Danke schön, Herr Abgeordneter Schröder. - Die Landesregierung hat erneut um das Wort gebeten. Es spricht nunmehr der Minister des Innern Herr Stahlknecht. Für die Fraktionen gilt, dass die Debatte wieder eröffnet ist. Sie erhalten noch einmal die Redezeit, die die Landesregierung benötigt, wenn sie möchten.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben uns eben darauf verständigt, dass ich einige Worte in der Replik zu Ihren Ausführungen sagen werde, Herr Gallert. Das tue ich deshalb - es geht nicht um mich im Augenblick -, weil ich den Umgang, den Sie mit Herrn Aeikens gepflegt haben, unfair finde und er mich in meinem mir eigenen Gerechtigkeitsgefühl in gewisser Weise berührt hat. Deshalb gehe ich nach vorn.
Bei dem, was Sie gesagt haben, haben Sie, glaube ich, etwas das Maß verfehlt. Es lässt sich immer gut reden, wenn man in zwei Wochen einigermaßen im Trockenen saß.
die wir jemals hatten, einzigartig. Es muss Ihnen auch klar sein, dass man Natur eben nicht immer berechnen kann. Wir sollten uns hier im Landtag auch nicht hinstellen und so tun, als würden wir im 21. Jahrhundert die Natur voll beherrschen.
Herr Gallert, wir sind ein Teil dieser Natur und wir haben nicht die Chance, sie vollständig zu berechnen.
Zweitens. Wir haben 500 Millionen € seit dem Jahr 2002 in den Hochwasserschutz investiert. Das ist der höchste Pro-Kopf-Aufwand unter den Ländern.
Drittens sprachen Sie die Retentionsflächen an. Wenn wir diese 500 Millionen € - Sie kennen den Landeshaushalt und wissen, dass wir das Geld nur einmal ausgeben können - ausschließlich in diese Überschwemmungsflächen investiert hätten, dann hätten wir die Deiche nicht sanieren können. Dann wären jetzt noch wesentlich mehr Deiche gebrochen und es wäre zu noch mehr Überflutungen gekommen. Auch das gehört zu einer sachlichen Debatte dazu.
Dann gehört auch dazu, Herr Gallert, dass Sie die Frage beantworten müssen, wenn Sie hier vorn hingehen und sagen, Sie wollen eine stärkere Ausrichtung auf Retentionsflächen, wie wir mit denen umgehen sollen, die in diesen Gebieten wohnen. Dann sagen Sie doch, dass Sie Enteignungen nach Artikel 14 des Grundgesetzes wollen. Dann lassen Sie nicht etwas anklingen, dann bringen Sie es konsequent und spielen nicht mit dem Gedanken, ohne ihn zu Ende zu führen. Auch das ist politische Verantwortung nach einer Hochwasserkatastrophe.
Ich halte es - das erlaube ich mir zu sagen - auch so mit dem Nebenkriegsschauplatz, den Sie in Bezug auf das Schreiben eröffnet haben. Sie können die Situation gar nicht beurteilen, weil ich Sie in den 14 Tagen zu keiner Zeit im Krisenstab des Landes gesehen habe.
Das war, Herr Gallert, kein politischer Krisenstab, sondern das war ein Krisenstab, der völlig unpolitisch agiert hat und nur darauf ausgerichtet war, den Menschen in diesem Land im Rahmen unserer Möglichkeiten zu helfen.
Sich hinterher hinzustellen, obwohl einige noch im Wasser stehen und andere vor unglaublichen Schäden und emotionaler Betroffenheit stehen, und hier eine derartige politische Debatte zu führen, finde ich in der jetzigen Situation schlicht unanständig. - Danke schön
Denn ich würde die Debatte ohnehin noch einmal für eröffnet erklären. Das sieht § 62 der Geschäftsordnung des Landtages so vor. Wenn die Landesregierung noch einmal redet, dann ist die Debatte wieder eröffnet. Jeder Fraktion stehen noch einmal zwei Minuten Redezeit zur Verfügung, wenn Sie das möchten. Ich schlage vor, dass wir das in der gleichen Reihenfolge machen, wie wir begonnen haben. - Gut. Dann würde ich die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fragen, ob sie reden möchte.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Minister Stahlknecht, Sie haben jetzt gesagt, dass die Äußerungen von Herrn Gallert unangemessen waren. Herr Dr. Aeikens hat mir Realitätsferne vorgeworfen.
Das ist auch nicht gerade von Pappe. Ich möchte hier festhalten, nicht ich bin derjenige, der unter Realitätsverlust leidet, sondern die Landesregierung.
Ich sage hier deutlich, dass mir diese Selbstgerechtigkeit in dem Punkt fürchterlich auf die Nerven geht.
Es ging uns mitnichten darum, die Landesregierung vorzuführen. Ich habe ausdrücklich gewürdigt, dass 500 Millionen € viel Geld sind. Das wiederhole ich jetzt noch einmal.
Aber, was der entscheidende Punkt ist: Wir wollen eine ehrliche Bilanz aus dieser Hochwasserkatastrophe ziehen.
Dazu gehört auch, Selbstkritik an dem zu üben, was in der Vergangenheit passiert ist, insbesondere bei der Schaffung von Retentions- und Polderflächen. Das ist die Realität, meine Damen und Herren.
die richtigen Lehren für die Zukunft ziehen. Das habe ich in den Äußerungen von Dr. Aeikens auch vermisst. Er hat nämlich mitnichten darauf hingewiesen und gesagt, wir brauchen mehr Retentionsflächen, wir brauchen mehr Polderflächen. Vielmehr hat er lediglich für die Zukunft davon gesprochen, die Deiche zu reparieren.
Dass das notwendig ist, stelle ich absolut nicht in Abrede. Aber wir müssen jetzt an dieser Stelle auch die Weichen stellen und die Verfahren für die Deichrückverlegungsprojekte und die Schaffung neuer Polderflächen anschieben, weil wir wissen, dass diese Verfahren so lange dauern.
Meine Damen und Herren! Ich möchte es auf den Punkt bringen. Wir wollen einen vorsorgenden Hochwasserschutz, der nicht an den Symptomen herumdoktert,
sondern das Problem an der Quelle anfasst und verhindert, dass sich Hochwasserscheitel aufbauen und zu diesen verheerenden Schäden führen, wie wir es hier erlebt haben.
Danke, Herr Kollege Weihrich. - Ich frage die SPDFraktion: Besteht noch Redebedarf? - Das sehe ich nicht. Dann spricht jetzt Herr Gallert von der Fraktion DIE LINKE.
Werter Kollege Stahlknecht, wenn ich vorhin darüber sprach, dass wir es aufgrund dieser Katastrophe mit einer besonderen emotionalen Belastungssituation zu tun hatten, dann hatte ich dabei, ehrlich gesagt, nicht so sehr die Regierungsmitglieder im Blick, aber offensichtlich ist das so.
Ich will zu den Dingen, die ich zu Ihnen gesagt habe, nichts weiter ausführen. Es gab mehrere Meldungen, die sich explizit darauf bezogen: Herr Stahlknecht hat ein Schreiben von Autonomen bestätigt. Das mag falsch sein, es ist aber auch unwidersprochen durch die Presse gegangen.
Mit Blick auf die tiefen Erschütterungen, die ich bei Herrn Aeikens ausgelöst habe, muss ich sagen, dass mich das vor ein Rätsel stellt; denn all das,
was ich dazu gesagt habe, hat er in ähnlichen Worten selber gesagt, und zwar vor drei Tagen in dem Interview in der „MZ“.
Darin hat er klar gesagt: Es geht ihm bei der Ausweitung von Retentionsflächen viel, viel zu langsam. Er hat gesagt, dass wir hier wirklich mehr ran müssen und dass wir über neue Wege nachdenken müssen. Im Enddefekt habe ich nur das bestätigt, was er gesagt hat.
Ich bin ausdrücklich der Meinung, dass man darüber reden kann, ob dieses Retentionsziel, bis zum Jahr 2020 5 900 ha zusätzlich durch Polder und Deichrückverlegung gewinnen zu wollen, ausreichend ist. Ich habe das nicht einmal getan. Ich habe nur gesagt, der bisherige Realisierungsstand ist absolut unbefriedigend. Ich muss dies natürlich den Maßnahmen gegenüberstellen, die dazu geführt haben, dass Hochwässer stärker entstehen. Dabei handelt es sich nun einmal um die Versiegelung von Flächen, die Regenwasser aufgenommen haben.
Insofern habe ich, so glaube ich, an dieser Stelle keine Differenz aufgemacht. Im Enddefekt hat Herr Aeikens mit diesem Interview für die „Mitteldeutsche Zeitung“ selber die Richtung vorgegeben. Jetzt lassen Sie uns gemeinsam überlegen, wie wir die Dinge umsetzen und realisieren können.