Protocol of the Session on January 19, 2012

Trotzdem sollten wir das Thema unbedingt auch in Sachsen-Anhalt auf die Tagesordnung setzen und mit allen Beteiligten eine Debatte darüber führen, wie es gelingen kann, die Prävention und die Versorgung optimal zu entwickeln. Besonders wichtig ist es uns dabei, die aus der UN-Behindertenrechtskonvention resultierenden Rechte der psychisch kranken und behinderten Menschen zu beachten.

Zu der unter Punkt 2 unseres Antrages aufgestellten Forderung, den Gesundheitszieleprozess für Sachsen-Anhalt dahin gehend neu zu justieren, dass Prävention und Förderung der seelischen Gesundheit als übergreifendes Gesundheitsziel implementiert wird, habe ich bereits die wichtigsten Gründe benannt.

Wichtig erscheint es mir, dass die Möglichkeiten der Gesundheitsziele zur Sensibilisierung der Gesellschaft und zur Enttabuisierung durch die breite Einbeziehung vieler Settings genutzt werden, um die Aufmerksamkeit für diese Erkrankung zu erhöhen, die Versorgung der Kranken zu verbessern sowie die Akzeptanz als mit somatischen Erkrankungen gleichrangige Erkrankung zu erhöhen.

Mit Punkt 3 unseres Antrages, in dem die Landesregierung aufgefordert wird, im Ausschuss für Arbeit und Soziales über ihre diesbezüglichen Aktivitäten und Konzepte zu berichten, soll der Landesregierung Gelegenheit gegeben werden, ihre Vorstellungen zum Umgang mit der Zunahme psychischer Erkrankungen vorzutragen, Präventionsmaßnahmen vorzustellen sowie mit dem Ausschuss über die Besetzung der Stelle und die konkreten Aufgabenstellungen eines Psychiatriereferenten zu diskutieren. Dazu sollte idealerweise auch ein Zeitraster für die Erstellung eines Landespsychiatrieplanes gehören.

Wir beantragen, unseren Antrag in den Ausschuss zu überweisen.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Zoschke. - Wir treten in die vereinbarte Fünfminutendebatte ein. Als Erster spricht für die Landesregierung Minister Herr Bischoff, der auch für unsere seelische Gesundheit zuständig ist. Bitte schön, Herr Minister.

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Für die seelische Gesundheit bin ich wohl zuständig. Seelsorgerisch bin ich nicht für alle zuständig, sondern nur für diejenigen, die das wollen.

Vielen Dank an Frau Zoschke und die Fraktion DIE LINKE dafür, dass Sie das Thema aufgegriffen ha

ben. Ich möchte kurz darauf eingehen; denn es besteht immer die Gefahr, dass ich die Themen aller nachfolgenden Rednerinnen und Redner vorwegnehme. Wenn ich nicht darauf eingehe, heißt es, der Minister habe in dieser Frage nichts zu sagen. Aber manchmal nimmt man auch zu viel vorweg.

Als die Angaben zur psychischen Verfasstheit und die Behandlungszahlen der Betroffenen vorlagen, habe ich gemeinsam mit dem Präsidenten des Statistischen Landesamtes die Pressekonferenz veranstaltet. Ich bin auch froh darüber, dass wir überhaupt Angaben haben, die einen Eindruck davon geben, wie sich der Zustand darstellt.

Die Gründe, weshalb es zum Beispiel zu einer Zunahme des Burnout-Syndroms gekommen ist - - Ich finde es gut, dass es diesen Begriff gibt; denn der Begriff „Depression“ ist oft mit einem Tabu belegt. Aber er ist identisch.

Bis heute ist die Frage, warum die Anzahl von Burnout-Erkrankungen in den letzten Jahren zugenommen hat, nicht eindeutig geklärt. Es gibt die Erklärung, es liege daran, dass die Tabuisierung nicht mehr so stark sei, dass die Akzeptanz psychischer Erkrankungen größer sei, dass viele in Behandlung gingen und Hilfe von Fachleuten in Anspruch nähmen. Wir wissen auch nicht, wie sich die Bedingungen am Arbeitsplatz auswirken. Dieses Thema haben Sie auch angesprochen und ich werde darauf noch näher eingehen. An dieser Stelle sehe ich eine große Herausforderung.

Auch die Frage der Zukunftsängste und der Orientierungslosigkeit spielt dabei eine Rolle. Heute kann man im Internet zwar viele Informationen einholen, aber es stellt sich die Frage, ob man dadurch eine Orientierung bekommt oder ob man letztlich mit Blick auf die Frage, wohin das Leben geht, gänzlich ratlos ist. Daher halte ich es für wichtig, dass wir dieses Thema in die Gesundheitsziele aufnehmen.

Ich denke, man muss nicht immer Vorreiter sein. Wenn man als Erster damit angefangen hat, dann wird man manchmal überholt. Aber man sollte nicht wieder zurückfallen; darin gebe ich Ihnen Recht.

Aber es gibt noch immer Gesundheitsziele, an denen wir festhalten, wie zum Beispiel in Bezug auf Herzinfarkterkrankungen, wo Sachsen-Anhalt in Deutschland nach wie vor an der Spitze liegt. Man sollte an diesen Zielen immer dranbleiben. Aber manche Dinge, wie die Zahngesundheit und die gesunde Ernährung, kann man vielleicht ein bisschen hintanstellen, obwohl diese Gesundheitsziele immer bestehen bleiben. Von allen Gesundheitszielen, die wir formuliert haben, haben wir keines zu 100 % erfüllt.

Schwierig ist es, die seelische Gesundheit als eigenen Zielbereich zu verankern. Denn hierfür

brauchte man mehr Zahlenangaben als lediglich die Angaben über die Behandlungszahlen, da diese nur eine Fassette darstellen. Wie viele Menschen sich professionelle Hilfe holen, wissen wir gar nicht. Daher, so denke ich, wäre es wichtig, dass wir das Thema der psychischen Gesundheit als Gesamtstrategie in den Gesundheitszieleprozess einbinden.

Denn bei genauer Betrachtung haben viele Erkrankungen etwas mit der psychischen Verfasstheit zu tun. In diesem Zusammenhang sind alkoholbedingte Erkrankungen, stressbedingte Erkrankungen, ernährungsbedingte Erkrankungen zu nennen. Viele sagen auch, dass psychische Belastungen eine der Hauptursachen für einen Herzinfarkt seien. Daher sollte man das als Gesamtstrategie betrachten und die einzelnen Themenfelder abklopfen. Auf jeden Fall spielt das eine Rolle. Daher nehmen wir diese Fragestellung des Antrags gern auf.

Die Anzahl der Unternehmen, die betriebliches Gesundheitsmanagement durchführen, ist noch immer gering. Aber es gibt Unternehmen, die dieses erfolgreich durchführen, die die entsprechenden Arbeitsplätze schaffen und die auch Rücksicht auf die familiäre Struktur der Menschen, die an ihre Belastungsgrenzen stoßen, nehmen. Viele sind belastet durch die Pflege der Eltern und Ähnliches.

Davon, dass die Gesundheit am Arbeitsplatz beachtet wird und dass die Arbeitsplätze und die Arbeit generell entsprechend gestaltet werden, hat auch der Betrieb Vorteile. Denn es nützt dem Unternehmen nichts, wenn die Menschen krank werden und ausfallen; dann müssten die anderen die Arbeit übernehmen.

Ich habe mich stets ein bisschen darüber geärgert, wenn zuerst der Finger auf den Sozialminister gerichtet wurde, nach dem Motto „Kümmere dich mal um diejenigen, die Burnout haben, weil sie im Betrieb ausfallen“. Dabei wurde nicht gefragt, wie die eigenen gesundheitlichen Strukturen im Betrieb aussehen. Manchmal ist die Arbeitsbelastung sehr hoch, es werden keine neuen Arbeitskräfte eingestellt, der Druck wird immer größer und die Leute fallen aus.

Es kann nicht sein, dass wir möglichst viele Psychiater oder Psychotherapeuten anstellen, die die Menschen wieder fit machen, damit sie wieder in die Mühle zurückkommen. Man muss nach den Ursachen suchen und dort ansetzen.

Das gilt auch für die Landesverwaltung. Ich habe keine Übersicht darüber, wie sich das in den einzelnen Ministerien darstellt. Vielleicht laden wir zum nächsten Gesundheitstag im Sozialministerium einmal die Abgeordneten ein. Dort findet viel Interessantes statt, auch solches, was zum psychischen Wohlbefinden beiträgt.

Aber auch die Leitungstätigkeit spielt hierbei eine Rolle. Menschen zu motivieren, zu loben und anzuerkennen, ist eigentlich der größte Anschub, um sie anzuspornen und ihnen ein Stückchen Wertschätzung ihrer Arbeit zu vermitteln.

Ich finde, auch in der Landesverwaltung könnte hierbei ein bisschen mehr getan werden. Mir sagen altgediente Abteilungsleiter manchmal, dass sie zum ersten Mal seit fünf Jahren von einem Minister gelobt worden seien. In solchen Fällen denke ich: Selbst sie freuen sich, wenn sie gelobt werden. Aber man verliert das sehr schnell aus den Augen, weil man es als selbstverständlich ansieht.

Zum Schluss möchte ich auf die Punkte eingehen, bei denen wir uns vielleicht ein bisschen missverstehen. Das war in der letzten Sitzung des Ausschusses auch der Fall; vielleicht bin ich meiner Geschäftsführerin ein bisschen in die Parade gefahren.

Ich schrecke vor der Forderung, eine Landesplanung zu erstellen, immer zurück. Wenn wir eine verbindliche Landesplanung erstellen, dann heißt das, dass wir auch Standards setzen müssen. Diese Standards müssen wir auch einhalten und überprüfen können. Außerdem müssen wir Instrumente haben, um die Standards durchsetzen zu können. Das ist bei den Dingen, die auf ambulanter, kommunaler Ebene stattfinden, unheimlich schwierig. Das gilt übrigens auch für die Landessozialplanung.

Wenn wir Standards festlegen, dann würden die Kommunen sofort die Mittel hierfür einfordern. Im Grunde genommen versteht sich das Gesundheitssystem in vielen Bereichen auch als kommunale Aufgabe, da diese Ebene viel näher dran ist. Aber in den Fällen, in denen das Land etwas dazugibt und die Kommunen sich zurücklehnen und sagen, das übernimmt jetzt das Land, wird es diese Reibungen wahrscheinlich immer geben. Das wird man wahrscheinlich nie auskurieren können.

Ich möchte Frau Grimm-Benne an einer Stelle ergänzen. Natürlich müssen wir im Land planen. Generell planen heißt aber nicht gleich, Standards zu setzen, die wir nicht überprüfen und nicht einhalten können; es kann jedoch bedeuten, Empfehlungen auszusprechen, wie wir sie auch im Rahmen der Krankenhausplanung geben.

Letztlich sind das nur Empfehlungen. Wenn die Krankenhäuser etwas anderes machen und sich nicht an den Empfehlungen orientieren, laufen sie Gefahr - diese Situation haben wir im Moment -, dass sie in die Insolvenz geraten. Eine abgestimmte Planung können wir nicht durchsetzen; dafür haben wir auch keine Rechtsgrundlage. Wir haben auch keine Investitionsmittel, um eine Steuerung vorzunehmen. Aber wir können Empfehlungen geben und dazu gehört eine Planung.

Ich glaube, in dieser Frage sind wir uns einig. Wir können uns nicht zurücklehnen. Es wird auch niemand einen öffentlichen Gesundheitsdienst im Land fordern; denn dies machen die Gesundheitsämter. Es gab in diesem Zusammenhang einmal die Empfehlung, dass die Psychiatrie-Arbeitsgruppen installiert werden sollen. Aber das tun eben nicht alle. Man kann nur immer wieder darauf hinweisen, wie wichtig das ist. Das wollen wir auch tun. Im Rahmen einer direkten Planung wird dies jedoch schwierig.

Für den stationären Bereich sind wir allerdings im Gespräch mit der Landeskrankenhausgesellschaft und mit den Krankenkassen. Die Festlegungen dabei sind zwar verbindlich, aber sie erfolgen, da das Land dabei ein Partner von vielen ist, einvernehmlich.

Daher bitte ich um Verständnis dafür, dass ich, wenn es um eine direkte Planung geht, die Standards festlegt, immer ein bisschen vorsichtig bin; denn die können wir nicht einhalten und setzen uns dann der Gefahr aus, Luftschlösser zu bauen. Es heißt dann am Ende: Ihr macht zwar eine Planung, aber letztlich hat es nichts gebracht.

Wir werden das Thema weiter verfolgen. Verschließen werden wir uns dem nicht; denn eine Landesbehörde ist für die Betrachtung des gesamten Landes verantwortlich und sollte entsprechende Empfehlungen geben, die auch eine Grundlage haben, auch wenn man nicht immer die Möglichkeit hat, sie rechtmäßig durchzusetzen. - Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD und bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Minister. - Frau Dr. Paschke, Sie wollten etwas fragen. Der Minister ist dafür bekannt, dass er alle Fragen beantwortet. Das wird er bestimmt auch jetzt tun. Bitte stellen Sie Ihre Frage.

Herr Minister, aus den Antworten der Landesregierung auf Kleine Anfragen unserer Fraktion geht hervor, dass Dienstunfähigkeit und Frühpensionierungen im öffentlichen Dienst zu einem Anteil von fast 40 % auf psychische Erkrankungen und Verhaltensstörungen zurückzuführen sind. Dieser Anteil ist erheblich. Im Rahmen der Haushaltsdebatte wurde ausgeführt, dass fast jedes Ministerium Mittel für das Gesundheitsmanagement eingestellt hat.

Meine Frage: Gibt es übergreifende Herangehensweisen, um bestimmte Probleme ministerienübergreifend anzugehen? - Ich halte diese Zerstückelung für politisch nicht angebracht.

Darüber, wie betrieblicher Gesundheitsschutz in den Landesbehörden und in den Ministerien gestaltet wird, muss ich mich kundig machen. Ich würde mich zu weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich sagen würde, es finde in anderen Ministerien nicht statt. Darüber habe ich keinen Überblick. Eine Beantwortung dieser Frage würde ich nachreichen können.

Dass man in der Landesverwaltung ein Klima und eine Arbeitsstruktur schafft, damit solche Probleme weniger oder in geringen Fällen auftauchen, hat nach meiner Erfahrungen mit folgenden Aspekten zu tun. Erstens betrifft das die Arbeitsorganisation. Die Menschen sollten mit Aufgaben betraut werden, die sie auch gerne wahrnehmen. Das ist meines Erachtens auch eine Leitungsfrage.

Zweitens müssen sich alle Ministerien fragen, welche Aufgaben in Zukunft auch angesichts der geringer werdenden Ressourcen prioritär bearbeitet werden müssen, welche Aufgaben wegfallen können und welche abteilungs- und ressortübergreifend realisiert werden können. Die letzte Frage steht vor uns; denn dabei können Synergieeffekte verstärkt genutzt werden.

Drittens - das ist meine tiefste Überzeugung - ist ein Großteil der Mitarbeiter in den Verwaltungen besser motiviert, wenn wir, die an oberster Stelle stehen - damit meine ich auch die Abteilungsleiter -, den Blick für alle im Haus haben. Ich merke, dass Mitarbeiter oder Referenten oftmals gar nicht gesehen werden oder man es als selbstverständlich ansieht, dass sie ihre Arbeit machen. Motivation und Anerkennung sind für mich sehr wichtig, damit Menschen wieder einen Antrieb erhalten und nicht sagen: Mich sieht sowieso niemand, meine Arbeit ist fast umsonst, wer weiß, ob sie überhaupt beachtet wird.

An vielen Stellen findet eine Demotivation statt. Hier muss man ansetzen. Es hat sehr viel mit der Psyche zu tun, ob jemand gern zur Arbeit kommt, ob er Anerkennung findet und ob seine Arbeit respektiert wird.

Danke schön, Herr Minister. - Die Debatte findet in der Reihenfolge CDU, GRÜNE, SPD, DIE LINKE statt. Als Erster spricht für die Fraktion der CDU Herr Schwenke. Bitte schön.

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordneten! Nach den umfangreichen Ausführungen der Einbringerin und den heute etwas kürzer gefassten, aber dennoch inhaltsschweren Ausführungen des Herrn Ministers bleibt eigentlich nicht mehr allzu viel zu sagen. Ich werde mich deshalb kurz fassen.

Auch wir haben natürlich die Entwicklungen im Bereich der psychischen Erkrankungen und den Umgang damit beobachtet und in diversen Gremien diskutiert. Selbst die offiziell vorliegenden Zahlen - über die Dunkelziffer der nicht bekannten Fälle will ich hier gar nicht spekulieren - sprechen für sich.

Wenn man in der Vergangenheit noch mit einem etwas ironischen Lächeln über den großen Teich geschaut und sich darüber amüsiert hat, dass scheinbar jeder zweite Amerikaner einen Psychiater braucht, müssen wir heute feststellen, dass auch bei uns dieses Phänomen zunehmend Realität wird.

Dazu trägt natürlich auch die öffentliche Berichterstattung über Depressionen oder Burnouts von im Fokus der Öffentlichkeit stehenden Personen aus Sport und Gesellschaft bei. Erinnert sei insbesondere an den Selbstmord des ehemaligen Bundesliga-Torwarts Robert Enke. Gerade dieser sehr tragische Fall führte zu einem offeneren Umgang mit psychischen Erkrankungen, zu mehr Aufmerksamkeit und Anerkennung.

Psychische Probleme werden zunehmend nicht mehr mit einem höhnischen „der hat ja eine Macke“ abgetan, sondern als wirkliche Erkrankung ernst genommen. Dadurch sind natürlich auch die Betroffenen eher bereit, sich selbst zu hinterfragen und zu outen.

Das heißt aber auch, dass natürlich verstärkt Konzepte zur Bewältigung dieser Krankheit und vor allem präventive Maßnahmen zur Verhinderung von psychischen Erkrankungen und zur Förderung der psychischen Gesundheit entwickelt werden müssen. Dies passiert natürlich schon seit längerem in diesem Land.