Protocol of the Session on October 7, 2011

Achtens. Die Landesregierung wird die ständig steigenden Kosten in den Bereichen Sozialhilfe, Schulen in freier Trägerschaft und Verfahrenskosten bei Gericht strukturell überprüfen und Vorschläge für Einsparungen unterbreiten. Bei diesen Ansätzen geht es um rund 1 Milliarde €.

Neuntens. Auch in dem Haushaltsplanentwurf für die Jahre 2012 und 2013 haben wir alle Mittel für den Städtebau gebunden.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Das ist kein kompletter Überblick; das soll es auch nicht sein. Denn ich weiß auch, dass noch mehr wünschenswert ist. Ich weiß auch, dass zu den Haushaltsberatungen viele Verbände und Vereine viele Briefe schreiben und noch schreiben werden.

Aber reden wir bitte auch über den Preis für solche Wünsche. Das wird in den Debatten nämlich oft vergessen. Gestern hatte ich ab und zu auch den Eindruck, dass über die Kosten, die mit bestimmten Entscheidungen verbunden sind, nicht geredet wird.

Wir wollen als Deutsche immer bessere Straßen haben, aber wir wollen dafür keine zusätzlichen Beiträge zahlen. Wir wollen eine prima funktionierende Verwaltung, aber eigentlich wollen die Menschen keine neuen Beamten. Wir wollen, um es auf den Punkt zu bringen, einen Sozialstaat wie in Skandinavien und ein Steuersystem wie in den USA. Das passt aber nicht zusammen, nicht in der Krise und auch nicht in konjunkturell guten Zeiten.

(Zuruf von der CDU: So ein Quatsch!)

Das gilt für alle Bereiche.

(Zurufe von der CDU)

- Na ja, ich glaube, die CDU ist nicht mehr in der Lage zu sagen, dass sie die einzige Partei wäre, die Vorschläge dazu macht, wo man sparen könnte. Ich könnte ein paar Beispiele nennen, bei denen Sie, was die Ausgaben betrifft, kräftige Vorschläge unterbreiten. Man sollte sich nicht besser machen, als man ist.

(Herr Schröder, CDU: Bei Investitionen!)

Ich glaube, dass die Prämisse, dass man Einnahmen und Ausgaben immer im Blick haben sollte, für das Private, für die Unternehmen und auch für die öffentliche Hand gilt, für den Bund, die Länder

und die Kommunen. Denn dort - das weiß ich auch - spielt sich das Leben ab. Aber die Kommunen werden sich diesen Gegebenheiten genauso stellen müssen.

Wenn es um das Recht und die Freiheit geht, Entscheidungen wirklich vor Ort treffen zu können, werden die Kommunen auf ihr Recht auf kommunale Selbstverwaltung pochen. Dazu stehe ich ausdrücklich.

Das Land wird deshalb die Städte, Dörfer und Landkreise nicht hängen lassen. Ich sage hier auch: Das hat es auch bisher nicht getan. Im Gegenteil: Wir bieten - ich habe es gestern ausführlich vorgestellt - ein Bündnis für starke Kommunen für die nächsten Jahre an. Ich möchte das jetzt nicht weiter erläutern; das habe ich gestern getan.

Insgesamt stellt das Land den Kommunen mit dem FAG, mit den verschiedenen Stark-Programmen und aufgrund des geringen Kommunalisierungsgrades, wo zum Beispiel die Sozialhilfe beim Land liegt - andere Länder handhaben das anders -, allein im direkten Bereich Mittel in Höhe von 2,5 Milliarden € zur Verfügung. Das ist ein Viertel des gesamten Landesetats. Angesichts dessen kann man wohl nicht davon sprechen, dass sich das Land auf Kosten der Kommunen schadlos halte. Solche Vorwürfe zeugen meiner Meinung nach von einer sehr egoistischen Sicht auf die Gesamtsituation im Land.

Um den gemeinsamen Konsolidierungskurs weiter aktiv zu begleiten, habe ich gestern vorgeschlagen, einen kommunalen Stabilitätsrat zu gründen. Dieser Rat soll dann zweimal im Jahr über die Konsolidierungsfortschritte aller Kommunen, letztlich aber auch kommunenscharf regelmäßig beraten und dort, wo es Probleme gibt, zusätzliche Schritte einleiten.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei allen Debatten sollte beachten werden, dass es einen Grundgedanken der Solidarität auch innerhalb der kommunalen Familie geben muss, auch zwischen dem Land und den Kommunen, in beide Richtungen. Deshalb darf niemand diese Debatte überspannen. Es kann nur um einen fairen Lastenausgleich gehen, damit beide Seiten in den nächsten Jahren ihre Spielräume nicht überdehnen.

Auch hierbei gilt: Der Paradigmenwechsel, der uns auf der Landesebene begegnet, muss auch auf der kommunalen Ebene Einzug halten. Es muss klar sein, dass bestimmte Dinge eben nicht gehen, wenn das Geld nicht ausreicht.

Es ist eine Logik, die nicht mehr funktioniert: Man will unbedingt investieren, also muss jemand das Geld dafür besorgen. Wenn das nicht geht, dann nimmt man eben Kredite auf; und wie sich das auf die Zukunft auswirkt, das müssen diejenigen, die danach kommen, klären. Ich denke, so werden die

kommunale Selbstverwaltung und auch die Landespolitik auf Dauer nicht funktionieren.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Beim Ausbau von Rechten und Freiheiten geht es natürlich auch um das Parlament, gerade beim Haushalt. So verwiesen Abgeordnete in den letzten Wochen darauf, dass die Regierung nur Vorschläge unterbreiten könne; das Sagen habe natürlich das Parlament, das auch entscheide. Das habe ich gestern auch mehrmals gehört. Das war mir ja nun ganz neu. Ich kenne aber das Spannungsfeld; ich habe gestern beim FAG schon darauf hingewiesen.

Dann habe ich gehört, dass mit dem neuen Verfahren zur Haushaltsaufstellung die parlamentarischen Rechte eingeschränkt würden. Das bestreite ich. Ich denke, das ist ganz anders. Mit dem Verfahren zur Aufstellung des Haushalts und dem vorliegenden Finanzkonzept wird das Budgetrecht gestärkt. Damit werden die Einflussmöglichkeiten des Landtages in einer Art und Weise ausgebaut wie noch nie zuvor in der Geschichte SachsenAnhalts. Ich weiß, jetzt werden einige murren.

(Unruhe bei der LINKEN)

- Genau das habe ich gewusst. Ich habe es sogar in mein Manuskript geschrieben. - Aber erinnern wir uns bitte: Bei den Beratungen zum Haushaltsplan für die Jahre 2010 und 2011 gab es heftige und lange Debatten. Es wurde ein Beschluss gefasst und ich habe noch am selben Tag aufgrund der Höhe der globalen Minderausgabe eine Haushaltssperre ausgesprochen. Wenn das keine Einschränkung von parlamentarischen Rechten ist …

Ich hatte das Recht und die Pflicht, das zu tun, weil wir eine sehr hohe globale Minderausgabe haben. Der Einfluss des Parlaments auf den Vollzug wurde dadurch natürlich sehr stark beeinträchtigt. Damit ist jetzt Schluss. Da es überhaupt keine zentrale GMA mehr gibt, braucht man im Vollzug keine Haushaltssperre mehr. Auch ein solcher Ansatz ist neu in Sachsen-Anhalt.

Den Fall einer Finanzkrise, wie wir sie beim letzten Mal hatten, einmal außen vor gelassen - diese würde alles infrage stellen -, sage ich ganz klar: Das, was der Landtag im Januar 2012 in zweiter Lesung hier beschließen wird, wird auch umgesetzt werden. Und das finde ich gut so.

Das Parlament wird künftig auch Verantwortung für den Vollzug tragen; denn das Parlament ist auch dann gefragt, wenn es im Land irgendwo Probleme gibt. Es ist gefragt, wenn auf einmal die Frage aufkommt: Wie ist es denn mit zusätzlichen Mitteln beim Thema Hochwasser und anderem? Das wird nicht mehr allein auf den Finanzminister abzuwälzen sein nach dem Motto: Wenn er uns mehr Geld geben würde, dann wäre die Welt relativ einfach. Es gibt Eckwerte und es gibt Budgets. Und das Parlament wird dann direkt in Bezug auf sehr konkrete Maßnahmen im Vollzug gefragt sein.

Sie werden merken, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Ministerinnen und Minister noch näher an Ihre Seite rücken;

(Zuruf von Frau Dr. Klein, DIE LINKE)

denn auch deren Rechte und Entscheidungsfreiheiten sind erheblich ausgebaut worden. Sie können jetzt im Rahmen ihrer mehrjährigen Eckwerte dem Parlament Vorschläge zur Verteilung der Mittel, zur Erhöhung von Einnahmen oder zur jährlichen Übertragung von Mitteln unterbreiten. Einsparungen und Reformanliegen bleiben in bestimmtem Umfang erstmals bei den Ressorts.

Die Ressorts haben aufgrund der stabilen Rahmenbedingungen nun die Möglichkeit, langfristige Konzepte innerhalb der mittelfristigen Finanzplanung zu entwickeln, diese mit Ihnen zu besprechen und sie dann für die betreffenden Jahre umzusetzen. Auch das gab es in dieser Konsequenz noch nicht.

Zu den elementaren Rechten und Freiheiten, liebe Kolleginnen und Kollegen, gehört der Meinungsstreit. Auch ich beteilige mich gern daran, manchmal auch impulsiv. Ich lege bestimmt nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Ich bin davon überzeugt, dass es gerade in der heutigen Zeit, die schwer durchschaubar ist, in der die Milliarden nur so durch die Luft wirbeln, darauf ankommt, eine klare Sprache zu finden. Wir brauchen auch den Mut, Dinge offen anzusprechen, statt uns wegzuducken und Dinge zu verklausulieren, auch wenn man weiß, dass es nicht populär ist.

Das Denken in Wahlzyklen macht die Leute kirre. Die Leute haben nämlich - davon bin ich überzeugt - ein Gespür dafür und übernehmen am Ende auch eine Verantwortung, wenn ihnen Dinge offen gesagt werden, auch wenn sie schwierig sind. Sie erwarten aber von der Politik, dass Vorschläge gemacht werden. Und das ist unsere Aufgabe, zuvörderst die Aufgabe derjenigen, die regieren. Die Leute brauchen keinen Politiker, der ihnen ein Problem erklärt. Das bekommen die meisten auch allein hin.

Die Menschen haben einfach keine Lust mehr, uns - damit meine ich alle, die hier sitzen - immer wieder in abgenutzten Ritualen zu erleben, in denen, wenn der eine etwas vorschlägt, reflexartig alles, aber auch alles - das habe ich gestern wieder erlebt - abgelehnt wird, weil anscheinend alles, was die Regierung macht, Blödsinn ist. Das glaubt derjenige, der so etwas erzählt, doch selber nicht. Es gibt nicht auf der einen Seite diejenigen, die alles können, und auf der anderen diejenigen, die alles falsch machen.

Die Leute fragen sich: Was machen die da oben eigentlich? Sie differenzieren nicht zwischen Opposition und Regierungsfraktion. Sie stellen die gesamte politische Klasse infrage. Das sollte sich bei

solchen Verhaltensmustern jeder immer wieder vor Augen halten.

Wie läuft eine solche typische Woche eigentlich ab? - Am Montag wird der Finanzminister vom Rechnungshof in den Medien dafür kritisiert, dass er zu wenig spart. Am Dienstag wird er von der eigenen Fraktion und vom Koalitionspartner dafür kritisiert, dass er an der falschen Stelle spart. Am Mittwoch warnen Gewerkschaften, Wirtschaft und Verbände vor einem Totsparen. Am Donnerstag fordert die Opposition mehr Geld für ganz wichtige Dinge, je nachdem, was gerade medial aktuell ist. Am Freitag ist der Aufschrei der Kommunen groß, weil angeblich alles den Bach hinuntergeht; es wird gefordert, das Land solle doch selbst sparen. Am Wochenende gibt es dann eine kurze Verschnaufpause. Medien kommentieren messerscharf sowohl in die eine als auch in die Richtung. Am Montag geht es dann wieder von vorn los.

Diese Rituale in der Politik - ich erlaube mir, das zu sagen, weil ich dem Parlament schon seit 20 Jahren angehöre und das auch mitgemacht habe -, diese Politik von Interessenvertretern und Medien wollen die Leute nicht mehr. Sie wollen eine andere Streitkultur.

(Zustimmung bei der SPD)

Sie wollen Streit. Sie wollen Streit zwischen uns, aber auf eine andere Art und Weise. Das geht an die Adresse von uns Politikern, an die Adresse der Lobbyisten, aber auch an die Adresse der Medien. Ich sage aus eigenem Interesse: Wir müssen anders miteinander umgehen, gerade bei Themen, die für die Leute von zentraler Bedeutung sind.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Die Menschen planen in ihrer kleinen Welt doch ähnlich. Sie wissen auch, dass sie sich nicht alles leisten können. Für die Ausbildung der Tochter muss Geld zurückgelegt bzw. bereitgestellt werden. Weil man vielleicht auch im Alter gut leben will, spart man, wenn man kann, eine kleine Versicherung an. Weil man weiß, dass Gas und Strom möglicherweise teurer werden, wird vorsorglich Geld zurückgelegt.

Diese Finanzpolitik spiegelt sich am Ende auch in unserem größeren Haushalt wider. Deswegen sind die Leute, glaube ich, viel cleverer bei der Bewertung dessen, was wir tun, als wir manchmal glauben. Pflegen wir also eine andere Art der Auseinandersetzung auch und gerade beim Haushalt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Wir haben in den vergangenen 20 Jahren - das möchte ich ausdrücklich sagen - als Parlament vieles bewegt. Darauf sollten wir alle auch stolz sein, alle. Wir hatten immer das Ziel, das Land voranzubringen, Koalition wie Opposition. Das schließt alle bisherigen Regierungen ein. Niemand hatte die Weisheit gepachtet.

Der Weg war steinig und er war nicht frei von Fehlern der Politik. Sich dies ab und zu einzugestehen, ist schmerzhaft, aber es ist, glaube ich, wichtig.

(Herr Kolze, CDU: Ja!)

Alle hier im Landtag vertretenen Parteien haben Anteil daran, dass wir einen Schuldenberg von 20 Milliarden € angehäuft haben, der uns jährlich mit Zinsen in Höhe von 800 Millionen € belastet. Das ist viermal so viel wie der Betrag, den der Freistaat Sachsen mit einem größeren Haushalt aufwenden muss. Diese hohen Zinskosten und die zu hohen Personalausgaben dämpfen eindeutig die Investitionsausgaben.

In dem Zeitraum von 1992 bis 1997 bewegte sich die Nettokreditaufnahme in dem Bereich von 1,2 Milliarden € und 1,8 Milliarden €. Das ist heute unvorstellbar. Doch für diese Hypothek trage auch ich, der von Anfang an dabei war, Mitverantwortung. Die Schulden Sachsen-Anhalts sind rot, schwarz, gelb und grün. Das Land ist in vielen Bereichen vorangekommen, hat aber auch die Banken unheimlich reich gemacht.

Dies ist weder eine linke noch eine konservative Politik. Das war ein Kurs, der korrigiert werden musste. Ich denke, das muss auch in den nächsten Wahlperioden geschehen, egal, wer die Regierung stellt.

(Zustimmung von Frau Niestädt, SPD)