Und ja, wenn immer noch in vielen Bereichen Löhne gezahlt werden, die weit jenseits des Existenzminimums liegen - daher kommt nämlich auch die hohe Zahl an Jugendlichen, die in schwierigen sozialen Einkommensverhältnissen leben -, dann kann uns das auch nicht reichen. Es liegt nämlich nicht nur an den Hartz-IV-Familien, sondern es liegt auch an den vielen Aufstockerfamilien. Dieser Bereich der Löhne ist aus meiner Sicht eine existenzielle Aufgabe, die wir in den nächsten Jahren vor uns liegen haben.
Aber wenn das alles so ist, dann kann man Sachsen-Anhalt zurzeit jedenfalls noch nicht als Hort der sozialen Gerechtigkeit und der fairen Lebenschancen bezeichnen. Und deshalb muss uns das Ansporn und Motivation sein, das zu ändern.
Sachsen-Anhalt muss sich emanzipieren. Wir müssen uns emanzipieren von den Finanztransfers vom Bund und der Europäischen Union. Das ist nicht nur eine Frage der politischen Notwendigkeit. Wir alle wissen, dass die Transfers sinken werden. Das ist eine Tatsache. Das ist auch eine Frage des eigenen Anspruchs.
Ich als Sozialdemokratin und wir als SPD wollen jedenfalls eines Tages sagen können, dass Sachsen-Anhalt in der Tat für sich selbst sorgt, dass wir auf eigenen Beinen stehen. Und das ist wiederum
Ein Sachsen-Anhalt, das auf eigenen Beinen steht, wird besser durch kommende Krisen kommen. Ein Sachsen-Anhalt, das auf eigenen Beinen steht, gibt auch den Menschen Zuversicht und Sicherheit. In einem solchen Sachsen-Anhalt wird es sich besser leben lassen, meine Damen und Herren.
Und ich will auch sagen, dass wir bei der Lösung der Probleme nicht bei null anfangen. Da kann die Koalition auf fünf Jahre gute Zusammenarbeit und Vorarbeit zurückblicken. Haushaltskonsolidierung soweit es möglich war, Strukturreformen, Entlastung bei den Kosten der Schülerbeförderung und vieles andere mehr. Damit haben wir eine gute Basis gelegt. Daran werden wir anknüpfen. Und auf dieser Grundlage wird diese Koalition die Weichen dafür stellen, dass Sachsen-Anhalt zukünftig wirklich auf eigenen Beinen stehen kann.
Die Grundlage der Zusammenarbeit der Koalition ist der Koalitionsvertrag. Und der kann sich sehen lassen. Es ist ein guter Koalitionsvertrag. Und er ist nicht nur gut, weil wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten viele seiner Punkte mit Leib und Seele unterstützen. Es ist ein guter Koalitionsvertrag, weil er anerkannt, dass ein Weiter-so in vielen Bereichen eben noch nicht ausreicht, und weil er sagt, Sachsen-Anhalt kann mehr.
Die Menschen hier haben mehr verdient, vor allem bessere Lebenschancen für sich und ihre Familien. Und Wachstum, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit sind Wegmarken für Sachsen-Anhalt. Sie werden die Koalition leiten. Und deshalb werden sie auch unsere Arbeit in der Koalition und das Land auf dem richtigen Weg halten.
Ich will an dieser Stelle ein paar Worte zu der Kritik sagen, die in den letzten Wochen an diesem Koalitionsvertrag geübt wurde. Die wurde geübt, kaum dass die Tinte unter dem Koalitionsvertrag trocken war. Und ich will das in erster Linie an die Adresse der LINKEN sagen. Dass wir als Koalition keinen Applaus von Ihnen bekommen, ist normal. Mit Kritik haben wir gerechnet. Und das ist auch Ihr Job als Opposition. In der Tat überrascht hat mich jedoch die Art und Weise Ihrer Kritik. Erste Reaktion: Zu unkonkret!
- Das finde ich schon erstaunlich, weil er tausendmal konkreter ist als Ihr Wahlprogramm, und das brauchten Sie bloß mit sich selbst auszumachen.
Zweite Reaktion auf Ihrem Parteitag: Alles, was in dem Vertrag gut ist, hat man den LINKEN zu verdanken.
Aber nur mit dem Teil, dass in dem Vertrag viel Gutes ist. Die LINKE hat damit nun gar nichts zu tun.
(Beifall bei der SPD und bei der CDU - Frau Bull, DIE LINKE: Nicht ein bisschen! - Herr Gallert, DIE LINKE: Das haben die Kollegen der CDU ausdrücklich anders gesehen!)
Sie saßen nicht mit am Verhandlungstisch, auch nicht als stiller Teilhaber. Und einen Forderungskatalog kennen Sie womöglich gar nicht. Ich will nur noch einmal ausdrücklich sagen - später komme ich noch zum Thema Mindestlöhne -, auf dem Forderungskatalog standen die gesetzlichen Mindestlöhne noch drauf.
Wenn Sie im Ernst die Erfolge eines Koalitionsvertrages für sich beanspruchen, den Sie ja eigentlich in Bausch und Bogen verdammen, dann wird die Arbeit der Opposition für diese Koalition eines mit Sicherheit nicht: eine Herausforderung sein.
Wenn ich bei den Widersprüchen bin, dann würde ich gern noch eines erklärt bekommen. Wenn Sie den Koalitionsvertrag so schlecht finden, warum finden wir dann seine Inhalte in der Hälfte Ihrer Anträge für heute und morgen wieder? - Dafür gibt es für mich nur eine Erklärung. Sie finden den Vertrag eigentlich gut. Sie trauen sich nur nicht, das zu sagen. Und deshalb danke ich einmal so herum für das Kompliment.
(Beifall bei der SPD - Heiterkeit bei der CDU - Unruhe bei der LINKEN - Herr Gallert, DIE LINKE: Das heißt ja, Frau Budde, dass Sie unseren Anträgen allen zustimmen werden! - Frau Dr. Klein, DIE LINKE: Ja!)
Der Debattenbeitrag von meinem sehr verehrten Kollegen Gallert ist in der Tat ein hilfloser Versuch gewesen, diesen Spagat zu machen. Aus meiner Sicht ist er gescheitert, frei nach dem Motto: Wir finden zwar schick, was drin steht, lesen es aber mal so, dass wir es kritisieren können. Das gipfelt dann auch noch in der Aussage: Wahlbetrug.
Ich glaube, dass das Ihre Form ist, Ihren Ärger darüber auszudrücken, dass Sie wieder nicht in der Regierung sind.
Der Ministerpräsident hat seine Regierungserklärung ja mit dem Titel überschrieben: Arbeit schaffen, Wissen vermitteln, Verantwortung stärken. Alle drei Stichworte stehen für Maßnahmen, die uns helfen werden, die Herausforderungen zu bewältigen, die ich skizziert habe.
stehender Probleme. Die Politik hat auch die Aufgabe, eine Vorstellung davon zu entfalten, wohin sich unsere Gesellschaft entwickeln soll. Was wir also brauchen, ist nicht nur eine Antwort auf die Probleme der Tagespolitik. Was wir auch brauchen ist eine Vorstellung, eine Vision von der Entwicklung und der Zukunft des Landes Sachsen-Anhalt.
Wir als Sozialdemokraten verbinden mit unserer Politik in den nächsten Jahren eine Vision von einem sozial gerechteren Sachsen-Anhalt, von einem Sachsen-Anhalt, in dem alle Menschen gute Lebenschancen und Perspektiven haben - unabhängig von ihrer Herkunft und unabhängig von ihrem Geschlecht. Es soll sich lohnen, in SachsenAnhalt zu leben und zu arbeiten. Und die soziale Schere soll sich in Sachsen-Anhalt wieder schließen.
Ich will das einmal etwas bildhafter darstellen. Sachsen-Anhalt ist das Land der Mitte, in der Mitte Deutschlands. Das ist nicht nur eine geografische Verortung, sondern das muss für uns auch eine politische Verpflichtung sein. Deshalb ist es unser zentrales Anliegen als Sozialdemokraten: Wir wollen die Menschen zurück in die Mitte holen. Wir wollen die Menschen zurück in die Mitte der Gesellschaft holen.
Und da gibt es eine ganz einfache Wahrheit: Wer die Mitte der Gesellschaft stärken will, wo Wohlstand durch Arbeit entsteht, wo Lebensperspektiven gestaltet werden können, wo Existenzängste durch die Gewissheit ersetzt werden, dass es eine Alternative gibt, und wo gesellschaftliche Teilhabe, demokratische Mitwirkung und demokratische Verantwortung auch selbstverständlich sind, wer diese Mitte stärken will, der muss auf der einen Seite natürlich die unterstützen, die diese Mitte bilden.
Aber der muss vor allem auch dafür sorgen, dass Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt wurden, wieder zurück in diese Mitte finden. Und wer die Fliehkräfte verringern will, der darf nicht in der Mitte bremsen, sondern der muss an den Rändern anpacken. Das gilt in der Physik genauso wie in der Gesellschaft.
Ich jedenfalls will, dass die Zeiten vorbei sind, in denen die Mitte ein exklusiver Ort war, dass die Zeiten vorbei sind, wo es hieß, du bist draußen und du bleibst draußen, und dass die Zeiten vorbei sind, wo es Gewissheit war, dass die Mitte der Gesellschaft eine aussterbende Art ist. Ich will diese Mitte der Gesellschaft nicht aufgeben und damit auch uns als Sachsen-Anhalt und unsere Menschen nicht aufgeben.
Wir wollen, dass Aufstieg wieder möglich wird. Das ist unsere Version von einem zukünftigen Sachsen-Anhalt. Das wollen wir schaffen und dafür wollen wir arbeiten.
Diese Visionen sind ja eine schöne Sache. Im täglichen Leben, in der täglichen Politik müssen dann natürlich auch Taten folgen. Das ist klar. Das sollen und werden sie auch. Deshalb will ich eine einige Punkte nennen, die uns als SPD in dieser Hinsicht am wichtigsten sein werden. Ich will mit dem Bereich Bildung und Soziales beginnen.
Es ist unbestritten, dass der Bildungsgrad des Einzelnen den größten Einfluss auf die Perspektiven im Leben hat. Ein zentraler Punkt in diesem Bereich ist die Vereinbarung, dass die Beschlüsse des Bildungskonvents schrittweise umgesetzt werden. Zu den wichtigsten Punkten haben wir im Koalitionsvertrag konkrete Dinge vereinbart. Das ist zum Ersten der Ganztagsanspruch auf KitaBetreuung. Er wird für alle Kinder eingeführt, unabhängig davon, ob die Eltern Arbeit haben oder nicht. Wir werden zusätzlich einen Weg finden, um Mehrkindfamilien zu entlasten.
Zum Zweiten werden wir die Gemeinschaftsschule einführen - ja, auf freiwilliger Basis, aber nicht als Modell, sondern als gleichberechtigte Schulform durch Verankerung im Schulgesetz. Zudem wird die verbindliche Schullaufbahnempfehlung abgeschafft und die Ganztagsschulangebote im Land werden ausgebaut und qualitativ verbessert.
Damit haben wir eine klare Alternative zum gegliederten Schulsystem, aber wir haben keinen Zwang. Ich glaube nicht, dass sich Änderungen im Schulsystem gegen die Menschen durchsetzen lassen. Das haben wir in einigen Ländern gesehen. Dort, wo es freiwillig war, hat es auch geklappt.
Ich will aber auch sagen: Herr Ministerpräsident, ich hoffe doch nicht, dass schon nach der 4. Klasse - ich habe da genau zugehört - endgültig über den weiteren Bildungsweg der Kinder entschieden wird, sondern dass die Grundschule mit der 4. Klasse beendet ist und dass es unterschiedliche Formen geben wird, den weiteren Bildungsweg zu gehen, natürlich auch sehr viel Durchlässigkeit und keine Zuordnung: du Sekundarschule und du Gymnasium. Genau das wollten wir verändern und andere Möglichkeiten zulassen.
Drittens. Es wird an den staatlichen Hochschulen keine Studiengebühren für Regelstudiengänge bis zum ersten berufsqualifizierenden Abschluss und einem weiteren, darauf aufbauenden Masterstudiengang geben.