Protocol of the Session on June 20, 2013

Insofern habe ich, so glaube ich, an dieser Stelle keine Differenz aufgemacht. Im Enddefekt hat Herr Aeikens mit diesem Interview für die „Mitteldeutsche Zeitung“ selber die Richtung vorgegeben. Jetzt lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die Dinge umsetzen und realisieren können.

Ich sage noch einmal: Natürlich freuen wir uns alle, dass eine halbe Milliarde für den technischen Hochwasserschutz ausgegeben worden ist. Ein Teil davon übrigens - das hat Herr Aeikens selber gesagt - für die Schaffung von solchen Retentionsflächen, weil wir natürlich wissen, dass Polder entstehen, wenn ringsherum ein Deich gebaut wird; also brauche ich dafür auch Geld.

Wir haben es aber mit einem Missverhältnis zu tun. Wir haben eine halbe Milliarde für den technischen Hochwasserschutz eingesetzt, ein Stück weit in der gemeinsamen Illusion, die wir hatten, mit dem Deichbau die Natur zu beherrschen. Die Natur hat uns ein Lehrstück verpasst. Sie hat uns gezeigt, dass genau das nicht geht, sondern dass wir uns mehr anpassen müssen. Dieses Lehrstück haben wir alle zu verstehen.

Deswegen waren diese Ausführungen noch nicht einmal ein Vorwurf an die Landesregierung. Ich sage ganz ehrlich: Wenn ich die Landesregierung richtig kritisieren will, dann - Sie kennen mich - tue ich das auch. An dieser Stelle habe ich es nicht einmal getan, sondern ein gemeinsames Umdenken abverlangt, und das, so glaube ich, steht uns allen gut zu Gesicht. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Danke schön, Herr Kollege Gallert. - Ich frage jetzt in die CDU-Fraktion: Wird noch einmal das Wort gewünscht? - Herr Kollege Schröder, bitte.

Ich möchte für meine Fraktion noch einmal herzlich darum bitten und auch noch einmal deutlich machen: Es geht nicht darum, dass wir der Landesregierung quasi in diesem gemeinsamen Lernen bescheinigen, sie müsse jetzt ihren Kurs wechseln und sie müsse jetzt völlig umdenken, sondern dass wir - ich darf das für die Koalition sagen und für meine Fraktion insbesondere - davon ausgehen, dass der Kurs stimmt und wir innerhalb des Konzeptes eine Fortentwicklung, eine, wenn Sie so wollen, Anpassung an die jetzige Situation und die Lagebeschreibung herbeiführen. Das ist vielleicht die Nuance, die in den Reden deutlich zu tage getreten ist.

Wenn wir sagen, es geht zu langsam, dann müssen wir über die Frage der Planungen reden; denn wir brauchen die Fachleute, die diese Planungen machen, und wir brauchen die finanziellen Mittel.

Ich möchte für meine Fraktion deutlich machen: Die Maßnahmen, die wir gemeinsam für sinnvoll halten, sollten nicht am fehlenden Geld scheitern. Die Fondsmaßnahmen, die wir jetzt auf den Weg bringen, und auch die Möglichkeit, die jetzt geleistete Soforthilfe in den Fonds zu überführen, werden dafür sorgen, dass wir dieses Ziel als Koalition erreichen, ohne in Landesschulden auszuweichen. Auch das ist, so glaube ich, ein wichtiges Signal.

Es ist gefährlich, wenn Sie die Versiegelungsproblematik ausschließlich auf die Kennziffer der Siedlungs- und Verkehrsfläche beziehen. Das geht fehl, weil Sie mit der Versiegelung und dem Wasserabfluss natürlich ein Problem beschreiben, aber die Siedlungs- und Verkehrsflächenzuwächse, die übrigens nicht mehr so hoch sind, beinhalten gerade auch Renaturierungsflächen.

(Zustimmung von Herrn Weigelt, CDU)

Siedlungs- und Verkehrsflächen sind auch touristische Seen, Landschaften, die Schrebergärten, die IBA-Flächen in den Städten, die sozusagen durch Entdichtung und Abriss zusätzlich entstanden sind. Das sind so viel Flächen, dass nur etwa 50 % und nicht, wie Sie gesagt haben, der größte Teil der Siedlungs- und Verkehrsfläche in Sachsen-Anhalt versiegelt sind. Darauf wollte ich noch einmal hinweisen.

Also noch einmal: Wir brauchen den Dreiklang. Wir brauchen die Anpassung. Das Krisenmanagement der Landesregierung war gut. Wir werden im Parlament dafür sorgen, dass wir die entsprechende

Legitimierung, die wir als Landtag in Sachsen-Anhalt zu leisten haben, für diesen Prozess schaffen. Ich hoffe, dass dieser Konsens hier auch im Landtag greift.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Kollege Schröder. - Damit können wir die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt abschließen und in das Abstimmungsverfahren eintreten. - Entschuldigung, ich habe eine Wortmeldung übersehen. Herr Dr. Köck hat noch eine Frage. - Herr Kollege Schröder, möchten Sie sie beantworten?

Ich möchte ein paar persönliche Worte sagen.

Dann ist es eine Zwischenintervention.

Wie Sie wissen, war es mir, sowohl im Jahr 2002 als auch in diesem Jahr, aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, aktiv an der Deichfront mitzuarbeiten.

Ich bin in Bitterfeld geboren und meine Mutter wohnt jetzt in dem Bereich in Halle-Neustadt, der evakuiert werden musste. Ich bin deswegen all denjenigen sehr dankbar, die etwas getan haben.

Das, was ich aber als Landtagsabgeordneter vermieden habe, ist, einem Krisenstab in einer Sekunde oder Minute auf den Wecker zu fallen, in der er eine schwerwiegende Entscheidung zu treffen hat, in der eine Einzelentscheidung durch den Landrat oder den Oberbürgermeister getroffen werden muss, einen Deich aufzugeben oder dies oder das zu tun. Ich denke, in diesem Moment ist ein Polittourismus am wenigsten angebracht.

Ein zweiter Gedanke, um das zu vervollständigen: Es geht nicht nur um die Siedlungsfläche an sich, Herr Schröder, sondern es geht um die Schadenspotenziale, die abgeschafft werden.

Wenn ich ein Altenheim, wie in Halle geschehen, mitten in die Saaleaue platziere, dann ist es völlig klar, dass ich die alten Leute bei jedem kleinen Hochwasser, auch aus Gründen der Vorsorge, evakuieren muss - das erste Mal im Jahr 2011 im Schlauchboot und beim zweiten Mal - da waren wir schlauer - vorher mit dem Auto. Aber ich muss sie evakuieren.

Solche Standortentscheidungen, ob bei Kitas oder Schulen oder etwas anderem, gilt es zu überdenken. Das ist ein ganz wichtiger Punkt, der nicht den Hochwasserschutz in engerem Sinne, sondern

den Hochwasserschutz im Sinne von Schadensminimierung betrifft. - Danke.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Vielen Dank, Herr Kollege. - Wir schließen nunmehr die Debatte zu diesem Tagesordnungspunkt ab.

Wir treten jetzt in die Abstimmung über den Antrag in der Drs. 6/2185 ein. Dies ist ein Antrag aller Fraktionen mit der Überschrift „Hochwasser 2013 - betroffenen Bürgern, Kommunen und Unternehmen helfen, Schäden bilanzieren und beseitigen, Konsequenzen für den Hochwasserschutz ziehen“.

Wer diesem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zustimmen möchte, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Gibt es Gegenstimmen oder Enthaltungen? - Das sehe ich nicht. Damit ist dieser Antrag einstimmig beschlossen worden und der Tagesordnungspunkt ist abgeschlossen.

Ich rufe Tagesordnungspunkt 3 auf:

Aktuelle Debatte

Volksaufstand 17. Juni 1953 - Erinnerung und Auftrag

Aktuelle Debatte Fraktion SPD - Drs. 6/2171

Ich freue mich, zu diesem Tagesordnungspunkt die Landesbeauftragte für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik Frau Birgit Neumann-Becker im Hause begrüßen zu können. Herzlich willkommen im Haus!

(Beifall im ganzen Hause)

Ich erteile dem Abgeordneten Herrn Miesterfeldt für die antragstellende Fraktion das Wort.

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Meine Damen und Herren! Sie werden mir sicher glauben, wenn ich jetzt sage, dass mir der Übergang von der Aktuellen Debatte über eine aktuelle Situation zu einer Aktuellen Debatte, deren Ausgangspunkt 60 Jahre zurückliegt, nicht ganz leicht fällt. Trotzdem wissen wir, so glaube ich, dass Naturkatastrophen und auch politische Katastrophen etwas gemeinsam haben: Sie zwingen uns beim Fahren nach vorn, wieder etwas stärker in den Rückspiegel zu sehen.

„Wir fordern freie gesamtdeutsche Wahlen. Wir fordern die Aufhebung des Ausnahme

zustandes. Wir fordern, dass die Verantwortlichen unserer Regierung für ihre Fehler zur Verantwortung gezogen werden. Wir fordern die Senkung der HO-Preise. Wir fordern die Herstellung die Rechtszustandes in der Weise, dass nicht mehr Menschen spurlos verschwinden, sondern alle, die sich gegen den Staat oder auch politisch vergehen, ordentlich abgeurteilt werden und den Angehörigen Möglichkeit gegeben wird, mit ihnen in Verbindung zu treten. Wir fordern Redefreiheit.“

Diese und andere Forderungen stellten gestern vor 60 Jahren, nämlich am 19. Juni 1953, die Angestellten der Kreissparkasse Halberstadt an den Ministerpräsidenten Otto Grotewohl. Sie tragen den Eingangsstempel vom 22. Juni 1953.

Was hat die Angestellten der Kreissparkasse Halberstadt wohl zu diesen Forderungen bewogen? Vielleicht war es auch die Forderung des Ersten Sekretärs der SED-Bezirksleitung Magdeburg vom 12. März 1953 - ich zitiere -:

„Wenn die Bauern Beträge über 1 000 Mark abholen oder Konten auflösen, müssen die Direktoren der Sparkassen oder Bauernbank dies den Ersten Sekretären der SEDKreisleitung melden.“

Denn es bestand die Gefahr der Republikflucht.

Im Januar des Jahres 1953 waren im Bezirk Magdeburg über 35 000 ha Land nicht bestellt. Das Getreide war nicht gesät worden. Stattdessen harrten 10 000 ha Rüben noch der Ernte. Der Aufbau des Sozialismus war eben nicht gegen die Bauern durchzusetzen.

Walter Ulbricht hatte bei der 2. Parteikonferenz der SED am 9. Juni 1952 vorgeschlagen, dass von nun an - Zitat - „in der Deutschen Demokratischen Republik der Sozialismus planmäßig aufgebaut wird“.

Ich zitiere weiter:

„Wir werden siegen, weil uns der große Stalin führt.“

Am Ende der 2. Parteikonferenz marschierten die Delegierten zur Stalinallee.

Was folgte den wegweisenden Beschlüssen? - Die Abschaffung der Länder und die Einführung der Bezirke, Versorgungsschwierigkeiten ohne Ende.

Allein in der zweiten Hälfte des Jahres 1952 gaben im damaligen Bezirk Magdeburg 52 Fleischer ihr Gewerbe auf. Das Grenzregime an der Demarkationslinie wird verschärft. Trotzdem fliehen Tausende. Die Arbeitsnormen werden vollkommen unrealistisch, rein ideologisch angehoben, um damit die Ziele des Fünfjahrplanes zu erreichen. Die gleichzeitig stattfindenden Lohnsenkungen sollten den entstandenen Kaufkraftüberhang abbauen.