Ziviler Ungehorsam in Form von friedlichen Sitzblockaden ist eine zutiefst demokratische Reaktion auf solche Missstände.
(Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, von Herrn Gallert, DIE LINKE, und von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)
Die Blockiererinnen und Blockierer wollen und können nicht mehr ertragen, dass Neonazis für ihre menschenverachtende Ideologie von der Polizei die Straße freigeräumt wird, während antifaschistisches und demokratisches Engagement als extremistisch verunglimpft wird. Wir haben das heute hier wieder erlebt.
Ziviler Ungehorsam gegen diese deutschen Zustände ist verständlich, richtig und notwendig. Ziviler Ungehorsam in Form von Sitzblockaden, die genau wie andere Protestformen den Schutz der Versammlungsfreiheit genießen können, ist außerdem ein Erfolgsrezept. Frau Quade hat darauf verwiesen.
In Dresden haben erst massenhafte und friedliche Blockaden dafür gesorgt, dass Europas größter Naziaufmarsch ganz langsam Geschichte wird und dass der Opfermythos einer unschuldig bombardierten Stadt gebrochen wurde.
Ich wünsche mir, dass im kommenden Jahr auch in Magdeburg wieder Tausende gegen Nazis auf die Straße gehen und entschlossen den Aufmarsch der Geschichtsverdreher blockieren, konsequent, friedlich.
Ich wünsche mir, dass die Magdeburger Polizei bei ihrer schwierigen Arbeit im Widerstreit konfligierender Grundrechte dem Beispiel aus Dresden folgt, wo der neue Polizeipräsident nach Jahren härtester Einsätze und einer ganzen Reihe unverhältnismäßiger und zum Teil rechtswidriger Polizeimaßnahmen in der Vergangenheit nunmehr feststellte, dass - Zitat - „der Schutz einer rechtsextremen Demo keine unbegrenzte staatliche Verpflichtung“ sei, und betonte, er werde „für Nazis nicht kämpfen“.
Diese klar gezeigte Parteilichkeit für die Demokratie erhoffe ich mir für kommende Veranstaltungen auch in Magdeburg.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Erlauben Sie mir als ältestem Abgeordneten dieses Hauses mit einer ganz persönlichen Reminiszenz zu beginnen.
Ich bin im Februar 1944 in Biere bei Schönebeck geboren worden, weil meine Mutter aus Angst vor den zunehmenden Bombenangriffen auf Magdeburg zu ihrem Bruder auf das Land floh. Hier, nur etwa 15 km südlich von Magdeburg, erlebte ich als Kleinkind auf dem Arm meiner Mutter am 16. Januar vor 68 Jahren das nächtliche Bombardement. Hunderte von Bombern entluden ihre todbringende Last auf Magdeburgs Industriegebiete und die Innenstadt, und blutrot färbte sich der Himmel über der brennenden Stadt. Das hat mir meine Mutter später eindrücklich erzählt.
Angst und Verzweiflung machten sich breit. Die schöne Stadt Magdeburg, mein und unser Zuhause, wurde zum zweiten Mal in ihrer 1 200-jährigen Geschichte zerstört. Der von den Nazis angezettelte Krieg war an seinen Ausgangspunkt zurückgekehrt.
Mehr als 68 Jahre ist es nun her, als diese Ereignisse stattfanden und der Zweite Weltkrieg zu Ende war. Unsere jüngste Vergangenheit kommt allmählich in die Jahre und mit ihr die Menschen, die diese schreckliche Zeit miterleben mussten. Für die junge Generation schwindet daher die Möglichkeit, die Geschichte des Krieges und damit auch über die Zerstörungen aus erster Hand zu erfahren, meine Damen und Herren, über die Realität eines Krieges mit seiner menschenverachtenden Brutalität, seinen Schrecken und seinen Grausamkeiten. Deshalb ist es so wichtig, auch am heutigen Tage an unsere Verantwortung zu appellieren und aus der Vergangenheit zu lernen.
In den Tagen und Nächten in den Jahren von 1933 bis 1945 wurde die damalige Gesellschaft nicht nur verantwortlich für die ausgeglühten Gebäude und Häuser, sondern vor allem für die Ruinen auch in den Köpfen und Herzen der Menschen. Die Ruinen von Lidice, von Oradour, die Verbrennungsöfen von Auschwitz, die Soldatenfriedhöfe an der Somme und in Stalingrad sowie die zerstörten Städte und die zerstörte Landschaft sprechen dazu eine eigene Sprache. Sie sind die direkten Über
reste einer schrecklichen Nazivergangenheit, unverfälschte Zeugnisse von Ereignissen, die das gesprochene Wort oft gar nicht vermitteln kann.
Deshalb, meine Damen und Herren, ist genau diese Spurensicherung heute mehr erforderlich denn je. Diese Spurensicherung muss zu einem Widerstand gegen das Verbrechen und gegen die bewusste Geschichtsfälschung durch Ewiggestrige werden.
Die Opfer fordern uns dazu auf, sie mahnen uns: Denkt daran, Rassismus, Nationalismus, Intoleranz und Hass sind immer schlechte Ratgeber! Sie führen immer nur ins Unglück.
Um das immer wieder deutlich zu machen, brauchen wir auch eine solche Debatte wie heute. Von unserem Landtag sollte der Ruf ausgehen: Das darf in Deutschland niemals wieder passieren; für Nazis gibt es keinen Platz und Raum in unserer Gesellschaft!
Meine Damen und Herren! Als ehemaliger Schirmherr des „Netzwerkes für Demokratie und Toleranz“ und als Abgeordneter in Sachsen-Anhalt sehe ich mich immer wieder in der Pflicht, für die Werte einer freiheitlich-demokratischen Grundordnung einzutreten; denn zur Demokratie, zum Rechtsstaat, zur Toleranz und zur Weltoffenheit gibt es nun einmal keine Alternative.
Unterstützen wir deshalb aktiv die Landesinitiative und zeigen damit den Feinden der Demokratie deutlich an, dass sie in Magdeburg, in unserem Bundesland nicht erwünscht sind. Haben wir aber auch den Mut, meine Damen und Herren, mit den jungen Mitläufern, die den Nazis hinterherlaufen, ins Gespräch zu kommen, um sie zu überzeugen, von diesem Weg abzugehen.
Meine Damen und Herren! Ich danke den Organisatoren der Meile der Demokratie für ihre großartige Initiative und ihr Engagement.
Auch danke ich ausdrücklich den vielen Tausend Bürgerinnen und Bürgern, die ein klares Votum für einen friedlichen Protest gegen Nazis und die Feinde der Demokratie abgegeben haben.
Ich danke den Polizistinnen und Polizisten, die auf der Grundlage unserer Verfassung für Sicherheit und Ordnung gesorgt haben.
Sie hatten wahrlich einen schweren Job zu verrichten. Auch das sollte an diesen Tagen nicht unerwähnt bleiben.
Meine Damen und Herren! Ich sage aber auch an dieser Stelle ganz deutlich: Auch Minderheiten - mögen sie noch so edle Absichten haben - haben nicht die Freiheit der Intoleranz. Demokratie ist nun einmal die Staatsform, in der jeder ein Gewissen für das Ganze haben muss. Nur so können unsere Rechtsstaatlichkeit und unsere Demokratie funktionieren.
Dass der friedliche Protest auch zum Erfolg führte, hat uns der Herbst 1989 ganz klar und eindeutig bewiesen. Ich bin deshalb froh, dass ich in einem Staat lebe, der heute genau diesen friedlichen Protest verfassungsmäßig schützt.
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zeigen wir also Flagge! Schauen wir hin, wo immer Menschen anderer Religionen, anderer Hautfarbe oder Herkunft bedroht sind.
Erinnern schärft dabei unser moralisches Empfinden und unsere demokratische Wachsamkeit. Es verlangt von uns zu handeln, wo Menschen ihrer Menschenrechte beraubt werden, wo Minderheiten benachteiligt und unterdrückt werden oder wo Lüge die Wahrheit verdrängt. Wir müssen hinschauen und uns einmischen,
selbst bei dem geringsten Versuch, unserem Rechtsstaat und unserer Demokratie den Boden zu entziehen. Zivilcourage zeigen ist das, was wir täglich brauchen und was täglich von uns erwartet wird. Das dürfte meines Erachtens nicht zu viel sein.
Meine Damen und Herren! Schließen möchte ich mit einem, ich glaube, zeitlosen Zitat des deutschen Theologen, KZ-Häftlings und Mitglieds der Bekennenden Kirche Martin Niemöller. Diese Worte sollten hier und heute auch Appell und Mahnung zugleich sein. Martin Niemöller sagte - ich zitiere -:
„Als die Nazis die Kommunisten holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Kommunist. Als sie die Sozialdemokraten einsperrten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Sozialdemokrat. Als sie die Gewerkschafter holten, habe ich geschwiegen, ich war ja kein Gewerkschafter. Und als sie mich holten, gab es keinen mehr, der protestieren konnte.“
Meine Damen und Herren! Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit. - Frau Präsidentin, ich bitte den Antrag in den Innenausschuss zu überweisen.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich möchte ausdrücklich sagen, dass ich nicht auf das, was Dieter Steinecke sagte, erwidere.
Meine Damen und Herren! Ich möchte noch einmal auf den Punkt der Hörbarkeit und der Sichtbarkeit eingehen. Selbstverständlich hat es am 12. Januar 2013 in Magdeburg Protest gegeben. Ich habe das ausdrücklich gewürdigt. Ich habe aber auch die Funktionsweise von Naziaufmärschen beleuchtet. Ich habe auch die Rolle für die Selbstvergewisserung und die Ungestörtheit, die dabei natürlich ein wesentlicher Faktor ist, betont.
Natürlich hat es Menschen gegeben, die an den Naziaufmarsch herangekommen sind, die den Nazis vor Ort sagen konnten, was sie von ihnen halten. Aber das waren sehr, sehr wenige. Es waren zu wenige.
Wir finden, diese Selbstvergewisserung muss gestört werden und sie muss gestört werden können. Dafür sind die Voraussetzungen zu schaffen.
Nun zur Frage der Gewaltenteilung. Natürlich ist es die Exekutive, die hierbei handelt. Sie führt die von uns übertragenen rechtlichen Befugnisse auf. Natürlich haben wir das Recht und die Pflicht, zu beobachten und genau diese Ausübung einzuschätzen. Es ist der Gegenstand unserer täglichen Arbeit in den Ausschüssen und im Landtag, mit dem Handeln der Exekutive zufrieden zu sein oder nicht zufrieden zu sein.
Sie wissen ganz genau, dass es mir bei dem Wort „Kontrolle“ nicht darum geht, Kontrolle im Sinne der judikativen Kontrolle auszuüben. Selbstverständlich haben wir als Parlamentarier nicht das Recht, Handeln der Exekutive zu untersagen. Das ist die Aufgabe der Judikative, keine Frage. Darum geht es auch nicht.