Protocol of the Session on March 22, 2013

Ich will ausdrücklich sagen, dass der europäische und internationale „Dumpingwettbewerb“, was Steuern betraf, auch dazu geführt hat, dass in den letzten Jahrzehnten die Einnahmen des Staates, natürlich auch der Bundesrepublik, zurückgegangen sind. Wir müssen auch an dieser Stelle die Einnahmesituation wieder stärken, damit der Staat seine Aufgaben auch zukünftig wahrnehmen kann.

Wir brauchen eine Bekämpfung der Kapitalflucht, und, wie gesagt, wir brauchen als ein Instrument, um entsprechende Auswüchse in der Finanzwirtschaft bekämpfen zu können, eine Finanztransaktionssteuer.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Ich begrüße die Internationalisierungs- und Europa-Strategie der Landesregierung sowie den vorausschauenden Bericht, den wir jetzt, soweit ich weiß, zum zweiten Mal entgegengenommen haben, zu den europäischen und internationalen Aktivitäten der Landesregierung für das Jahr 2013. Da haben wir und auch die Fachausschüsse die Möglichkeit zu sehen, was die einzelnen Ressorts auf dem Gebiet der internationalen und europäischen Aktivitäten vorhaben.

Ich will aber auch auf etwas hinweisen, was mich schon seit Jahren mit ein wenig Traurigkeit erfüllt: dass das Thema Entwicklungszusammenarbeit in dem Bericht fast völlig fehlt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Wir haben dafür so gut wie keine Mittel im Haushalt. Das ist nun leider einmal so. Wir haben - das ist der einzig positive Punkt seit vielen Jahren - das Eine-Welt-Haus in der Schellingstraße, das wir als Land vorhalten und Entwicklungshilfeorganisationen zu sehr günstigen Konditionen zur Verfügung stellen. Aber das ist auch das Einzige.

Ich erinnere daran, dass zum Beispiel das Land Rheinland-Pfalz seit Jahren eine funktionierende Partnerschaft zu Ruanda hat, dass NordrheinWestfahlen eine Partnerschaft zu Ghana hat. Ich glaube, wir sind als ein kleines und relativ armes Land kaum in der Lage, eine Partnerschaft zu einem Dritte-Welt-Land komplett aufzubauen. Aber

wir könnten uns eigentlich dazu durchringen, im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit etwas aktiver zu werden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Herr Minister, Sie haben auf die fünf Kernziele der EU hingewiesen. Beschäftigung, Forschung und Entwicklung, Klimaschutz, Energieziele, Bildung und Armutsbekämpfung - das sind natürlich hehre Ziele. Ich würde es begrüßen, wenn wir diese Ziele in den nächsten Jahren erreichen können.

Allerdings hat sich in der Vergangenheit gezeigt, dass die Programmziele in der Regel nicht erreicht werden. Ich erinnere nur an die Lissabon-Strategie, die relativ kläglich gescheitert ist. Ich würde es begrüßen, wenn wir uns diesen Zielen annähern und uns zumindest auf den Weg dahin bewegen können. Wenn Sachsen-Anhalt im Bereich der Schulabbrecher oder im Bereich der Energie dazu einen Beitrag leisten kann, dann ist das natürlich besonders schön.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

In dem Bericht ist zu sehen, dass die Ministerien sehr unterschiedlich aktiv sind. Das hängt natürlich damit zusammen, dass das eine Ressort unter Umständen mehr als das andere im Bereich der europäischen und internationalen Aktivitäten aktiv werden kann.

Wir brauchen aber - das ist mehrfach in den letzten Wochen gesagt worden - mehr Aktivitäten der einzelnen Ressorts. Wir müssen uns stärker an europäischen Programmen beteiligen, um die zurückgehenden Strukturfondsmittel zumindest ein wenig zu kompensieren. Die einzelnen Ressorts müssen sich mehr an Netzwerken und an InterregProjekten beteiligen, um hier tatsächlich die internationalen Partnerschaften auszubauen und dort auch Drittmittel zu generieren; das ist gar keine Frage. Auch die Beteiligung an Netzwerken ist ein Aspekt der Europafähigkeit der Landesregierung.

Ich will die Gelegenheit nutzen, von hier aus der Landesvertretung in Brüssel zu danken, die einen wirklich tollen Job macht. Die Landesvertretung in Brüssel ist eine Serviceeinheit des Landes. Sie steht den Fraktionen, den Ressorts, aber auch Interessengruppen und Interessierten offen mit ihrem Service, wenn man nach Brüssel fährt, Termine zu organisieren. Sie sind dafür da, und das machen sie, soweit ich das überblicken kann, auch sehr gut.

Sie entwickeln Ideen für Netzwerke und schlagen diese den Ressorts vor, sodass hier eine wirkliche Serviceeinheit in Brüssel existiert, die schon viele gute Ideen produziert hat und ohne die wir heute ein noch dünneres Bündel an internationalen Aktivitäten des Landes vorweisen könnten. Also, noch einmal meinen herzlichen Dank an die Kollegen in Brüssel.

(Zustimmung von Ministerin Frau Prof. Dr. Wolff)

- Ja, da dürfen Sie ruhig einmal klatschen. Das ist kein Problem. Das ist ja hoffentlich fraktionsübergreifend so.

(Zustimmung bei allen Fraktionen)

Wir haben noch ein weiteres Problem. SachsenAnhalt ist eines von drei Bundesländern, die keine nationale Außengrenze haben. Das betrifft Hessen, Thüringen und Sachsen-Anhalt. Wenn man andere Länder betrachtet, ob das Rheinland-Pfalz, Sachsen oder Brandenburg sind, so ist festzustellen, dass sie naturgegebene Partnerschaften haben durch die Grenzen zu anderen Mitgliedstaaten. Die fehlen uns. Wir müssen das eben durch Interreg oder andere Dinge kompensieren.

Es gibt seit Jahren funktionierende geografische Netzwerke wie Saar-Lor-Lux, die Ostseeanrainer, die Arge Donauländer oder die Arge Alp. Das sind Netzwerke unter parlamentarischer Beteiligung, die viel bewegen und seit Jahren aktiv sind. Wir können uns nur auf thematische Kooperationen wie Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen oder auf das Chemie-Netzwerk, das seit vielen Jahren sehr erfolgreich vom Wirtschaftsministerium betrieben wird, beschränken.

Wir haben es als Landtag - das sage ich auch selbstkritisch - in den letzten Jahrzehnten nicht vermocht, eine funktionierende Partnerschaft zu organisieren. Das hat sicherlich mehrere Gründe. Das hat politische Gründe und auch finanzielle Gründe. Aber ich bedauere es sehr, dass wir als Landtag von Sachsen-Anhalt keinen Partnerlandtag haben, mit dem wir über alle Fachgebiete hinweg und nicht nur im Bereich der Europapolitik einen regelmäßigen Austausch führen können.

Das ist, wie gesagt, bedauerlich. Vielleicht gelingt es in den nächsten Jahren noch, hier voranzuschreiten. Es ist schwierig, mit den Partnerregionen der Landesverwaltung ins Geschäft zu kommen, weil dort eben die parlamentarischen Strukturen in der Regel anders organisiert sind, wenn sie überhaupt vorhanden sind.

Ich will für die Kollegen, die nicht im Europaausschuss sind, auf die Sitzung in der letzten Woche verweisen. Wir hatten dort den Vertreter der irischen Ratpräsidentschaft zu Gast. Er hat mit sehr blumigen und ausführlichen Worten geschildert, was Irland sich während der Ratspräsidentschaft auf den Weg zu bringen vorgenommen hat.

Ich habe den Vertreter gefragt, was er denn für Aktivitäten bezüglich der Vorgänge in Ungarn plane. Denn die Vorgänge in Ungarn - Sie wissen das alle -, die Verfassungsänderung, dass Steuergesetze eine Ewigkeitsgarantie haben, dass die Religionsfreiheit und die Freizügigkeit eingeschränkt wurden und andere Dinge, verstoßen in gravierender Weise gegen die europäischen Werte.

Da hat sich der irische Kollege auf diplomatische Floskeln zurückgezogen. Er hat gesagt, man habe nur den Vorsitz, man könne nicht viel machen, man mache eigentlich nur die Tagesordnung und für die Überprüfung der Verträge sei die EU-Kommission zuständig. Das ist mir offen gestanden zu wenig.

Wenn es darum geht, auf die EU-Kommission kritisch einzuschlagen, sind von Regionalpolitikern bis zu den nationalen Politikern alle schnell dabei, kritisieren, wie dämlich die Europäische Union mal wieder agiert habe, und stellen infrage, dass man in Brüssel in der Lage sei, eine vernünftige Politik zu machen. Da gibt es überhaupt keine Diplomatie bei den betreffenden Politikern.

Dafür gibt es auch in Deutschland eine ganze Menge an Beispielen. Glücklicherweise gehören die Vertreter Sachsen-Anhalts nicht zu dieser Kategorie. In der Regel dient es der eigenen Profilierung. Wenn es aber darum geht, berechtigte Kritik an Vorgängen in Mitgliedstaaten zu üben, dann zieht man sich wieder auf diplomatische Verfahren zurück.

Ich sage es ausdrücklich und ich sage das auch sehr bewusst, es gibt bei der Bezeichnung von Politikern in anderen Staaten zwischen den Worten „Clown“ und „lupenreine Demokraten“ auch noch Zwischentöne. Die sollten wir tatsächlich nutzen.

Mir ist es eigentlich völlig egal, ob es Politiker von Rechtsaußen, Kommunisten, Konservative oder Sozialdemokraten sind, die gegen demokratische Grundwerte verstoßen. Für mich ist ein Verstoß gegen demokratische Grundwerte ein Verstoß. Ich fühle mich umso mehr betroffen, wenn es sich um Vorgänge in EU-Mitgliedstaaten handelt. Da muss Kritik möglich sein, egal, ob es sich um Berlusconi, um Ponta, um Orbán oder um Wolfgang Schüssel handelt.

Wir hatten ja - die einen oder anderen erinnern sich - im Jahr 2002 erfolglose Sanktionen der EU gegen Österreich, nachdem in Österreich die ÖVP mit der FPÖ eine Regierung gebildet hat. Das hat nicht funktioniert. Das war schwierig zu händeln. Eine Konsequenz daraus war aber, dass im neuen EU-Vertrag Regelungen zu Sanktionen hineingeschrieben wurden. Ich bin dafür, dass wir im Zusammenhang mit Ungarn diese Sanktionsmöglichkeiten nach Artikel 7 des EU-Vertrages prüfen.

(Zustimmung von Herrn Höhn, DIE LINKE)

Ich weiß - das ist völlig klar -, Sachsen-Anhalt hat an dieser Stelle relativ wenige Möglichkeiten. Aber ich wünsche mir, dass die Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt an den Stellen, wo es ihnen möglich ist, ihre Möglichkeiten wahrnehmen und sich zu solchen Vorgängen auch positionieren. Insbesondere geht mein Wunsch dahin, dass Staatssek

retär Schneider als Vorsitzender der EVP-Fraktion im Ausschuss der Regionen seine Möglichkeiten nutzt, um auf diese aus meiner Sicht völlig daneben liegenden Vorgänge in Ungarn zu reagieren.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD, und von Herrn Erben, SPD)

Gerade den in Ostdeutschland aufgewachsenen Bürgern - das betrifft die meisten hier im Saal - sollten Meinungsfreiheit, Demokratie, Religionsfreiheit und eine unabhängige Justiz besonders wichtig sein. Ich wünsche mir, dass sich die Vertreter des Landes Sachsen-Anhalt, die glücklicherweise nie in der Situation waren, solche Einschränkungen selber erleben zu müssen, genauso intensiv für diese Freiheiten auf internationaler Ebene einsetzen.

Ein Wort noch zu den Strukturfonds. Wenn es dabei bleibt, was wir bisher von den Verhandlungen erfahren haben, dann wäre es für Sachsen-Anhalt sehr schön. Ich finde es auch gut, dass das Europäische Parlament in diesem Jahr an diesem Prozess beteiligt ist. Es hat zwar den Prozess und die Abstimmung auf der EU-Ebene nicht gerade beschleunigt. Aber ich halte die Beteiligung des Europäischen Parlaments aus demokratischer Sicht für unverzichtbar. Wir müssen auch an dieser Stelle die Stimme erheben, damit das Europäische Parlament auch künftig seine Mitwirkungsmöglichkeiten weiter ausbauen kann.

Der Rat und die Kommission täten gut daran, künftig rechtzeitig die Signale aus dem Europäischen Parlament aufzunehmen und es nicht erst zum Showdown kommen zu lassen, wie es bei der Ablehnung des Haushalts der Fall gewesen ist.

Ob wir alle EU-Mittel kofinanzieren können, wissen wir heute noch nicht. Ich habe vorhin etwas zu der Einnahmesituation des Staates gesagt. Wir haben die aktuelle Diskussion in den letzten Tagen in den Zeitungen verfolgen können und wir haben die Diskussion zum Teil auch in den Fraktionen geführt. Ich erspare mir dazu weitere Ausführungen.

Auch über die Einbeziehung des Landtages bei der Programmierung der Strukturfonds haben wir hier ausführlich gesprochen. Auch hierzu möchte ich mich nicht wiederholen. Auch der Minister hat zu den Programmierungsprozessen ausführlich Stellung genommen.

Ich will nur darauf hinweisen, dass es für die Sozialdemokraten besonders wichtig ist, dass wir das Thema Bildung und Bildungsinfrastruktur, das Thema Forschung und Entwicklung, aber auch die Herausforderungen des demografischen Wandels bei der Programmierung und in den operationellen Programmen wiederfinden wollen und müssen.

Ich unterstütze auch die Forderung des Ministers am Schluss seiner Rede, als es um den Erweiterungsprozess ging, dass es bei Erweiterungsver

handlungen keine politischen Rabatte mehr geben darf. Wir haben damit in den letzten Jahrzehnten keine guten Erfahrungen gemacht.

Es ist weder im Interesse der Europäischen Union, noch kann es im Interesse der Bürger der beitretenden Staaten sein, dass mit politischen Rabatten gearbeitet wird, nur um bestimmte Termine eines Beitrittes oder einer Erweiterung einzuhalten. Wir haben das im Falle Osteuropas gesehen, aber auch in anderen Bereichen der früheren Erweiterungsrunden. Mit den noch nicht ausgeprägten Verwaltungsstrukturen - siehe Griechenland - war dies eher kontraproduktiv.

Was das Thema Zypern betrifft, war im Übrigen gerade eben bei den Ticker-Meldungen zu lesen, dass Russland Hilfen für Zypern abgelehnt hat und auch kein Interesse an Gas aus Zypern hat, was angeblich im Mittelmeer vorhanden ist. Das macht die Lage für Zypern nicht gerade einfach.

Ich bin gespannt, wie es weitergeht. Ich hoffe, dass vor allem im Interesse der Bürger in Zypern, aber auch der gesamten Europäischen Union eine vernünftige Regelung gefunden wird, die den Bankensektor so stabilisiert, dass der Euro-Raum nicht mit weiteren Schwierigkeiten zu rechnen hat.

Abschließend will ich noch einige grundsätzliche Dinge zur Europäischen Union sagen. Die Europäische Union ist nach wie vor ein großartiges Projekt. Sie ist friedenssichernd und sie ist immer noch Vorbild für sehr viele Regionen in der Welt, die gern auf dieses Vorbild schauen und sich auch so ähnlich organisieren wollen. Sie ist auch für Beitrittskandidaten immer noch attraktiv. Wir wissen, dass es gerade in Osteuropa immer noch interessierte Länder gibt, die Mitglied der Europäischen Union werden wollen.

Aber auch der Euro-Beitritt ist trotz aller Probleme attraktiv. Von den baltischen Republiken will Litauen, glaube ich, ab 1. Januar 2015 beitreten. Das heißt, Europa, auch der Euro-Raum, ist eine attraktive Region. So sollten wir das auch transportieren.

Wir brauchen die EU, um weltweit wettbewerbsfähig zu sein. Der Anteil Europas an der Weltbevölkerung und an der Wirtschaftsleistung sinkt kontinuierlich. Wir können nur durch eine europäische, durch eine europaweite Zusammenarbeit erfolgreich bleiben. Die EU braucht nicht SachsenAnhalt, aber Sachsen-Anhalt braucht die Europäische Union.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)