwerpunkten sogar noch etwas drauflegen - aber wir haben ja den Auftrag, Einsparpotenziale zu erschließen. An dieser Stelle ist das Gutachten in sich nicht mehr schlüssig.

Es wird zum Beispiel bei der Hallenser Universitätsklinik ausdrücklich gelobt, dass der Bereich

der Ausbildung und der Ärzteausbildung besser geworden ist; man kommt dann jedoch zu dem Schluss, dass die Vorklinik geschlossen werden soll. Das ist völlig widersinnig. An dieser Stelle bricht die inhaltliche Logik des Gutachtens mit dem Auftrag.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Es geht noch weiter. In Magdeburg glaubt man derzeit, man sei an trockenen Ufern. Schaut man sich jedoch das Gutachten des Wissenschaftsrates an, dann stellt man fest, dass das überhaupt nicht der Fall ist. Es wird empfohlen, die Universität Magdeburg wieder auf eine technische Hochschule mit drei wesentlichen Fachbereichen einzudampfen, und zwar Ingenieurwissenschaften, Wirtschaftswissenschaften und Medizin. Alle anderen Fachbereiche werden als verzichtbar angesehen.

Auch für die Fachhochschule Magdeburg gilt, dass der gesamte Bereich des Sozialwesens faktisch zur Disposition gestellt wird. Würde dieses Vorhaben realisiert werden, dann würde Magdeburg als Stadt ca. 5 000 Studienplätze verlieren.

Nun gibt es aber die Empfehlung des Wissenschaftsrates: Nur nicht weniger Studienplätze! Wegen des demografischen Wandels soll deren Anzahl erhalten bleiben. Aber aus Magdeburg können durchaus 5 000 Plätze verschwinden. Das funktioniert hinten und vorne nicht.

Nun könnte man sagen: Die Gesellschaftswissenschaften hat man ohnehin nicht gemocht. Wir brauchen Ingenieure und keine Politologen, die überall doof herumquatschen und der Regierung ins Wort fallen. Nein, wir brauchen ordentliche Ingenieure. - Okay.

Sieht man sich das Deubel-Gutachten aber einmal an, weiß man, welche Konsequenzen so etwas hat. Ersetzen Sie einmal einen geisteswissenschaftlichen Studienplatz durch einen ingenieurwissenschaftlichen Studienplatz. Wissen Sie, dass sich dann der Landeszuschuss nahezu verdoppelt? - Das kann also auch nicht die Konsequenz sein.

An dieser Stelle ist dieses Gutachten in sich unlogisch und darüber sollte man diskutieren.

Es ist aber auch klar, wie man dazu kommt. Man hat sich nämlich angeschaut, wie sich die Landesfinanzen in den nächsten Jahren entwickeln sollen. Hierbei ist man sehr ehrlich - an einigen Stellen gibt es dazu Aussagen -: Ja, wir haben uns das angeschaut, aber wir haben vom Finanzministerium Sachsen-Anhalts noch einige Extra-Vorgaben bekommen.

Es wird zum Beispiel gesagt, dass dem Land aufgrund des Bevölkerungsverlusts bis zum Jahr 2020 Mittel in Höhe von 600 Millionen € verloren

gehen. Das Kabinett selbst geht bei seinen Planungen von lediglich 500 Millionen € aus. Der angenommene Bevölkerungsverlust wird von Gutachten zu Gutachten immer höher.

Ein weiterer Punkt. In dem Gutachten heißt es, der Stabilitätsrat, der die Wächterfunktion für die Haushaltspolitik der Länder übernehmen soll, gehe davon aus, dass Sachsen-Anhalt von 2012 bis 2019 in der Lage wäre, eine durchschnittliche Ausgabensteigerung von real 1,9 % zu realisieren. Dann wird aber geschrieben: Die Vorgaben des Finanzministeriums von Sachsen-Anhalt gehen von lediglich 0,8 % aus.

Das heißt, das Finanzministerium hat alles getan, um den Leuten zu erzählen: Wir haben kein Geld, wir brauchen Einsparvorschläge von euch. Aber - auch das muss man sagen - dem hat sich der Wissenschaftsrat eindeutig widersetzt und dafür ist ihm zu danken, liebe Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Grunde genommen können wir zusammenfassend feststellen: Dieses Gutachten des Wissenschaftsrates ist eine Generalkritik an der Beschlusslage dieser Landesregierung, einer Beschlusslage, die bis heute fortgilt und die die Hochschullandschaft in Sachsen-Anhalt bedroht, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN)

Das bestärkt uns in unserer Position, Streichungen in diesem Bereich nicht zuzulassen. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, dass wir Strukturdebatten in diesem Bereich selbstverständlich brauchen. Wir sagen trotz alledem ganz klar: Gutachten haben nie die politische Entscheidung und die politische Verantwortung ersetzt und werden dies auch nie tun.

(Herr Schröder, CDU: Richtig!)

Wir können sie in unsere Überlegungen einbeziehen, aber kein Gutachten ersetzt die politische Entscheidung. Kein Ministervorschlag ersetzt die politische Entscheidung. Nur dieses Haus hat die Verantwortung für die politischen Entscheidungen für die Hochschullandschaft. Ich bitte Sie im gemeinsamen Interesse, diese Verantwortung gut zu nutzen, besser zu nutzen. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Wir fahren in der Debatte fort. Nun spricht der Abgeordnete Herr Schröder für die CDU-Fraktion.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der englische Prediger Thomas Fuller hat

einmal gesagt: „Eifer ohne Wissen ist wie Feuer ohne Licht.“

Wahrhaft übereifrig sind die GRÜNEN in diesem Landtag. Sie zündeln im Halbdunkeln.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Uh!)

Sie zwingen das Parlament, über ein Gutachten zu reden, das noch gar nicht vorgestellt worden ist und bezüglich dessen der Wissenschaftsrat mitgeteilt hat, dass das endgültige Abschlussgutachten von den vorab verteilten Exemplaren abweichen kann.

Richtig ist: Natürlich haben wir eine Debatte, auch in der Öffentlichkeit, geführt; die Zeitungsmeldungen sind zitiert worden. Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren: Das wichtigste wissenschaftspolitische Gremium Deutschlands auf diese Weise in die politische Kontroverse zu ziehen, wie es heute geschehen ist, um quasi im Übereifer als fleißige Oppositionskraft zu erstrahlen, schadet unserem gemeinsamen Anliegen. Davon bin ich überzeugt.

(Beifall bei der CDU)

Ansätze hierfür sind erkennbar, etwa bei Herrn Gallert. Zum einen zitiert man selektiv die Sätze, die man gebrauchen kann, und sagt: Das ist eine Klatsche für diese Landesregierung. Auf der anderen Seite wird an den Stellen, an denen es nicht so passt, gesagt: Na ja, das Gutachten ist lediglich ein Auftragswerk dieser bösen Landesregierung, die Schlimmes vorhat.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Gefährlichste an Halbwahrheiten ist, dass man fast immer die falsche Hälfte der Wahrheit glaubt.