Protocol of the Session on December 14, 2012

Anonyme Bewerbungen nützen Frauen und Migrantinnen und anonyme Bewerbungen erhöhen die Chancen für Frauen - so hieß es. Allerdings führten die Verfasser selbst aus, dass die ermittelten Effekte nicht repräsentativ sind, da die teilnehmenden Organisationen bereits zuvor aktive Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt ergriffen hatten.

Darüber hinaus wurde die geringe Referenzzeit kritisiert. Von 8 500 ausgefüllten Bewerbungen wurden gerade einmal 1 300 Personen zu einem Eignungstest oder Bewerbungsgespräch eingeladen. Nur 246 Personen erhielten letztlich ein Jobangebot bzw. einen Ausbildungsplatz. Die am Projekt beteiligten Firmen kamen zu einem eher ernüchternden Ergebnis.

Eigene Erfahrungen in Sachsen-Anhalt liegen, wie Sie wissen, nicht vor. Im Zusammenhang mit der Entscheidung über die Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses ist es wichtig zu erwähnen, dass im Fokus des Pilotprojektes alle vom Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz erfassten und von möglicher Benachteiligung betroffenen Personengruppen wie Frauen, Menschen mit Migrationshintergrund, Menschen mit Behinderung sowie ältere Menschen usw. standen.

Damit war der Untersuchungsgegenstand nicht ausschließlich auf die Geschlechterperspektive gerichtet. Das Geschlecht ist natürlich - so steht es hier - die grundsätzliche Kategorie. Alter, ethnische Zugehörigkeit und Behinderung sind Merkmale, die hinzukommen können.

Grundsätzlich unterstützt und begrüßt die Gleichstellungsministerin Frau Professor Dr. Kolb alle Maßnahmen, die die Gleichstellung von Frauen und Männern befördern. Die anonymisierte Bewerbung kann hierfür ein Instrument bzw. ein Mo

saikstein im Bewerbungsprozess sein, der insgesamt transparent und objektiven Kriterien folgend diskriminierungsfrei zu gestalten ist.

Eine abschließende Beurteilung ist aus ihrer Sicht allerdings nicht möglich, da diese Fragen von den Verantwortlichen in den Personalreferaten der Landesverwaltung zu beantworten wären. Hierzu sollte überlegt werden, ob die nötigen Rahmenbedingungen dafür gegeben sind, um Erfahrungen aus dem Pilotprojekt zu übernehmen. - So weit der Beitrag von Frau Kolb.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Herr Minister. - Ich möchte daran erinnern, dass wir jetzt in eine Dreiminutendebatte eintreten. Als erste Rednerin wird die Kollegin Latta für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sprechen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich freue mich außerordentlich, heute zu dem Antrag „Anonymisierte Bewerbung“ sprechen zu können, ist dies doch ein Erfolg der Grünen.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses greift zentrale Anliegen unseres Antrags auf. Daher wurde diese auch fast einstimmig beschlossen. Ein Modellprojekt zur Erprobung anonymisierter Bewerbungen ist damit in greifbare Nähe gerückt und ist eigentlich nur noch eine Frage der Zeit. Ich bin optimistisch, dass sich das Pilotprojekt verstetigen lassen wird.

Bereits im April 2012 beantragte meine Fraktion mit dem Antrag „Anonymisierte Bewerbungen“ ein Pilotprojekt für die Vergabe von Stellen im öffentlichen Dienst. In der anonymisierten Bewerbung werden persönliche Angaben wie beispielsweise das Alter oder das Geschlecht des Bewerbers oder der Bewerberin zunächst zurückgehalten. Das verhindert eine Diskriminierung bereits in der Vorauswahl der Kandidatinnen und Kandidaten und erhöht für einige die Chance auf ein Vorstellungsgespräch.

Ergebnisse eines Modellprojektes der Antidiskriminierungsstelle des Bundes in Berlin, kurz ADS, hatten dies bereits gezeigt. Ältere Menschen, Frauen, insbesondere mit Kindern, sowie Migranten und Migrantinnen haben bei gleichen Qualifikationen erheblich schlechtere Chancen auf ein Vorstellungsgespräch. Hierbei geht auch in SachsenAnhalt wertvolles Potenzial verloren. Dadurch können beispielsweise wirtschaftliche Schäden entstehen.

Ich freue mich, dass die Landesregierung die Bedeutung unseres Vorhabens erkannt hat und die

sen wichtigen Schritt für den Arbeitsmarkt und für die Wirtschaft in Sachsen-Anhalt gegangen ist.

Es sei hierbei auf die Stadt Celle verwiesen. Die dortige Stadtverwaltung hatte ebenfalls an einem Modellprojekt für anonymisierte Bewerbungsverfahren teilgenommen. Das Instrument der anonymisierten Bewerbung hat sie jetzt auch fest installiert. Zu den Gründen führte Herr Birkholz, der Personalchef der Stadtverwaltung, in einem Interview Folgendes aus: Wir konzentrieren uns auf das, was wirklich zählt, Eignung, Qualifikation und nachweisbare Leistungen; deshalb würde ich das Verfahren jedem Unternehmen empfehlen.

Aus den genannten Gründen haben wir den Antrag eingebracht. In diesem Sinne möchte ich die Landesregierung auffordern, im zweiten Quartal nicht nur über die von ihr vorgenommene Prüfung zu berichten, sondern auch gleich Umsetzungsschritte darzustellen. In der Konsequenz heißt das, die Landesregierung sollte die Umsetzungsmöglichkeiten für anonymisierte Bewerbungsverfahren einfordern.

Ich denke, mit dem Landesverwaltungsamt oder den Landesbetrieben gibt es Stellen, bei denen ohne größere Schwierigkeiten Bewerbungsverfahren auch in anonymisierter Form stattfinden können. - Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Danke sehr, Frau Latta. - Für die SPD-Fraktion spricht die Abgeordnete Frau Hampel.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Diskriminierung am Arbeitsplatz ist leider noch immer weit verbreitet. Vor allem Menschen mit Migrationshintergrund, ältere Arbeitsuchende und Frauen mit Kindern werden in Bewerbungsverfahren häufig und leider oft nur aufgrund persönlicher Vorurteile benachteiligt.

Aus einer Studie für den deutschen Arbeitsmarkt geht zum Beispiel hervor, dass bei gleicher Qualifikation allein die Angabe eines türkisch klingenden Namens die Chance auf die Einladung zu einem Vorstellungsgespräch für ein Praktikum durchschnittlich um 14 % verringert, bei mittleren und Kleinunternehmen sogar um bis zu 24 %.

Es gibt auch Hinweise darauf, dass die Diskriminierungsrate im Verlauf des gesamten Bewerbungsprozesses abnimmt. Das heißt, dass vor allem in der ersten Stufe, bei der Entscheidung über die Einladung zu einem Bewerbungsgespräch, die Gefahr eines Ausschlusses aufgrund diskriminierender Beweggründe am größten ist. Anonymisierte Bewerbungsverfahren nehmen insbesondere diese erste Hürde in den Fokus und sind somit

eine Möglichkeit, die verschiedensten Formen der Diskriminierung im Bewerbungsverfahren schon frühzeitig zu reduzieren.

Bei dem anonymisierten Bewerbungsverfahren, über das wir heute reden, werden Merkmale wie der Name, das Geschlecht, das Alter und die Herkunft aus den Bewerbungsunterlagen entfernt und können somit nicht mehr in die Beurteilung der Bewerber einfließen. Es ist also nicht erkennbar, ob die Bewerbung von einer Person mit Migrationshintergrund, von einer Person mit einer Behinderung oder von einer älteren Person oder einer Frau mit mehreren Kindern abgegeben wurde.

Die Aussortierung von Bewerbungen von mit Vorurteilen behafteten Personengruppen wird damit verhindert. Deshalb haben wir als SPD-Fraktion dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN von Anfang an offen gegenübergestanden.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Wir haben im Ausschuss eine sehr gute Diskussion und auch eine sehr gute Anhörung durchgeführt. Wir haben uns mit einer einstimmig gefassten Beschlussempfehlung darauf verständigt, dass die Landesregierung die Durchführung des Pilotprojektes jetzt prüfen soll.

Ich glaube, wenn wir es schaffen, das anonymisierte Bewerbungsverfahren für unser Bundesland tatsächlich auf den Weg zu bringen, dann wäre das eine gute Sache, auch unter Berücksichtigung des Ziels der Erhöhung des Frauenanteils in den Führungsetagen. Ich hoffe natürlich auch vor dem Hintergrund der sehr schwierigen Neubesetzung von Stellen, dass die Landesregierung Möglichkeiten findet wird, um dieses anonymisierte Bewerbungsverfahren auf den Weg zu bringen. Deshalb bitte ich jetzt um Zustimmung zu unserer Beschlussempfehlung. - Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Danke sehr, Kollegin Hampel. - Für die Fraktion DIE LINKE spricht die Abgeordnete Frau Edler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Mit der vorliegenden Beschlussempfehlung zur anonymisierten Bewerbung stehen wir hier nach acht Monaten Arbeit vor diesem Hohen Haus und sind fast keinen Schritt weiter gekommen.

(Oh! bei der CDU)

Im Gegenteil, diese Beschlussempfehlung spottet sogar dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 17. April 2012.

(Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Der Antrag zielte auf die Etablierung eines Pilotprojektes im Land Sachsen-Anhalt, um einen Beitrag zur Bekämpfung von Diskriminierungen im öffentlichen Dienst zu leisten. Dieses Ansinnen haben wir mit der Überweisung in die Ausschüsse für Recht, Verfassung und Gleichstellung sowie für Arbeit und Soziales unterstützt. Ebenso haben wir eine Anhörung von Experten und Erfahrungsträgern im Ausschuss für Recht, Verfassung und Gleichstellung forciert.

In der nun vorliegenden Beschlussempfehlung wird die Landesregierung gebeten, ein Pilotprojekt für die Besetzung von Stellen im öffentlichen Dienst mittels der Methode des anonymisierten Bewerbungsverfahrens auch unter Berücksichtigung der Vorgaben der Frauenförderung zu prüfen.

Genau an dieser Stelle, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, verstehe ich diese Beschlussempfehlung nicht. Das anonymisierte Bewerbungsverfahren soll ausschließlich eine Auswahl nach Qualifikationen fördern und somit eine generelle Gleichstellung, unabhängig von Geschlecht, Migrationshintergrund oder Behinderung, sicherstellen.

Die Anhörung im Ausschuss hat auch gezeigt, dass das Pilotprojekt dazu beitragen kann, sich der Ausgrenzungsmechanismen bewusst zu werden und diesen auch in anderen Bereichen vorzubeugen. Auch dies ist ein Effekt, der ein entsprechendes Pilotprojekt sinnvoll erscheinen lässt, zumal während der Pilotphase kein zusätzlicher Personalaufwand entstanden sein soll und langfristig sogar Vereinfachungen in den Bewerbungsverfahren hätten erreicht werden können.

Meine Fraktion hatte sich gewünscht, dass in dieser Beschlussempfehlung der konkrete Start des Pilotprojektes formuliert würde und dass bestimmt würde, welche Behörde dies nach welchem Verfahren durchführen soll und auf welche Zeit das Pilotprojekt Land Sachsen-Anhalt angelegt werden soll.

Nun ist jedoch die vorliegende Beschlussempfehlung verabschiedet worden. Unabhängig vom Erfolg der geplanten Prüfungen der Einsetzung des Pilotprojektes verdeutlicht die bereits einsetzende öffentliche Diskussion zu diesem Thema dessen Aktualität, Brisanz und Relevanz. In jedem Fall hoffe ich, dass es auf diese Weise gelingt, für das Problem der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt zu sensibilisieren. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Es gibt zwei Nachfragen, Frau Kollegin Edler. Zuerst stellt die Kollegin Hampel ihre Nachfrage, danach die Kollegin Niestädt.

Sie haben sich jetzt so kritisch zu dieser Beschlussempfehlung geäußert. Ich frage Sie: Warum haben Sie diese Kritik nicht im Ausschuss laut und deutlich vorgebracht? Warum haben Sie dann der Beschlussempfehlung zugestimmt?

Meine Fraktion hat der Beschlussempfehlung zugestimmt, weil sich die GRÜNEN zu der Beschlussempfehlung positiv verhalten haben; es war schließlich ihr Antrag.

(Zuruf von Frau Lüddemann, GRÜNE - Herr Herbst, GRÜNE: Die ist ja auch gut! - Zuruf von Frau Bull, DIE LINKE)

Aber wir kritisieren an dieser Stelle: Wenn im zweiten Quartal des nächsten Jahres, sprich im Juni 2013, die Landesregierung sagt, das Ergebnis der Prüfung für ein solches Pilotprojekt ist negativ, dann ist der Antrag der GRÜNEN und dieses positive Ansinnen, das Verfahren im Land SachsenAnhalt zu etablieren, gestorben. Darum geht es uns.

Frau Niestädt, bitte.

(Frau Niestädt, SPD: Das hat sich erledigt! Es war die gleiche Frage!)

Herr Borgwardt, bitte.

Sehr geehrte Frau Abgeordnete, ich weiß nicht, ob ich Sie richtig verstanden habe. Sie haben Ihr Abstimmungsverhalten damit begründet, dass Sie das machten, was die GRÜNEN wollten. Habe ich es richtig verstanden, dass die LINKE das macht, was die GRÜNEN wollen?