Protocol of the Session on September 20, 2012

Ich weiß auch, dass die Wirtschaft weiß, dass es die ruinöse Lohnkonkurrenz ist, die die seriösen Mittelständler oft benachteiligt. Auch das ist klar.

(Zuruf von Herrn Dr. Thiel, DIE LINKE)

Die Koalition von CDU und SPD hat für diese Wahlperiode im Koalitionsvertrag verbindlich geregelt, dass sie Lohndumping bekämpfen will und dass sie die Tarifpartner in diesem Prozess stärken möchte. Der heutige Alternativantrag, der Ihnen vorliegt, steht auch im Geiste dieser Vereinbarung, im Geiste des Koalitionsvertrages.

Es ist gesagt worden, dass alle hier vertretenen Parteien Konzepte für Mindestlöhne haben. Meine Partei hat auf dem Bundesparteitag am 14. November 2011 folgenden Beschluss gefasst - ich zitiere -:

„Die CDU hält es für notwendig, eine allgemeinverbindliche Lohnuntergrenze in den Bereichen einzuführen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert. Die Lohnuntergrenze wird durch eine Kommission der Tarifpartner festgelegt und soll sich an den für allgemeinverbindlich erklärten tariflich vereinbarten Lohnuntergrenzen orientieren. Die Festlegung von Einzelheiten und weiteren Differenzierungen obliegt der Kommission. Wir wollen eine durch Tarifpartner bestimmte und damit marktwirtschaftlich organisierte Lohnuntergrenze und keinen politischen Mindestlohn.“

(Zustimmung bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Thüringer Initiative weist in die richtige Richtung; denn sie knüpft an diesen CDU-Beschluss an.

Herr Gallert, Sie haben auch richtig verstanden und interpretiert, dass die Thüringer Initiative in einer wichtigen Detailfrage davon abweicht, und zwar dahin gehend, dass die Tarifkommission nicht nur die weißen Flecken beseitigen soll, sondern dass sie auch in geltende Tarifverträge eingreifen soll. Das wäre problematisch. Das haben Sie richtig zitiert.

Und genau darauf hat auch der Ministerpräsident zu Recht hingewiesen. Diese Detailfestlegung der Initiative geht zu weit. Dieser Initiative, die dem Grunde nach zu begrüßen ist, können wir damit in der vorliegenden Fassung nicht im Verhältnis 1 : 1 zustimmen.

Um es für unsere Fraktion noch einmal deutlich zu sagen: Wir werden weder im Landesvergabegesetz einen politisch diktierten Mindestlohn haben, noch wird es zu der Thüringer Bundesratsinitiative einfach nur ein Ja geben. Genau das

steht im Alternativantrag. Daran gibt es überhaupt nichts zu deuten. Wir wollen die Initiative weiterentwickeln.

(Herr Lange, DIE LINKE: Wie lange denn? - Zurufe von Frau Bull, DIE LINKE, und von Herrn Henke, DIE LINKE)

- „Weiterentwickeln“ - das ist die Formulierung im Alternativantrag - ist die charmante Umschreibung für Veränderung. Wir wollen eine Beratungslösung im Bundesrat.

Übrigens - das kann man nicht mehr manipulieren - habe ich am 12. September 2012 für alle wahrnehmbar in schriftlicher Form für meine Fraktion erklärt, dass wir auf eine solche Beratungslösung im Bundesrat setzen. Dass der Koalitionsausschuss sechs Tage später diese Linie bestätigt hat, ist gut und richtig.

Herr Gallert, dass Sie diesen Antrag nun mit Schmerzen stellen, weil sie eigentlich gesetzliche Mindestlöhne fordern, erkenne ich erst jetzt. Ich habe vorher eher das taktische Kalkül erkannt - auch schon beim Landesvergabegesetz -, die Koalition zu prüfen.

(Zurufe von Frau Tiedge, DIE LINKE, und von Herrn Czeke, DIE LINKE)

Ich darf heute mit dem Alternativantrag feststellen: Alle Versuche der LINKEN, die Koalition in dieser wichtigen Frage zu spalten, sind gescheitert.

(Zustimmung bei der CDU und von der Re- gierungsbank - Lachen bei der LINKEN und bei den GRÜNEN - Zurufe von der LINKEN - Unruhe)

Ein Wort - ich weiß, meine Redezeit ist beendet - zu unserem Koalitionspartner: In Sachsen-Anhalt hat die SPD mehr gewollt, Katrin Budde hat darauf hingewiesen. Aber unser Koalitionspartner erkennt als Grundlage für unsere Zusammenarbeit den Koalitionsvertrag an und akzeptiert, dass mit uns das SPD-Wahlprogramm in dem Punkt Mindestlohn von 8,50 € nicht umsetzbar ist.

Die Güte einer Koalition erweist sich nicht nur durch gemeinsame Schnittmengen und Interessenübereinstimmungen; die Güte einer Koalition erweist sich auch im Umgang mit Fragestellungen, bei denen sich die Parteien unterscheiden. Und es ist wohl nicht verkehrt, dass sich die einzelnen Parteien voneinander unterscheiden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der journalistische Ehrgeiz, bei solchen Debatten immer Gewinner und Verlierer markieren zu wollen, ist überhaupt nicht ungewöhnlich,

(Zuruf von Frau Tiedge, DIE LINKE)

aber in einer Koalition auf Augenhöhe ist es nun einmal müßig zu überlegen, wer das flexiblere Rückgrat hat und wer sich wem beugt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es geht um nicht mehr und nicht weniger als die Sicherung der Existenz der arbeitenden Menschen in unserem Land. Bei allem taktischen Geplänkel sollten wir das nicht aus den Augen verlieren. - Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Danke schön, Herr Abgeordneter Schröder. - Zum Schluss der Debatte spricht Herr Abgeordneter Gallert.

Ich möchte auf einige Dinge, die in der Debatte gesagt worden sind, Bezug nehmen. Ich möchte tatsächlich die inhaltliche Debatte von dem politischen Schlagabtausch, der damit natürlich einhergeht, trennen, obwohl ich sagen muss, dass es ohne diesen auch ein bisschen langweilig wäre.

Also noch einmal: Ja, die Tatsache, dass wir eine CDU-SPD-Initiative aus Thüringen als unseren Antrag hier zur Abstimmung stellen, ist ausdrücklich ein Kompromissangebot. Ich freue mich darüber, dass der Kollege Ministerpräsident so mitfühlend ist und mich schon einmal darauf hinweist, welchen internen Ärger ich damit bekommen könnte.

(Frau Bull, DIE LINKE, lacht)

Ich sage Ihnen, Herr Haseloff: Wir haben uns in einer ordentlichen Diskussion im Landesvorstand und in der Fraktion zu diesem Schritt entschlossen, in dem Wissen darum, dass darüber auch bei uns nicht alle glücklich sind. Damit sind wir natürlich - das ist nach wie vor auch meine politische Position - sozusagen der Rufer in der Wüste: Einigt euch bitte, wir, die Politik, haben damit nichts zu tun.

Das ist übrigens Quatsch; denn wenn man sich das Verfahren einmal anschaut, dann stellt man fest, dass letztlich, wenn es keine Einigung gibt, das Bundessozialministerium mit der Berufung des Schlichters über die Höhe entscheidet. Wir wissen doch, wie die Dinge politisch laufen.

Daher haben wir uns gesagt: Gut, das ist nicht unsere Forderung. Wenn wir selbst einen Antrag erarbeitet hätten, dann hätte der anders ausgesehen. Aber was hätte es gebracht? - Wir hätten uns gut gefunden, Sie hätten dagegen gestimmt und wir wären nicht einen Schritt weitergekommen.

Es ist uns im Interesse der Sache wichtig, dass die Dinge vorangehen. Deswegen haben wir heute ein Kompromissangebot vorgelegt.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will zu den Dingen etwas sagen, die Sie, Herr Haseloff, verteidigt haben. Ich glaube Ihnen durchaus, dass Sie all die Dinge, die ich unter der Über

schrift „Flexibilisierung des Arbeitsmarktes und Agenda 2010“ genannt habe, richtig gefunden haben und auch noch richtig finden. Wir haben diese Dinge immer für vollkommen falsch gehalten und finden sie auch heute noch vollkommen falsch.

(Beifall bei der LINKEN)

Jetzt muss man sich einmal überlegen: Wie kann man möglicherweise in einer solchen entscheidenden Frage wie in Bezug auf existenzsichernde Arbeitseinkommen trotzdem auf einen Nenner kommen?

Ich nenne einmal jemanden, der in dieser Debatte überhaupt noch keine Rolle gespielt hat. Das ist der Kollege Müntefering, der sein Problem tatsächlich verstanden hat. Er war einer derjenigen, der das am radikalsten durchgezogen hat, was von mir unter den Stichworten Agenda 2010 und Flexibilisierung des Arbeitsmarktes aufgezählt worden ist.

Als er relativ schnell merkte, welche Auswirkungen das hatte, war er einer der Ersten in der SPD - nicht einer der Ersten überhaupt -, der die Debatte über den gesetzlichen Mindestlohn vorangebracht hat. Zumindest hat er erkannt, dass das, was er auf der einen Seite angerichtet hatte, politisch auf der anderen Seite geheilt werden musste. Deswegen hat er sich noch lange nicht von seinen vorherigen Positionen distanziert.

Unser Angebot an dieser Stelle ist, nicht darüber zu diskutieren, sondern zu sagen: Wenn wir uns in der Wirkung, die dadurch entstanden ist, einig sind und wenn wir diese als kritikwürdig empfinden, dann müssen wir jetzt einen Schritt nach vorn machen und der heißt gesetzlicher Mindestlohn. Das ist unser Angebot.

(Beifall bei der LINKEN)

Aber - das war ein Stück weit mein Problem - Herr Haseloff, als Sie zu dieser Thüringer Mindestlohninitiative gesprochen haben, ist mir beim besten Willen nicht klar geworden, worin Ihr Problem dabei besteht.

(Zustimmung bei der LINKEN)

Denn alles das, was Sie gesagt haben, widerspricht nicht dem, was darin steht. Sie haben einen Satz gesagt - ich weiß nicht, ob dieser Ihnen so bewusst gewesen ist oder ob er nur lax dahingesagt wurde -, der lautete: Wir müssen die Tarifentwicklung so gestalten, dass wir weiterhin mit ihr zufrieden sein können.

(Zuruf von der LINKEN: Genau!)

Das ist der elementare Unterschied, Herr Haseloff. Wir sind damit nicht zufrieden. Deswegen wollen wir etwas ändern.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn Sie damit zufrieden sind, wie es läuft, dann müssen Sie es nicht ändern. Das ist der politische

Unterschied, der zwischen uns existiert. Ich glaube, darin liegt der tiefe Kern unserer Auseinandersetzung.

Allerdings - das war wiederum der Witz - hat Herr Schröder die Sache völlig umgekehrt. Er hat gesagt: „Wir sind mit der Situation nicht zufrieden“, hat aber klar gemacht, worin der Unterschied der CDU-Fraktion zur Thüringer Mindestlohninitiative besteht.