Wir müssen diese Generation stärker in unsere politische Debattenkultur einbeziehen und Politik vor allem auch für diese Gruppe stärker erlebbar machen.
Drittens. Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die dritte Botschaft knüpft nahtlos an das an, was meine Kollegin Angela Gorr zur vorherigen Aktuellen Debatte mit Blick auf die Friedrich-EbertStiftung hier am Pult gesagt hat: Bildung und Partizipation sind der Schlüssel für ein besseres Demokratieverständnis. In diesem Sinne ist SachsenAnhalt Heimat und auch liebens- und lebenswert. Wir als Fraktion wollen weiter daran mitwirken.
Der Titel der Debatte hieß: Wird es besser? - Es wird besser, aber gut genug ist es nie. - Herzlichen Dank.
Danke schön, Herr Kollege Schröder. Es gibt noch eine Anfrage von Frau Kollegin Quade. Möchten Sie sie beantworten? - Bitte schön.
Ich habe jetzt mit großem Interesse zur Kenntnis genommen, dass Sie die Veröffentlichung der kompletten Zahlen der Studie begrüßen. Meine Frage ist, warum dann die Vertreter Ihrer Fraktion im Kuratorium der Landeszentrale, in dem diese Veröffentlichung ja erst beschlossen werden musste, gegen die Veröffentlichung gestimmt haben.
(Herr Gallert, DIE LINKE: Tja, Herr Schrö- der! - Frau Budde, SPD: Weil die vielleicht anderer Meinung waren? Das soll passie- ren!)
Da die Methodik über Jahre hinweg eine gewisse Fortschreibung erfahren hat, hat uns und auch die Mitglieder unserer Fraktion im Kuratorium die Kritik an der wissenschaftlichen Tragfähigkeit, an dem Aussagekontext der Studie überrascht. Deshalb haben sie sich so geäußert. Eigentlich ist es schade, dass es notwendig ist, ein solches Prinzip anzuwenden.
(Herr Gallert, DIE LINKE: Das ist üblich! - Herr Striegel, GRÜNE: Das sollte selbst- verständlich sein!)
- Immer mit der Ruhe! Ich habe es doch begrüßt, dass alles jetzt öffentlich gemacht wird und dass man die Veröffentlichung dieser Details nutzen will, um nachfragen zu können, um auch bestimmte Untiefen auszuloten. Das hat man oppositionsseitig ausführlich erklärt. Wir bedauern aber das Motiv der Opposition für diese Offenlegung!
Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich spreche jetzt doch noch einmal. Ich möchte daran erinnern: In der Aktuellen Debatte unter der Überschrift „Wird es besser?“, die etwas pädagogisch anmutet, geht es um das recht umfangreiche Datenmaterial des Sachsen-Anhalt-Monitors. Zwischenzeitlich hatte ich den Eindruck, wir machen eine Aktuelle Debatte über das Verhalten des Kollegen Striegel in sozialen Netzwerken. Das, so sage ich jetzt einmal, ist ein bisschen am Thema vorbei.
(Beifall bei der LINKEN - Herr Miesterfeldt, SPD: Das ist durchaus noch verbesserungs- würdig! Er kann noch viel lernen!)
Wenn Herr Schröder meint, dieses Material eigne sich nicht als Instrument der Opposition, dann sage ich: Herr Schröder, es eignet sich aber auch nicht als politisches Instrument der Koalition, um die Erfolge zu feiern.
Dieser Eindruck hat sich mir bei Ihrer Rede, Herr Schröder, ganz massiv aufgedrängt. Deswegen werde ich mit dieser Bemerkung einsteigen. Aber so ist es immer mit politisch relevanten Datenerhebungen.
Wir haben den Sachsen-Anhalt-Monitor mit sehr vielen Daten. Er setzt unterschiedliche Schwerpunkte. Die Ergebnisse kann man immer unterschiedlich interpretieren. Dann haben wir auch noch das Spannungsverhältnis zum Beispiel zu der Studie von Professor Brähler von der FriedrichEbert-Stiftung, aber auch ein erhebliches Spannungsverhältnis zu den Ergebnissen des SachsenAnhalt-Monitors. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen.
Natürlich setzen die Leute in einer politischen Auseinandersetzung unterschiedliche Schwerpunkte und sie haben unterschiedliche Interpretationen. Deswegen will ich in meiner Rede auf zwei Bereiche eingehen, nämlich: Was ist in diesem Raum wohl weitgehend konsensfähig und was ist bei der Bewertung strittig?
Erstens. Konsensfähig scheint die folgende These zu sein: Es gibt eine zunehmende Identifikation mit dem Land Sachsen-Anhalt mehr als 20 Jahre nach seiner Gründung. - Das scheint nicht bestritten zu werden. Mir war klar, dass das heute als politischer Sieg der regierungstragenden Fraktionen gefeiert wird. Ich sage: Das ist eine Entwicklung, die abzusehen war. Sie ist parallel vollzogen worden.
In der Bundesrepublik West gibt es nach der Länderneugliederung die klare Aussage: Eine Generation macht es faktisch und setzt sich durch. - Herr Bernward Rothe, auch das müssen wir uns einmal zu Gemüte führen. Das Zeitfenster struktureller Neugliederungen schließt sich jetzt auch im Osten wie auch schon im Westen. Das sind Positionen, die wir einfach einmal zur Kenntnis nehmen müssen.
Zweitens. Es gibt nach wie vor überhaupt keine neue Erkenntnis einer großen Zustimmung zu abstrakten demokratischen Grundaussagen wie zum Beispiel: Die Demokratie ist besser als eine Diktatur usw. - Das ist keine neue Erkenntnis; sie hat sich wieder bestätigt. Genauso bestätigt hat sich eine außerordentlich kritische Sicht auf die politische Realität und die Repräsentanten dieses politischen Systems. Diese Aussage ist kontinuierlich vorhanden und auch im Sachsen-Anhalt-Monitor wieder definiert.
Ich habe auch die Interpretationen des Autors und natürlich von Politikern gehört: Die Landesregierung und auch der Landtag von Sachsen-Anhalt sind in der Skala von minus zwei bis plus zwei hervorragend vorangeschritten und haben die Bundespolitik jetzt ordentlich hinter sich gelassen.
Aber worin besteht denn diese Entwicklung, liebe Kolleginnen und Kollegen? - Wir haben uns jetzt sozusagen der Null genähert. Wir sind also den Leuten, um es einmal ein bisschen provokant zu sagen, inzwischen egal, während sie vorher etwas gegen uns hatten. Das ist nicht unser Anspruch. Deswegen ist dies nach wie vor ein kritischer Befund, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Drittens. Die Problemlösungskompetenz der Politik und die Möglichkeit der eigenen Partizipation wird nach wie vor - ich sage es hier mit aller Deutlichkeit - miserabel beurteilt. Die Problemlösungskompetenz, die bei der Politik vermutet wird, und auch die Möglichkeit, sich selbst substanziell in die politische Entscheidungsfindung einzubringen, werden außerordentlich schlecht bewertet. Hierbei ist der Trend nicht positiv. Er ist, wenn überhaupt ein Trend da ist, noch negativ.
Das ist ein ausdrücklich kritischer Befund aus dem Material des Sachsen-Anhalt-Monitors. Das ist deswegen kritisch, weil Professor Brähler von der
Friedrich-Ebert-Stiftung in seiner Studie Recht hat. Er sagt nämlich: Wenn die Leute den Eindruck haben, das politische demokratische System kann die Probleme nicht lösen, und wenn sie sich darin nicht wiederfinden, dann führt das mittel- und langfristig zur Erosion demokratischer Grundwerte. Deswegen ist dieser Befund außerordentlich gefährlich und wir müssen ihn ernst nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Viertens. An dieser Stelle waren mir die Debatten heute viel zu monokausal: Es gibt einen proportionalen Zusammenhang zwischen Bildung und Zustimmung zur Demokratie auf der einen Seite und antirassistischen Positionen auf der anderen Seite. Aber so monokausal ist es eben nicht.
In dem Komplex, in welcher sozialen Situation die Leute leben, gibt es einen Zusammenhang: Haben sie stabile hohe Einkommen? Haben sie ein hohes Maß an sozialer Sicherheit? Haben sie ein höheres Maß an Bildung? - Das sind Dinge, die zusammenspielen.
In diesem Komplex gibt es eine Korrelation: Je unsicherer sich die Leute fühlen, je geringer ihre Einkommensmöglichkeiten sind und je geringer der Bildungsgrad ist, umso höher ist ihre Anfälligkeit für rassistische und antidemokratische Positionen. Der gesamte Komplex der sozialen Situation der Menschen ist ausschlaggebend. Bildung und Demokratie ist kein monokausales Thema, sondern die Dinge sind komplexer.
Auch das beweist der Sachsen-Anhalt-Monitor - übrigens identisch mit der Studie der FriedrichEbert-Stiftung - in sehr guter Art und Weise. Auch diese Dinge sollten wir weiter herannehmen und zum Leitfaden unserer Haltung machen.
Jetzt kommen wir zur Kontroverse, nämlich zu der Frage und der Einschätzung: Wie hoch ist das Ausmaß der Fremdenfeindlichkeit, der Ausländerfeindlichkeit oder des Rassismus? - Es gibt einen wissenschaftlich definierten Begriff, der sich seit vielen Jahren bewährt hat, nämlich den Begriff der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit. Da gehen die Haltungen tatsächlich auseinander: Während Professor Brähler sagt, in Ostdeutschland entwickele sich dies nach oben, sagen Professor Holtmann und zum Teil etwas abgeschwächt auch der Thüringen-Monitor, dies gehe nach unten.
Dann ist es doch das Normalste, was man als aufgeklärter Rezipient solcher Studien tun kann, eine Methodenkritik zu machen, nämlich zum Beispiel zu fragen, wie die Leute zu dem Ergebnis kommen.
Dazu sage ich ausdrücklich: Frau Budde, das ist keine Majestätsbeleidigung. Wer mit seinen wissenschaftlichen Ergebnissen in die Öffentlichkeit
geht, der muss wissen, dass dort, wo gekegelt wird, auch gezählt wird. Das trifft für Wissenschaftler genauso zu wie für Politiker. Da kann man sich diese Dinge anschauen.
Die Empörung beim Sachsen-Anhalt-Monitor ist riesengroß, während permanent erzählt worden ist, das mit der Stichprobenerhebung bei der FriedrichEbert-Stiftung sei alles Quatsch. Da sind die Kritiken offensichtlich völlig berechtigt gewesen. Hier hingegen sind sie eine Art Majestätsbeleidigung. Das finde ich völlig überzogen.
Schauen wir uns die Punkte einmal an: Was hat die Friedrich-Ebert-Stiftung gemacht? - Sie hat 2 500 Leute befragt, 2 000 im Westen und knapp 500 im Osten. Dann wurde gesagt: In dem Bereich der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit gibt es unterschiedliche Entwicklungen, und zwar im Westen Stagnation und im Osten einen Aufwuchs.
Dazu sage ich: Von der Fallgruppenanalyse, von der Methodik her, die seit 15 Jahren von Heitmann, Stöss usw. entwickelt wird - das sind die großen Koryphäen, die die Grundlage dafür geliefert haben -, ist das unbestritten, das kann man so machen. Sie haben nie behauptet, für SachsenAnhalt etwas gemacht zu haben. Sie haben aber gesagt: In Ostdeutschland gibt es ein relativ homogenes Phänomen über die ostdeutschen Bundesländer hinweg. Das haben sie getan und das ist auch seriös.
In diesem Kontext kann man sich natürlich trotzdem über Fallgruppen unterhalten. Auch ich habe eine Kritik an der Studie der Friedrich-EbertStiftung. Sie hat zum Beispiel gesagt, es gebe einen dynamischen Prozess der Entwicklung antidemokratischer und rassistischer Verhaltensweisen und Einstellungen bei den Jüngeren in Ostdeutschland. Dann guckt man sich an, wie die Gruppengröße ist - bei der Friedrich-Ebert-Stiftung kann man das im Gegensatz zum Sachsen-AnhaltMonitor nachlesen -, und stellt fest: Es geht um 65 Leute. Dazu sage ich: Das wird schwierig.
Das Problem besteht aber beim Sachsen-AnhaltMonitor genauso. Darin gibt es die Problemgruppe, explizit ausgeführt, der sogenannten kleinen Landstädte. Das sind Städte und Gemeinden mit politischer Selbständigkeit und einer Größenklasse von 2 000 bis 5 000 Einwohnern.
Wissen Sie, wie viel Prozent der Bevölkerung in Sachsen-Anhalt in solchen Gemeinden wohnen? - Das sind weniger als 6 %. Wenn der SachsenAnhalt-Monitor dies den wissenschaftlichen Aspekten zufolge vernünftig aufgesplittet hat, dann müsste sich diese Gruppe im Sachsen-AnhaltMonitor in einer Stärke von etwa 70, maximal 75 wiederfinden.
In diesem Zusammenhang sind also die Aussagen über diese Gruppe genauso zu kritisieren wie bei der Friedrich-Ebert-Stiftung über die Jüngeren. Wenn wir uns an einer solchen Stelle einmal ein bisschen der Realität nähern würden, dann könnten wir die Polemik, die es heute gegeben hat, ein Stück weit zurückstellen.