Protocol of the Session on April 26, 2012

Insgesamt ist man sich darin einig, dass sich das ganze Ausmaß des Problems nicht korrekt beziffern lässt. Fest steht aber, dass der Einsatz von Antibiotika in einem unmittelbaren Zusammenhang

mit den Haltungsbedingungen steht. Das heißt, es sind Haltungsbedingungen gefragt, die weitestgehend den Bedürfnissen der Tierart entsprechen, bei denen das Raumklima stimmt und den Tieren auch ein gewisses Maß an Freiraum zugestanden wird.

Das ist aus unserer Sicht jedoch nicht gleichzusetzen mit einem Zurück zum kleinbäuerlichen Betrieb. Wohl aber wäre zu prüfen, welche praktischen Tierhaltungssysteme und Besatzdichten eine tierschutzgerechte Haltung mit geringem Antibiotikaeinsatz ermöglichen und wie gegebenenfalls die Tierschutz- und Nutztierhaltungsverordnung dahin gehend anzupassen wäre.

An dieser Stelle sei auch ausdrücklich das Erfordernis einer gezielten landwirtschaftlichen Ausbildung genannt, die insbesondere die Tierpfleger in die Lage versetzen, dem wachsenden Anspruch in diesem Bereich gerecht werden zu können.

Gerade bei der Primärproduktion von Lebensmitteln unmittelbar im landwirtschaftlichen Prozess driften Verantwortung und von der Gesellschaft gestellter Anspruch einerseits und die Höhe des Einkommens andererseits wie in keinem anderen Beruf extrem auseinander.

Daher, sehr verehrte Damen und Herren von den GRÜNEN, geht es nicht nur darum, Anreize für Landwirtinnen und Landwirte bzw. Mäster zu schaffen. Ihnen müssen auch die ökonomischen Rahmenbedingungen zugestanden werden, unter denen sie sich dem Druck der Verarbeitungsunternehmen entziehen können.

An dieser Stelle drängt sich immer mehr die Frage nach der Konzentration und Größe von Schlacht- und Verarbeitungskapazitäten auf: Inwiefern ist es inzwischen an der Zeit, hierfür Obergrenzen auch mit restriktiven Mitteln oder mit raumordnerischen Mitteln durchsetzen zu müssen?

Damit möchte ich sagen, dass nicht nur die Haltung von 80 000 oder 100 000 Schweinen an einem Standort, sondern auch das Schlachten von täglich, wie ich es heute Früh schon einmal sagte, 20 000 Schweinen an einem Standort, ebenso unvernünftig ist, wobei ich immer wieder betone, dass wir nicht allein über die Quantität, sondern vor allem auch über die Qualität der Tierhaltung zu sprechen haben.

(Frau Bull, DIE LINKE: Richtig!)

Ein anderes wichtiges Problem, das mit dem vorliegenden Antrag angeschnitten wird, sind die Verantwortung der Tierärzte und die Frage, welche Rolle diesen in diesem Prozess zukommt.

Nach der gegenwärtigen Situation bzw. der Wortwahl des Gesetzgebers haben kranke Tiere ein Recht auf medikamentöse Behandlung.

(Zuruf: Ach was?!)

Darum hat der Gesetzgeber den Tierärzten das sogenannte tierärztliche, wie Herr Minister schon feststellte, Dispensierrecht eingeräumt. Der Tierarzt ist also Arzt und Händler und wird so am Umsatz mit Medikamenten beteiligt.

Das muss geändert werden. In Dänemark und Schweden ist diese Doppelfunktion verboten. Der Medikamentenverbrauch ist deutlich geringer und die Tierärzte können damit trotzdem gut leben.

Wir vertreten den Standpunkt: Was auf freiwilliger Basis nicht funktioniert, muss gesetzlich geregelt werden. Die verschiedentlich geäußerte Forderung nach einem totalen Verbot von Antibiotika entbehrt allerdings jeglicher Sachlichkeit. Die Option, einzelne Tiere oder kleinere Tiergruppen mit Antibiotika behandeln zu können, muss einfach bestehen bleiben.

Dieser Antrag beinhaltet, wie wir sehen, eine breite Palette von Problemen, die wir im Ausschuss weiter erörtern können. - Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Herr Kollege Krause. - Für die Fraktion der CDU spricht jetzt der Kollege Herr Geisthardt. Bitte, Herr Kollege.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Bitte am Anfang. Liebe Kollegin Frederking, nicht immer Daten aus der Veterinär- und der Humanmedizin miteinander vermischen; das ist wissenschaftlich nicht exakt. Ich weiß, Sie können das besser. Wenn Sie genau trennen, was wohin gehört, erhalten die Argumente mehr Durchschlagskraft.

Wir alle kennen den Segen der Antibiotika. Es gibt Millionen von Menschen, die dadurch gerettet worden sind. Aber wir kennen auch den Missbrauch. Wir selbst haben es sicherlich alle schon einmal erlebt: Man geht mit einem Schnupfen zu seinem Hausarzt, und was bekommt man? - Ein Antibiotikum. Das ist völlig blödsinnig, weil Antibiotika gegen Viren nicht wirksam sind. Das wird aber trotzdem immer wieder gemacht. Hinzu kommt, dass viele Menschen die Behandlungszeiten nicht einhalten. Genau das haben wir auch in der Veterinärmedizin.

Die Folgen dieser unkritischen Anwendung - lassen Sie mich ein bisschen aus der medizinischen Praxis plaudern - sind dann eben Resistenzbildungen insbesondere von solchen Keimen wie Salmonellen, Campylobacter und MRSA, die untechnisch immer als „multiresistent“ bezeichnet werden; die sind aber Methicillin-resistent. Diese Keime geraten ins Grundwasser. Sie sind außerdem in den Lebensmitteln enthalten.

Es gibt ein Analogon. Herr Dr. Köck, Sie haben vorhin nach Antibiotikabelastungen im Grundwasser gefragt. Es gibt eine Studie, die belegt, dass sich zum Beispiel der Gebrauch der Antibabypille negativ auf die Fertilität der Männer auswirkt. Auch das ist festzustellen. Auch darauf sollte vielleicht einmal der Fokus gelegt werden.

(Zurufe)

Diese Probleme sind aber folgendermaßen einzuschätzen - ich zitiere aus einem Bericht des Bundesinstituts für Risikobewertung -:

„Bei Nutztieren nachgewiesene MRSA machen jedoch nur einen sehr kleinen Anteil der Erkrankungen des Menschen aus.“

(Zurufe von der LINKEN: Ach ja? - Ach was!)

In diesem Zusammenhang sollte man möglicherweise mit Vorverurteilungen ein bisschen vorsichtig sein, solange das so noch nicht nachgewiesen ist.

Aber es ist auch aus der medizinischen Praxis heraus trotzdem sehr wichtig und sehr notwendig, dass wir die Anwendung von Antibiotika in der Nutztierhaltung drastisch einschränken. Es geht nicht anders; wir müssen es tun.

Ich sage ganz locker: Wenn sich die Leute in der Klinik öfter einmal die Hände waschen würden,

(Zuruf von der LINKEN: Was soll denn das?)

dann würde es wahrscheinlich nicht so viele nosokomiale Infektionen geben.

(Zuruf von der LINKEN: Warum nicht?)

Wenn wir in der Nutztierhaltung bestimmte Hygieneregeln stärker einhalten würden - ich komme gleich noch einmal darauf -, dann würden bestimmte Maßnahmen auch dort nicht nötig sein.

(Zuruf von der LINKEN: Woher wissen Sie denn das?)

Ich zitiere den Präsidenten des Bundesinstituts für Risikobewertung Professor Hensel - es ist eigentlich schon mehrfach angesprochen worden - wie folgt:

„Im Bereich der Nutztierbestände müssen wir durch die Aufzucht robuster Tiere und verbesserter Haltungsbedingungen, zu denen eine gute Impfprophylaxe, eine verbesserte Hygiene und ein gutes Stallmanagement gehören, dafür sorgen, dass die Tiere insgesamt gesünder sind und möglichst keine Antibiotikabehandlung benötigen.“

Auch in dieser Studie wird dargestellt - das ist auch schon ausgeführt worden -, dass eine Untersuchung aus Nordrhein-Westfalen belegt, dass es eben keinen generellen Zusammenhang zwischen der Behandlungsintensität und der Betriebsgröße gibt.

Meine Damen und Herren! Ich war Ende der 80erJahre einmal in einer 100 000er-Sauen-Anlage in Nordhausen. Wer wie ich etwas älter ist, der weiß, dass in der DDR nicht allzu viele Antibiotika zur Verfügung standen. Man musste das also anders regeln. Das hat man mit einer ganz konsequenten Stallhygiene gemacht. Das hat man durch Ausräuchern der Ställe erreicht. Man hat die Ställe erst wieder belegt, nachdem durch Abklatschproben festgestellt worden war, dass dort keine Keime mehr vorhanden sind.

(Zuruf von Herrn Jantos, CDU)

Wenn das in der großtechnischen Tierproduktion in dieser Form wieder so gemacht würde, dann hätten wir heute möglicherweise weniger Probleme. Das ist aber eine Frage, die wir in der Politik nicht lösen können. Das ist unter anderem eine Frage des Marktes.

(Zustimmung von Herrn Krause, Salzwedel, DIE LINKE)

Auch gilt der berühmte Satz „Geiz ist geil“. Jeder weiß, warum billige Lebensmittel so beliebt sind.

Meine Damen und Herren! Der Antrag der GRÜNEN beinhaltet ein gutes Anliegen. Er enthält allerdings - das sage ich bewusst - einen kleinen Widerhaken. Darin steht so viel, was die Landesregierung leisten soll. Das kann sie gar nicht. Damit hat der Antragsteller immer die Möglichkeit zu sagen, die Landesregierung mache nichts oder tue es nicht in der richtigen Weise. Ein bisschen weniger wäre vielleicht mehr.

(Zuruf von den GRÜNEN)

Wenn Sie länger in der Politik dabei sind - seien Sie mir bitte nicht böse, wenn ich das so sage -, dann erkennen Sie auch: Politik ist die Kunst des Machbaren. Wenn man zu viel in irgendeine Forderung hineinpackt, könnte man am Ende gar nichts bekommen.

Der Beschluss der Amtschefkonferenz und das, was Minister Herr Dr. Aeikens gesagt hat, bilden die Grundlage unseres Antrages. Ich denke, wir werden diesen Alternativantrag in den entsprechenden Ausschuss überweisen und werden dort über die gesamte Problematik noch einmal reden.

Wer sich vorab informieren will, dem sei die Lektüre der Antwort der Landesregierung vom 24. April 2012 auf die Kleine Anfrage der Kollegin Frederking in der Drs. 6/1045 empfohlen. Darin steht eigentlich schon fast alles, was in diesem Antrag gefordert wird.

Wenn Sie sich die Remmel-Studie, auf die Sie sich bezogen haben, einmal genau ansehen, dann werden Sie merken: Sie ist sehr schwach und sehr fehlerhaft. Ich glaube, es würde heute niemand mehr einen Bachelor bekommen, wenn er eine solche Studie vorlegt.

Lassen Sie uns in diesem Sinne im Ausschuss wissenschaftlich exakt und mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit darüber diskutieren, wie wir den Antibiotikaeinsatz in der Nutztierhaltung entsprechend minimieren können. - Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Geisthardt. - Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN spricht noch einmal Frau Frederking. Bitte schön.