besondere sehr komplexe Entscheidungen sind, die dort getroffen werden müssen. Am Ende kann man dann über 100, 200, 300, 500 oder 700 m streiten, aber vor Ort müssen schwierige Entscheidungen gefällt werden. Das wird auch in Zukunft so bleiben.
Die Rechten begrenzen ihre Gewalt bei solchen Veranstaltungen gegenwärtig auf die Gewalt des Wortes, auf verbale Gewalt.
Linke Autonome, Linksradikale beschränken sich nicht auf verbale Gewalt, sondern üben bei diesen und anderen Veranstaltungen auch physische Gewalt aus. Sie sind nicht nur gegen die Nazis, sie sind wie die Nazis auch gegen das System
Wir als Demokraten - ich betone ausdrücklich: wir als Demokraten - in diesem Haus werden uns immer wieder fragen müssen, wie weit es uns gelingt, wie weit wir willens und fähig sind, uns von diesen Kräften zu trennen und klar zu unterscheiden.
Von meinem Büro aus konnte ich heute Morgen ein Plakat lesen, das die Überschrift trug: „Freiheit stirbt mit Sicherheit“. Darüber kann man nachdenken. Der Fallschirmspringer, der ohne den Fallschirm abspringt, stirbt auch mit Sicherheit. - Vielen Dank.
Es ist nicht in erster Linie eine Nachfrage, sondern nur eine vielleicht unwesentliche Kleinigkeit in diesem Kontext. Aber sie scheint mir doch wichtig.
Herr Miesterfeldt, Sie sagten, die Rechten beschränkten sich bei diesen Veranstaltungen auf die Gewalt des Wortes. Ich will Ihnen nur kurz sagen, dass das für den 12. Januar 2013 ausdrücklich nicht stimmt.
Am Rande der Veranstaltung haben drei Neonazis einen Polizeibeamten in Zivil krankenhausreif geschlagen. Mich überrascht es übrigens auch, dass das in der Öffentlichkeitsarbeit der Polizei überhaupt keine Rolle gespielt hat. Aber es war ausdrücklich eine Aussage im Innenausschuss, dass dies der Fall gewesen ist. Es war eine ganz gezielte Aktion gegen einen Polizeibeamten durch Nazis, diesen Menschen krankenhausreif zu schlagen. Also, sie beschränken sich mitnichten nur auf die Gewalt des Wortes.
Dies ist auch keine Frage, sondern eine Intervention. Herr Miesterfeldt, mit einigem oder sogar vielem, was Sie gesagt haben, kann ich konform gehen. Aber den Vergleich, auf den auch der Herr Kollege Gallert eben angespielt hat, kann man, finde ich, so nicht stehen lassen.
Die Behauptung, ungefähr zu sagen „Nazis bleiben immer friedlich“ oder „Wir können das mehrheitlich beobachten“
Sie geht genau in die Richtung, die die Neonazis selbst immer für sich in Anspruch nehmen. Wir sollten uns in keiner Weise, ob gewollt oder ungewollt, auf die Tatsache von pauschalen Annahmen oder von subjektiven Wahrnehmungen hin zum Sprachrohr einer solchen Argumentation machen.
Wir müssen uns die Zeit nehmen, genauer hinzuschauen, zu differenzieren. Herr Gallert hat schon darauf abgehoben: Nach dem 12. Januar 2013 hat es mehrere Anzeigen wegen Körperverletzung gegen Teilnehmer der Neonazidemonstration in Magdeburg gegeben. Es gibt das immer wieder. Es ist nicht die Ausnahme, es ist die Regel. - Vielen Dank.
Herr Kollege Herbst, Sie bekommen von mir 100 €, wenn Sie irgendwo eine Äußerung von mir finden, bei der ich Nazis jemals - wie haben Sie gesagt, friedliebend? - als friedliebend bezeichnet habe.
Wenn Sie noch einmal über die Formulierungen „die Gewalt des Wortes“ oder „die verbale Gewalt“ nachdenken und dann auch in die Geschichte blicken würden, um zu sehen, was den Nazis damals mit verbaler Gewalt gelungen ist - über Hitler gibt es den Spruch aus der damaligen Zeit: „Es gibt ihn eigentlich gar nicht, nur seine Reden“ -, dann wüssten Sie, dass ich die Gewalt des Wortes und die verbale Gewalt durchaus ernst nehme.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Dass am 12. Januar 2013 Neonazis in Magdeburg ihren geschichtsklitternden Trauermarsch exklusiv für deutsche Opfer nur am Rande der Stadt durchführen konnten, ist ein Erfolg für alle, die an diesem Tag auf die Straße gegangen sind, für die Besucherinnen und Besucher der Meile genauso wie für die Tausenden friedlichen Sitzblockiererinnen und Sitzblockierer.
Was in den Vorjahren mit der ausschließlichen Protestform einer statischen Meile der Demokratie nicht gelang, brachte diesmal in der Verbindung verschiedener Protestformen einen wichtigen Fortschritt. Die Neonazis konnten nicht ungehindert marschieren, sie konnten nicht unwidersprochen ihre unfassbare Behauptung deutscher Unschuld, untermalt durch heldische Musik und unter Fackelschein und Trauerbeflaggung, auf die Straße tragen. Das ist gut.
Der Dank hierfür gilt ausdrücklich der demokratischen Bürgergesellschaft in der Landeshauptstadt Magdeburg, unterstützt durch die vielen Menschen aus Sachsen-Anhalt und darüber hinaus, die an diesem Tag in Magdeburg auf der Meile der Demokratie und in der gesamten Stadt demonstriert haben, ganz überwiegend friedlich.
Wer nun versucht, die wenigen, die bedauerlicherweise an diesem Tag mit Gewalt gegen Sachen oder Menschen den Konsens friedlich Protestierender unterlaufen haben, heranzuziehen, um all die Tausenden zu diskreditieren, die friedlich gegen Nazis auf die Straße gegangen sind, dem sage ich sehr deutlich: Dieses Manöver ist durchsichtig. Es ist der Versuch, vom eigenen Versagen abzulenken, es ist der Versuch, Ignoranz gegenüber Neonazis als politisches Erfolgsrezept zu verkaufen. Das ist billig und das ist gefährlich.
Nazis zu ignorieren schwächt sie nicht, es lässt sie erstarken. Deshalb müssen wir alle jeden Tag aufs Neue gemeinsam gegen NS-Verherrlichung, Rassismus, Antisemitismus und menschenverachtende Hetze aktiv werden. Wegschauen ist keine Option.
Für viele Menschen gehört zum Hinschauen gegen Neonazis inzwischen, ihnen auch entschlossen, konsequent und friedlich entgegenzutreten. Sie wollen den Neonazis den öffentlichen Raum nicht unwidersprochen überlassen und entscheiden sich nach intensiver Gewissensprüfung für den zivilen Ungehorsam in Form friedlicher Sitzblockaden.
Diese Entscheidung nötigt mir Respekt ab, weil diese Menschen im Zweifel auch unter Inkaufnahme persönlicher Nachteile und Strafverfolgung die Spannung zwischen positivem Recht und Gerechtigkeit, zwischen Gesetz und Gewissen auszuhalten versuchen. Das erfordert Kraft, das erfordert Geduld und einen inneren Kompass, der auch durch Vertreter der staatlichen Ordnung und bloßen Verweis auf die Gesetze nicht erschüttert werden kann.
Der in Magdeburg lebende frühere Generalsekretär der katholischen Friedensorganisation Pax Christi, Kurator der Aktion Sühnezeichen und Träger des Lothar-Kreyssig-Friedenspreises Joachim Garstecki hat darauf verwiesen, dass der - Zitat - „Staat und seine Institutionen gut daran tun, die Vertreter des zivilen Ungehorsams in diesem Konflikt nicht pauschal als Rechtsverletzer“ zu kriminalisieren.
Peter Grottian hat zivilen Ungehorsam als - Zitat - „das Salz in der Suppe einer oft öden Demokratie“ bezeichnet. Für ihn ist ziviler Ungehorsam Ausdruck des plebiszitären Druckes derjenigen, die über keine privilegierte Einflussnahme verfügen.
Es ist die letzte Möglichkeit, Demokratiedefizite zu korrigieren, nachdem die klassischen demokratischen Wege versagt haben.
Mehr als 20 Jahre lang sind in diesem Landstrich Menschen, die sich gegen Neonazis engagieren, als Nestbeschmutzer verunglimpft worden. Mehr als ein Jahrzehnt lang konnte ein neonazistisches Terrornetzwerk in diesem Land unerkannt und unentdeckt morden, gedeckt von staatlicher Ignoranz und weil wir alle ein rassistisches Tatmotiv nicht wahrhaben wollten. Mehr als 180 Menschen starben seit 1990 durch rechte Gewalt.
Ziviler Ungehorsam in Form von friedlichen Sitzblockaden ist eine zutiefst demokratische Reaktion auf solche Missstände.