Protocol of the Session on May 12, 2011

Dazu sage ich noch einmal ausdrücklich: Das wird nicht funktionieren. Man wird sagen: Wir können darüber genauso erfolgreich und klug reden wie die da oben.

Das wird die Konsequenz sein. Solange Sie es in Ihrem eigenen unmittelbaren Verantwortungsbereich nicht praktizieren, brauchen Sie keine Beiräte zu bilden, Herr Haseloff. Da wird nichts passieren. Gehen Sie mit vernünftigem Beispiel voran, dann schauen wir mal.

(Zustimmung bei der LINKEN und bei den GRÜNEN)

Allerdings - das sage ich ausdrücklich - das, was wir in den letzten Wochen aus den Reihen der Koalition zu diesem Thema gehört haben, das war nun wirklich unterirdisch. Das war unterirdisch, das war beleidigend und diskriminierend.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Das war nicht 20. Jahrhundert, das war 19. Jahrhundert, und zwar in Reinkultur.

Dazu sage ich jetzt: Ich freue mich schon auf die Konzepte und Programme, die der jetzige Innenminister zusammen mit dem gleichstellungspolitischen Sprecher der CDU-Fraktion auflegen wird, um diese 40-Prozent-Quote zu erfüllen, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN)

Der Kern dieser Programme wird wahrscheinlich ein humoristischer Beitrag sein, allerdings nur für Leute, die dieses Thema nicht ernst nehmen, liebe Kolleginnen und Kollegen. - So weit vielleicht dazu.

Ich komme am Schluss zu dem Thema politische Kultur. Ich habe eine andere Einschätzung zum Wahlkampf als Sie. Es gab eine konzertierte Angstkampagne der Kollegen der CDU gegen Rot-Rot, gegen Links insbesondere. Wer daran

zweifelt, den möchte ich mit einem Zitat daran erinnern:

„Wählen Sie uns, dann geht es Ihnen gut. Wenn Sie die anderen wählen, dann werden Sie alle enteignet.“

Das sagte der heutige Ministerpräsident des Landes Sachsen-Anhalt. Interessant ist übrigens, dass er zwischen SPD und Linke schon gar nicht mehr differenziert hat. Das war und ist die Position des Ministerpräsidenten.

Dazu sage ich noch einmal ausdrücklich, Herr Haseloff: Das ist das Konzept der Angstkampagne gewesen. Sie war in gewisser Weise erfolgreich, denn es gab nur ein Ziel dieser Angstkampagne: Die CDU muss an der Macht bleiben.

Dieses Instrument ist erfolgreich eingesetzt worden, und wir wissen, dass Sie versucht sein werden, es immer wieder einzusetzen. Das ist übrigens eine Strategie, die der jetzige Finanzminister und ehemalige Spitzenkandidat der SPD als eine „Strategie der Spaltung der Gesellschaft“ bezeichnet hat.

Ich habe heute noch nicht ein Wort davon gehört, Herr Haseloff, dass Sie davon abrücken. Ich glaube Ihnen an dieser Stelle nicht. Ich glaube, Sie werden dieses Instrument immer wieder einsetzen, wenn es um die Macht der CDU geht, und zwar unter der Gefahr, eine Spaltung dieser Gesellschaft zu erzielen. Das werden wir kritisieren, dagegen werden wir uns wehren.

(Beifall bei der LINKEN und bei den GRÜ- NEN - Widerspruch bei der CDU)

Ein zweiter außerordentlicher Problemteil aus unserer Sicht - -

(Zuruf von Herrn Kurze, CDU)

Entschuldigung, verehrter Herr Kollege Gallert, wir haben außerordentlich großzügig eine Überschreitung der Redezeit des Ministerpräsidenten zugelassen. Diese Überschreitung wird ebenso großzügig auf die Redezeit aller nachfolgenden Redner angerechnet, auch auf Ihre. Sie haben aber die Überschreitung bereits überschritten. Wir sind jetzt insgesamt bei mehr als einer Stunde Überziehung. Ich sage das, damit es alle in die Disposition ihres Tages einbeziehen können. Ich bitte Sie herzlich, das zu berücksichtigen.

Ich berücksichtige das.

Ich wende mich als Zweites ausdrücklich gegen die Verwischung der Grenzen zwischen denjenigen, die Demokratie verteidigen, und denjenigen, die Demokratie abbauen bzw. bekämpfen wollen. Diese Vermischung, diese bewusste Überschreitung dieser Grenzen haben Vertreter der jetzigen

Landesregierung im Wahlkampf organisiert. Ich nenne auch dazu ein Zitat:

„Wir brauchen keine Nazipartei und keinen kommunistischen Ministerpräsidenten. Das sage ich ganz bewusst im gleichen Atemzug.“

(Zuruf von der LINKEN: Ein Skandal!)

Dazu sage ich ausdrücklich: Die MLPD hat keinen Ministerpräsidentenkandidaten aufgestellt, Herr Haseloff, und Herr Bullerjahn wird wohl auch nicht gemeint sein. Also bezog sich dieses Zitat auf mich, im gleichen Atemzug mit der NPD genannt.

Das ist übrigens kein Ausrutscher. Das war nach dem Regierungsprogramm der CDU irgendwann zu erwarten, auch nach dem entsprechenden Papier zum Linksextremismus der CDU vom Februar. Das Erschreckende ist, dass derjenige, der dieses Zitat geprägt hat, heute der oberste Dienstherr von Verfassungsschutz und Staatsschutz ist. Herr Stahlknecht, ich sage Ihnen ausdrücklich: Das werden wir uns in dieser Funktion von Ihnen nicht gefallen lassen.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Letzter Satz. Dem Ministerpräsidenten fehlten bei der Wahl aus der Koalition neun Stimmen. Er analysierte, dass das Ergebnis eines Prozesses sehr, sehr schwieriger Koalitionsverhandlungen bei sehr unterschiedlichen Positionen war. Da hat er Recht.

Es gibt nun einmal keinen vernünftigen Kompromiss zwischen Marktgläubigkeit und bewusstem Interessenschutz für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Es gibt keinen vernünftigen Kompromiss zwischen dem gegliederten Schulsystem und längerem gemeinsamen Lernen. Weil das so ist, ist die inhaltliche Basis dieser Koalition außerordentlich schwach. Sie wird in erster Linie vom Willen zur Macht zusammengehalten.

Wir haben am Ende der letzten Legislaturperiode neun Konzepte erarbeitet, mit denen wir diese Koalition inhaltlich unter Druck setzen werden. Das ist unsere Aufgabe als Opposition und die haben Sie sich redlich verdient. - Danke.

(Starker Beifall bei der LINKEN - Zustim- mung bei den GRÜNEN)

Danke für den Beitrag der Fraktion DIE LINKE. - Wir kommen nunmehr zum Beitrag der SPD. Das Wort hat Frau Fraktionsvorsitzende Budde.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Regierungserklärungen sind immer ganz besondere Momente in der Arbeit des Parlaments. Das gilt insbesondere dann, wenn es die erste Regierungserklärung eines neuen Kabinetts ist, und das gilt

selbstverständlich dann, wenn das Land einen neuen Ministerpräsidenten bekommen hat.

Das gilt aber heute nicht nur für die Landesregierung, sondern vor allen Dingen auch für uns als Landtag. Wir sind heute zu unserer ersten regulären Sitzung nach der Konstituierung zusammengekommen. Deshalb will ich voranschicken, dass ich mir bei aller Entschiedenheit und Härte in der politischen Debatte in der Sache trotzdem eine kollegiale Zusammenarbeit in diesem Parlament wünsche. Ich wünsche mir auch konstruktive Diskussionen, die nicht immer nur um ihrer selbst willen geführt werden, sondern vor allem auch der Sache wegen. Deshalb freue ich mich auf fünf Jahre gemeinsamer Arbeit.

(Beifall bei der SPD, bei der CDU und von der Regierungsbank)

Gerade weil wir am Beginn einer neuen Legislaturperiode stehen und weil das Verhältnis von Parlament und Regierung eine der spannendsten und der zentralsten Fragen der praktischen Politik ist, will ich kurz aus der Landesverfassung zitieren. Dort heißt es in Artikel 41:

„Der Landtag ist die gewählte Vertretung des Volkes von Sachsen-Anhalt. Er übt die gesetzgebende Gewalt aus und beschließt über den Landeshaushalt.“

Meine Damen und Herren! Dem ist in seiner Einfachheit und Klarheit nichts hinzuzufügen.

(Zustimmung bei der SPD)

Als überzeugte Parlamentarierin wünsche ich mir daher, dass wir in den nächsten fünf Jahren ein selbstbewusstes und starkes Parlament sein werden.

(Zustimmung bei der SPD und von Herrn Striegel, GRÜNE)

In diesem Sinne und in diesem Geiste, Herr Ministerpräsident, begrüße ich es ausdrücklich, dass Sie gleich die erste reguläre Sitzung des Landtages genutzt haben, die Abgeordneten über die Vorhaben der Landesregierung in dieser Legislaturperiode zu informieren. Das bezeugt großen Respekt vor dem Parlament und ich hoffe, das wird in den nächsten fünf Jahren Stil und Arbeit dieser Landesregierung mit dem Parlament prägen.

Ja, Herr Gallert, Sachsen-Anhalt steht in den nächsten Jahren vor großen Herausforderungen. Das ist auch kein neuer Befund, ebenso wenig wie die Herausforderungen an sich neu sind.

Sachsen-Anhalt muss einerseits die Herausforderungen der Globalisierung bewältigen. Das betrifft nicht nur die Bewältigung der weltweiten Finanzkrise, die zwar vorbei ist, deren Folgen wir aber immer noch spüren; das betrifft auch die gesellschaftlichen Entwicklungen, die auch aus einer im

mer stärkeren Verflechtung der globalen Wirtschaft, einem weltweit verschärften ökonomischen Wettbewerb, einer globalen Vernetzung von Informationssystemen und Wissensressourcen resultieren.

Ja, Sachsen-Anhalt hat immer noch nicht die Folgen der Deindustrialisierung der ersten Hälfte der 90er-Jahre überwunden. Wir haben einen demografischen Wandel zu meistern, wir müssen uns nach wie vor mit sinkenden Bevölkerungszahlen und einer alternden Gesellschaft auseinandersetzen.

Und das hat nicht nur Auswirkungen auf die Finanzierung des Gemeinwesens, auf die Infrastruktur, auf die Systeme der Daseinsvorsorge und auf die wirtschaftliche Entwicklung, weil das Thema fehlende Fachkräfte immer deutlicher wird. Das hat auch ganz konkrete Auswirkungen auf das Zusammenleben, und zwar in den ländlichen Räumen, also in den Gemeinden, aber auch in den wenigen Ballungsräumen, in den Städten. Und das hat Auswirkungen auf die Lebensperspektiven jedes Einzelnen. Und deshalb muss sich in Sachsen-Anhalt die soziale Schere wieder schließen.

Ja, wenn nach neuesten Studien ungefähr 30 % der unter 15-Jährigen Sozialleistungen beziehen und damit in Armut leben und wenn immer noch knapp ein Viertel der Schülerinnen und Schüler die Schule entweder ohne oder nur mit einem sehr niedrigen Abschluss verlässt, dann kann uns das nicht reichen.

Und ja, wenn immer noch in vielen Bereichen Löhne gezahlt werden, die weit jenseits des Existenzminimums liegen - daher kommt nämlich auch die hohe Zahl an Jugendlichen, die in schwierigen sozialen Einkommensverhältnissen leben -, dann kann uns das auch nicht reichen. Es liegt nämlich nicht nur an den Hartz-IV-Familien, sondern es liegt auch an den vielen Aufstockerfamilien. Dieser Bereich der Löhne ist aus meiner Sicht eine existenzielle Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren vor uns liegen haben.