Protocol of the Session on March 22, 2013

markt eingliedert. Das kann richtig sein. Bei der hohen Zahl an Aufstockern und geringfügig Beschäftigten im Land Sachsen-Anhalt greift das allerdings zu kurz.

Meine Damen und Herren von der Landesregierung! Ich würde mir ein paar mehr innovative Lösungen für das Problem wünschen; denn Innovation ist doch das große Thema der neuen Förderperiode.

In diesem Zusammenhang möchte ich die Landesregierung erneut mahnen, die Wirtschafts- und Sozialpartnerinnen und -partner in den Begleitausschüssen ernst zu nehmen und intensiv einzubinden sowie ihre Änderungsempfehlungen aufzunehmen. Ich weiß, dass wir hier schon einmal vor geraumer Zeit darüber diskutiert haben, ob die Wiso-Partner in die Erstellung von Förderrichtlinien eingebunden werden können oder nicht.

Ich werde auch nicht müde, hier eine andere Sache anzuführen. Es geht um die Einbindung der Abgeordneten von Koalition und Opposition in die Begleitausschüsse. Die Begleitausschüsse sind für die Überwachung und Begleitung der ordnungsgemäßen Durchführung der operationellen Programme zuständig. Vor diesem Hintergrund ist es - insbesondere aus der Sicht der Opposition - legitim, als Haushaltsgesetzgeber eine Einbeziehung in diese Gremien zu fordern.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Enttäuscht bin ich auch darüber, dass die Einbindung von Parlamentariern in die Europawoche sukzessive abgebaut wird. Jedenfalls ist das meine Empfindung. Das bedauere ich wirklich sehr. Unsere Fraktion vertritt die Auffassung, dass die Einbeziehung der Bürgerinnen und Bürger und noch wichtiger der Schülerinnen und Schüler in die Europapolitik im Rahmen der Europawoche noch viel wichtiger ist als eine Landeskampagne mit dem Titel „Wir stehen früher auf“. Wofür?

Die Möglichkeit, hautnah mit Abgeordneten sowie mit Ministerinnen und Ministern über die Europapolitik zu diskutieren, halten wir für durchaus wichtig. Die Europawoche und das Jugendevent „Europa geht weiter“ nehmen gerade einmal zwei Absätze in dem 83 Seiten langen Bericht ein. Ich weiß, dass es noch extra eine Internetseite dazu gibt. Dennoch hätte ich mir an dieser Stelle mehr und auch qualitativ bessere Informationen gewünscht.

Im Jahr 2009 hat sich Kollege Borgwardt sehr dafür eingebracht. In der letzten Sitzung des Europausschusses tat dies Kollege Felke. Dafür spreche ich meinen ausdrücklichen Dank aus. Das reicht aber eben noch nicht.

(Beifall bei der LINKEN - Herr Borgwardt, CDU: Da brauchen wir mehr!)

Herr Robra, ich kann mich noch an eine Aussage von Ihnen in Ihrer letzten Regierungserklärung vor vier Jahren erinnern. Ich glaube, es war eine Erwiderung auf die Frage meines Kollegen Wulf Gallert, was Ihrer Meinung nach der Grund für die zunehmende Kluft zwischen der Europäischen Union und ihren Bürgerinnen und Bürgern ist. Ihre Antwort war, dass das unter anderem daran liegt, dass der Lissabon-Vertrag noch nicht in Kraft getreten ist. Dieser Vertrag würde den Bürgerinnen und Bürgern deutlicher machen, wofür Europa wirklich verantwortlich ist. - Donnerwetter.

(Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Au weia!)

Dieses Jahr ist das Europäische Jahr der Bürgerinnen und Bürger anlässlich des 20. Jahrestages der Einführung der Unionsbürgerschaft. Ich frage Sie, Herr Staatsminister, wie Sie vor dem Hintergrund der Euro-Krise und der drohenden Spaltung Europas Ihre Aussage von vor vier Jahren bewerten? Ist die EU tatsächlich ihren Bürgerinnen und Bürgern durch den Lissabon-Vertrag nähergekommen?

Wenn wir schon beim Thema der Zuständigkeiten der EU sind, dann möchte ich gleich noch auf einen anderen Punkt zu sprechen kommen, das Subsidiaritätsprinzip. Herr Robra, ich zitiere einmal aus Ihrer Regierungserklärung von vor vier Jahren:

„Der Vertrag von Lissabon wäre ein weiterer wichtiger Schritt in diese Richtung. Er stärkt die Mitentscheidungsrechte des Europäischen Parlaments, dehnt das Subsidiaritätsprinzip auf die regionalen kommunalen Selbstverwaltungsgremien aus und gibt den nationalen Parlamenten, also auch Ihnen, meine Damen und Herren, Kontrollfunktionen über die Einhaltung dieses Prinzips.“

Die Stärkung des Europäischen Parlaments durch Mitentscheidungsrechte haben wir erst in diesem Monat eindrucksvoll gesehen. Ich erwähnte schon, dass das EU-Parlament den Mehrjährigen Finanzrahmen abgelehnt hat.

Allerdings hat das Parlament nach wie vor kein Initiativrecht. Die Volksvertreterinnen und Volksvertreter der europäischen Bürgerinnen und Bürger können keine eigenen Legislativvorschläge einbringen, sondern können nur die des Europäischen Rates oder der EU-Kommission abnicken oder ablehnen, wie es in diesem Fall geschehen ist. Hier fehlt es nach wie vor an einem richtigen Demokratisierungsprozess; denn nur das Europäische Parlament hat die demokratische Legitimierung durch Wahlen.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber eigentlich wollte ich auf das Subsidiaritätsprinzip und, wie Herr Robra im Jahr 2009 so schön sagte, unsere Kontrollmöglichkeit als Parlament zu sprechen kommen.

Richtig ist, dass ich für meine Fraktion schon im Februar des letzten Jahres - wir sprachen bereits während der letzten Landtagssitzung darüber - eine Subsidiaritätsrüge bezüglich der EU-Konzessionsrichtlinie eingebracht hatte. Der Bundesrat verabschiedete daraufhin im März 2012 eine Stellungnahme, die die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips durch die EU-Konzessionsrichtlinie rügt. Die Antwort der EU-Kommission war - diplomatisch-höflich ausgedrückt - eher unbefriedigend.

Ich will darauf hinaus, dass die EU-Kommission aufgrund der Stellungnahme des Bundesrates nur den Bedarf für kleinere Anpassungen gesehen hat, aber in keiner Weise von der eigentlichen Ausrichtung der Richtlinie abgewichen ist - weder beim Wasser noch beim Rettungsdienst noch bei einem anderen Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Erst als der öffentliche Druck sowohl auf die EUParlamentarier und Parlamentarierinnen als auch auf den zuständigen EU-Kommissar größer wurde, vor allem durch die Bürgerinitiative „Wasser ist Menschenrecht“, wurde Änderungsbereitschaft signalisiert, allerdings tatsächlich nur im Bereich Wasser.

Dennoch und vielleicht gerade deshalb sind wir im Landtag noch mehr als bisher gefordert, unser Recht auf Subsidiaritätsrüge ernst zu nehmen und nicht erst aufzuschreien, wenn es schon fast zu spät ist; denn wie heißt es so schön: Steter Tropfen höhlt den Stein.

Das erfordert eine zielgerichtete Einbindung der Parlamentarier und Parlamentarierinnen in die Europapolitik des Landes und eine ausreichende - das, denke ich, gibt die LIV her - bzw. eine zielgerichtete - die Betonung liegt auf „ziel“ - Information und ein Miteinander auf Augenhöhe. Wir erleben jedoch regelmäßig die Arroganz der exekutiven Macht.

Nun möchte ich noch auf einen Punkt zu sprechen kommen, der mich fast sprachlos machte. Glauben Sie mir, das kommt wirklich sehr selten vor. Der „Spiegel“ titelte am 10. März 2013:

„Innenminister Friedrich will verhindern, dass Rumänien und Bulgarien dem SchengenAbkommen beitreten - Deutschland müsse den Ansturm auf das Sozialsystem stoppen.“

Der Bundesinnenminister hatte sein Veto laut „Spiegel“ unter anderem damit begründet, dass die Bundesrepublik den Ansturm auf ihr Sozialsystem stoppen müsse. Weiter heißt es - Zitat -:

„Es könne doch nicht sein, dass sich irgendwann einmal aus ganz Europa die Leute auf den Weg machten nach dem Motto: In Deutschland gibt es die höchsten Sozialleistungen.“

Nur der Vertreter der reichen Bundesrepublik Deutschland zeigt keinen Ansatz von Solidarität oder Nächstenliebe.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Hierfür hat Herr Friedrich zu Recht massive Kritik erhalten, teilweise sogar aus seinen eigenen Reihen. Die Freizügigkeit, das heißt das Recht, sich frei in der EU zu bewegen, ist ein Grundpfeiler der EU und wichtiger Bestandteil des europäischen Gedankens. An diesem Grundgedanken zu rütteln und solche Ressentiments zu schüren ist unverantwortlich.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Mit der Forderung nach Wiedereinreisesperren und nach Verhinderung der Aufnahme von Bulgarien und Rumänien in den Schengen-Raum wird Rassismus vor allem gegen Sinti und Roma geschürt. Die Äußerungen von Herrn Friedrich kritisieren wir daher auf das Schärfste.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Vielleicht sollten wir in Sachsen-Anhalt ein eindeutiges Signal an Herrn Friedrich und auch an Bulgarien, Rumänien und Tschechien senden, dass zu keiner Zeit Sinti und Roma unterdrückt werden und gegen sie gehetzt werden darf.

Es gibt durchaus landespolitische Handlungsmöglichkeiten, wie uns zum Beispiel das Land Schleswig-Holstein demonstriert, welches die Minderheit der deutschen Sinti und Roma unter den Schutz der Verfassung gestellt hat. Ein erster Schritt für Sachsen-Anhalt könnte es aber auch sein, Sinti und Roma nicht abzuschieben und sie nicht in Länder abzuschieben, in denen sie von Verfolgung und Diskriminierung bedroht sind und in denen ihre Menschenrechte nicht garantiert sind. Das gilt auch und erst recht innerhalb Europas.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Ich möchte nur noch kurz auf den Pakt für Wettbewerbsfähigkeit eingehen. Mit diesem Pakt werden die Euro-Länder regelmäßig zu neoliberalen Reformprogrammen verpflichtet.

Im Namen der Wettbewerbsfähigkeit sollen unter anderem mit Strukturreformen Löhne reduziert, Arbeitnehmerrechte ausgehöhlt sowie ökologische und soziale Standards abgebaut werden. Das, denke ich, ist das Problem und führt zu prekären Verhältnissen, wie wir es in der Aktuellen Debatte heute Vormittag schon gehört haben.

Wenn ich die Rede der Landesregierung jetzt Revue passieren lasse und an den Bericht in seiner Ausführlichkeit zurückdenke, ist insgesamt Folgendes zu sagen: Wenn wir aus der Opposition heraus einmal nachfragen, dann gibt es immer zur Antwort: Wir haben als Land Sachsen-Anhalt nur kleine Stellschrauben. - Aber mit dieser Regie

rungserklärung wird der Eindruck erweckt, nicht nur die EU, sondern sogar die ganze Welt könnte von Sachsen-Anhalt aus gerettet werden.

Was wäre Landwirtschaft ohne die EU? Was wäre die EU ohne Landwirtschaft? Was wäre die Ernährungswirtschaft als ein Erfolgsgarant in SachsenAnhalt ohne Landwirtschaft?

Es gibt auch einen europäischen Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz. Ich muss es noch einmal sagen: Es gibt auch noch den LasagneSkandal. Es wird x-mal umetikettiert und zigmal umhertransportiert; damit gibt es keine Rückverfolgbarkeit auf den ersten Blick. Der Landwirtschaftsminister weiß, dass die Urproduzenten die Nachweise bis zur Übergabe an die aufnehmende Hand zu führen haben. Das ist in allen Positionen gewährleistet.

Durch ein solches europäisches Handeln, meine Damen und Herren, - ich will eingestehen, wenn kriminelle Energie im Spiel ist, dann wird es schwierig mit nur europäischem Verbraucherinnen- und Verbraucherschutz, hier müssen Kontrollen her - haben die Bürgerinnen und Bürger in Europa auch tatsächlich Verbraucherschutz garantiert zu bekommen.

Auf den Bundespräsidenten zum Schluss noch einmal eingehend: Wahrlich, beim jetzigen Erscheinungsbild der Europäischen Union habe ich Bedenken. Aber ich „brenne“ für ein solidarisches Europa. Dafür bin ich gern bereit, Bannerträger zu sein, sogar in der ersten Reihe. Aber das wollen Sie garantiert wieder nicht. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Danke sehr, Herr Czeke. - Für die SPD-Fraktion spricht der Abgeordnete Herr Tögel.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben nicht oft Gelegenheit, uns an relativ prominenter Stelle im Rahmen einer Regierungserklärung dem Europa-Thema zu widmen. Meist sind es doch mehr oder weniger Sachanträge, die dann in den Tagesrandlagen diskutiert werden. Deswegen noch einmal herzlichen Dank dafür, dass Sie, Herr Minister, uns mit Ihrer Regierungserklärung heute dazu die Gelegenheit gegeben haben.

Ich will auf einige Punkte aus Ihrer Regierungserklärung eingehen, nicht auf alle. Sie ist sehr umfangreich gewesen und hat sehr viele Aspekte der Europapolitik des Landes tangiert. Ich will aber, wie gesagt, einige hervorheben.

Sie haben zum Thema Finanzkrise gesagt, dass diese Krise auch eine Chance zur Weiterentwick

lung zu einer Finanzunion bietet. Ich begrüße das ausdrücklich, weil wir jetzt gerade im Zusammenhang mit Zypern sehen, dass es wichtig ist, zu einem Mehr an Steuerharmonisierung, zu einem Mehr an gemeinsamer europäischer Fiskal- und Bankenaufsicht, zu einem Mehr an europäischer Wirtschaftspolitik zu kommen, natürlich auch - darin gebe ich Herrn Czeke ausdrücklich Recht - zu einem Mehr an europäischer Sozialpolitik. Wir brauchen an dieser Stelle ein gemeinsames Vorgehen der europäischen Staaten, auch gegenüber den Steueroasen innerhalb Europas, aber auch außerhalb Europas.

Ich will ausdrücklich sagen, dass der europäische und internationale „Dumpingwettbewerb“, was Steuern betraf, auch dazu geführt hat, dass in den letzten Jahrzehnten die Einnahmen des Staates, natürlich auch der Bundesrepublik, zurückgegangen sind. Wir müssen auch an dieser Stelle die Einnahmesituation wieder stärken, damit der Staat seine Aufgaben auch zukünftig wahrnehmen kann.