Die - an dieser Stelle dürften wir uns wieder einig sein - zugegeben schwierige Aufgabe der Polizei an Tagen wie dem 12. Januar ist es, die Verhältnisse abzuwägen und die angemessenen Entscheidungen zu treffen. Sie hat dazu einen notwendigen und wichtigen Ermessensspielraum.
Für den 12. Januar sah die PD Nord in Magdeburg offenbar keine andere Möglichkeit, als mit einem Konzept der weiträumigen Trennung, mit einer Geheimhaltung des Aufmarschgebietes der Neonazis und mit einer massiven und, wie wir finden, in Teilen ungerechtfertigten Präsenz und Stärke durch Reiterstaffel und Wasserwerfer für Ordnung zu sorgen.
Dass dabei - wohlgemerkt - friedliche Protestierer über Stunden beispielsweise in der Hegelstraße festgehalten wurden, ohne dass es dafür eine Begründung, ohne dass es eine polizeiliche Durchsage gab, während die Nazis Kilometer entfernt ohne nennenswerten Widerspruch ihre Route laufen konnten, ist in unseren Augen eben nicht verhältnismäßig und damit nicht gerechtfertigt.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)
Nun ist die Argumentation: Wenn die Leute näher an den Naziaufmarsch herangekommen wären, dann wäre es nicht friedlich geblieben. Das, meine Damen und Herren, ist dann doch eine ziemlich abstrakte Gefahrenprognose.
Hier wäre es durchaus möglich gewesen - ich komme gleich zur jahrelangen Erfahrung - und es wäre auch im Sinne der Demokratie und der Deeskalation gewesen, diese Leute zumindest symbolisch in Richtung der Nazis laufen und ihren Protest dort artikulieren zu lassen.
Es gibt - und damit sind wir bei der jahrelangen Erfahrung - durchaus Beispiele dafür, dass es anders geht. In der letzten Woche, an dem Tag, an dem das neue SOG den Innenausschuss passierte, am 13. Februar, demonstrierten Tausende Menschen gegen den einstmals größten jährlich stattfindenden Naziaufmarsch in Europa in Dresden. Nach der Einschätzung der Polizei verlief der Tag überwiegend friedlich. Tausende Menschen stellten sich in bunter Vielfalt den ca. 900 Nazis in den
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)
Ihnen - das möchte ich an dieser Stelle ausdrücklich sagen - gilt mein Dank. Die Konsequenz daraus ist, dass der Naziaufmarsch in Dresden, der durch die enormen Proteste der letzten Jahre bereits mehrmals erheblich gestört wurde, für die Neonazis weiter an Bedeutung verlieren wird. Das Signal ist: In Dresden können Nazis nicht ungehindert marschieren. Das ist ein wichtiges und gutes Signal.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)
Von Magdeburg ging am 12. Januar dieses Signal leider nicht aus. Sehr viele Menschen haben auf sehr unterschiedliche Art und Weise auf der Meile der Demokratie mit verschiedenen Kunstaktionen und mit verschiedenen anderen Aktionsformen ihrem Protest Ausdruck verliehen. Das ist gut und das ist wichtig. Dieses Engagement ist ausdrücklich zu würdigen.
Über die Legalität der Einzelfälle von Blockaden haben nicht wir zu entscheiden. Die Frage der Legitimität ist aber eine politische. In den Augen meiner Fraktion ist es wichtig, als Landtag und als politische Akteure dieses Landes festzuhalten, dass auch die Möglichkeit der gewaltfreien Blockade ein legitimes Mittel ist, seinem politischen Protest gegen die antidemokratischen und menschenfeindlichen Positionen der Nazis Ausdruck zu verleihen.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)
Es ist eine Stärke der Demokraten, dass sie die Unterschiedlichkeit und das Nebeneinander der verschiedenen Aktionsformen nicht nur aushalten können, sondern sie auch anstreben. Denn genau diese Unterschiedlichkeit und diese Vielfältigkeit ist der Gegensatz zu Gleichschaltung und Uniformität. - Vielen Dank.
(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung von Frau Prof. Dr. Dalbert, GRÜNE, und von Herrn Striegel, GRÜNE)
Vielen Dank für die Einbringung. - Für die Landesregierung spricht der Innenminister Herr Stahlknecht. Bitte sehr.
genutzt, um Ihre Bewertung des Demonstrationsgeschehens im Landtag zu thematisieren. Sie haben als Einstieg in Ihre Rede gesagt, wir hätten gemeinsam gegen Rechtsextremismus zu kämpfen und vorzugehen, auch aufgrund unserer historischen Verantwortung. In diesem Punkt sind wir uns einig.
Sie haben das, was uns alle hier verbindet, als Eingangstor genutzt, um uns dann zu erklären, wie Sie sich Demokratie vorstellen, um uns die Demokratie zu erklären und am Ende festzustellen, dass Sie und Ihre Partei bessere Demokraten sind als die anderen. Das war die Intention.
Niemand, Frau Quade, auch ich nicht, hat Sitzblockaden als strafbewehrt dargestellt. Niemand hat Sitzblockaden kriminalisiert. Das Entscheidende ist aber, in einer Situationsabhängigkeit für sich feststellen zu können, welche Form von Protest eine Sicherheitslage zulässt.
Auf der Meile der Demokratie haben Tausende von Menschen hörbar und sichtbar in Magdeburg gegen Rechtsextremismus demonstriert. Dieses Hörbare und Sichtbare ist nicht nur in Magdeburg und in Sachsen-Anhalt, sondern deutschlandweit zur Kenntnis genommen worden, und der Aufmarsch der NPD eben nicht. Damit haben die Menschen, die sich in Magdeburg engagiert haben, das Ziel erreicht zu zeigen, dass wir gegen Rechtsextremismus sind und dass wir ein tolerantes und weltoffenes Land sind.
Es ist uns gleichzeitig gelungen zu erreichen, dass es nicht zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen ist. Denn Sie verschweigen in Ihren Ausführungen die uns vorher bekannte Tatsache, dass 700 Personen der linksextremistischen Szene, die als gewaltbereit in der Kategorie C eingestuft waren, anreisten.
Wir wollten an dieser Stelle schlicht und ergreifend ein Aufeinandertreffen von gewaltbereiten Linken und gewaltbereiten Rechten verhindern. Denn spätestens wenn sie aufeinander getroffen wären, hätten wir uns wieder im Landtag darüber unterhalten, nur mit einer von Ihnen verfolgten ganz anderen Intention.
Zu Ihren Ausführungen zu der Pflicht von Abgeordneten. Jeder Bürger in diesem Land hat das Recht, Demonstrationsgeschehen zu beobachten, auch die Polizei. In dieser Hinsicht haben Sie kein Alleinstellungsmerkmal, auch ich nicht. Das kann jeder Bürger tun. Aber sie haben bitte schön nicht die Pflicht dazu.
deln beobachten und Ihrer Einschätzung unterziehen, um es dann zu bewerten. Dazu habe ich eine ganz andere Auffassung.
Wenn Sie polizeiliches Handeln bei Demonstrationen beobachten, ist der nächste Schritt, dass Sie Frau Professor Kolb fragen werden, ob sie es zulässt, dass Sie bei staatsanwaltschaftlichen Durchsuchungen kontrollieren, ob die Polizei sich ordnungsgemäß verhält. Das ist nicht die Aufgabe eines Landtagsabgeordneten. Sie können beobachten, aber es ist es nicht Ihre Pflicht und es ist nicht Ihre Aufgabe.
Weder das Grundgesetz noch die Strafprozessordnung noch das SOG sehen eine solche Pflicht vor. Wir haben keine beobachtenden Kommissare aus dem politischen Bereich, die diese Beamtinnen und Beamten beobachten müssen.
Zu Punkt 4 Ihres Antrages. Liebe Frau Quade, liebe Partei DIE LINKE, das zeigt, dass Sie die Gewaltenteilung nicht verstanden haben. Sie fordern die Landesregierung auf, die unter den Punkten 1 bis 3 aufgezeigten Prämissen in den sicherheits- und ordnungspolitischen Konzepten des Landtages, beispielsweise bei künftigen Lageeinschätzungen und Einsatzkonzepten, zu berücksichtigen.
Gnädige Frau, die Einsatzkonzepte macht die Polizei, nicht der Landtag. Das ist eine Kernaufgabe der Exekutive. Dabei haben Sie - aus Ihrer Sicht sicherlich bedauerlicherweise - kein Mitspracherecht. Darüber müssen Sie sich bei Montesquieu beschweren, der die Gewaltenteilung eingeführt hat.
Wenn Sie zukünftig aus dem Parlament eine Polizei führen wollen, dann brauchen Sie eine Parlamentspolizei. Dazu müssen Sie nur das Grundgesetz ändern. Ansonsten führt sie das Innenministerium. - Danke.
Es schließt sich eine Fünfminutendebatte an. Als erster Debattenredner spricht der Abgeordnete Herr Miesterfeldt von der Fraktion der SPD.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Magdeburg, Dresden, Halberstadt und viele andere Städte in Deutschland und in Europa könnten noch unzerstört wie vor 80 Jahren stehen, Millionen Menschen hätten nicht sterben müssen, wenn in Deutschland in den 20er- und 30er-Jahren des 20. Jahrhunderts die Demokratie verteidigt worden wäre.
Das Volk wählte die Nazis, nachdem Angriffe von links und von rechts die junge Demokratie geschwächt hatten und die demokratische Republik zu wenige Verteidiger hatte.
Ich erinnere mich sehr intensiv an die Erzählungen von Eltern und Großeltern, die oft den Begriff der Straßenkämpfe beinhalteten. Sie berichteten, wie froh sie alle waren, als diese dann beendet waren, und dass ihnen aus heutiger Sicht gar nicht bewusst war, worüber sie froh waren.
Auch in der Demokratie - die Weimarer Republik ist ein Beleg dafür - muss widerstanden werden, wenn sie angegriffen wird. Es gilt sie zu verteidigen. Denn wenn sie nicht verteidigt wird, dann muss in der Diktatur widerstanden werden. Dann werden, so wie es die Geschwister Scholl und die Mitglieder der Gruppe „Weiße Rose“ vor 70 Jahren erleiden mussten, wieder Menschen in den Diktaturen sterben.
Auch Missachtung und Verachtung kann Widerstand sein. Ich glaube, wir sind uns alle darüber einig, dass es Situationen gibt, in denen beides nicht ausreicht. Die Intoleranten dürfen nicht durch die Toleranz in der Demokratie und durch die Toleranz der Demokraten gefördert werden. Das Monopol der physischen Gewalt muss aber beim Staat bleiben.
Lassen Sie mich auf zwei Dinge - ich erlaube mir, sie als praktische Dinge zu bezeichnen -, die in dem Antrag und in der Sache aufgerufen werden, eingehen, zum einen auf die Teilnahme an Sitzblockaden und zum anderen auf die Nähe der gegnerischen Demonstranten.
Auch eine Sitzblockade kann eine schützenswerte Versammlung sein. So zumindest verstehe ich die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2011. Sie wird zur Nötigung - das ist in dieser Entscheidung auch enthalten -, wenn die von der Blockade ausgehende Gewalt mit Blick auf ihre Ziele unverhältnismäßig groß wird. Es werden Kriterien festgelegt wie die Dauer der Aktion, die vorherige Bekanntgabe, Ausweichmöglichkeiten oder die Anzahl der von der Aktion Betroffenen.
Das Bundesverfassungsgericht hat damals die Hürden für eine Verurteilung wegen Nötigung aufgrund einer Teilnahme an einer gewaltfreien Sitzblockade stark angehoben. Auch das ist ein Zeichen unseres Rechtsstaates und übrigens auch der Gewaltenteilung.
Wie nah dürfen Demonstranten aneinandergeraten oder aneinander gelassen werden? Sicherlich wurden sie am 12. Januar in Magdeburg sehr weit voneinander entfernt gehalten. Aber wer die örtlichen Verhältnisse in Magdeburg kennt - das unterstelle ich hier einmal bei allen -, der weiß, dass das im Einzelfall sehr konkrete, praktische und ins
besondere sehr komplexe Entscheidungen sind, die dort getroffen werden müssen. Am Ende kann man dann über 100, 200, 300, 500 oder 700 m streiten, aber vor Ort müssen schwierige Entscheidungen gefällt werden. Das wird auch in Zukunft so bleiben.