Zweitens. Wenn Sie sagen, dass derjenige, der darüber entscheidet, der gleiche ist, der es nutzen will, dann ist das eine formale Zuständigkeit. Ich unterstelle aber gleichzeitig, dass derjenige, der formal zuständig ist, materiell-rechtlich unter vernünftigen Abwägungen im Rahmen eines Rechtsstaates aufgrund der Gesetze entscheidet. Das ist nämlich der Unterschied zur Willkür.
Danke schön, Herr Minister. Weitere Anfragen gibt es nicht. - Vielleicht für die jüngere Generation: Das hier zitierte Gedicht hieß „Bewaffneter Friede“. Es wurde schon in Kindergärten und Grundschulen vorgetragen und hatte im Wesentlichen die Notwendigkeit von Bewaffnung, Wehrhaftigkeit und von Armeen zum Inhalt, um somit Soldaten in Uniformen früh in das Bewusstsein ganz junger Kinder zu rücken. Ich sage das, weil das vermutlich nicht mehr alle wissen, aber ich denke, jetzt haben wir alle den gleichen Stand.
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Kollegen! Um es vorwegzunehmen: Ich kannte das Gedicht noch; es war nicht neu. Ich glaube, es war sogar in der ersten oder zweiten Klasse, als wir es kennengelernt haben. Aber ich bin kein Unterstufenlehrer. Insofern kann ich mich eher schemenhaft daran erinnern.
Die Bundeswehr ist aus guten Gründen eine Parlamentsarmee. Eben nicht die militärische Führung schickt die Soldatinnen und Soldaten in einen Einsatz, sondern das macht nun einmal der Deutsche Bundestag.
Damit geht die Verpflichtung einher, dass wir Soldaten gut vorbereitet in einen gefährlichen Einsatz schicken; denn alles andere wäre verantwortungslos.
Deswegen haben zumindest die politischen Parteien und deren Parlamentarier, die im Deutschen Bundestag für die Einsatzmandate gestimmt haben, die Pflicht, die materiellen Voraussetzungen für eben diese Einsatzvorbereitungen zu schaffen.
Nun will ich den LINKEN zugestehen, dass sie eben gegen diese Einsätze sind, und ich gestehe Ihnen natürlich auch das politische Recht zu, gegen den Ausbau des Gefechtsübungszentrums zu sein. Ich will nur wissen: Würden Sie am liebsten all das, was irgendwie im Entferntesten mit Militär zu tun hat, aus dieser Welt verbannen?
Ich gestehe Ihnen durchaus zu, dass das ein edler und schöner Ansatz ist, doch leider ist er sehr, sehr weit von der Realität entfernt, in der wir leben.
(Zuruf von der LINKEN: Ja! Und Sie sorgen dafür! - Gegenrufe von der SPD: Och! - Jetzt reicht es aber!)
Auch ich wünsche mir eine Welt, die frei von Krieg und Terrorismus ist und in der überall die Menschenrechte gewahrt werden. Doch es gibt in dieser Welt nun einmal leider auch Diktatoren und Terroristen, die sich von eben diesen Wünschen nur wenig beeindrucken lassen. Deswegen gehört unter anderem auch die internationale - ich zitiere - „Konfliktvermeidung und Krisenbewältigung“ zu den Aufgaben, die das Parlament der Bundeswehr gegeben hat.
An diesem Aufgabenspektrum muss sich auch die militärische Ausbildung orientieren. Dazu gehört eben auch, dass Übungsanlagen in einem Standard ausgebaut sind, dass sie den aktuellen und zu erwartenden Anforderungen für die Einsätze der Bundeswehr gerecht werden.
Kriseneinsätze gibt es in urbanen Gebieten; denn die Hälfte der Weltbevölkerung lebt mittlerweile in Großstädten. Wir wissen, dass sich Terroristen oft in Millionenstädten verbergen - wir sehen das beispielsweise in den Einsatzgebieten in Afghanistan - und diese als Kampf-, aber auch als Rückzugsräume ansehen. So müssen eben auch die Soldaten üben, sich dort zu bewegen und auf die Weise dafür zu sorgen, dass es keine großen Verluste in der Zivilbevölkerung gibt. Dem dient die Errichtung der Übungsstadt Schnöggersburg.
Die Errichtung der Übungsstadt wird nach unserer Überzeugung für die Natur verträglich erfolgen. Die unterstellte Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung wird nicht eintreten. Von einer Ablehnung des Vorhabens durch die Einwohner der Anliegergemeinden ist - zumindest nach meiner Kenntnis - weit und breit nichts zu sehen.
Im Unterschied zu früheren Nutzern des Truppenübungsplatzes geht die Bundeswehr mit der Natur schonend um. Sie nutzt die Heide, wie ich bereits gesagt habe, im besten Einvernehmen mit den betroffenen Kommunen. Das war und ist bekannt und ist nicht etwa durch die Fraktion DIE LINKE in diesem Hause oder im Deutschen Bundestag ans Tageslicht gebracht worden. Trotzdem wird die Empörungsmaschinerie angeworfen.
Ich will auf das eingehen, was Herr Köck heute hier zum Einsatzszenario gesagt hat. Herr Köck, Sie haben im Wesentlichen das Grundgesetz zitiert. Das, was Sie hier als verwerfenswertes Einsatzszenario dargestellt haben, ist Bestandteil des Grundgesetzes und der Regelungen zu dem, was die Bundeswehr tun darf und muss.
Ich will auf das eingehen, was Sie, Herr Kollege Gallert, am 20. November 2012 in einer Pressekonferenz zur Großen Anfrage vorgetragen haben. Sie haben vor drei Wochen der Bundeswehr vorgeworfen, sich in der Colbitz-Letzlinger Heide auch auf Bürgerkriege in Europa vorzubereiten. Dann schlugen Sie auch gleich den Bogen nach Griechenland und sprachen von dortigen - ich zitiere - „fast bürgerkriegsähnlichen Zuständen“. Ich halte das für ungeheuerlich.
(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank - Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE)
Sie haben Glück gehabt, dass das in den Medien Griechenlands niemanden erreicht oder möglicherweise niemanden interessiert hat. Aber gesagt ist gesagt. Deswegen kann ich Ihnen meinen Schlusssatz nicht ersparen: Verantwortliches Handeln für Europa sieht anders aus.
Herr Kollege Erben, abgesehen davon, dass mir als Haushälterin bei mehr als 100 Millionen € das Herz blutet, während wir hier um jeden Euro ringen - können Sie bitte meine geografischen Kenntnisse etwas auffrischen? Wo gibt es in Afghanistan U-Bahnen? Wo gibt es in Mali U-Bahnen?
Ich habe dort keine gefunden. Ich wusste nicht, dass es so etwas dort gibt, und ich verstehe nicht, warum wir unbedingt eine U-Bahn in Schnöggersburg bauen müssen.
Das Letzte stimmt mit Sicherheit. Mir ist in Afghanistan keine U-Bahn über den Weg gefahren, zumindest an den Stellen, an denen ich dort bisher war. Aber ich habe beschrieben, dass es auch darum geht, dass die Bundeswehr darauf vorbereitet sein muss, sich im urbanen Gelände zu bewegen.
Ich will das jetzt nicht zu weit ins Militärische hineindrängen, aber bei den früheren Ortskampfanlagen der Bundeswehr oder auch der NVA wurde unterstellt, dass sich die Zivilbevölkerung längst dünne gemacht hat, wenn es einen solchen Einsatz gibt, sodass dann quasi durch die Häuser gegangen wird. Heute muss die Bundeswehr darauf vorbereitet sein, bei ihren Einsätzen die Zivilbevölkerung zu schonen. Diese ist dann nämlich dort, wenn es zu solchen Einsätzen kommt.
Wenn Sie sich die Pläne anschauen, dann stellen Sie fest, dass dort keine ganzen U-Bahn-Anlagen gebaut werden. Das können Sie für 100 Millionen € natürlich überhaupt nicht tun; vielmehr wird ein realistisches Szenario geschaffen.
(Zuruf: Das stimmt! - Frau Dirlich, DIE LIN- KE: Das der U-Bahn in Afghanistan? - Zuruf: Das ist wie in Staatsbürgerkunde! - Unruhe bei der SPD und bei der CDU)
Ich habe mich gemeldet wegen Ihrer Empörung ob meiner Einschätzung, dass man hier bürgerkriegsähnliche Zustände übt und dass sich diese natürlich im europäischen Kontext bewegen.
Das, was mich dazu veranlasst hat, war genau dieses Problem: So viele U-Bahn-Stationen gibt es in den bisherigen Einsatzgebieten nicht. Offensichtlich ist man der Meinung, dass sich diese Bürgerkriegseinsatzorte der Bundeswehr im europäischen Kontext, im EU-Kontext bewegen können. Oder man trainiert für die USA. Ich weiß es nicht.
Ich sage es ausdrücklich: Wenn Sie sich die Rechtfertigung für diese Strategien anschauen und die entsprechenden Dokumente der Bundeswehr dazu lesen, dann geht daraus explizit hervor, dass sozial verursachte bürgerkriegsähnliche Zustände eine der typischen Einsatzsituationen für die Bundeswehr sein werden.
Dazu sage ich ausdrücklich: Ja, es macht mir Angst, dass wir hier eine Bundeswehr trainieren, die sich sehr wohl in bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen, die sozial verursacht sind, einmischt.