Protocol of the Session on January 19, 2012

Wer Anfang Dezember 2011 - ich glaube, es war am 10. Dezember - während der Vorstellung des ersten Entwurfs dabei war, der konnte sehr gut nachvollziehen, dass - das ist sehr vorsichtig formuliert worden - die Hauptarbeit im Sozialministerium gelaufen ist. Die Unterstützung von den Häusern war - vorsichtig ausgedrückt - von wenig über unterschiedlich bis gar nicht vorhanden. Ich habe den Kollegen, der das dort vorgestellt hat, sehr bewundert. Es ist jedoch sehr deutlich geworden, wie die Arbeit läuft. Ich denke, das kann nicht der Sinn der Sache sein.

Es kann aus meiner Sicht auch nicht der Sinn der Sache sein, dem Landesbehindertenbeauftragten diese Arbeit jetzt auch noch aufzudrücken. Ich schätze Herrn Maerevoet wirklich sehr. Ich kenne seine Arbeit auch seit Langem. Wir haben auf unterschiedlichen Ebenen zusammengearbeitet. Aber ich denke, dass für die Erarbeitung eines solchen Landesaktionsplans noch einmal ein anderes kleines Gremium durchaus nötig ist.

Ich kenne das seit vielen Jahren aus der Frauen- und Gleichstellungspolitik. Wir haben dort die meisten Erfolge erzielt und das Größte erreicht, als wir eine Anbindung an die Staatskanzlei hatten; denn nur damit konnten wir eine Autorität erlangen, die auch in den anderen Fachressorts als solche wahrgenommen wurde. Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass wir das jetzt an dieser Stelle auch brauchen.

Deshalb sage ich noch einmal ein Wort zu den angeblichen Doppelstrukturen. Aus meiner Sicht würde sich das Sozialministerium dann auf der Ebene der anderen Ministerien bewegen und würde nur - in Anführungsstrichen - für die sozialen Bereiche zuständig sein. Die Koordinierungsfunktion, also die Aufgabe, sich mit den anderen Häusern ins Benehmen zu setzen, würde dann von dieser zentralen Koordinierungsstelle wahrgenommen. Deshalb sehe ich nicht, dass an dieser Stelle Doppelarbeit, Doppelstrukturen und Parallelstrukturen installiert würden.

Ich glaube, dass wir das jetzt auch nicht auf die leichte Schulter nehmen sollten; denn umso sorgfältiger wir die Vorarbeiten leisten, desto wertvoller ist das Ergebnis. Eine gelungene Inklusion - ich möchte daran erinnern, dass wir heute früh über den Haushalt geredet haben - kann durchaus auch zu materiellen Einsparungen führen; denn sie vermindert Doppelarbeit, schafft Synergien und steigert die Effizienz von Angeboten, die das Land unterbreiten muss und hoffentlich auch unterbreiten will. Nachträgliche Reparaturarbeiten sind auf jeden Fall teurer.

Ich denke, dass vieles dafür spricht, hier ein durchdachtes und hoch angebundenes Inklusionsmanagement zu installieren, um nicht nur irgendetwas abzuarbeiten, weil wir irgendwie zwangsläufig ein Teil dieser Konvention sind, sondern weil wir wirklich etwas erreichen wollen. - Danke schön.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Lüddemann. - Damit ist die Debatte abgeschlossen und wir treten in das Abstimmungsverfahren ein. Ich habe deutlich gehört, dass die Einbringerin gesagt hat, dass es eine direkte Abstimmung über den Antrag geben soll.

(Herr Borgwardt, CDU: Das hat Sie gesagt, ja!)

Ich habe dann auch leise gehört, dass es eine Überweisung geben könnte. Das würde ich jetzt aber als nicht gehört oder nicht gesagt werten. - Okay, diejenige, die es gesagt hatte, nickt mit dem Kopf.

Dann verfahren wir wie folgt: Ich lasse über den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abstimmen. Wenn dieser keine Mehrheit findet, dann wird über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD abgestimmt.

Jetzt rufe ich den Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in Drs. 6/716 zur Abstimmung auf. Wer ist dafür? - Das ist die Antragstellerin und die Fraktion DIE LINKE. Wer ist dagegen? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Damit ist dieser Antrag abgelehnt worden.

Ich lasse jetzt über den Alternativantrag der Fraktionen der CDU und der SPD in der Drs. 6/747 abstimmen. Wer stimmt dem zu? - Das sind die Koalitionsfraktionen. Wer ist dagegen? - Niemand. Wer enthält sich der Stimme? - Das tun die Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Damit ist der Alternativantrag angenommen worden und der Tagesordnungspunkt 4 ist erledigt.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 5 auf:

Beratung

Seelische Gesundheit als übergreifendes Gesundheitsziel implementieren

Antrag Fraktion DIE LINKE - Drs. 6/719

Alternativantrag Fraktionen CDU und SPD - Drs. 6/748

Änderungsantrag Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN - Drs. 6/749

Die Einbringerin für die Fraktion DIE LINKE ist Frau Zoschke. Bitte, Sie haben das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mehrere Studien, statistische Daten der Krankenkassen zur Entwicklung psychischer Erkrankungen in Deutschland und zahllose Presseberichte der letzten Jahre deuten auf eine besorgniserregende Tendenz hinsichtlich der psychischen Gesundheit vieler Menschen hin. Die Zahl der ausgewiesenen Ausfalltage durch psychische Erkrankungen wächst, obwohl diese Gruppe von Erkrankungen noch immer in einer Grauzone der Information steht.

Psychische Erkrankungen werden häufig nicht offen zugegeben bzw. hinter anderen Diagnosen versteckt. Spätestens seit den Suiziden bzw. Suizidversuchen prominenter Personen ist auch die Öffentlichkeit für diese Thematik stärker sensibili

siert. Diese Entwicklungen waren für das Statistische Landesamt Sachsen-Anhalt Grund genug, um die Thematik psychische Gesundheit zum Gegenstand mehrerer Untersuchungen zu machen. Deren Ergebnis und die seit Jahren im Psychiatriebericht des Landes aufgezeigten Probleme waren für uns Anlass dafür, den vorliegenden Antrag einzubringen.

Zur Illustration trage ich ein paar wenige Zahlen aus dieser Studie vor. Bundesweit stiegen die direkten Krankheitskosten infolge psychischer Krankheiten von 23,3 Milliarden € im Jahr 2002 auf 28,7 Milliarden € im Jahr 2008. Allein die Kosten für Depressionen und Demenz sind in diesem Zeitraum um 32 % gestiegen. Die Kosten für alle Krankheiten stiegen nur um 16 %.

Die Werte hinsichtlich der Arbeitsunfähigkeitstage liegen in Sachsen-Anhalt zwar noch unter dem Bundesdurchschnitt, aber die Angleichung geht ziemlich rasant vonstatten. Besonders sichtbar werden die Entwicklungen auf diesem Gebiet an der Zahl der Krankenhausfälle und der durchschnittlichen Verweildauer im Krankenhaus. Während die durchschnittliche Verweildauer in Krankenhäusern in Deutschland und in Sachsen-Anhalt im Jahr 2009 acht Tage betrug, waren es bei psychischen Störungen bundesweit 20,4 Tage und in Sachsen-Anhalt 20,7 Tage.

Diese Reihe ließe sich mit Spezifizierungen hinsichtlich verschiedener Diagnosen wie alkoholbedingte Erkrankungen sowie nach Altersgruppen und nach dem sozialen Status fortsetzen. Das möchte ich hier nicht tun. Sehen Sie sich dieses Material an.

Interessante Zusammenhänge zwischen sozialer Lage, Krankenhausfällen und bestimmten Diagnosen, zum Beispiel alkoholbedingten psychischen Erkrankungen, lassen sich mit einigen Tabellen herstellen, die im Rahmen eines Bundesvergleiches entstanden sind.

In dieser Studie findet man aber keine Informationen über die individuelle Seite psychischer Erkrankungen. Angaben über die privaten Kosten stehen nicht zur Verfügung. Noch weniger Informationen stehen über die mit diesen Krankheiten verbundenen persönlichen, familiären und sozialen Probleme der einzelnen - -

(Unruhe)

Frau Kollegin, ich möchte Sie kurz unterbrechen und für Sie um etwas mehr Ruhe werben.

(Beifall bei der LINKEN)

Danke schön. Im Übrigen ist das nicht nur für mich, sondern in erster Linie für die psychisch Kranken.

(Beifall bei der LINKEN)

Bitte fahren Sie fort.

Angaben über die privaten Kosten stehen nicht zur Verfügung. In noch geringerem Umfang stehen Angaben zu den mit diesen Krankheiten verbundenen persönlichen, familiären und sozialen Problemen der einzelnen betroffenen Menschen zur Verfügung.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Diese kann man nur erahnen oder aus Erfahrungen im Umfeld entnehmen; aber wir müssen sie beachten.

Auch Konsequenzen für die Arbeitswelt spielen eine wichtige Rolle. Darauf setzte zum Beispiel die EU mit ihrer Konferenz „Förderung der psychischen Gesundheit und des Wohlbefindens am Arbeitsplatz“ im vergangenen Jahr in Berlin einen besonderen Schwerpunkt.

Auf der Bundesebene ist aus all diesen Gründen im Jahr 2006 das nationale Gesundheitsziel „Depressive Erkrankungen verhindern, früh erkennen, nachhaltig behandeln“ festgelegt worden.

Es gibt unter anderen in Bayern, Thüringen und Brandenburg für die Landesebene ähnliche Zielstellungen. In anderen Bundesländern ist das Thema in altersbezogenen Gesundheitszielen verankert worden. Brandenburg zum Beispiel legt den Fokus besonders auf Kinder und Jugendliche. Bayern bestimmte im Jahr 2009 die Prävention psychischer Erkrankungen als Handlungsfeld innerhalb der Gesundheitsziele. Thüringen hat sein drittes Gesundheitsziel wie das nationale Gesundheitsziel „Depressive Erkrankungen verhindern, früh erkennen und nachhaltig behandeln“ benannt.

Wir meinen, dass die Gesundheitsziele-Bewegung eine sinnvolle und effektive Möglichkeit ist, um sowohl die Öffentlichkeit und den Landtag für das Thema zu sensibilisieren, als auch um die notwendigen Akteure für die Prävention, die medizinische Versorgung, die Selbsthilfe usw. zu koordinieren. Gesundheitsziele können nach unserer Auffassung als verbindendes Steuerungsinstrument im Gesundheitssystem wirksam zur Verbesserung der seelischen Gesundheit, der dafür notwendigen Versorgungsstrukturen und deren Qualität beitragen.

Durch den Setting-Ansatz wird es besser möglich, die Kräfte der verschiedenen Akteure zu bündeln und zielorientiert einzusetzen. Sachsen-Anhalt hat bereits in vielen Bereichen mit diesem Instrument gute Erfahrungen gemacht. Dass es für den Bereich der seelischen Gesundheit ebenfalls sehr nützlich sein kann, ist im 18. Bericht des Psychiatrieausschusses von den Vertreterinnen der Landesvereinigung für Gesundheit in ihrem Gastbeitrag nachdrücklich aufgezeigt worden.

Wir wollen mit unserem Antrag die Landesregierung zur Ergreifung konkreter Maßnahmen im Bereich der Prävention psychischer Erkrankungen veranlassen. Besonders hinsichtlich betrieblicher Gesundheitsvorsorge sollen entsprechende Aktivitäten angeregt werden. Die Landesverwaltung muss hier als Vorbild vorangehen, zumal in den Haushaltsplänen der einzelnen Ressorts für das betriebliche Gesundheitsmanagement Mittel veranschlagt worden sind. Das sind zwar keine riesigen Summen, aber ihre Nutzung sollte doch konzeptionell in diese Richtung untersetzt werden.

Die Legung eines Schwerpunktes der Gesundheitspolitik des Landes auf die seelische Gesundheit sollte auch damit verbunden werden, dass endlich auf die seit Jahren erhobenen Forderungen nach einem neuen Landespsychiatrieplan reagiert wird.

Sachsen-Anhalt war im Jahr 1992 einmal Vorreiter auf diesem Gebiet. Doch der im Jahr 1996 fortgeschriebene Plan hat schon lange keine Wirkung mehr. Im Jahr 2007 begründete der Psychiatrieausschuss eine zwingende Aktualisierung der Planung folgendermaßen - ich zitiere -:

„Die Versorgungsziele müssen neu definiert werden. Es geht heute nicht mehr darum, Versäumnisse der ehemaligen DDR auszugleichen. Die gesellschaftliche Entwicklung der letzten 15 Jahre und insbesondere der demografische Wandel haben völlig veränderte Voraussetzungen geschaffen. Nach der Kreisgebietsreform muss die regionale Planung angepasst werden.“

Diese Gründe sind heute genauso aktuell wie im Jahr 2007. Hinzu kommt noch eine Reihe weiterer Gründe, die ich eingangs mit den Daten zur Entwicklung psychischer Erkrankungen beschrieben habe. Mit einem solchen Plan soll die Landesregierung ein Rahmenkonzept für die Weiterentwicklung der psychiatrischen Versorgung in den folgenden Jahren erarbeiten, was Wege zur optimalen Vernetzung der bestehenden Behandlungs- und Hilfestrukturen weist. Insbesondere die Weiterentwicklung gemeindenaher Angebote und die Sicherung der ambulanten fachärztlichen Betreuung, vor allem alter und pflegebedürftiger Menschen, sollte Gegenstand eines solchen Plans sein.

Sicherlich bedarf es dazu auch einer weiteren Vervollständigung der Datenbasis; denn die Gesundheitsberichterstattung ist bezogen auf die psychiatrisch-psychotherapeutische Versorgung noch lückenhaft. Die vom Statistischen Landesamt vorgelegte Studie dürfte dafür eine gute Grundlage sein.

Erst vor einem halben Jahr hat der Freistaat Sachsen seinen zweiten Landespsychiatrieplan vorgestellt. Man hat dort also nach 18 Jahren eine Fortschreibung begonnen. Dem Presseecho und der parlamentarischen Debatte nach zu urteilen gibt es

dort allerdings noch einige erhebliche Unzulänglichkeiten und Diskrepanzen.

Trotzdem sollten wir das Thema unbedingt auch in Sachsen-Anhalt auf die Tagesordnung setzen und mit allen Beteiligten eine Debatte darüber führen, wie es gelingen kann, die Prävention und die Versorgung optimal zu entwickeln. Besonders wichtig ist es uns dabei, die aus der UN-Behindertenrechtskonvention resultierenden Rechte der psychisch kranken und behinderten Menschen zu beachten.