Protocol of the Session on April 25, 2013

(Heiterkeit bei der CDU und bei der SPD)

Dort fühle ich mich wohler als manchmal woanders.

Zum Inhalt Ihrer Frage. Das, was Sie mit Ihrer Anmerkung verfolgen, sind gekoppelte Zahlungen an spezifische Produktionsrichtungen, dass man pro Kuh, pro Großvieheinheit, pro Schaf etwas zahlt. Das wäre eine Rolle rückwärts innerhalb der EUAgrarpolitik. In der EU will man gerade davon weg, produktionsgebundene Zahlungen zu leisten, um nicht eine Wettbewerbsverzerrung zusätzlicher Art hervorzurufen. Denn wir sind immer stärker dem Markt, auch dem Weltmarkt, ausgesetzt. Ich halte diese Grundlinie für richtig.

Ich bin eigentlich auch der Auffassung, dass ein gut geführter Betrieb mit der Milchkuhzahl, die Sie nannten, 500 Kühe, und einem modernen Haltungsverfahren und angesichts der aktuellen Milchpreise eigentlich auch schwarze Zahlen schreiben müsste.

(Zustimmung von Frau Weiß, CDU)

Noch einmal vielen Dank für Ihre Regierungserklärung, Herr Minister.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5 b:

Aussprache zur Regierungserklärung

Der Ältestenrat hat uns die Redezeitstruktur F vorgeschlagen; das sind 120 Minuten. Diese teilen sich wie folgt auf: DIE LINKE 24 Minuten, SPD 21 Minuten, GRÜNE sieben Minuten, CDU 34 Minuten.

Für die Fraktion DIE LINKE erhält nun der Kollege Krause das Wort. Bitte schön, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr verehrte Damen und Herren! Angesichts des Umstandes, dass der Saal zu Beginn der Debatte so leer war, hätte ich nicht gedacht, dass er so voll ist, wenn DIE LINKE an das Rednerpult geht. Dies als kleiner Spaß vorweg.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! In der Gesellschaft von Gartenbau und Landschaftspflege, von Fischerei- und Wasserwirtschaft und der Ernährungsindustrie bzw. des Ernährungsgewerbes kommt der Land- und Forstwirtschaft gerade in Sachsen-Anhalt eine herausragende Bedeutung zu. Sie war und ist auch heute noch - sehen wir einmal von den stadtnahen Gebieten ab - die wichtigste ökonomische und damit mehr oder weniger auch soziale Stütze unserer Dörfer.

In einigen Regionen Sachsen-Anhalts hat die Land- und Forstwirtschaft bezüglich der Bereitstellung von Arbeitsplätzen nahezu ein Alleinstellungsmerkmal. Daran sollten wir immer denken. Denn seit Generationen wohnen in solchen ländlichsten Regionen Menschen, gegenüber denen die Politik Verantwortung trägt. Schließlich sind wir uns doch darin einig, dass wir gerade unter den immer komplizierter werdenden Bedingungen des Klimawandels nicht umhinkommen, eine flächendeckende Landwirtschaft zu sichern. Aber dazu bedarf es auch Menschen auf der Fläche und nicht nur in den Ballungsgebieten.

Wir als LINKE gehen jedenfalls davon aus, dass wir eine flächendeckende, nachhaltig ausgerichtete und multifunktionale Landwirtschaft brauchen und darauf angewiesen sind, eine solche auch bewusst zu fördern. Schließlich wollen wir doch alle nicht, dass die Globalisierung bzw. die Liberalisierung der Agrarmärkte so weit vorangetrieben wird, dass die ärmsten Regionen der Welt den satten Norden vollends mit agrarischen Rohstoffen versorgen, weil sich eine flächendeckende Landwirtschaft hier einfach nicht mehr rechnet.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Es wäre fatal, wenn die Liberalisierung und die marktwirtschaftlichen Zwänge die agrarstrukturelle Entwicklung so kanalisieren, dass es sich nur noch lohnt, bei uns den besten Boden zu bewirtschaften oder - so muss man es in manchen Fällen schon nennen - auszubeuten und Tierhaltung künftig nur in Anlagen zu betreiben, die manchen Gigantismus von heute noch in den Schatten stellen. Eine solche Entwicklung hat nichts mit Leistungsstärke zu tun, sondern spricht eher für Verantwortungslosigkeit.

Zum Schutz der natürlichen Umwelt und im Interesse des weltweiten Klima- und Ressourcenschutzes sowie im Kampf gegen den weltweiten Hunger ist es eben unumgänglich, jedem Land, vor allem auch außerhalb Europas, das Recht und die Möglichkeit einzuräumen, Nahrungsmittel entsprechend den vorhandenen klimatischen und sonstigen natürlichen Bedingungen selbst und für die eigene Versorgung produzieren zu können.

(Zustimmung von Frau Frederking, GRÜNE)

Das schließt letztlich auch die moralische Pflicht der reichen Länder ein, dies ebenfalls zu tun

und dazu die eigenen Ressourcen effizient zu nutzen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Diese sich gegen die weitere Liberalisierung der Agrarmärkte richtende Forderung ist bereits im Jahr 1996 auf dem Welternährungsgipfel in Rom verkündet worden und hat nicht im Geringsten an Aktualität verloren.

Vor dem Hintergrund der Neuausrichtung der EUAgrarpolitik bzw. der neuen EU-Förderperiode ab 2014 und angesichts der stetig wiederkehrenden Diskussion um die sogenannten Agrarsubventionen sowie angesichts des Vorwurfs, dass die Landwirtschaft allein 50 % des EU-Agrarhaushaltes verschlingen würde, möchte ich diese Überlegung einfach einmal vorausgeschickt haben.

Ich denke, das Geld ist gut angelegt, wenn wir die Landwirtschaft so finanzieren - ich sage ganz bewusst: finanzieren -, dass sie agrarische Erzeugnisse und konkret Nahrungsmittel in ausreichender Menge und hoher Qualität sowie bei hoher Verbrauchersicherheit für die Ernährung der eigenen Bevölkerung produziert und die Versorgung der Tierbestände über wirtschaftseigenes Futter dadurch realisieren kann, sodass sich ein Verzicht auf import- oder exportorientiertes Wirtschaften schließlich auch betriebswirtschaftlich rechnet.

Der einen Milliarde Menschen, die weltweit hungern, Herr Minister, helfen wir auf lange Sicht nicht, indem wir sie mit den Agrarerzeugnissen unserer starken und leistungsfähigen Landwirtschaft zuschütten

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

und damit die Entwicklung ihrer eigenen Potenzen, ihrer eigenen Landwirtschaft im Keim ersticken.

(Zuruf von der CDU: Das macht doch nie- mand!)

Dagegen wäre eine alternative Agrarpolitik nicht nur ein Beitrag gegen den Hunger, sondern gleichermaßen auch unser internationaler Beitrag zur Minderung der Auswirkungen des Klimawandels.

Ich möchte die Aussprache zur Regierungserklärung auch zum Anlass nehmen und vorausschickend feststellen, dass wir davon überzeugt sind, dass zumindest die landwirtschaftlichen Primärproduzenten, also die Landwirte in den einzelbäuerlichen Betrieben wie auch in den Gemeinschaftsunternehmen und insbesondere in den Agrargenossenschaften, ihre Aufgabe mit hoher Verantwortung wahrnehmen.

Dabei werden allein in der Landwirtschaft ca. 25 000 Arbeitsplätze vorgehalten. Es gibt nach der mir vorliegenden Statistik mit Stand vom Februar 2013 in der Land- und Forstwirtschaft sowie im

Fischereiwesen 16 366 sozialversicherungspflichtige Beschäftigte am Wohnort Sachsen-Anhalt. Damit hat sich ihre Zahl seit 1998 halbiert. Das sollte uns zu denken geben und dürfte mit Sicherheit nicht nur positiv zu sehen sein.

Wir sind gut beraten, wenn wir der Förderung von Arbeitsplätzen bei guter Entlohnung in den Dörfern wieder mehr Augenmerk schenken. Die Stärkung regionaler Wirtschafts- und Stoffkreisläufe, der Direktvermarkter und die Entwicklung regionaler Wertschöpfungsketten sind das, was wir brauchen, um den ländlichen Raum zu stärken. Die Erfahrungen, die wir mit unseren ca. 400 Direktvermarktern im Land gemacht haben, sollten wir künftig viel offensiver auswerten und zur Anwendung bringen.

Tatsache ist auch, dass die Beschäftigten dieses Bereichs - Landwirte und Forstleute - in Ausübung ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit die Kulturlandschaft offenhalten, pflegen und gestalten und damit für die Gesellschaft quasi eine Gratisleistung erbringen, die andernfalls wesentlich teurer geworden wäre.

Ihre Nähe zur Natur, die Arbeit mit lebenden Organismen, insbesondere mit Tieren, rückt die Landwirtschaft wie keinen anderen Wirtschaftszweig in den Fokus der Öffentlichkeit. Tagtäglich sieht sich die Landwirtschaft mit Fragen des Naturschutzes, der Artenvielfalt und der Biodiversität sowie den Problemen des Tierschutzes konfrontiert. Man kann davon ausgehen, dass die Landwirtschaft an dieser Stelle im Großen und Ganzen das leistet, was unter den von der Politik und der Verwaltung vorgegebenen Rahmenbedingungen geleistet werden kann

Andererseits wissen wir, dass es immer wieder Anlässe gibt, die zur Kritik oder gar zu Protesten herausfordern, zum Beispiel dann, wenn es um bestimmte Investitionen in die Tierhaltung oder in Biogasanlagen oder um die Auslegung des Baurechts geht.

Jawohl, Herr Minister, wir streiten uns nicht nur in Sachsen-Anhalt permanent darüber, was Massentierhaltung, was eine große und was eine kleine Anlage ist und wie Tierwohl definiert werden sollte. Ich frage Sie: Warum machen wir nicht einfach die Anlagen zum Maßstab, die bei uns in SachsenAnhalt bisher am wenigsten mit den Interessen der Anwohner und des Natur- und Umweltschutzes kollidieren?

(Zustimmung bei der LINKEN)

Natürlich müssen in einer 100 000er-Schweinemastanlage nicht zwangsläufig schlechtere Bedingungen für das Einzeltier herrschen als in einer 10 000er-Anlage. Doch wie sieht es mit den Lebendvieh-, Gülle-, Futter- und sonstigen Transpor

ten bei solchen nicht flächengebundenen Anlagen aus?

Wie steht es um die Transparenz, um die Rückverfolgbarkeit der Lieferungen? Sind Transparenz, Rückverfolgbarkeit und Kontrolle in einer überschaubaren Größenordnung - ganz zu schweigen von Direktvermarktern, wo Konsumenten und Produzenten fast zusammenfallen - nicht schon beinahe von selbst gegeben?

In diesem Sinne ist Größe eben doch mit vielen Nachteilen verbunden und darum eher schlecht. Auch ist die Konzentration von Tierbeständen an wenigen Orten nicht der Königsweg zur Erhöhung der Viehbestandsdichte und für eine flächendeckende Landwirtschaft in unserem Land.

Unzufrieden sind wir auch darüber, dass wir mehr und mehr zur Kenntnis nehmen müssen, dass zugelassen wird, dass immer mehr Biogasanlagen ohne regionalen und wirklich landwirtschaftlichen Bezug als privilegierte Anlagen errichtet werden. Ein Maisanbau in größerem Umfang und die Vernachlässigung der Fruchtfolge sind das Ergebnis. Bei uns im Altmarkkreis Salzwedel umfasst der Maisanbau bereits 22 % der Ackerfläche, im Landkreis Stendal 20 %.

Wenn Fremdinvestoren ihr Geld in Biogasanlagen anlegen, bietet das der Landwirtschaft und dem Dorf keine wirkliche Chance, sondern lässt Kapital aus der Region abfließen.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Auch wenn Sie, Herr Minister, sagen, dass Sie das nicht unterstützen möchten, hätte mich schon interessiert, wie Sie mit dieser Erkenntnis künftig konsequenter umgehen möchten. Ich denke dabei etwa an aktuelle Beispiele wie in Dessau oder auch in der Stadt Südliches Anhalt/Ortsteil Glauzig. Hierbei wäre ein offensives Handeln der Landesregierung mit Sicherheit geboten.

Wir können uns auch nicht der Frage entziehen, wie wir in der Landwirtschaft endlich wieder zu einer ausgewogenen Fruchtfolge kommen, wie wir den Bedarf an Ackerfutter erhöhen und damit den Anbau von Ackerfutter und Eiweißpflanzen forcieren können. Das sind Überlegungen, die bis in die Agrarwissenschaft und -forschung reichen. Welche Auswirkungen haben zum Beispiel die beabsichtigten Streichungen im Wissenschaftsbereich für den agrarwissenschaftlichen Sektor? Diese Frage stellt sich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Gerade dazu und auch zur Ausbildung des Nachwuchses in der Landwirtschaft hätten Sie in der Regierungserklärung ruhig ein Wort sagen können oder sogar sagen müssen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Na, was soll er denn da sagen?)