Liebe Kolleginnen und Kollegen! Jetzt müssen wir die Chance nutzen, die sich uns bietet. SachsenAnhalt kann - das können nicht viele sagen - aus der schwierigen Finanzkrise in Europa gestärkt hervorgehen; denn wir haben im Gegensatz zu Griechenland, zu anderen europäischen Ländern und auch zu manch anderem Bundesland in Deutschland die finanziellen Spielräume, um die Zukunft Sachsen-Anhalts selbst zu gestalten.
Der Kurs der Konsolidierung verschafft uns über die Jahre hinweg Freiheit beim Fällen von Entscheidungen. Die politischen Weichenstellungen werden hier in diesem Hohen Hause vorgenommen; das ist auch richtig so. Lassen Sie uns deshalb vor allem inhaltlich diskutieren und gemeinsam dafür sorgen, dass Sachsen-Anhalt weiter vorankommt.
Die heute vorgelegten Vorschläge und Konzepte der Regierung sind eine Basis dafür. Wir bieten den Koalitionsfraktionen, aber ausdrücklich auch der Opposition, den Kommunalpolitikern und den Verbänden einen fairen und offenen Dialog an. Denn - das habe ich vorhin schon gesagt - die Entscheidungen, die wir jetzt treffen, werden auf Jahre hinaus wirken.
im Vordergrund stehen, sondern dass das Land im Vordergrund steht, dann ist der nötige Paradigmenwechsel in Sachsen-Anhalt auch möglich. Wenn die Sachsen-Anhalterinnen und SachsenAnhalter spüren, dass sich die Politik hier im Land ihrer Probleme annimmt, auch einmal über Parteigrenzen hinweg, dann werden auch ihre Zukunftssorgen kleiner. Das ist unsere Hauptaufgabe.
Dann werden sie sich noch mehr für SachsenAnhalt ins Zeug legen. Viele in Sachsen-Anhalt sind das Graue-Maus-Image wirklich leid. Sie wollen mitgestalten. Ich möchte dafür werben, dass wir alle das begleiten. Wenn sich immer mehr überlegen, was sie nicht nur für sich, sondern auch für Sachsen-Anhalt tun können, dann werden wir zu einer Topregion in Europa. - Schönen Dank.
Vielen Dank für die Einbringung des Haushaltsplanentwurfs, Herr Minister. - Wie eingangs erwähnt, ist eine 120-Minuten-Debatte in der Redezeitstruktur F vereinbart worden. Allen im Hause ist sicherlich aufgefallen, dass der Minister der Finanzen länger als vorgesehen gesprochen hat. Das bedeutet, dass die Redezeit jedes nachfolgenden Debattenredners um zehn Minuten verlängert wird.
Die Reihenfolge der Redebeiträge sieht wie folgt aus: DIE LINKE, CDU, GRÜNE und SPD. Als erster Debattenredner hat der Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE Herr Gallert das Wort.
Verehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich danke dem Finanzminister ausdrücklich für seine Rede. Ich hatte ihn gestern gebeten, ein bisschen länger zu reden. Diese Bitte zumindest hat er erfüllt. Ich denke, es wird heute eine interessante Debatte werden; denn wir befinden uns in einer unwahrscheinlich spannenden Zeit, einer Zeit - darin stimme ich mit ihm durchaus überein -, in der über einen solchen Landeshaushalt nicht debattiert werden kann, ohne dass wir auch die europäischen und weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen reflektieren.
Es ist eine Zeit, in der nach ziemlich viel Hin und Her und vielen Auseinandersetzungen im Bundestag ein deutscher Beitrag für einen Rettungsschirm in Höhe von sage und schreibe 700 Milliarden € beschlossen worden ist. Es ist eine Zeit, in der öffentlich darüber diskutiert wird, dass die Eurozone vor dem Verfall steht, und in der demokratische Grundrechte für einen Großteil der Bevölkerung in der Europäischen Union entweder durch private Ratingagenturen oder durch entsprechende Kontrolleure aus Brüssel außer Kraft gesetzt werden. Ich stimme mit Ihnen durchaus darin überein, dass
Nun könnte man möglicherweise sagen: 700 Milliarden € für den Rettungsschirm, Ausgaben in Höhe von 10 Milliarden € im Land Sachsen-Anhalt - was haben diese Dinge miteinander zu tun? Sie liegen sehr weit auseinander. - Nein - das sage ich ausdrücklich -, sie liegen nicht sehr weit auseinander; denn es wäre eine völlige Illusion zu glauben, dass wir hier im Land Sachsen-Anhalt von den Risiken, die mit dieser Eurokrise, mit dieser Finanzkrise verbunden sind, nicht betroffen wären.
Ich möchte kurz auf eines hinweisen - der Finanzminister hat es gesagt -: Für die Zahlung von Zinsen sind in unserem Haushaltsplan pro Jahr Mittel in Höhe von 800 Millionen € veranschlagt. Niemand von uns kann heute garantieren, dass sich diese Summe aufgrund der aktuellen Finanzkonzeption in der Welt und in Europa nicht innerhalb weniger Jahre verdoppelt.
Man könnte jetzt glauben, so etwas kann nur den Griechen passieren, so etwas kann nur den Italienern, den Portugiesen oder den Spaniern passieren. Auch das ist typisch deutsche Arroganz, die wir in den letzten Monaten erlebt haben, die bei den Politikern oft festzustellen war.
Nein, liebe Kolleginnen und Kollegen, so ist es nicht. Allein Spanien ist in diesem Jahr bereits dreimal in seiner Kreditwürdigkeit herabgestuft worden. Die Anleihen verteuern sich für den spanischen Staat innerhalb dieses Jahres um etwa 200 %. Kann uns, der Bundesrepublik Deutschland, so etwas nicht passieren? - Doch.
Spanien ist im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland deutlich weniger verschuldet. Die spanische Staatsverschuldung liegt - je nach Berechnung - zwischen 60 und 70 % des Bruttoinlandsprodukts. Die deutsche Staatsverschuldung liegt bei 83 % und die portugiesische, auf die man nun schon sozusagen mit einem superarroganten Blick herabsieht, bei 93 %.
Nein, angesichts der aktuellen Finanzkonzeption kann niemand von uns garantieren, dass nicht auch Deutschland irgendwann in das Blickfeld internationaler Finanzspekulationen gerät. Dann zahlen wir nicht 800 Millionen € Zinsen, sondern wir zahlen ruckzuck 1,6 Milliarden € Zinsen für unsere Schulden. Deswegen ist es wichtig, darüber nachzudenken.
Die Deutsche Bank hat errechnet, dass das gesamte finanzielle Risiko des europäischen Rettungsschirms auf Dauer für die Bundesrepublik Deutschland bei 400 Milliarden € liegt. Wir gehen einmal von den üblichen 2,5 % aus, die auf Sachsen-Anhalt entfallen würden, dann hieße das für
uns, wenn es tatsächlich zu einer Inanspruchnahme käme, ein Risiko in Höhe von 10 Milliarden €, und wir haben es nicht in der Hand, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Demgegenüber sind all die Dinge, die wir hier tun, mehr oder weniger Marginalien. Wenn wir uns nicht um diese Dinge kümmern, dann müssen wir uns irgendwann auch nicht mehr über die Landeshaushalte unterhalten. Deswegen stimme ich Herrn Haseloff ausdrücklich zu: Ja, die Länder müssen auch auf der Ebene der europäischen Finanzpolitik aktiv werden; denn dort wird mehr über unser Schicksal entschieden als heute hier.
Darauf gibt es typische Reaktionsmuster: Wir reduzieren die Schulden, indem wir die sozialen Standards abbauen, indem wir öffentliches Eigentum verscheuern und indem wir die Investitionen herunterfahren. Dafür gibt es hervorragende Beispiele. Wir sehen das zurzeit an Griechenland. Das Ergebnis ist: Das Defizit wird immer größer.
Spanien hat im Februar bzw. im März dieses Jahres ein Sparkonzept beschlossen, das all das enthalten hat: massenhaftes Verscheuern von Staatseigentum, Kürzungen von Sozialleistungen usw. Am nächsten Tag - das war hochinteressant - gab es die folgende Meldung: Die private RatingAgentur Moody’s stuft Spaniens Kreditwürdigkeit um eine Stufe herunter.
Warum? Die Begründung war einleuchtend: Nach diesem Sparbeschluss ist die Finanzkraft des Staates Spanien so stark angeschlagen, dass dieses Land droht, in eine Rezession zu rutschten und damit seine Schulden nicht mehr zurückzahlen zu können.
Das ist der volkswirtschaftliche Zusammenhang, liebe Kollegen, den wir hierbei beachten müssen. Deswegen sage ich ausdrücklich: Diese Finanzkrise werden wir nicht bewältigen, indem wir sparen, sparen, sparen und damit unsere Perspektive wegrationalisieren.
Ich möchte noch etwas zur europäischen Idee sagen, auch das ist wichtig in diesem Haus. Was glauben wir wohl, wie sich die europäische Idee in Ländern entwickeln wird, bei denen Brüssel darüber entscheidet, dass die Renten um ein Drittel gekürzt werden, bei denen Brüssel darüber ent
scheidet, dass so und so viele Menschen entlassen werden? Was glauben wir wohl, wie sich die europäische Idee in solchen Ländern entwickelt?
Liebe Kollegen, auch wir in Deutschland sind nicht frei davon. Diese typische Argumentation: Die faulen Griechen, Spanier und Portugiesen leben auf unsere Kosten - ist das die europäische Idee? - Das ist nicht die europäische Idee. Das ist Nationalismus. Das ist Nationalismus, der sich in dieser Finanzkrise realisiert, und der gehört bekämpft, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Ich kann nicht auf alle Dinge eingehen, aber drei Alternativen will ich benennen. Erstens. Wir haben nicht schlichtweg ein Schuldenproblem in dieser Europäischen Union. Ich möchte diesbezüglich zwei Zahlen nebeneinander legen:
Die öffentliche Verschuldung in der Bundesrepublik Deutschland beträgt ca. 1,78 Billionen €. Damit sind alle öffentlichen Haushalte erfasst - 1,78 Billionen €. Die reichsten 1 % der Bevölkerung der Bundesrepublik Deutschland besitzen nach den vorsichtigsten Berechnungen ein Vermögen von ca. 1,7 Billionen €, nach anderen Berechungen von 2,3 Billionen €. Das ist das Vermögen der reichsten 800 000 Menschen in dieser Bundesrepublik Deutschland.
Ich möchte etwas aus einem Papier zitieren - Sie sollten es sich aus Internet herunterladen und es sich ansehen -, nämlich aus dem D.A.CH-Vermögensreport der Valluga AG. Während die öffentlichen Kassen in Europa kollabieren und nicht mehr in der Lage sind, sich gegen die Finanzspekulationen zur Wehr zu setzen, kommt hierin Folgendes zum Ausdruck: Millionäre brechen im Jahr 2010 alle bisherigen Rekorde. Traumbedingungen an Kapital- und Rohstoffmärkten und das starke Wirtschaftswachstum verhelfen den Millionären zum Allzeithoch.
In Deutschland, Österreich und der Schweiz besitzen 1,054 Millionen Personen mehr als 1 Million € reines Finanzvermögen. Im Vergleich zum Vorjahr ist das eine Steigerung um 7 %. Die Euro-Millionäre bauen ihr Vermögen im Jahr 2010 gegenüber dem Jahr 2009 um sage und schreibe 243 Milliarden € auf. Das ist eine Steigerung um 9,3 % bei einem durchschnittlichen Wirtschaftswachstum in diesem Zeitraum in Höhe von 3 % - dreimal so hoch wie das Wirtschaftswachstum.
Das Vermögen in dieser Region ist stark konzentriert. 1 % der Bevölkerung verfügt über 33,2 % des Eigentums. - Das ist die Kehrseite der öffentlichen Verschuldung. Daher kommt sie, und wer die öffentliche Verschuldung bekämpfen will, der
muss eine Neuverteilung realisieren. Wir haben keine Schuldenkrise; wir haben eine Verteilungskrise in Europa, liebe Kolleginnen und Kollegen.
Das ist unser zentrales Problem und das muss angegangen werden. Wir haben dazu steuerpolitische Vorschläge, auch für den europäischen Bereich, unterbreitet.
Zweitens. Öffentlich-rechtliche Kredite werden zurzeit leider nicht eingesetzt, um die Schuldenkrise in Europa zu bekämpfen. Die Europäische Zentralbank vergibt an private Banken Kredite in der Zinsspanne zwischen 1 % und 2 %, die geben sie dann an die Schuldenländer gegen Zinsen in Höhe von 6 % bis 10 % weiter, verdienen sich eine goldene Nase und lassen sich das Risiko durch den Euro-Rettungsschirm absichern. Liebe Kolleginnen und Kollegen, das ist doch absurd.