Vor der politischen Konsequenz stehen trotzdem die Aufklärung und der Abschluss der staatsanwaltschaftlichen Untersuchungen.
Vielleicht hilft diese Debatte ja, das ein bisschen zu beschleunigen, dass auch klar wird, dass ein großes öffentliches Interesse am Abschluss der Ermittlungen besteht, sodass da einmal ein Endpunkt gesetzt ist. Wenn es nach Abschluss Anlass gäbe zu ahnden, dann muss sicherlich auch geahndet werden - aber eben erst, wie gesagt, nach Abschluss der Untersuchungen. - Vielen Dank.
Frau Kollegin Budde, es gibt eine Wortmeldung - ich nehme an, es ist eine Anfrage - des Herrn Kollegen Gallert.
Na ja, „Richtigstellung“ könnte man schon sagen. In unserer Parlamentssprache ist es eine Intervention.
Frau Budde, noch einmal ausdrücklich: Ich habe gesagt, es gibt zwei E-Mails. In denen wird behauptet, der Minister will vorrangig die Bewilligung dieser Dinge. Ich habe gesagt, dass beide Firmen ihren Sitz in Wittenberg haben, dass eine Firma zum Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht einmal eine Gewerbeerlaubnis hatte und dass beide Firmen, nachdem sie diese Gelder bekommen haben, an die CDU gespendet haben. Das habe ich gesagt.
Nicht gesagt habe ich, dass dies sozusagen von vornherein in betrügerischer Absicht oder in Spendenabsicht geschehen ist oder dass die Dinge
- inwieweit sie auch immer einen Zusammenhang haben - in Zusammenhang stehen. Ich würde das gerne herauskriegen. Aber ich habe das niemandem unterstellt.
Wenn diese Dinge offensichtlich schon bei einem Großteil einen solchen Eindruck erwecken - die CDU-Fraktion hat ja geklatscht, als Sie gesagt haben, Sie haben es so verstanden -, dann scheinen die Dinge an sich offensichtlich den Eindruck zu vermitteln, dass es hier einen Zusammenhang gibt. Ich habe ihn nicht hergestellt.
Wir fahren in der Debatte fort. Als Nächste spricht für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Frau Fraktionsvorsitzende Dalbert.
Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! In Dessau, so kann man den Eindruck haben, gibt es eine blühende Sumpflandschaft. Das ist zumindest der Eindruck, der sich für mich ergibt, wenn man die Zeitungen liest, Radio hört oder Fernsehen guckt. Was lesen wir in den Zeitungen? Was hören wir im Radio?
Da hören wir: In Dessau gab es zumindest in der Zeit von 2005 bis 2008 ein Betrugskartell mit dem Ziel, in betrügerischer Absicht an Fördermittel der Arbeitsagentur und des Landes zu gelangen. Insgesamt - so lesen wir - scheinen hier Fördermittel in Höhe von insgesamt rund 4 Millionen € erlangt worden zu sein. Über den Begriff des Einzelfalls, Herr Robra, müssen wir noch einmal gemeinsam debattieren.
Im Mittelpunkt dieser Betrugsbande steht Dietmar Baumung, inzwischen entlassener Regionalbereichsleiter bei der IHK Halle-Dessau. Wir lesen, Baumung warb wohl für diese betrügerischen Fördermittelanträge und schlug gleichzeitig vor - so hören wir -, dass aus dem Betrugsgewinn eine Spende für die CDU in Dessau abzuzweigen sei.
Damit das klappt, braucht man natürlich Kumpane. Da kommt der Unternehmer und CDU-Freund und zweite Hauptbeschuldigte der Fördermittelaffäre ins Spiel, Hans-Werner Pohl, Chef der BaustoffService GmbH, Dessau, und der Baustoff-Service Grundbesitz in Dessau. Ferner scheint es ab 2004 einen willigen und wichtigen Helfershelfer im Wirtschaftsministerium gegeben zu haben, den sogenannten Michael S., von dem wir lesen, dass er Bestechungsgelder in Höhe von 6 000 € erhalten habe.
Anträge gehen von den Mitgliedern der Betrugsbande ein. Einer davon bekommt den Zuschlag für das günstigste Angebot. Die anderen werden am Gewinn beteiligt. Natürlich - so lesen wir - wird eine Spende für die CDU Dessau abgezweigt.
Um Betrug handelt es sich, weil die Kurse entweder gar nicht stattfanden, Dozentenhonorare des beauftragten Subunternehmers deutlich geringer waren, als beantragt war, weil Mieten für Räume gezahlt wurden, die weder genehmigt noch notwendig waren, um nur einige Beispiele für die kriminelle Energie zu nennen, mit der hierbei laut Presse vorgegangen wurde.
Warum debattieren wir heute hier im Parlament darüber? - Es wurde schon gesagt, wir alle kennen diese Vorgänge nur aus den Zeitungen, den Tickermeldungen und dem Rundfunk. Es ist mehr als eine Tickermeldung. Ich habe inzwischen einen dicken Ordner mit solchen Unterlagen.
Die Berichte gehen auf unterschiedliche Quellen zurück. Deswegen nehme ich sie sehr ernst. Betrug, Korruption, Bestechlichkeit, Begünstigung - das sind schwerwiegende Vorwürfe. Bei solchen schwerwiegenden Vorwürfen wollen wir uns nicht auf die vierte Gewalt verlassen, sondern da wollen wir selber genau hinsehen.
Für uns als Parlament ist die Frage des Strafrechts dabei nur ein Aspekt. Im Zentrum unserer Untersuchungen steht die politische Verantwortlichkeit;
denn es ist unsere Aufgabe als Parlament, die Exekutive zu kontrollieren und sicherzustellen, dass sie zum Wohle unseres Landes und gemäß den vereinbarten Regeln handelt.
Deswegen werden wir sehr genau untersuchen, wer hier die politische Verantwortung trägt. Sollten sich die Presseberichte bestätigen, dann läge eine erhebliche Verantwortung dafür, dass sich die betrügerische Energie des Dessauer Betrugskartells ungehemmt entfalten konnte, im Wirtschaftsministerium.
Warum debattieren wir heute hier? - Wir debattieren heute hier auch deswegen - wir werden auch im zuständigen Ausschuss darüber debattieren -, weil wir lückenlose Aufklärung über diese Betrügereien und über die möglichen Verstrickungen der Landesregierung in diesen Fördermittelbetrug wol
len. In großer Zahl hat es sich um Betrugsfälle gehandelt, bei denen es um Fördermittel ging, die vom Wirtschaftsministerium ausgereicht wurden. Wir haben das gehört.
Wir wollen wissen: Wie kann es dazu kommen, dass wiederholt - so ist der Verdacht - Fördermittelanträge bewilligt werden, die erkennbar schon im Antrag fehlerhaft oder unzureichend waren? Wie kann es dazu kommen, dass am Ende die Fördermittel tatsächlich ausgereicht und abgerechnet wurden, obwohl wichtige Unterlagen fehlten, wie Teilnehmerlisten, obwohl keine Zertifikate ausgegeben worden waren und vieles mehr?
(Herr Borgwardt, CDU: Woher kommen denn die Erkenntnisse? - Weiterer Zuruf von der CDU: Was Sie alles wissen!)
Natürlich gibt es diese beiden Fälle der Fördermittelanträge, in denen angeblich der Wirtschaftsminister Druck gemacht haben soll, dass sie rasch bewilligt werden. Auch da wollen wir natürlich die Fakten haben. Mehrere meiner Vorredner haben angemahnt, wir brauchen die Fakten. Das unterstütze ich ausdrücklich. Wir brauchen die Fakten. Deswegen müssen wir uns das im Ausschuss sehr genau anschauen.
Warum debattieren wir heute hier? - Wir debattieren heute hier auch, weil im Gefolge dieses groß angelegten Fördermittelbetrugs eben auch ein Spendenskandal in Dessau zu Hause zu sein scheint. Von diesen Fördermitteln, so lesen wir, gingen auch immer Spenden in die CDU-Kasse in Dessau. Es soll sich, so lesen wir, um Spenden in Höhe von insgesamt 6 000 € handeln. Unser Kollege Kolze ist im Ehrenamt CDU-Kreisverbandschef von Dessau-Roßlau. Er sagt, alle Spenden seien ordentlich verbucht worden, und das glaube ich ihm auch. Davon gehe ich aus, Herr Kolze.
(Zustimmung bei der CDU - Herr Kolze, CDU: Danke! - Frau von Angern, DIE LINKE: Das ist wenigstens etwas!)
Das politische Problem ist aber ein völlig anderes. Politikerinnen und Politiker sind gewählt worden, um den Willen des Volkes zum Wohle unseres Landes in die Politik einzubringen. Sie sind nicht gewählt worden, um sich durch das Mandat Vorteile zu verschaffen, sei es in Form von Pöstchen oder in Form von Euros, weder sich selbst noch ihren politischen Freunden noch der eigenen Partei. Daher stehen Politikerinnen und Politiker in demokratischen Staaten in einer besonderen Pflicht, und diese Pflicht geht weiter als die Einhaltung von Gesetzen.
Hierin liegt der Unterschied zwischen strafrechtlicher und politischer Verantwortung. Die Vorstellung ist unerträglich, dass die CDU in Dessau Kenntnis davon gehabt hätte, woher die Spenden an sie stammen, nämlich aus den betrügerischen Fördermittelanträgen. Es wäre für mich eine unerträgliche Vorstellung, wenn es so wäre.
Nachdenklich werde ich schon; denn der CDUKreisverbandschef von Dessau-Roßlau und die Hauptbeschuldigten in dem Fördermittelskandal kennen sich persönlich. Wir konnten auch politische Unterstützung in den Jahren für die Hauptbeschuldigten beobachten. So wurde Herr Baumung auf CDU-Vorschlag Mitglied des Verwaltungsrats der Stadtsparkasse Dessau-Roßlau und erfuhr Herr Pohl Unterstützung, als er Vorsitzender der CDU-Stadtratsfraktion in Dessau-Roßlau wurde. Das ging über Jahre.
Es fällt mir schwer, mir vorzustellen, dass nicht irgendwann einer der beschuldigten Freunde dem CDU-Kreisverbandschef gesteckt haben soll, wie die Masche funktioniert. Es soll kein Verdacht aufgekommen sein, als sich der damalige Landtagsabgeordnete Brumme vor der Landtagswahl im Jahr 2006 bei seinen CDU-Kollegen über Bestechungsversuche von Baumung und Pohl beschwert hat? Wissen Sie, ich war auch einmal Stadtverbandsvorsitzende. Ich kann mir das nur sehr schwer vorstellen. Ich verstehe jeden, der daran Zweifel hat.
Noch einmal: Politikerinnen und Politiker haben eine besondere Verantwortung, und deswegen meine Aufforderung und meine inständige Bitte an die CDU: Gehen Sie offensiv mit diesem Verdacht um!
Wenn sich dieser Verdacht bestätigt, dann säubern Sie die Parteikasse von Betrugsgeldern und übernehmen Sie politische Verantwortung!