Das heißt aber auch, dass natürlich verstärkt Konzepte zur Bewältigung dieser Krankheit und vor allem präventive Maßnahmen zur Verhinderung von psychischen Erkrankungen und zur Förderung der psychischen Gesundheit entwickelt werden müssen. Dies passiert natürlich schon seit längerem in diesem Land.
Der Minister Bischoff hat gerade auf den Sonderbericht „Psychische Gesundheit in Sachsen-Anhalt“ verwiesen. Auch die Diskussion im Sozialausschuss am vergangenen Mittwoch zum Psychiatriebericht hat gezeigt, dass weiterhin dringender Handlungsbedarf besteht.
Insofern ist Ihr Ansinnen, werte Kolleginnen und Kollegen der LINKEN, grundsätzlich völlig gerechtfertigt. Dass wir als Koalitionsfraktionen im Detail dazu einige andere Ansichten haben, ist sicherlich nicht überraschend. Wir möchten wie Sie, dass der Gesundheitszieleprozess so neu zu justieren ist, dass die Prävention psychischer Beeinträchtigungen und die Förderung der psychischen Gesundheit als übergreifendes strategisches Ziel Berücksichtigung finden.
Dabei ist es uns besonders wichtig, dass mit der Aufnahme dieses Ziels konkrete Maßnahmen und Handlungsempfehlungen entwickelt werden, wie der weiteren Zunahme psychischer Erkrankungen gerade im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung vorgebeugt werden kann. Dies gilt natür
lich nicht nur für die Landesverwaltung, sondern auch für sämtliche Bereiche der Wirtschaft, der Verwaltung usw. usf.
Betriebliches Gesundheitsmanagement - der Minister hat hierzu aus eigener Erfahrung einiges geschildert - ist im Interesse aller Beteiligten, sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer. Ein gesundheitsförderndes Arbeitsumfeld stärkt nachweislich die Leistungsfähigkeit, verbessert das Arbeitsklima und sorgt für besseres Wohlbefinden.
Da auch ich Ihr Wohlbefinden im Auge habe und wir inhaltlich offensichtlich sehr nah beieinander sind, werde ich meine Rede an dieser Stelle beenden. Ich freue mich auf die weitere Diskussion im Ausschuss, wenn über die ersten Ergebnisse berichtet wird. Ich bitte Sie um Zustimmung zu unserem Alternativantrag mit den Ergänzungen aus dem Antrag der GRÜNEN, die Frau Grimm-Benne gleich noch vorstellen wird. Insofern möchten wir heute eine direkte Abstimmung. - Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Herr Präsident! Meine Herren und Damen! Gesundheit ist ein hohes Gut. Damit verbindet man zumeist nur die physische Gesundheit. Das reicht aber nicht aus. Die WHO-Definition der seelischen Gesundheit lautet: Es ist der Zustand des Wohlbefindens, in dem der Einzelne seine Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv und fruchtbar arbeiten kann und imstande ist, etwas zu seiner Gemeinschaft beizutragen.
Das heißt also, neben physischer ist auch die psychische Gesundheit mitzudenken. Beide Komponenten spielen eine Rolle. Häufig haben wir es mit Komorbidität zu tun, wovon Frauen mehr betroffen sind als Männer. In diesem Fall liegen physische und psychische Erkrankungen gleichzeitig vor.
Diese Definition der WHO heißt aber auch, dass die physische und psychische Gesundheit sowohl im Interesse des Einzelnen als auch im Interesse der Gesellschaft ist. Das heißt, Gesellschaft - oder auch die Arbeitswelt - funktioniert nur, wenn der Einzelne bzw. die Einzelne gesund ist. Eine gesunde Gesellschaft setzt gesunde Mitglieder voraus.
Aus dem 18. Bericht des Ausschusses für Angelegenheiten der psychiatrischen Krankenversorgung sind Konsequenzen zu ziehen. Trotz der Zunahme psychischer Erkrankungen - das wurde be
reits des Öfteren gesagt - sowohl auf Bundesebene als auch in Sachsen-Anhalt sind Betroffene nach wie vor stigmatisiert. Dieses Tabu gilt es zu brechen.
Eine weitere Konsequenz aus diesem Bericht ist für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, einen Landespsychiatrieplan neu zu erarbeiten. Dieser muss den neuen Bedingungen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt angepasst werden.
Die Gesundheitsziele, von denen hier die Rede ist, beinhalten Vereinbarungen der Verantwortlichen im gesamten Gesundheitssystem. Es gilt also, alle zu beteiligen - auch die Politik.
Gerade die seelische Gesundheit tangiert mehrere Politikfelder: die Sozialpolitik, die Arbeitsmarktpolitik, aber auch die Bildungspolitik. Hier kann man präventiv tätig werden. Das heißt also, seelische Gesundheit ist übergreifend und seelische Gesundheit wird von sehr unterschiedlichen Faktoren beeinflusst, die zum Beispiel biologischer, genetischer oder sozialer Natur sind. Dies können aber auch Umweltfaktoren sein. Seelische Gesundheit kann positiv und negativ beeinflusst werden.
Eingedenk der Komplexität des Gesundheitsziels „seelische Gesundheit“ sollten die Erfahrungen genutzt werden, die zum Beispiel das Aktionsbündnis „seelische Gesundheit“ gemacht hat. Deshalb wollen wir den Antrag der LINKEN um einen Punkt 4 ergänzen.
Dieses Aktionsbündnis für seelische Gesundheit besteht seit 2006. Initiatorin dieses Bündnisses war die Deutsche Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde. Seit 2008 wird dieses Aktionsbündnis vom Ministerium für Gesundheitswesen gefördert.
Es gibt etwa 70 beteiligte Verbände, Vereine und Institutionen. Beteiligt sind also sowohl Betroffene als auch deren Angehörige, Ärzteverbände, wissenschaftliche Fachgesellschaften usw. Dieser Zusammenschluss gewährleistet, dass viele Komponenten zum Erhalt bzw. zur Wiederherstellung der seelischen Gesundheit berücksichtigt werden. Ein Rückgriff auf diese umfangreichen Erfahrungen ist unserer Meinung nach erforderlich.
Wir unterstützen das Bemühen, seelische Gesundheit als übergreifendes Gesundheitsziel zu implementieren. - Vielen Dank.
Vielen Dank, Frau Wicke-Scheil. - Für die Fraktion der SPD spricht jetzt Frau Grimm-Benne. Bitte schön.
Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren Kollegen! Als damals der Fußballtrainer Ralf Rangnick überraschend angekündigt hat, bei Hoffenheim aufzuhören und eine Auszeit zu nehmen, und dies damit begründete, er sei ausgebrannt, beschäftigte sein Fall zahlreiche Medien. Diese nahmen das zum Anlass, über das Phänomen Burnout zu berichten.
In einer damaligen Ausgabe des „Sterns“ gab es einen Überblick über Personen auch fern der Prominenz, die sich über die Jahre krankenhausreif gearbeitet hatten. Von der Volkskrankheit Burnout sprachen die „Frankfurter Rundschau“, „Bild“ und der „Spiegel“, letzterer mit dem symptomatischen Nachsatz: „Wie Erschöpfung die Volkswirtschaft schwächt“.
Burnout ist das Wort unserer Zeit. Burnout hört sich auch einfach besser an als „schwere Erschöpfungsdepression“ und ist damit auch salonfähiger.
Wer das Elend unserer Arbeitswelt sucht, findet es oft am Ende von Stellenausschreibungen. Ganz gleich, ob ein Manager für eine Bank oder eine Sozialpädagogin gesucht wird, steht da: Wir erwarten zu Problemen kreative Lösungen.
Das ist nur ein Beispiel aus dem Wortnebel, den unsere sogenannte Leistungsgesellschaft bildet. Flexibilität, Feedback, Individualität, Work-LifeBalance. Am Schluss dieser Reihe steht ein Wort, das es jetzt wieder in die öffentliche Diskussion geschafft hat: Burnout.
Unsere Leistungsgesellschaft ist vor allem durch das Wort des Könnens gekennzeichnet. Das Ideal ist die Anpassungsfähigkeit an eine sich ständig wandelnde Arbeitsumwelt, in der die als notwendig dargestellten Umbrüche nicht mehr hinterfragbar erscheinen. Es heißt, so sei es nun einmal in Zeiten von Wettbewerbsverschärfung, Finanzkrise und Globalisierung.
So entsteht eine neue, andersartige „Yes, we can“Gesellschaft, die auf ihre Angst mit Ja-Sagen reagiert. Ja, ich kann auch um Mitternacht E-Mails beantworten. Ja, ich kann auch im Urlaub ans Telefon gehen; es könnte ja etwas Dringendes sein. - Resignierend stellt der Einzelne fest: So ist eben das Geschäft.
So arbeitet in Deutschland jeder zehnte Vollzeitbeschäftigte mehr als 60 Stunden in der Woche. Viele leiden zudem unter dem Arbeitsklima und auch unter dem eigenen Perfektionismus. Wer dann noch seine sozialen Bindungen verliert, etwa den Kontakt zu Freunden, ist hochgradig gefährdet, an einem Burnout zu erkranken.
Wenn ich uns selbst beobachte, stelle ich Ähnliches fest: Wir haben iPads, wir haben Handys. Wir haben viele Termine. Wir haben auch eine 60-Stunden-Woche. Wir sind auch dem Druck aus
gesetzt, ständig erreichbar zu sein. Wir sind dem Druck ausgesetzt, uns gegenüber der Presse zu artikulieren. Wir haben Suchtprobleme. Wir haben all diese Dinge, die wir nicht als Depression benennen, sondern als Burnout, was schöner klingt.
Toll an dem Fußballtrainer Ralf Rangnick ist, dass er es geschafft hat, aus diesem Kreislauf herauszukommen. Deswegen bin ich dankbar für Ihren Antrag; denn wir müssen die Prävention in einer immer härteren Arbeitswelt voranbringen. Wir müssen bei Personalabteilungen den Blick dafür öffnen, wie man mit bestimmten gezielten Konzeptionen und Programmen arbeiten kann.
Wigbert Schwenke hat schon etwas zu dem Änderungsantrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN gesagt. Auch mit meiner Vorrednerin habe ich darüber gesprochen. Natürlich haben Sie Recht, wenn Sie sagen, dass das Aktionsbündnis „Seelische Gesundheit“, das versucht, sowohl im Norden als auch im Süden ansprechbar zu sein, zumindest im ambulanten Bereich Beratung bei Fragestellungen und Hilferufen von Einzelnen bietet. Wenn es darum geht, eine Konzeption in diesem Bereich zu erarbeiten, ist dieses Bündnis natürlich zu berücksichtigen.
Deswegen haben wir uns gerade darauf verständigt, unter Punkt 2 nach dem Semikolon den Satz einzufügen: „Dabei sind die Erfahrungen des Aktionsbündnisses ‚Seelische Gesundheit’ zu nutzen.“
Würde man somit dem Alternativantrag von SPD und CDU zustimmen, dann würde sich der Änderungsantrag erübrigen. - Herzlichen Dank.
Nein, es handelt sich nicht um eine Frage. - Verehrte Frau Kollegin, Ralf Rangnick war zu dem Zeitpunkt Trainer von Schalke 04 und nicht von Hoffenheim.
Sehen Sie, das kommt heraus, wenn man seine Kollegen fragt. Ich habe die Männer meiner Fraktion gefragt. Das hätte ich nicht machen sollen.
Ich bin nämlich nicht so fußballinteressiert und habe gefragt: Wo hat er denn aufgehört, Trainer zu sein? - Herzlichen Dank für den Hinweis.
Ich hoffe, dass mir ein solcher Fauxpas nicht passiert. Aber ich will ja auch nicht beim „Aktuellen Sportstudio“ anfangen.
Jetzt nimmt Frau Kollegin Grimm-Benne wieder Platz. - Frau Zoschke spricht noch einmal für die Fraktion DIE LINKE. Bitte schön.