Protocol of the Session on May 12, 2011

Auch waren die Despoten nützliche Bündnispartner bei der Abwehr afrikanischer Flüchtlinge. Noch im Oktober 2010 unterzeichnete die EU ein Kooperationsabkommen mit Libyen in Höhe von 50 Mil

lionen € für die Ausrüstung und das Training von libyschen Grenzschutztruppen.

Darunter hat die Glaubwürdigkeit von Europa und Deutschland in Menschenrechtsfragen massiv gelitten. Es geht also auch um die Rückgewinnung dieser Glaubwürdigkeit. Genauso wie die Aufnahme schutzbedürftiger Menschen eine gesamteuropäische Aufgabe ist, ist sie auch eine Verpflichtung im Sinne der Wahrung der Menschenrechte, der wir nachkommen müssen.

Natürlich muss den Menschen am besten vor Ort geholfen werden; wir müssen sie in ihrem Bestreben nach Demokratie unterstützen. Aber wir reden auch über Menschen, die nicht mehr vor Ort sind, sondern bereits in Europa gelandet sind. Wir müssen auch diesen Menschen helfen.

Die USA, Kanada und Australien, aber auch europäische Staaten wie Portugal oder Schweden haben ihre Bereitschaft, dies zu tun, ihre Bereitschaft zur Aufnahme von Flüchtlingen, bereits signalisiert und sind damit ein Vorbild für andere EU-Staaten und auch die Bundesrepublik, die dies bisher nicht getan hat.

Deswegen schließen wir uns sowohl dem Appell des Hohen Flüchtlingskommissars als auch dem vorliegenden Antrag an, den wir unterstützen werden. - Vielen Dank.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Herbst. - Für die Fraktion der CDU spricht nunmehr der Abgeordnete Herr Kolze. Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Antrag der Fraktion DIE LINKE ist nicht geeignet, zur Lösung der Situation der Flüchtlinge in Nordafrika beizutragen, verkennt er doch - Frau Kollegin Schindler sprach es bereits an - die Möglichkeiten, die unser Bundesland bei der Aufnahme von Flüchtlingen tatsächlich hat.

Wir alle in diesem Hohen Hause sind sicherlich auch ein Gedenk der Zahlen von 750 000 Flüchtlingen, die absolut durch die Ereignisse in Libyen auf der Flucht sind - ob zurück in ihre Heimatländer oder in andere Drittländer, die sie als Flüchtlinge aufnehmen werden - stark beeindruckt.

Aber eines, meine Damen und Herren, muss man auch hier im Hohen Hause einmal ganz deutlich sagen. Die Bundesrepublik Deutschland und seit 1990 sicherlich auch Sachsen-Anhalt waren sich ihrer Verantwortung immer bewusst, wenn es darum ging, Menschen in dieser Welt humanitär Hilfe zu leisten, sei es vor Ort oder sei es, um Flüchtlin

gen ein sicheres Zuhause für eine bestimmte Zeit des Aufenthalts in Deutschland bzw. in SachsenAnhalt zu generieren.

(Zustimmung bei der CDU)

Auch ist es nicht so, dass die Menschen in Europa oder die europäischen Regierungen bisher untätig waren. Auch Minister Stahlknecht hat es schon in seiner Rede angesprochen. 85 Millionen € Soforthilfe sind bereits durch die Europäische Union zur Verfügung gestellt worden, wobei diese Hilfe zunächst einmal insbesondere den Nachbarländern gewährt worden ist. Ich denke, dass ist besonders wichtig.

Der Minister hat auf die geplanten Maßnahmen zur Verbesserung der Situation in Nordafrika hingewiesen. Ich glaube, das sind Maßnahmen, die letztlich gemeinsam mit den Ministern der Europäischen Union vollzogen werden müssen, um auch in Zukunft gegen solche Situationen gewappnet zu sein.

Nichtsdestotrotz bildet natürlich auch diese Aufnahme der Flüchtlinge aus Malta einen Baustein dieser humanitären Hilfe. Aber ich glaube, und dabei bleibt es nach meiner Auffassung, wir brauchen eine wirkungsvolle gemeinsame Migrations- und Asylpolitik in der Europäischen Union. Darauf gilt es letztlich hinzuwirken. Ohne diese gemeinsame europäische Antwort auf solche Fragen werden wir Menschen, die solchen Notsituationen ausgesetzt sind, in Zukunft nicht wirklich und vor allem nicht schnell genug helfen können.

Kollege Herbst, Sie haben mir aus dem Herzen gesprochen. Natürlich gibt es ausreichend Abkommen, die uns das Handeln sofort ermöglichen. Ich denke, gerade diesem Fakt trägt unser Änderungsantrag Rechnung. Wir wollen, dass wir so schnell wie möglich und so punktuell wie möglich den Menschen helfen, die diese Hilfe tatsächlich benötigen. Ich glaube, an dieser Stelle sind wir gefordert. Wir als Koalitionsfraktionen werden die Landesregierung natürlich an denen Stellen unterstützen, an denen unsere Unterstützung erforderlich ist.

In diesem Sinne bitte ich Sie um die Zustimmung zu unserem Änderungsantrag und danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Kolze. - Jetzt hat die Einbringerin noch einmal Wort, sofern Sie es wünscht. - Sie wünscht es. Bitte, Frau Quade, Sie haben das Wort.

Vielen Dank. - Herr Präsident! Herr Kollege Kolze, die Situation in Nordafrika zu lösen, war wirklich

nicht das Ziel unseres Antrags. Das wäre in der Tat eine Anmaßung.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen der Koalitionsfraktionen! Ich habe Ihnen sehr aufmerksam zugehört. Die Gründe dafür, warum Sie nun die konkreten Schritte, nämlich die Bereitstellung von Unterkünften in Sachsen-Anhalt für die vom UNHCR in Libyen registrierten Flüchtlinge nicht gehen wollen, haben sich mir allerdings nicht erschlossen. Das muss ich so deutlich sagen, zumal die Kapazitäten durchaus vorhanden wären. Im Gegenteil, Sie haben betont, das Land wolle in jedem Fall seinen Beitrag leisten. Sie nennen es einen nationalen, ich nenne es einen humanitären Beitrag. Genau diese Punkte wollen Sie aber nun aus unserem Antrag streichen.

Der Änderungsantrag von CDU und SPD will im ersten Punkt eine Selbstverständlichkeit zum Beschluss machen und entstellt den Sinn unseres Antrages in einer Weise, die für uns nicht tragbar ist, weil es uns eben um die konkreten Schritte im Land Sachsen-Anhalt, um den konkreten Beitrag des Landes und um die Verantwortungsübernahme des Landes geht.

Im Übrigen ist es folgerichtig, dass wir diesen Antrag in mehreren Bundesländern stellen; denn die Bundesländer sind auch Teile Europas und nicht nur die Bundesrepublik. In diesem Sinne bitte ich Sie, den Änderungsantrag der Koalitionsfraktionen abzulehnen, und werbe um die Zustimmung zu unserem ursprünglichen Antrag. - Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN - Zustimmung bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Quade. - Damit ist die Debatte abgeschlossen. Wir kommen zum Abstimmungsverfahren zur Drs. 6/25.

Ich habe keinen Antrag auf Überweisung gehört. - Das ist richtig. Dann stimmen wir jetzt über den Änderungsantrag in der Drs. 6/47 ab. Wer diesem Änderungsantrag zustimmt, den darf ich um das Kartenzeichen bitten. - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer stimmt dagegen? - DIE LINKE und die Fraktion GRÜNE. Stimmenthaltungen? - Gibt es nicht.

(Zuruf von der LINKEN: Auszählen!)

- Dann müssen wir auszählen. Ich habe nicht die Fähigkeit wie Sie. Sie haben das offensichtlich mit einem Blick erfasst. Dann muss ich noch einmal abstimmen lassen. Wer stimmt für den Änderungsantrag? Meine Schriftführer zählen bitte. - 37. Wer stimmt dagegen? - 34. Damit ist der Änderungsantrag angenommen worden.

Dann lasse ich jetzt über den Antrag in der Drs. 6/25 in der somit geänderten Fassung abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfrak

tionen. Wer stimmt dagegen. - Das ist die Fraktion DIE LINKE. Wer enthält sich der Stimme? - Das ist die Fraktion GRÜNE und eine Stimme bei der Fraktion DIE LINKE. Damit ist der Antrag in der geänderten Fassung angenommen.

Meine Damen und Herren! Bevor ich den Tagesordnungspunkt 6 aufrufe, möchte ich Sie bitten, etwas ruhiger zu werden und auf Folgendes zu achten: Die parlamentarischen Geschäftsführer haben sich darauf geeinigt, dass wir den Tagesordnungspunkt 10 - Ausstieg aus der Atomenergie beschleunigen - morgen behandeln, und zwar nach dem Tagesordnungspunkt 11, also zwischen den Tagesordnungspunkten 11 und 12. Somit werden wir die heutige Sitzung nach dem Tagesordnungspunkt 9, sofern es weiterhin planmäßig läuft, beenden.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:

Erste Beratung

Entwurf eines Vierzehnten Gesetzes zur Änderung des Schulgesetzes des Landes SachsenAnhalt

Gesetzentwurf Fraktion GRÜNE - Drs. 6/37

Frau Professor Dalbert hat als Einbringerin das Wort.

Herr Präsident! Kolleginnen und Kollegen! Wir müssen nun geistig umschalten von Nordafrika über die europäischen Grenzen hinweg direkt in die Schulen Sachsen-Anhalts; denn das ist das Thema dieses Tagesordnungspunktes. Thema dieses Tagesordnungspunktes ist die zweite Hürde, denen unsere Kinder in Sachsen-Anhalt in ihrer Schullaufbahn begegnen. Die erste Hürde ist die Einschulung. Die zweite Hürde sind dann die Fragen, wie es nach der Grundschule weitergeht und welche weiterführende Schule gewählt wird.

Wir haben heute Morgen in der Aussprache zur Regierungserklärung eine kleine Zwischendebatte zwischen dem Ministerpräsidenten und der Fraktionsvorsitzenden der SPD gehört. Es ist natürlich richtig, dass über die Schullaufbahn nach der 4. Klasse nicht endgültig entschieden wird, aber eine wesentliche Weichenstellung passiert an dieser Stelle. Wir wissen auch, dass die Durchlässigkeit unseres Schulsystems nach der 4. Klasse vor allen Dingen nach unten geht und nicht nach oben.

Das heißt, das, worüber wir hier reden, ist alles andere als trivial. Es ist nämlich die Frage, wer denn darüber entscheidet, wo die Kinder nach der 4. Klasse weiterhin ihre Schullaufbahn verfolgen. Tun sie dies an einem Gymnasium, an einer Sekundarschule oder an weiteren Schulformen, die

hier im Lande möglich oder noch zu gründen sind? Also, es ist alles andere als eine triviale Frage.

Wir haben seit einigen Jahren die Situation in Sachsen-Anhalt, dass die Entscheidung, ob ein Kind nach der 4. Klasse auf das Gymnasium gehen kann oder ob es dies nicht kann, von einer verbindlichen Schullaufbahnempfehlung des Klassenlehrers oder der Klassenlehrerin des Kindes in der Grundschule abhängig ist. Wenn diese Empfehlung nicht vorliegt, dann kann man den Weg über eine Eignungsfeststellung gehen, um dann sozusagen noch einmal nachzubessern. Wenn das alles nicht hilft, dann ist das Elternrecht auf die Wahl der weiterführenden Schule eingeschränkt und das Kind darf nicht auf das Gymnasium gehen.

Was am Ende herauskommt, das wissen wir. Wir haben zwar zum einen eine hohe Nachfrage nach dem Gymnasium, wir haben aber zum anderen auch den Umstand, dass Kinder aus Akademikerhaushalten dreimal so häufig an Gymnasien sind wie Kinder aus Familien in bildungsferneren Schichten. Das hat zum einen sicherlich damit zu tun, dass eben die Wahl nicht frei ist. Wir dürfen auch unterstellen, dass Akademikereltern bei Nichtvorliegen der Schullaufbahnempfehlung eher auf eine Eignungsprüfung drängen, als dies Eltern aus bildungsferneren Schichten tun. Es ist also alles andere als eine triviale Frage.

Wenn wir uns nun fragen, wie das, was hierbei von dem Schulgesetz verlangt wird, nämlich eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung; denn jetzt umgesetzt wird, dann müssen wir über die Verordnung über die Übergänge zwischen den Schulformen und Bildungsgängen reden. Darin finden wir dreierlei:

Darin finden wir zum einen die Feststellung, dass zwar bestimmte Noten vorliegen müssen, dass diese Noten aber eben nicht als Grundlage für die Schullaufbahnempfehlung ausreichen. Ich denke, das ist richtig. Die Noten reichen nicht.

Dann schauen wir weiter, was da noch vorliegt. Dann wird hier verlangt, dass die Lehrerinnen aufgrund der Persönlichkeit dieser zehnjährigen Kinder und aufgrund des Lernverhaltens der Kinder in den letzten Schuljahren eine Prognose über den erfolgreichen Besuch des Gymnasiums ablegen.

Wir halten dies für eine unzulässige Aushöhlung des Elternwahlrechts bzw. des Rechts der Erziehungsberechtigten, den Bildungsgang der Kinder frei zu wählen. Auch bürdet dies den Lehrern und Lehrerinnen eine nicht lösbare Aufgabe auf.

Warum halte ich diese Aufgabe, eine verbindliche Schullaufbahnempfehlung zu geben, für unlösbar? - Wir haben gehört, die Noten sind keine hinreichende Grundlage. In diesem Punkt besteht offensichtlich Einigkeit, auch was die Verordnung betrifft.

Der zweite Punkt ist die Persönlichkeit. Da muss ich Ihnen sagen: Bei einem zehnjährigen Kind liegt überhaupt noch keine Persönlichkeit in der Stabilität vor, die es erlauben würde, aufgrund der Betrachtung einer solchen Persönlichkeit Schullaufbahnempfehlungen in die Zukunft zu geben. Also, diese Beurteilungsgrundlage liegt überhaupt nicht vor.

(Zustimmung von Herrn Striegel, GRÜNE - Zustimmung bei der LINKEN)