Protocol of the Session on December 14, 2012

(Zuruf von der LINKEN: Genauso viel wie heute!)

Eigentlich genauso viel wie heute. Ich war Unteroffizier der Nationalen Volksarmee. Ich habe mich nicht als Mensch zweiter Klasse gefühlt.

Ich habe mich als Mensch zweiter Klasse gefühlt. Das darf ich Ihnen sagen.

(Zustimmung bei der CDU)

Dann haben wir unterschiedliche Lebensläufe hinter uns, sicher.

Es gab noch eine weitere Anfrage, aus Ihrer eigenen Fraktion. Möchten Sie auch die beantworten? - Herr Abgeordneter Krause.

(Herr Borgwardt, CDU: Genosse Haupt- mann!)

Herr Thiel, die Frage von Herrn Miesterfeldt suggeriert doch eigentlich, dass sich Herr Miesterfeldt in dieser seit 1990 neu gewachsenen Gesellschaft

von seiner ursprünglichen Position verabschiedet hat.

(Lachen bei der CDU und bei der SPD)

Lieber Kollege Krause, es würde mir jetzt sehr schwerfallen, mir sozusagen im Dialog mit Ihnen ein Werturteil über einen dritten Kollegen zu erlauben. - Ich glaube, dass das nicht der Fall ist. Es ist bereits von allen Kollegen hier gesagt worden, dass die Sehnsucht nach Frieden, nach einer friedlichen Welt allen immanent ist. Aber bei manchen kommt danach ein Komma und der Satz: Aber die Welt ist halt, wie sie ist.

(Zuruf von der CDU: Wie ist sie denn, Herr Thiel?)

Da sagen wir: Sie muss verändert werden. Es gibt Möglichkeiten grundsätzlicher Art, Konflikte mit zivilen Mitteln zu lösen. - Aber das wird von einem Teil der Kollegen leider nicht akzeptiert.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. - Damit ist die Debatte eröffnet. Die Landesregierung verzichtet unter Hinweis auf ihre Positionierung beim vorherigen Tagesordnungspunkt auf eine Stellungnahme. Für die Fraktion der SPD spricht Herr Abgeordneter Erben.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die gemeinsame Behandlung des Antrags der LINKEN mit der Beantwortung der Großen Anfrage zum Gefechtsübungszentrum Altmark bietet mir die Gelegenheit, mich jetzt weitgehend auf das zu beschränken, was den Zeitzer Forst betrifft.

Auch die Notwendigkeit des dortigen Standortübungsplatzes wird ja von der Antragstellerin angezweifelt. Ich will mir jetzt ersparen, mich im Einzelnen mit den „friedenspolitischen, umweltpolitischen, sozialen und demokratischen Gründen“ auseinanderzusetzen, die die LINKEN umtreiben.

Bevor ich jedoch die Position meiner Fraktion zum Thema der militärischen Nutzung des Zeitzer Forstes darlege, möchte ich schon darauf hinweisen, dass ich es wichtig finde, dass man auch gegen eine militärische Nutzung des Zeitzer Forstes oder der Colbitz-Letzlinger Heide sein kann, dass wir darüber diskutieren dürfen und dafür keine Nachteile fürchten müssen.

(Zustimmung bei der SPD)

Doch zum Zeitzer Forst als solchem: Die Bundeswehreinheiten in Weißenfels und Gera benötigen eine standortnahe Übungsmöglichkeit. Dazu ist der Standortübungsplatz geeignet. Wir benötigen beide Bundeswehrstandorte, in Gera und in Weißenfels.

Beide Standorte sind nämlich nicht nur Wirtschaftsfaktoren, als die sie immer gepriesen werden, sondern auch ZMZ-Standorte. Das heißt, sie werden für die zivil-militärische Zusammenarbeit vorgehalten, für die Pioniere und für den Sanitätsdienst. Damit sind sie als unverzichtbare Bestandteile in unser System des Bevölkerungsschutzes hier in Sachsen-Anhalt eingebunden.

Die Bundeswehr bei Hochwasser oder anderen Schadenslagen ganz schnell als Nothelfer zu rufen, sich aber von deren Üben gestört zu fühlen, hat mit verantwortlicher Politik in diesem Bereich nichts zu tun.

(Beifall bei der SPD)

Auch wir kritisieren den Verlauf des Genehmigungsverfahrens für die Standortschießanlage. Dieses wurde jedoch nicht von der Bundeswehr geführt, sondern vom Landratsamt des Burgenlandkreises. Die Genehmigung soll dem Vernehmen nach an schwerwiegenden formalen und materiellen Mängeln leiden. Diese Mängel hat jedoch nicht die Bundeswehr zu verantworten, sondern letztendlich die Behörde, die das Verfahren geführt hat.

Die Informationen sind da zurzeit widersprüchlich. Mal soll die Genehmigung aufgehoben worden sein. Dann heißt es, sie liege auf Eis. Dann stellt sich heraus, dass wir noch den Stand vom Frühjahr dieses Jahres haben. Eine abschließende Auffassung bilden wir uns dann, wenn die Fakten auf dem Tisch liegen.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Menschen um den Zeitzer Forst waren wegen der militärischen Nutzung des Zeitzer Forstes durch die sowjetischen Truppen über Jahrzehnte am Betreten des Zeitzer Forstes gehindert. Mit der Übernahme durch die Bundeswehr brach eigentlich eine neue Zeitrechnung für die Nutzung durch die Zivilbevölkerung an. Nach der Kampfmittelräumung in den 90er-Jahren war es der Zivilbevölkerung schon einmal erlaubt, den Zeitzer Forst außerhalb der Übungszeiten auf den Wegen - denn nur diese sind wirklich sicher im Sinne von Kampfmittelfreiheit - zu betreten.

(Zustimmung bei der SPD)

Die Gründe dafür, dass diese Betretungsmöglichkeit vor einigen Jahren aufgehoben wurde, mögen vielfältig sein. Es kommt mir an dieser Stelle überhaupt nicht zu, Schiedsrichter zu sein. Wir sehen jedenfalls keinen Grund, warum eine solche Regelung nicht schnell wieder eingeführt werden sollte. Entsprechende Initiativen haben wir gegenüber dem Landeskommando bzw. dem Wehrbereichskommando ergriffen. Die Zivilbevölkerung soll möglichst bald wieder den Zeitzer Forst außerhalb der Übungszeiten auf den Wegen betreten dürfen.

(Zustimmung bei der SPD)

Meine sehr geehrte Damen und Herren! Wir wollen das Machbare umsetzen. Wir setzen uns ein und glauben damit den Menschen am Zeitzer Forst mehr zu helfen als mit friedenspolitischen Grundsatzdebatten im Landtag von Sachsen-Anhalt am Beispiel eines Standortübungsplatzes für Pioniere und Sanitätssoldaten. Den Antrag werden wir heute hier ablehnen.

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Erben. - Als Nächster spricht in der Debatte Herr Abgeordneter Striegel.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Kolleginnen und Kollegen! So dankbar ich Ihnen, meine Damen und Herren von der LINKEN, für das Stellen der Großen Anfrage zur Intensivierung der militärischen Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide bin, so deutlich möchte ich den Tenor Ihres Antrags kritisieren.

Bei allem Respekt für entschieden pazifistische Positionen: Mit dem Vortext Ihres Antrags „Truppenübungsplätze in Sachsen-Anhalt rückbauen“ überspannen Sie den Bogen. Sie diffamieren die Bundeswehr und unterstellen den Soldatinnen und Soldaten, diese ließen sich von der Bundesregierung als „Interventionsarmee“ gebrauchen und verträten „in permanenten Kriegseinsätzen vermeintlich deutsche Interessen“.

Die Problematik von Auslandseinsätzen der Bundeswehr verdient eine differenziertere Debatte als Ihre verbalradikale Rhetorik.

(Beifall bei den GRÜNEN - Lachen bei der CDU - Herr Erben, SPD: Der traut sich was! - Unruhe)

Kollege Thiel, daran können Ihre Ausführungen nur zum Teil etwas ändern. Die Bundeswehr war und ist - das ist hier heute schon gesagt worden - eine Parlamentsarmee. Für ihren von Parlamentsmehrheiten gewollten Einsatz ist den Soldatinnen und Soldaten als Staatsbürgerinnen und Staatsbürgern in Uniform Respekt zu zollen.

Niemand in diesem Haus und niemand im Deutschen Bundestag - davon gehe ich aus - macht sich Entscheidungen in Fragen von Krieg und Frieden leicht.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Kein Abgeordneter des Deutschen Bundestages - so hoffe ich, so denke ich - schickt leichtfertig Soldatinnen und Soldaten in Auslandseinsätze. Ich habe vor diesen Entscheidungen ebenso großen

Respekt wie vor entschieden pazifistischen Haltungen.

Die Utopie einer Gesellschaft, die Armeen nicht mehr braucht, teile auch ich. Stehende Heere - da halte ich es mit Kant - sollten mit der Zeit ganz aufhören zu existieren. Bis dahin werden wir aber immer wieder auf Situationen stoßen, in denen Mandatsträgerinnen und Mandatsträger zu entscheiden haben, ob Armeen zwar nicht Frieden schaffen, aber Zivilisten schützen und friedliche Lösungen vorbereiten helfen können.

Auch meine Partei hat die Debatte um Auslandseinsätze intensiv und, ja, unter großen Schmerzen geführt. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN bekennen sich zur Parlamentsarmee, die im Rahmen von UN-Mandaten oder zum Schutz von Zivilisten auch im Ausland in engen Grenzen - zum Beispiel „responsibility to protect“ - zum Einsatz kommen kann.

Für Geiselnahmen, Herr Kollege Geisthardt, wäre vielleicht die GSG 9 doch das bessere Instrument. Da möchte ich eigentlich nicht die Bundeswehr losschicken.

Wer sich zum Einsatz der Bundeswehr unter UNMandat verhält, muss eingestehen, dass auch dafür Trainings- und Ausbildungsorte notwendig sind. Auf Truppenübungsplätze werden wir deshalb so lange nicht verzichten können, wie wir eine zum Beispiel unter UN-Mandat einsetzbare Bundeswehr als Parlamentsarmee einsetzen wollen oder müssen.

Die hierbei entscheidende Frage stellt sich mit Blick auf die Positionierung solcher Truppenübungsplätze. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN kritisieren sowohl den Ausbau des Gefechtsübungszentrums in der Altmark als auch die Schießanlage im Droyßig-Zeitzer Forst. Wir fordern die zivile Nutzung der Colbitz-Letzlinger Heide.

(Herr Miesterfeldt, SPD: Warum?)

Den konkreten Forderungen, die die LINKE im zweiten Teil ihres Antrages zusammengetragen hat, können wir deshalb unsere Zustimmung geben.

Wir beantragen in diesem Zusammenhang eine getrennte Abstimmung über beide Antragsteile. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN)