Protocol of the Session on October 19, 2012

Jetzt kann der Kollege Striegel seine Frage stellen. Bitte schön.

Vielen Dank, Herr Präsident. - Herr Thomas, bisher habe ich Herrn Brüderle für den größten Büttenredner in Sachen Energiepolitik in diesem Land gehalten. Ich muss gestehen, dass ich ihm diesen Titel offensichtlich zu Unrecht verliehen habe; denn Sie verdienen ihn. Sie bearbeiten dieses Thema inzwischen offenbar ausschließlich mit Klamauk.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Ich muss Ihnen ganz ehrlich sagen: Bisher habe ich gedacht, man kann sich mit dieser CDU ernst

haft über ein paar Themen in diesem Land unterhalten und über zentrale Zukunftsthemen wie die Energiepolitik kann man einen sachlichen Diskurs führen. Das ist offenbar nicht möglich.

(Unruhe bei der CDU)

Sie sind offenbar noch nicht einmal in der Lage zu erkennen, wie der Zustand der Energiepolitik oder der erneuerbaren Energien in diesem Land ist. Die erneuerbaren Energien sind dem Babyalter lange entwachsen, und zwar gegen den Widerstand Ihrer Partei und gegen den Widerstand der Konservativen in diesem Land.

Wenn es nach Ihnen ginge, lebten wir noch heute im Kohle- und Atomzeitalter. Ich bin froh, dass diese Zeiten vorbei sind, und ich bin froh, dass Ihre Bundeskanzlerin - das war eine Darstellung - eine Agentin grüner Politik ist, die grüne energiepolitische Ziele verfolgt. Mein Eindruck ist allerdings: Sie ist es nicht. Sie müsste und könnte viel konsequenter sein.

(Zuruf von Herrn Leimbach, CDU)

Die Aufgaben liegen vor uns. Lassen Sie sie uns mit Seriosität und Ernsthaftigkeit angehen und nicht mit Klamauk.

(Beifall bei den GRÜNEN - Zustimmung bei der LINKEN)

Herr Striegel, ich danke Ihnen für Ihren Beitrag. Ich habe mich gefühlt, als hörte ich eine Rede auf dem Landesparteitag der GRÜNEN.

Ich sage Ihnen in voller Ernsthaftigkeit: Dass man Ihnen hier die Wahrheit sagt, wird auch nicht durch das Wort Klamauk entwertet. Nehmen Sie die Realität zur Kenntnis.

Letztendlich ist es momentan eine CDU-geführte Bundesregierung, die Ihr EEG umsetzt. Das muss man nüchtern feststellen.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Sie verschenken Nuckelflaschen!)

Insofern haben Sie noch Potenzial, mit uns zu wachsen.

(Herr Lange, DIE LINKE: Ja, genau!)

Jetzt hat Herr Dr. Thiel das Wort.

Lieber Kollege Thomas, ich glaube, es gibt in Deutschland eine breite Koalition über alle Parteigrenzen hinweg und über Unternehmens- und Industriebereiche hinweg, dass der Weg in Richtung erneuerbare Energien der richtige ist. Ich verstehe

nicht, warum diese Position bei Ihrer Fraktion in Sachsen-Anhalt noch nicht angekommen ist. Aber das war nicht meine Frage.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Zustimmung bei der SPD)

Sie sprachen davon, dass die Braunkohle weitestgehend subventionsfrei ist und auch in Zukunft bleiben wird. Ist Ihnen bekannt, dass gerade in der Braunkohleindustrie bzw. in der braunkohleverarbeitenden Industrie in wachsendem Maße darum gerungen wird, dass man möglichst kostenlose oder kostengünstige CO2-Zertifikate mit Sonderkonditionen erwerben kann, um gewissermaßen einen wirtschaftlichen Betrieb aufrechtzuerhalten? Würden Sie kostenlose oder kostengünstige CO2Zertifikate als nicht subventioniert betrachten?

Zunächst zur Richtigstellung: Niemand hat den Weg mit erneuerbaren Energien in die Zukunft infrage gestellt.

(Herr Lange, DIE LINKE: Doch Sie! - Herr Striegel, GRÜNE: Doch, Sie haben das Ganze infrage gestellt!)

- Nein, darauf lege ich Wert. Das hat hier niemand infrage gestellt. Wir diskutieren heute darüber, was uns dieser Weg kosten wird und was wir unseren Bürgern zumuten können. Diese Diskussion führen wir heute. Ich lege schon Wert darauf, dass das, was gesagt wird, dann auch entsprechend ausgelegt wird.

Wir alle wissen - zumindest diejenigen, die in Verantwortung sind -, dass wir die Braunkohle zumindest als Brückentechnologie brauchen, bis wir genug Alternativen haben, die bezahlbar sind. Auch das habe ich in meinem Redebeitrag gesagt.

Dass auch der Handel mit Zertifikaten ein Handel am Markt ist und wir gucken müssen, was die EU in Zukunft mit diesen Zertifikaten macht, darin haben Sie vollkommen Recht. Das ist aber eine politische Aufgabe, der wir uns hier stellen werden.

(Unruhe bei der LINKEN)

Jetzt kommen wir zur letzten Frage. Herr Weihrich.

(Herr Gallert, DIE LINKE: Er kann Nuckelfla- schen verteilen, aber keine Fragen beant- worten!)

Herr Thomas, ich habe zu Ihrer Rede noch ein paar Nachfragen, die sachlicher Natur sind und die, so denke ich, zur gesamten Wahrheit dazugehören.

Erstens. Sie haben in Ihrer Rede von Ausnahmen für die energieintensive Industrie geredet, und zwar

nur von der EEG-Umlage. Ist Ihnen bekannt, wie hoch die Erleichterungen für die energieintensive Industrie bei allen Subventionen, zum Beispiel auch bei der Ökosteuer, bei der Erteilung von kostenlosen CO2-Zertifikaten usw., insgesamt sind? Neulich war von Beträgen in Höhe von 9 Milliarden € die Rede, die als Erleichterung für die energieintensiven Betriebe fließen. Können Sie diese Zahl bestätigen oder wie sind Ihre Zahlen dazu?

Zweitens. Wenn Sie über Strompreise reden, dann sollten Sie nicht nur über die Strompreise für die Verbraucher reden, sondern auch über die Börsenpreise. Meine Frage: Stimmen Sie mir zu, dass die Börsenpreise für Strom in den letzten Jahren erheblich gesunken sind?

Meine dritte Frage betrifft Braunkohlekraftwerke. Sie haben nur von dem Wirkungsgrad geredet. Ich denke, zur Wahrheit gehört auch - das ist das größte Problem im Zusammenhang mit den erneuerbaren Energien -, dass die Braunkohlekraftwerke nicht sonderlich regelbar sind, dass sie also in Zeiten, in denen viel Wind weht und die Sonne scheint, nicht komplett vom Netz genommen werden können, sondern immer in einer gewissen Weise weiterbetrieben werden müssen, weil sie eben nicht regelbar sind. Das ist ein großes Problem im Zusammenhang mit Braunkohlekraftwerken. Stimmen Sie mir auch in dieser Position zu?

Ich versuche einmal, Ihre Fragen von hinten nach vorn zu beantworten. Nach dem Kenntnisstand, den ich habe, lassen sich moderne Braunkohlekraftwerke durchaus schon regeln. Klar ist: Ein Problem eines jeden Grundlastkraftwerks, das mit fossilen Energieträgern arbeitet, ist, dass es in bestimmten Situationen immer schwierig ist, dieses Kraftwerk abzuschalten, weil viel Ökostrom da ist, und es dann wieder zuzuschalten; denn dann müssen wir mit diesem Kraftwerk außerhalb der Gewinnzone arbeiten.

(Frau Budde, SPD: Das liegt aber daran, dass die Netze nicht da sind!)

Das sorgt dafür, dass viele Betreiber sagen: Das lohnt sich für mich nicht mehr. Das ist eine Entwicklung, bei der wir hinsichtlich des Einspeisevorrangs einmal überlegen müssen, was sinnvoll ist und was nicht.

Ein zweiter Punkt. Sie sprachen über die Entlastung. Natürlich ist es eine Entlastung, wenn ich sage: Ich gebe euch 1 % nach. Aber wenn der Preis vorher um 10 % steigt und man sie von diesen 10 % wieder um 2 % entlastet, dann hat man noch immer eine Preissteigerung. Das heißt, absolut gesehen haben wir hiermit - das ist nicht von der Hand zu weisen - eine Mehrbelastung der deutschen Wirtschaft. Sie wird auch zu Recht beklagt.

Wir müssen aufpassen, dass unsere Wirtschaft auch mit diesen Energiepreisen wettbewerbsfähig bleibt. Es gibt bereits erste Tendenzen - nicht nur im Zusammenhang mit der Eigenversorgung -, dass Unternehmen unser Land verlassen, weil sie ihre Energie woanders günstiger beziehen. Das muss uns doch nachdenklich stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen.

Die Frage nach den Börsenpreisen ist noch nicht beantwortet worden.

Es ist das Recht der Kolleginnen und Kollegen, nicht alle Fragen zu beantworten, aus welchen Gründen auch immer.

Jetzt spricht für die Landesregierung die Ministerin Frau Professor Wolff. Bitte schön.

Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren! Deutschland hat nach der Katastrophe von Fukushima den zügigen Ausstieg aus der Atomenergie beschlossen und will den Strombedarf möglichst umfassend mit regenerativen Energien decken. Dieser Prozess stellt uns alle zweifelsohne vor große Herausforderungen. Die zentralen Herausforderungen der Energiewende in Deutschland und der Energiepolitik in Europa sind dabei die Gewährleistung der Versorgungssicherheit und die Einhaltung des Klimaschutzes bei steigendem Energieverbrauch, und das Ganze zu bezahlbaren Preisen. Vor diesem Hintergrund sieht sich die Politik in der Tat mit zahlreichen Fragestellungen konfrontiert, die es möglichst durch ein abgestimmtes Konzept zu beantworten gilt.

Brennpunkte der aktuellen Debatte sind erstens Klimaschutz und Energieeffizienz, zweitens die Ökostromumlage und das EEG sowie, damit verbunden, das Thema steigende Strompreise und drittens die Anbindung von Offshorewindparks sowie der Netzausbau. Diese Themen sind eng miteinander verflochten. Es ist eine Herausforderung, so an den Stellschrauben zu drehen, dass ein in sich stabiles und effizientes, zukunftsfähiges Marktmodell entsteht, das Versorgungssicherheit, möglichst stabile Strompreise und Investitionssicherheit gewährleistet.

Wie schwierig das ist, zeigen die gegenwärtigen energiepolitischen Debatten, zuletzt der Verfahrensvorschlag von Bundesumweltminister Altmaier

zur Neuregelung des EEG. Die Diskussion ist gerade entbrannt; ihr Ausgang ist noch ungewiss.

Ein vorgeschlagener EEG-Dialog soll zwischen November 2012 und Mai 2013 die politische Debatte über die erneuerbaren Energien und zum Netzausbau begleiten. Zu gegebener Zeit, wie es heißt, soll ein politischer Konsens zwischen Bundesländern und Bund hergestellt werden. Laut Bundesnetzagentur soll in der ersten Hälfte 2013 das Bundesbedarfsplangesetz, dem gleichfalls Bürgerdialoge vorausgehen, verabschiedet werden.

Es zeigt sich schon jetzt - zumindest in der veröffentlichten Meinung -, dass die Bereitschaft in der Bevölkerung und bei den Unternehmen, weitere Preissteigerungen zu akzeptieren, schwindet. Trotz der Vorteile der erneuerbaren Energien ist eine EEG-Umlage von 5,4 Cent/kWh zu hoch und stellt eine erhebliche Belastung für Wirtschaft, Bürger und Kommunen dar.