Protocol of the Session on December 15, 2011

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Unser Innenminister hat kurz nach seinem Amtsantritt im April 2011 ein eigenes Referat im Ministerium einrichten lassen, um die Chancen eines neuen NPDVerbotsverfahrens prüfen zu lassen. Er hat auch eine länderoffene Arbeitsgruppe eingerichtet, um sich mit dieser Thematik systematisch zu befassen. Das war ganz sicher kein Aktionismus vor dem Hintergrund der aktuellen Ereignisse um die nunmehr bekannt gewordenen Verbrechen.

Im Koalitionsvertrag bekennen sich CDU und SPD insbesondere zu der entschiedenen Bekämpfung von Extremismus und Terrorismus. Des Weiteren befürwortet diese Koalition einen aussichtsreichen Antrag auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit der NPD.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Innenminister handelt, er handelt auf der Grundlage des Koalitionsvertrages. Das will ich an dieser Stelle ausdrücklich feststellen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Von den ca. 800 Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt sind die wenigsten in der NPD. Deshalb ist der ganzheitliche Ansatz im Entgegensteuern, den die Landesregierung vertritt, richtig und zu begrüßen.

Auch ich sage: Der Bundesratsbeschluss, der existiert und den Sachsen-Anhalt mitgetragen hat, der die Möglichkeit eröffnet hätte, extremistische Straftaten noch entschiedener zu ahnden, verdient es,

in einem neuen Anlauf auf der Bundesebene umgesetzt zu werden.

Das Netzwerk für Demokratie und Toleranz, das Aktionsprogramm gegen Rechtsextremismus, das Netzwerk Schule ohne Rassismus - sie sind genannt worden - müssen weiterentwickelt und gestärkt werden. Ich denke, das neue Landesprogramm für Demokratie, Vielfalt und Weltoffenheit kann hierbei eine wichtige Bündelungsfunktion übernehmen und sinnvolle Ergänzungen leisten.

Selbstverständlich bestehen zwischen den Rechtsextremen der verschiedenen Bundesländer Kontakte. Diese treffen beispielsweise bei Musikveranstaltungen der rechten Szene zusammen. Ich bin der Meinung, sofern Ermittlungen der Generalbundesanwaltschaft belastende Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Kontakte der Terrorzelle auch nach Sachsen-Anhalt bestanden haben, müssen der Innenausschuss und die Öffentlichkeit durch das Ministerium sofort in Kenntnis gesetzt werden.

Sachsen-Anhalt hat seine Bereitschaft zur Mitarbeit in der geplanten gemeinsamen Verbunddatei für gefährliche Rechtsextreme und in dem geplanten Abwehrzentrum Rechtsextremismus schon seit längerer Zeit zugesagt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich glaube, es darf gar nicht so sehr verwundern, dass fast niemand zu dem Antrag der GRÜNEN etwas gesagt hat, obwohl es eine verbundene Debatte ist. Der Grund ist vielleicht, dass es auch verwundert, dass es diesen Antrag überhaupt gibt. Denn wir haben einen gemeinsamen Entschließungsantrag, und es befremdet, dass man einer gemeinsamen Entschließung quasi eine einseitige Ergänzung hinzufügen will.

Hauptpunkt des Antrages der GRÜNEN ist eine umfassende Aussagegenehmigung. Wie Sie wissen, ist das ein brandheißes Thema, das rechtlich schwierig zu diskutieren ist. Das Bundesverfassungsgericht hat in einer Entscheidung zum BNDUntersuchungsausschuss festgestellt, dass der Bundestag unabhängig von anderen Staatsorganen mit hoheitlichen Mitteln Sachverhalte prüfen kann, dass er in Erfüllung seiner Verfassungsaufträge auch das Recht hat, Beweise zu erheben. Die Exekutive ist daher grundsätzlich zur Erteilung von Aussagegenehmigungen für Zeugen verpflichtet.

Es gibt jedoch selbst für Untersuchungsausschüsse verfassungsrechtliche Grenzen des Beweiserhebungsrechts. Dies hat das Bundesverfassungsgericht mit dem Verweis auf das sogenannte Staatswohl, also das Wohl des Bundes und der Länder, hinreichend und streng definiert.

Der Antrag der GRÜNEN bezieht sich bei der geforderten umfassenden Aussagegenehmigung gerade nicht auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und ist daher wenig hilfreich.

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich appelliere an das Hohe Haus, zur Angemessenheit in der Debatte zurückzukehren. Sachsen-Anhalts Zukunft im Herzen Europas - das sage ich mit fester Überzeugung - liegt in einem weltoffenen, demokratischen Gemeinwesen. Alles, was daran Zweifel nährt, muss uns alle alarmieren. Seien wir auf der Hut vor der Versuchung, man könne die absolute Wahrheit kennen. Es sind alle totalitäre Ideologien, die uns genau das in ihrem Sendungsbewusstsein versprechen wollen.

Ich rufe uns zu: Bewahren wir uns lieber unseren kritischen Rationalismus. Seien wir überzeugt davon, dass alles menschliche Tun fehlbar bleibt und - mit Blick auf die bevorstehende Weihnachtszeit - erinnern wir uns daran, wer der wahre Erlöser ist. - Danke sehr.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Danke schön, Herr Kollege Schröder. Es gibt noch zwei Nachfragen. Möchten Sie diese beantworten?

Zunächst Herr Abgeordneter Striegel.

Herr Kollege Schröder, geben Sie mir darin Recht, dass wir mit Blick auf die Demokratieerklärung, die von den Initiativen abverlangt wird, zwei unterschiedliche Sachverhalte zu betrachten haben, nämlich einerseits das sicherlich erfragbare, möglicherweise nicht notwendige Bekenntnis zur Demokratie, zur Verfassung - denn man könnte davon ausgehen, dass Demokratieinitiativen per se für Demokratie eintreten - und andererseits eine Ergänzung, durch die diese Initiativen genötigt werden, nicht nur für sich selbst, sondern für alle zu bürgen, mit denen sie mehr oder weniger unbestimmt zu tun haben, und dass dieser zweite Teil das eigentliche Problem ist, weil er Demokratieinitiativen zu Bespitzelungsleistungen anhält?

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Sehr geehrter Herr Striegel, ich teile Ihre Meinung, dass es bei der Frage der Demokratieerklärung um zwei getrennte Sachverhalte geht. Sie und auch andere Redner haben das Thema Demokratieerklärung mit dem Blick auf einen möglichen Generalverdacht angesprochen. Deswegen habe ich mir erlaubt, darauf hinzuweisen, dass ich in der Erklärung zur Verfassungstreue, sich sozusagen zu der

freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen, keinen Hinderungsgrund für das Engagement solcher Initiativen sehe.

Die berechtigte Hoffnung, die Sie haben, dass sich Demokratieinitiativen auch für die Demokratie einsetzen, teile ich. Aber es ist eben leider nur eine Hoffnung. Insofern kann auch der Zusatz der Demokratieerklärung, sich zu dieser Verfassung und der freiheitlich-demokratischen Grundordnung zu bekennen, wirklich kein Hinderungsgrund sein.

Inwieweit der Punkt 2 zur Bespitzelung und sonstigen Dingen führt, ist hier nicht weiter ausgeführt worden und gehört auch gar nicht zu dieser Tagesordnung. Wir haben in diesem Hohen Haus schon ausführlich über die Demokratieerklärung diskutiert.

(Zustimmung bei der CDU)

Vielen Dank, Herr Kollege Schröder. Es gibt eine zweite Nachfrage. - Frau Kollegin Dalbert.

Danke, Herr Präsident. Es ist keine Frage, sondern eine Intervention.

Ich habe lange überlegt, ob ich mich zu Wort melden soll. Ich habe mich dann aber doch entschlossen, dies zu tun, weil ein Mitglied meiner Fraktion sich mit dem Vorwurf konfrontiert sah, selbstgerecht in diesem Hohen Hause geredet zu haben.

Selbstverständlich ist jeder Abgeordnete frei in der Interpretation und in der Bewertung, wie eine Rede auf ihn wirkt. Ich möchte mir aber doch das Recht herausnehmen, an dieser Stelle nicht nur zu sagen, dass ich überhaupt nicht nachvollziehen kann, wie dieser Eindruck entstanden ist,

(Lachen bei der CDU)

sondern auch darauf hinzuweisen - ich werde den Passus vorlesen -,

(Zuruf von der CDU: Nein!)

dass Herr Striegel in einem sehr hohen Maße selbstreflektierend eingeräumt hat, wie schwierig der Umgang mit diesen sogenannten Döner-Morden und vergleichbaren Verbrechen war. Er hat diesen Passus seiner Rede begonnen mit den Worten „wir hadern“. Es folgen ganz viele rhetorische Fragen, die mit dem Wort „wir“ beginnen. Am Ende der Passage sagte Herr Striegel:

„Ich habe Fahndungsplakate wiederholt in Polizeidienststellen gesehen, und auch bei mir machten sich angesichts der dargestellten Fakten zu bereitwillig“

- er sagte „auch bei mir“; er spricht über sich selbst -

„rassistische Stereotype breit, könnten mögliche andere Deutungen in den Hintergrund treten.“

Ich möchte Ihnen diese Stelle noch einmal vorgelesen haben und Sie bitten, Ihren Vorwurf der Selbstgerechtigkeit an dieser Stelle einer kritischen Prüfung zu unterziehen.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei der LIN- KEN)

Sehr geehrte Frau Kollegin Dalbert, ich möchte an dieser Stelle eigentlich nur sagen, dass ich glaube, dass wir alle in diesem Hohen Haus sowohl Frau als auch Manns genug sind, dafür geradezustehen, was wir sagen und wie wir es sagen.

(Beifall bei der CDU - Zustimmung bei der SPD)

Vielen Dank! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Damit ist die Debatte zu der Regierungserklärung abgeschlossen. Wir stehen nunmehr vor dem Abstimmungsverfahren. Gestatten Sie mir noch eine kurze einleitende Bemerkung.

Das Wesen eines demokratischen Rechtsstaates ist es, dass die Bürgerinnen und Bürger in einer freien und geheimen Wahl Personen auswählen und für eine bestimmte Zeit legitimieren können. Diese Personen stehen für unterschiedliche Programme und Parteien und sie bekommen dann auch die Gelegenheit, die Programme der Parteien und die unterschiedlichen demokratischen Angebote in einer Demokratie mit einzubringen.

Insofern ist es folgerichtig, ganz selbstverständlich und gut, dass bei einer Debatte zu einem so wichtigen Thema wie dem heutigen zum Teil auch sehr unterschiedliche Standpunkte geäußert werden. Dafür stehen auch unterschiedliche Parteien, die in ihren Fraktionen Widerklang finden.

(Zustimmung bei den GRÜNEN und bei der LINKEN)

Insofern denke ich, zum Abschluss der Debatte im Namen aller sagen zu können, dass wir durchaus den Konsens der Demokraten feststellen können, was die Verteidigung von Freiheit und Demokratie, von unveräußerlichen Menschenrechten, also auch von Rechtsstaatlichkeit und unserer Verfassung betrifft. Wir haben nunmehr die Möglichkeit, ein Zeichen zu setzen.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 b und 1 c auf:

Beratung

b) Entschließung des Landtages zu den Verbrechen der Neonazi-Bande „Nationalsozia

listischer Untergrund“ und zur Arbeit der Sicherheitsbehörden