Der Text der Beschlussempfehlung, Herr Kollege Kolze, verharrt in der Vergangenheit und deutet die Geschichte um. In Quedlinburg wie auch in Hoyerswerda und Rostock-Lichtenhagen versagten Staat und Gesellschaft. Dieses Versagen bereitete den Nährboden, auf dem das Terrornetzwerk des NSU gedeihen konnte.
Andererseits waren staatliche Stellen - anders als es Ihre Beschlussempfehlung suggeriert -, war die Polizei - Frau Quade hat dies ausgeführt - zunächst weder willens noch in der Lage, gegen diejenigen vorzugehen, die in blankem Hass auf Asylsuchende Steine und Brandsätze warfen.
Zum Schutz dieser Menschen fand sich nur eine kleine Gruppe Quedlinburgerinnen und Quedlinburger bereit. Sie, die engagierten Bürgerrechtler aus DDR-Zeiten, Stadträtinnen und Stadträte, Abgeordnete und Antifas, verhinderten durch ihre physische Präsenz als Mahnwache den Sturm auf das Haus. Sie wurden mit Flaschen und Steinen beworfen und mussten sich vom örtlichen Einsatzleiter der Polizei als Teil des Problems, wenn nicht gar als Ursache der Ausschreitungen beschimpfen lassen.
Es ist bedauerlich, dass die Fehler staatlicher Stellen in der Vergangenheit, aber auch eine Vielzahl von Verbesserungen im polizeilichen Umgang mit Rechtsextremismus durch Ihre Textfassung nicht mehr benannt werden.
Kein realsozialistischer Plattenbau, kein fehlender Jugendklub, keine Politikverdrossenheit und keine Perspektivlosigkeit können Verbrechen, wie sie in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Quedlinburg geschahen, rechtfertigen.
Ignatz Bubis, einer der wenigen, wenn nicht der einzige Würdenträger, der im Jahr 1992 nach Rostock-Lichtenhagen gefahren ist, hat das fassungslos und unter Tränen beschrieben - Zitat -: „Die Menschen hier können doch nichts für die sozialen Umstände.“
Ein Rostocker CDU-Stadtrat empfahl dem Deutschen Ignatz Bubis sodann die Ausreise nach Israel. Von der Regierung Kohl musste er sich des Beileidstourismus zeihen und von Martin Walser in seiner Rede in der Paulskirche mit antisemitischen Klischees beleidigen lassen.
Dass Ihre Beschlussempfehlung den Rassismus als Triebkraft der damaligen flächendeckenden Ausschreitungen durch Verweis auf Entwurzelung und Perspektivlosigkeit zu relativieren sucht, finde ich, finden wir beschämend, insbesondere weil Sie zum gesellschaftlichen und politischen Klima die
ser Herbsttage schweigen. Dieses war geprägt von einer Vielzahl von „Das Boot ist voll“-Kommentaren konservativer Politiker und fremdenfeindlicher Berichterstattung.
Mit dem Hinweis an die Sozialdemokraten, wenn keine Regelung zur Einschränkung des Grundrechts auf Asyl gefunden würde, sei - Zitat - „jeder zukünftige Asylant ein Asylant der SPD“, gelang es der CDU, eine Zweidrittelmehrheit für eine Verfassungsänderung zu mobilisieren. Der sogenannte Nikolaus-Kompromiss, geschlossen im Dezember vor 20 Jahren, schaffte das Asylrecht praktisch ab. Mit der Drittstaatenregelung entzog sich die Bundesrepublik ihrer Verantwortung und verlagerte den Grundrechtsschutz an die europäischen Außengrenzen.
Die polemische und von fremdenfeindlichen Klischees durchsetzte Diskussion um die deutsche Asylgesetzgebung und die rassistischen Pogrome zu Beginn der 1990er-Jahre bedingten sich gegenseitig. Das zu verschweigen verfälscht die Erinnerung.
Dass der Text der Koalitionsfraktionen mit Blick auf Verantwortung im Hier und Jetzt konkrete Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Demokratiefeindlichkeit nur vage in den Blick nimmt, ist in der Logik Ihres Antrages konsequent, kann aber all denjenigen nicht genügen, die mehr und verstetigtes Engagement des Landes gegen Neonazis, Rassismus, Antisemitismus und Demokratiefeindlichkeit erwarten.
Die nun vorliegende Fassung unseres vormaligen Antrags relativiert aus der Sicht der bündnisgrünen Fraktionen und versagt in der konkreten Auseinandersetzung mit Rassismus und Demokratiefeindlichkeit in unserem Bundesland in der Gegenwart. Deswegen lehnen wir die Beschlussempfehlung ab.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Lassen Sie mich zunächst an unseren Innenminister Herrn Stahlknecht anknüpfen. Ich glaube, es ist ein gutes Signal, das heute vom Bundesrat ausgegangen ist, nämlich dass die Bundesländer endlich das NPD-Verbotsverfahren auf den Weg gebracht haben. Das ist ein Signal, worauf wir lange gewartet haben. Ich denke, es ist auch ein deutliches Zeichen gegen Rechtsextremismus in dieser Republik.
Meine Damen und Herren! Ich denke, es war gut, dass sich der Landtag an die Ereignisse von vor 20 Jahren in Quedlinburg und anderswo erinnert hat. Das Signal, das davon ausgeht, nämlich dass wir diese Ereignisse gewürdigt haben, dass wir sie aber gleichzeitig auch als Mahnung verstehen, eint uns in diesem Haus.
Ich bin froh darüber, dass der Innenausschuss den Ursprungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom Kopf auf die Füße gestellt hat.
Wenn wir aus dem, was uns der Innenausschuss mit auf den Weg gegeben hat, die Botschaften interpretieren, dann ist die erste Botschaft zunächst einmal, dass es richtig war, dass wir uns erinnert haben, dass wir das immer wieder auch als Mahnung verstehen und dass wir uns hier in diesem Haus bei der Einbringung des Antrages ausführlich mit den Hintergründen und den Ursachen beschäftigt haben. Vor diesem Hintergrund ist es jetzt, wenn es um die Beschlussfassung geht, richtig, uns mit den Schlussfolgerungen zu befassen.
Die zweite Botschaft, die von der Beschlussfassung des Innenausschusses ausgeht, ist, dass wir vom Landtag aus nach wie vor und auch dauerhaft die politisch-gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Extremisten und ihren Verbündeten vertieft fortsetzen werden. Hierzu ist es wichtig, dass wir das auch in den Vereinen, Verbänden und Organisationen als wichtigen Baustein für die Zukunft verankern.
Die dritte Botschaft, die uns der Innenausschuss mit auf den Weg gibt, ist, dass sich der Landtag für eine Verstetigung des Landesprogramms für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit als zentrales Instrument ausspricht, um rassistischen und demokratiefeindlichen Einstellungen entgegenzutreten. Damit haben wir bei diesem Programm schon Erfahrungen gesammelt. Nichtsdestotrotz können wir dieses Programm auch weiterhin nutzen und sicherlich auch ausbauen.
Die vierte Botschaft, die wir auf den Weg mitbekommen haben, ist, dass wir selbstverständlich alle Aktivitäten, nicht nur der Landesregierung, sondern auch von Verbänden und Organisationen in unserem Land, unterstützen, dass wir unser Land für Migrantinnen und Migranten offener machen, dass wir dafür bessere Zuwanderungsbedingungen schaffen und die Zuwanderung erleichtern. Hierzu dient insbesondere auch die Einbürgerungskampagne.
In diesem Sinne kann ich an dieser Stelle nur sagen, dass es wichtig ist, dieser Empfehlung des Innenausschusses zu folgen. - Danke schön.
delt es sich um die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Sport. Wer dieser zustimmt, den bitte ich um das Kartenzeichen. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Das sind die Oppositionsfraktionen. Damit hat die Beschlussempfehlung eine Mehrheit gefunden. Wir verlassen den Tagesordnungspunkt 15.
Die erste Beratung fand in der 25. Sitzung des Landtages am 27. April 2012 statt. Berichterstatter ist der Abgeordnete Herr Borgwardt. Bitte sehr.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Landtag hat den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drs. 6/1016 in der 25. Sitzung am 27. April 2012 zur federführenden Beratung in den Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung und zur Mitberatung in den Ausschuss für Arbeit und Soziales überwiesen.
Ziel des Antrages ist es, die Landesregierung zu beauftragen, ein Pilotprojekt zu starten, bei dem die Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst mittels der Methode des anonymisierten Bewerbungsverfahrens vollzogen wird. Das Pilotprojekt ist wissenschaftlich zu begleiten und mit dem Ziel der dauerhaften Etablierung zu evaluieren. Nach einer positiven Evaluation soll die Methode der anonymisierten Bewerbung im öffentlichen Dienst in Sachsen-Anhalt dauerhaft etabliert werden.
Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung nahm in der 15. Sitzung am 22. Juni 2012 eine Berichterstattung der Landesregierung entgegen. Er kam überein, am 7. September 2012 eine Anhörung zu diesem Thema durchzuführen. In der 16. Sitzung am 20. Juli 2012 hat sich der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung darauf verständigt, die geplante Anhörung für die 18. Sitzung am 5. Oktober 2012 vorzusehen.
Zu der Anhörung am 5. Oktober 2012 waren das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit und die Stadt Celle anwesend, wobei von der Stadt Celle noch eine Präsentation sowie dort entwickelte Bewerbungsformulare zum anonymisierten Bewer
bungsverfahren zur Verfügung gestellt worden sind. Eine schriftliche Stellungnahme lag dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung von der Deutschen Post DHL vor.
Während der Anhörung referierte der Vertreter des Forschungsinstituts zur Zukunft der Arbeit zu dem Pilotprojekt mit der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, das im Jahr 2011 gelaufen war. An dem Pilotprojekt nahm auch die Stadt Celle teil, die während der Anhörung über ihre Erfahrungen berichtete.
Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung hat in der 20. Sitzung am 26. Oktober 2012 eine vorläufige Beschlussempfehlung an den mitberatenden Ausschuss für Arbeit und Soziales erarbeitet.
Darin wird einstimmig die Annahme des Antrages in der Fassung empfohlen, dass der Landtag die Landesregierung bittet, zeitnah ein Pilotprojekt zu prüfen, bei dem die Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst mittels der Methode des anonymisierten Bewerbungsverfahrens auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Frauenförderung vorgenommen wird. Die Ergebnisse der Prüfung sollen dem Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung spätestens im zweiten Quartal des Jahres 2013 vorgestellt werden.
Der mitberatende Ausschuss für Arbeit und Soziales hat sich in der 22. Sitzung am 28. November 2012 mit der vorläufigen Beschlussempfehlung des federführenden Ausschusses für Recht, Verfassung und Gleichstellung befasst. Er schloss sich der vorläufigen Beschlussempfehlung in unveränderter Fassung mit 11 : 0 : 1 Stimmen an.
In der 21. Sitzung am 28. November 2012 hat sich der federführende Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung erneut mit dem Thema befasst. Im Ergebnis der Erörterung verabschiedete der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung einstimmig die Ihnen vorliegende Beschlussempfehlung.
Meine Damen und Herren! Der Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung bittet um Zustimmung zu der Ihnen in der Drs. 6/1675 vorliegenden Beschlussempfehlung. - Herzlichen Dank.
Danke sehr für die Berichterstattung, Herr Kollege Borgwardt. - Für die Landesregierung spricht Herr Minister Dorgerloh in Vertretung der Frau Ministerin Wolff.
Landtag von Sachsen-Anhalt war das einjährige wissenschaftlich begleitete Pilotprojekt „Anonymisierte Bewerbungsverfahren“ der Antidiskriminierungsstelle des Bundes - Sie haben davon eben schon in der Einführung gehört -, das im November 2010 unter Beteiligung verschiedener Unternehmen wie der Deutschen Telekom, der Deutschen Post, des Unternehmens L'Oreal Deutschland und Behörden wie zum Beispiel der Arbeitsagentur des Landes Nordrhein-Westfalen, der Stadtverwaltung der Stadt Celle und des Bundesfamilienministeriums gestartet wurde. Frau Ministerin Kolb hat in diesem Kontext am 27. April 2012 im Landtag berichtet.
Das Ziel des Pilotprojektes war es, in der ersten Stufe des Bewerbungsverfahrens bei der Entscheidung über eine Einladung zum Bewerbungsgespräch bewusste und unbewusste Diskriminierungen zu reduzieren. Das Fazit der Studie und der Autoren war ausgesprochen positiv.
Anonyme Bewerbungen nützen Frauen und Migrantinnen und anonyme Bewerbungen erhöhen die Chancen für Frauen - so hieß es. Allerdings führten die Verfasser selbst aus, dass die ermittelten Effekte nicht repräsentativ sind, da die teilnehmenden Organisationen bereits zuvor aktive Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt ergriffen hatten.