Protocol of the Session on December 14, 2012

„Wir haben eine störanfällige Informationstechnologie. Selbst Straßen, Wasserwege, Stromnetze und globale Vernetzung werden vor diesem Hintergrund zur kritischen Infrastruktur.“

Viertens.

„Unsere Interessen und unser Platz in der Welt werden wesentlich von unserer Rolle als Exportnation und Hochtechnologieland in der Mitte Europas bestimmt. Daraus folgt, wir haben ein nationales Interesse am Zugang zu Lande, zu Wasser und in der Luft.“

So weit Verteidigungsminister de Maizière.

Unsere Interessen und unser Platz in der Welt sollen also militärisch mit zweimal 10 000 im Dauereinsatz befindlichen Soldatinnen und Soldaten abgesichert werden. Dem dient der Ausbau der Truppenübungsplätze in Sachsen-Anhalt.

Die Frage ist doch, ob es in einer so komplexen Welt überhaupt möglich ist, solche Konflikte mit militärischen Mitteln zu lösen. Das ist die entscheidende Frage, der wir uns hier zu stellen haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich betone es immer wieder gern, auch wenn Sie es nicht hören wollen: Im Unterschied zu anderen halten wir eine Welt für möglich, in der Konflikte friedlich und mit zivilen Mitteln ausgetragen werden. Die Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Ursachen gewaltträchtiger Konflikte endlich energisch angegangen werden. Frieden verlangt nach einer Welt, in der es gerecht zugeht, in der allen der Zugang zu Nahrung, Wasser, Arbeit, Bildung und Gesundheit ermöglicht wird und in der über alle grundlegenden Menschenrechte verfügt werden kann. Das sollte Deutschlands wirklichen Interessen entsprechen und seinen Platz in der Welt bestimmen.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb wird es Sie nicht verwundern, dass wir gegen den Ausbau der Truppenübungsplätze sind, die diesem Ziel widersprechen.

Zum Vorhaben Schnöggersburg hat mein Kollege Herr Dr. Köck alles Wichtige gesagt.

Das andere Vorhaben, gegen das wir uns wenden, ist der Ausbau eines Schießplatzes im DroyßigerZeitzer Forst im Burgenlandkreis. Für 10 Millionen € soll der Schießplatz so ertüchtigt werden, dass er im Bereich eines Naherholungs- und FFH-Gebietes mit einer maximalen Nutzungsfrequenz von 28 800 Schuss am Tag, 3 600 Schuss pro Stunde und 9 600 Schuss in der Nacht betrieben werden kann. Für die Ausbildung von 1 300 Soldatinnen und Soldaten aus Thüringen und Sachsen-Anhalt sollen 7 000 m² Wald gerodet werden.

Interessanterweise begannen die Planungen für diesen Schießplatz lange vor der Strukturreform im Jahr 2011, also vor den Entscheidungen über den Abbau von Kapazitäten bei der Bundeswehr, und in der gleichen Art und Weise wie in der Altmark: klammheimlich, an der Öffentlichkeit vorbei.

Nach Bekanntwerden der Pläne hat sich die Bürgerinitiative „Kein Schuss im Zeitzer Forst“ gegründet, die das Vorhaben mit der Begründung der Lärmbelästigung, der Gefährdung der Bürger, der Eingriffe in die Natur und der nicht vollständigen touristischen Nutzbarkeit des Forstes verhindern möchte. Das Vorhaben der Bürgerinitiative und die traditionellen Ostermärsche unter Leitung des ehemaligen Oberbürgermeisters der Stadt Zeitz Dieter Kmietzcyk haben eine breite Resonanz unter den Anwohnern der umliegenden Ortschaften gefunden.

Das zwang auch den Landrat des Burgenlandkreises, eine erteilte Genehmigung auf Eis zu legen und ein neues Schallschutzgutachten zu fordern. Bisher hat sich jedoch nichts bewegt, sodass die Bürgerinitiative von einer Hinhaltetaktik spricht.

In den Begründungen der Bundeswehr für die Notwendigkeit dieses Standortschießplatzes heißt es stereotyp: Ausbildung für den Afghanistan-Einsatz. - Ein möglicher Bau könnte aber erst im Jahr 2013 fertig werden. Bis zum Jahr 2014 soll der Abzug der Bundeswehr bereits abgeschlossen sein. Dafür will man 10 Millionen € ausgeben? - Ein mehr als fragliches Vorhaben.

Gerade deshalb sprechen wir uns dafür aus, mehr Transparenz und Offenheit bei Vorhaben der Bundeswehr an den Tag zu legen und die kommunale Gestaltungshoheit zu wahren. Natürlich übersehen wir nicht, dass gerade im Bereich des Gefechtsübungszentrums Altmark durch die Vermischung von privaten und hoheitlichen Aufgaben Beschäftigung entstanden ist, die eine entsprechende Wirtschaftskraft hat. Von „Arbeitsplätzen“ möchte ich in diesem Zusammenhang aber nicht sprechen.

Gerade bei Fragen einer möglichen Konversion oder einer Nachnutzung ist es wichtig, die Bürgerinnen und Bürger der anliegenden Kommunen und die betroffenen Beschäftigten zu beteiligen. Die Bundeswehr - das haben wir in diesem Haus schon einmal festgestellt - ist auf Dauer kein nachhaltiger Faktor für regionale Entwicklungen. Wenn also die Wirtschaftskraft von Kommunen im Forst steigen soll, dann auf jeden Fall nicht durch die Produktion leerer Patronenhülsen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Krieg ist leider wieder zum Mittel der Politik geworden und an den Kriegen und an der Aufrüstung wird verdient. Wer Kriege verhindern oder erschweren will, der sollte fordern, dass Waffenexporte nicht nur

verboten werden, sondern auch wirklich nicht stattfinden,

(Starker Beifall bei der LINKEN)

und dass die Rüstungsproduktion in die Produktion ziviler Güter überführt wird. Kriege haben immer mehrere Seiten. Rüstung tötet eigentlich bereits im Frieden.

Ein Bruchteil der 1 700 Milliarden Dollar, die für die weltweite Aufrüstung eingesetzt werden, würde ausreichen, um in vielen Teilen der Welt eine Grundbildung und den Zugang zu sauberem Wasser sicherzustellen. Wir könnten verhindern, dass Menschen verhungern. Die Welt ist heute so reich, dass Armut nicht nötig ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Aussetzung der Wehrpflicht war Ergebnis anderer Aufgaben, einer anderen Zielsetzung und einer anderen Einsatzplanung der Bundeswehr. Die Bundeswehr soll fit gemacht werden für weltweite Militäreinsätze. Das geht mit Berufssoldaten besser als mit Wehrpflichtigen.

Im Leitspruch der Division Spezialkräfte heißt es - ich bringe das Zitat noch einmal, das ich vorhin bereits benutzt habe -: „einsatzbereit, jederzeit, weltweit“. Das ist die De-Maizière-Linie für die Bundeswehr.

Es heißt auch immer zur Begründung von Militäreinsätzen, sie seien die Ultima Ratio, das letzte Mittel, die letzte Vernunft. Wir erleben aber in der Politik, dass das letzte Mittel Militär immer mehr zum nächstliegenden Mittel wird. Die herrschende politische Logik hat Krieg und deutsche Kriegsbeteiligung wieder möglich gemacht.

(Widerspruch von Herrn Schröder, CDU)

Deshalb fordern wir mit unserem Antrag den Stopp des Ausbaus der Truppenübungsplätze und Alternativen im Bereich der Konversion unter umfassender Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger der betroffenen Regionen.

Für uns bleibt die Bundeswehr eine Verteidigungsarmee, entsprechend dem Grundgesetz. Das bedeutet - wie mein Kollege Harry Czeke in einem Interview treffend formuliert hat - „nicht, dass sie mit Lendenschurz und Plastikschwert kämpfen soll“. Aber den mit der Bundeswehrreform angestoßenen Aufrüstungsprozess gilt es zu stoppen. Deutschland soll sein politisches und wirtschaftliches Gewicht ausschließlich zivil einsetzen. Deshalb werbe ich um Zustimmung zu unserem Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön, Herr Kollege Dr. Thiel. Möchten Sie eine Anfrage beantworten?

Selbstverständlich.

Herr Kollege Miesterfeldt, bitte.

Lieber Kollege Thiel, nachdem die Kollegin Bull heute hinterfragt hat, warum meine Fraktionsvorsitzende nicht genug für Ostdeutschland übrig habe, möchte ich Sie etwas fragen. Sie haben zu Anfang Ihrer Rede ein Beatles-Lied zitiert. Sie haben es nach meiner Rückrechnung 1971 gesungen. Ich bin 1972 auf einem Wehrkreiskommando in Dresden gemustert worden. Mir gegenüber saßen Genossen der SED, unter anderem mein Staatsbürgerkundelehrer. Was, glauben Sie, hätten die mir geantwortet, wenn ich dieses Beatles-Lied zitiert hätte?

(Beifall bei der SPD - Zustimmung bei der CDU)

Lieber Herr Miesterfeldt, sie hätten Ihnen sicherlich die Frage gestellt: Warum sind Sie nicht bereit, den Sozialismus mit militärischen Mitteln zu verteidigen?

(Herr Kolze, CDU: Nein, er wäre eingesperrt worden!)

- Das ist die Frage, Herr Kolze, ob man wegen solcher Äußerungen gleich eingesperrt werden konnte.

(Widerspruch bei der CDU)

Sie wissen, es gab in der DDR Bausoldaten. Soldaten konnten sich also aus Gewissensgründen verpflichten, nicht an der Waffe zu dienen.

(Frau Budde, SPD: Denen ging es richtig gut!)

Als das Thema „Schwerter zu Pflugscharen“ aufkam, hat es entscheidende Änderungen im Bewusstsein vieler gegeben - auch bei mir selber. Das gebe ich ganz offen zu. Ich habe dann gemerkt, dass man dem Weltfrieden mit militärischen Mitteln am Ende nicht weiterhelfen kann.

Als 1989/90 die Wende herbeigeführt wurde und die DDR der Bundesrepublik Deutschland beitrat, gab es eine breite Bewegung, die sagte: Wir wollen in diesem Teil Deutschlands keine Armeen mehr, keine Rüstung mehr. Wir wollen keine Militarisierung des öffentlichen Lebens mehr haben. Deswegen gab es am Anfang der 90er-Jahre breite Zustimmung zu der Aussage: Das Militär soll raus aus der Colbitz-Letzlinger Heide und auch aus dem Zeitzer Forst.

Hier hat sich also ein Denken entwickelt, das mich veranlasst zu sagen: Der Gedanke von John Lennon ist heute aktueller denn je.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. Es gibt noch eine weitere Wortmeldung. Möchten Sie auch die beantworten?

Herr Abgeordneter Harms, bitte.

Herr Dr. Thiel, uns eint - nicht nur in der Adventszeit - der tiefe Wunsch nach Frieden. Uns eint auch eine gemeinsame Vergangenheit, die für den einen oder anderen durchaus mit Erfahrungen verbunden war, die es heute schwermachen, manche Positionen zu verstehen.

Ich möchte aber eine Frage stellen: Können Sie sich noch daran erinnern, wie viel ein einzelner Soldat damals in der DDR als Mensch wert war?

(Zuruf von der LINKEN: Genauso viel wie heute!)